Protocol of the Session on January 29, 2003

Meine Damen und Herren, genau das ist der Wischiwaschikurs. Ich komme jetzt auf Ihren Antrag von der SPD zu sprechen. Ich greife Ihre Formulierung von heute Vormittag oder heute Mittag noch einmal auf: „Der Landtag ist aufgrund der derzeitigen Lage gegen einen Krieg gegen den Irak.“

Wie ist die derzeitige Lage, Herr Gantzer? Wie interpretieren Sie das? Sie sprechen anschließend. Ich hätte gerne eine Antwort darauf. Heißt das, dass für Sie auch eine Situation vorstellbar ist, in der der Krieg das letzte Mittel ist? Nur so kann ich diese Formulierung verstehen. Ich bitte Sie, hier klar zu sagen, wie diese Situation aussieht. Ansonsten kann ich nur feststellen, Sie sind entweder anderer Meinung als der Bundeskanzler, oder Sie machen eine Sowohl-als-auch-Politik.

In dem zweiten Absatz heißt es, dass die Bundesregierung mit ihrer Friedenspolitik viel bewegt hat. Ich kann nur sagen: Sie haben Friedensdemonstrationen gemacht, bewegt haben sie überhaupt nichts.

(Beifall bei der CSU – Zuruf des Abgeordneten Gartzke (SPD))

Frau Köhler, ich komme auf Ihren Begriff der Annäherung zurück, der hinreichend unscharf war. Was heißt Annäherung? Seit langem besteht eine große Übereinstimmung, dass alles zu tun ist, um einen Krieg zu vermeiden. Tony Blair hatte da vielleicht von Anfang an eine andere Position, oder er hat von Anfang an stärker auf einen Militärschlag gesetzt. Alle anderen europäischen Länder hatten immer diese Position, wir auch.

Aufgrund der Entwicklung der Situation in den letzten 14 Tagen ist noch deutlicher an die Adresse der USA gesagt worden, eine Entscheidung kann letztlich nur die UNO treffen. Das ist aber eine spezifische Position der Bundesregierung. Zu dem entscheidenden Punkt im Hinblick auf die Frage der Wirkung einer Drohung, jetzt schon zu erklären, dass ein Militärschlag in keinem Fall in Frage kommt, egal wie sich Saddam Hussein verhält, bitte ich Sie, Frau Köhler und Sie, Herr Gantzer, mir anschließend die Länder aufzuzählen, die das ebenfalls erklärt haben.

(Dr. Bernhard (CSU): Sehr gut! – Beifall bei der CSU)

Dann reden wir weiter. Nach meiner Erkenntnis steht hier Deutschland nach wie vor allein.

(Gartzke (SPD): Mit Frankreich!)

Das ist doch gar nicht wahr. Verkaufen Sie die Menschheit nicht für dumm. Frankreich hat das überhaupt nicht erklärt. Chirac denkt überhaupt nicht daran, das zu erklären, –

(Beifall bei der CSU)

weil er ganz genau weiß, dass diese Option offen bleiben muss.

Ich wage eine Prognose: Wenn die Amerikaner – selbst ohne UNO-Resolution – einen Militärschlag machen, dann werden mit höchster Wahrscheinlichkeit die Franzosen daran beteiligt sein. Die Deutschen werden innerhalb der NATO alleine stehen. Ich hoffe, dass es zu einer Entscheidung durch die UNO kommt und dass es ohne einen Alleingang geht.

(Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ist das Ihre einzige Sorge, dass Sie alleine sind? Denken Sie auch an die Toten, die es geben wird!)

Verehrte Frau Kollegin Stahl, wir werden zunächst einmal überlegen müssen, was es für unsere eigene Sicherheit bedeutet, wenn wir uns innerhalb der NATO völlig abseits stellen. Wir und unsere eigene Sicherheit leben von dem Bündnis. Ohne das funktionierende Bündnis werden wir auf Dauer keine Sicherheit haben, weder in der Terrorbekämpfung noch bei denkbaren anderen Bedrohungen.

(Beifall bei der CSU)

Von daher ist jede Art von Alleingang auch nicht zu verantworten.

(Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das macht er schon!)

Herr Kollege Gantzer, ich weiß nicht, ob Sie der Autor dieses Textes sind, die Formulierung im ersten Absatz, „wegen des Widerstands der Mehrzahl der Verbündeten hat die Bush-Regierung die eigene Politik korrigieren müssen: Im Irak sind jetzt wieder UNO-Inspektoren im Einsatz“, ist die größte intellektuelle Unredlichkeit, die man in so einer Argumentation überhaupt gebrauchen kann.

Dass die Inspektoren im Einsatz sind, ist ausschließlich dem amerikanischen Druck auf die UN zu verdanken.

Das ist der Punkt, warum es überhaupt zum Einsatz der Inspektoren gekommen ist. Zu sagen, die Amerikaner hätten sich hier korrigiert, liegt meilenweit neben der Wirklichkeit. Das ist genau die Art von Umgang mit Verbündeten, mit denen man durchaus Meinungsverschiedenheiten haben kann – keiner von uns läuft blind hinter den Amerikanern her –, die diese kränken muss, weil sie falsch ist und weil permanent etwas unterstellt wird, was von der Sache her nicht gerechtfertigt ist.

(Beifall bei der CSU)

Ohne den Druck Amerikas gäbe es keine Inspektoren, und wir wären auf dem Stand, den wir vorher hatten ohne jede Aussicht auf Klärung der Sachverhalte. Ich bitte Sie, mit den Fakten ehrlicher umzugehen und nicht krampfhaft eine Position zu formulieren und zu zementieren, die es nicht gibt.

Zu diesem Thema zitieren Sie gern den Papst und die Bischöfe. Ich bin neugierig, bei welchem anderen Thema Sie das dann auch einmal praktizieren.

(Frau Elisabeth Köhler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Bei den Flüchtlingen!)

Zur Interpretation der kirchlichen Position darf ich aus einer Fernsehsendung des Bayerischen Rundfunks zum Thema „Irakkrieg“ vom Montag zitieren. Teilnehmer war unter anderem Prof. Dr. Gerhard Ludwig Müller, Bischof von Regensburg, ein als Theologe international sehr renommierter Mann mit einer sehr starken Verankerung im Vatikan.

Der Moderator zum Bischof:

Sie sagen aber, auch ein Präventivkrieg wäre unsittlich und nicht erlaubt. Ist denn das ein Präventivkrieg, oder wäre das ein Präventivkrieg?

Müller:

Dies konkret festzustellen, ist nicht direkt jetzt unsere Aufgabe, sondern das müssen eben die Politiker, die die Verantwortung tragen und demokratisch gewählt sind, letztlich entscheiden. Das Zweite Vatikanische Konzil hat ja von einer Autonomie der irdischen Lebensbereiche gesprochen. Man kann nicht unmittelbar die Fragen der Kultur, der Politik, der Kunst, der Wissenschaft jetzt unmittelbar mit theologischen Prinzipien nun entscheiden und – –

Er wird hier vom Moderator Lohmann unterbrochen:

Trotzdem sagen die Kirchen sehr deutlich Nein zu diesem Krieg.

Müller:

Woher haben Sie denn diese Gewissheit?

Lohmann:

Dann wird auch argumentiert mit dem gerechten Krieg – Thomas von Aquin. Gibt es überhaupt einen gerechten Krieg?

Müller:

Tja, die Lehre vom gerechten Krieg ist nicht entwickelt worden, um den Krieg zu rechtfertigen, sondern um die Bedingungen zu formulieren, unter denen individuelle Notwehr oder eine kollektive Not

wehr eines Staates oder einer Gesellschaft nun gerechtfertigt sind.

Lohmann:

Läge das jetzt vor?

Müller:

Ob es konkret vorliegt, das kann ich nicht von hier aus entscheiden. Es ist einfach ein Appell an das Gewissen der Verantwortlichen, alle Mittel zu prüfen und auszuschöpfen, die möglich sind, um unterhalb dieser Schwelle eines solchen Krieges, einer militärischen Auseinandersetzung, die natürlich auch für die Zivilbevölkerung und andere Bereiche weitere Konsequenzen und dann auch verheerende Folgen haben kann, alle Mittel auszuschöpfen, um zu einer Eindämmung und Beseitigung von Hussein zu kommen.

Dem können wir von Herzen zustimmen.

(Beifall bei der CSU)

Jetzt hat das Wort Herr Kollege Prof. Dr. Gantzer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auf die Einwendung von Herrn Kollegen Glück eingehend möchte ich zuerst zu den Anträgen Stellung nehmen wie folgt. Zunächst zu unserem Antrag: Beim Zusammensetzen des Antrags ist der Absatz, den Sie vermissen, fälschlicherweise als vorletzter Absatz abgedruckt. Deswegen ist zu Protokoll zu nehmen, dass der vorletzte Absatz, der die Gründe für unsere Ablehnung darlegt, als zweiter Absatz gleich hinter dem ersten Satz „Der Landtag ist aufgrund der derzeitigen Lage gegen einen Krieg gegen den Irak“ zu platzieren ist. Dann wird das nämlich logisch. Das hat nichts damit zu tun, dass wir hier eine Schwimmbewegung machen. Wir haben ganz klar die Gründe dargelegt, und der Klarheit wegen bitte ich, diese Gründe gleich hinter dem Kernsatz des Antrags aufzuführen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will mich zuerst mit allen Anträgen dahin gehend auseinander setzen, dass ich eine kleine sicherheitspolitische und militärische Betrachtung dessen, was dort passiert, vornehme, um das Bedrohungspotenzial einschätzen zu können. Militärgeschichte ist nichts anderes als die Analyse der Kräfte und Möglichkeiten, die es gegeben hat, um zu einem Krieg zu kommen. Wenn der Irak, der oft mit Hitler verglichen wird, keine See- und Luftstreitkräfte hat, die ein wesentliches Mittel der Kriegsführung sind, und wenn die Armeestärke nur 20% dessen beträgt, was sie im letzten Irakkrieg ausgemacht hat, dann zeigt allein das ein Bild der militärischen Stärke dieses Landes, die nicht so groß ist, wie Sie sie dargestellt haben. Das einzige ungeklärte Problem sind tatsächlich die Massenvernichtungsmittel. Um Aufklärung dieses Problems bemühen sich gerade die Inspektoren.

Fest steht auf jeden Fall – hier knüpfe ich bei Frau Kollegin Köhler an, und auch Sie haben dazu Stellung genommen, Herr Kollege Glück –, dass es erschreckend ist, die Protokolle der Senatsanhörung zum Irakkrieg und zu dem vorhergehenden Iran/Irakkrieg zu lesen. Mit dem Senat meine ich in diesem Fall natürlich nicht unseren Senat, sondern den amerikanischen Senat, der sich 1994 mit der Angelegenheit beschäftigt hat. In dem Protokoll ist nachzulesen, dass die USA mit vollem Wissen biologische und chemische Kampfstoffe während des Irak/Irankriegs an den Irak geliefert haben, und zwar auch nach dem Zeitpunkt, als diese Kampfstoffe in den Kurdendörfern im Norden des Iraks eingesetzt worden sind. Sie haben also gewußt, was der Irak mit solchen Mitteln gemacht hat. Ich muss sagen, das kann man dem amerikanischen Staat bis heute nicht verzeihen.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hinzu kommt, dass die Geheimdienste – damit meine ich die amerikanischen Geheimdienste – den Irak bis jetzt nicht mit dem globalen Terrorismus oder auch nur dem Anschlag am 11. September in New York in Verbindung bringen konnten. Stattdessen – deswegen ist die Warnung, die sie vorgenommen haben, durchaus ernst zu nehmen – waren von den 19 Attentätern 15 aus Saudi Arabien, aber keiner aus dem Irak. Insoweit haben Sie Recht, Herr Kollege Glück, wir sollten uns auch einmal Gedanken über das machen, was in den arabischen Staaten und insbesondere in Saudi Arabien abläuft und wie weit das eine Bedrohung ist.