Protocol of the Session on December 11, 2002

(Frau Radermacher (SPD): Das kann ich mir auch bei der CSU nicht vorstellen!)

Darum helfe ich Ihnen ja.

Da steht bei 7,3 in der Bergpredigt:

Was siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, den Balken in deinem Auge beachtest du nicht.

Dieses Zitat kennen Sie wahrscheinlich alle. Aber jeder versäumt, zwei Zeilen weiter in der Bergpredigt zu lesen; da steht noch etwas viel Schöneres im Anschluss an dieses Zitat, also Matthäus 7,5:

Du Heuchler! Zieh zuerst den Balken aus deinem Auge, dann magst du zusehen, wie du den Splitter aus dem Auge deines Bruders herausziehst.

Verehrte SPD, erst den Balken, dann kommen wir dran.

(Beifall bei der CSU)

In Ihrem Antrag fordern Sie, die Staatsregierung möge von ihrer Forderung nach einer Nullrunde Abstand nehmen. Also, ich habe bisher gelernt, dass in der Tarifgemeinschaft deutscher Länder nicht nur die Bayerische Staatsregierung vertreten ist. So viel ich weiß, sitzen dort auch SPD-Ministerpräsidenten oder Vertreter von SPDRegierungen. Das ist eigentlich eine ganz klare Geschichte. Das heißt also, wenn sich die Tarifgemeinschaft, der bekanntermaßen auch SPD-Länder angehören, auf eine Nullrunde festlegte, dann wäre das für Sie eigentlich, wenn man den Antrag annähme, ein Denkverbot für die Angehörigen der von der SPD regierten Ländern in der Tarifgemeinschaft. Sie können doch nicht auf der einen Seite die CSU auffordern und selber nicht dabei sein.

Sie sagen, die CSU bzw. die Staatsregierung möge die Tarifautonomie beachten und respektieren.

(Zuruf von der SPD)

Das tun wir doch.

Verehrter Herr Kollege Wörner – ich sehe Sie gerade so schön –, ich habe gehört, Sie haben gestern bei der großen Demonstration von ver.di auf dem Odeonsplatz sinngemäß gesagt, dass Sie die Forderung von ver.di voll unterstützten, auch die gesamte SPD im Landtag stünde dahinter. Da frage ich Sie: Was machen denn dann Ihre Vertreter in der Tarifgemeinschaft? – Sie können doch nicht draußen sagen, Sie seien dafür, und an anderer Stelle sind Sie dagegen. Sie verwechseln Ihr Mandat als Gewerkschaftsführer mit Ihrem Mandat als Landtagsabgeordneter. Da sollte man schon versuchen, ein bisschen zu differenzieren.

(Beifall bei der CSU)

Herr Kollege Franzke, wir beide verstehen uns relativ gut; es ist jedenfalls so, dass wir uns nicht laut streiten. Wenn Sie hier allerdings etwas vortragen, was nicht richtig ist, dann muss ich das klarstellen. In Ihrer Rede haben Sie gerade behauptet – das wird das Protokoll bestätigen –, Ministerpräsident Stoiber habe als Erster die Wochenarbeitszeit für Beamte auf 40 Stunden angehoben. Wenn er das war, dann kann das nur im Juni 1993 gewesen sein; denn damals ist er Ministerpräsident geworden. Ich darf Sie daran erinnern, dass Frau Simonis das eine Woche vorher gemacht hat. Sie müssen das also richtig zitieren. Beide waren im gleichen Boot. Frau Kollegin von Truchseß nickt mir zu, ich habe also Recht! Es ist eindeutig so, dass Frau Simonis damals die Erste war. Ich darf aber auch betonen, dass Ministerpräsident Stoiber das damals vor der Landtagswahl gemacht hat. Sie aber kommen mit solchen Dingen immer erst nach der Wahl.

Da Sie die Altersteilzeit angesprochen haben, kann ich mich nicht zurückhalten, auch dazu etwas zu sagen. Die Bayerische Staatsregierung hat ihren Entwurf für den Doppelhaushalt 2003/2004 am 30. Juli vorgelegt. Darin stand, dass die Antragsaltersgrenze für Altersteilzeit von 56 auf 58 Jahre hinaufgesetzt wird. Das ist vor der Wahl gewesen. Ich halte das für unangenehm – das weiß jeder hier im Haus –, aber es ist fair und deutlich gesagt. In Nordrhein-Westfalen hingegen hat Herr Clement am 24. September 2002 – damals war er noch nicht als Nachfolger des Bundeskanzlers vorgesehen –, und damit zwei Tage nach der Bundestagswahl in Düsseldorf beschlossen, dass die Altersteilzeit in toto abgeschafft wird. Das war nach der Wahl. Wir sind fairer, denn wir sagen das vor der Wahl, und damit weiß man, was wir wollen.

(Beifall bei der CSU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich denke, mit diesen Ausführungen habe ich hinreichend bewiesen, dass alle drei Argumente Ihres Antrags eindeutig falsch sind. Sie liegen daneben, und von Ihnen, Herr Kollege Franzke, hätte ich eigentlich erwartet, dass Sie dieses

Thema viel intelligenter angehen. Mit dem Thema Nullrunde bringen Sie Fragen des Tarifs in den Landtag, und dort hat es nichts verloren. Aus Achtung vor den Tarifparteien würden wir solche Anträge niemals stellen. Ich bitte darum, den Antrag abzulehnen.

(Beifall bei der CSU)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Sprinkart.

(Zeller (CSU): Da brauchen wir jetzt einen Dolmetscher!)

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehen wir uns den Antrag der SPD genau an. Im ersten Satz sagt sie: „Die Bayerische Staatsregierung wird aufgefordert, von ihrer Forderung nach einer Nullrunde für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes Abstand zu nehmen“. Das könnte man in zweierlei Hinsicht sehen. Wenn wir nur von der Erklärung des Ministerpräsidenten und den früheren Aussagen des Finanzministers ausgehen, dann haben Sie Recht, denn dann müsste man noch einiges dafür tun. In der „Welt am Sonntag“ lese ich allerdings folgende Stellungnahme des Finanzministers: „Ich trete für eine moderate Lohnerhöhung im öffentlichen Dienst ein, die eine angemessene Teilhabe der Beschäftigten am allgemeinen Einkommenszuwachs gewährleistet.“ Damit hat er das, was der Ministerpräsident gesagt hat, zurückgenommen. Wir haben hier also ein gewisses Wirrwarr an Aussagen.

(Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Kakophonie!)

Der Bundeskanzler hat dafür einen wunderbaren Begriff gewählt. Minister Huber hat ihn auch angesprochen, deshalb will ich ihn mir an dieser Stelle sparen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Interessant fände ich, wenn die Position des Finanzministers wirklich bestehen bliebe. Dann hätte er nämlich einen Haushalt, der nicht mehr stimmt. Auch das ist ein interessanter Gesichtspunkt. Man weiß dann nicht mehr, was eigentlich richtig ist.

Nun zum entscheidenden Thema, in diesem Fall zum fairen Umgang, Herr Kollege Dr. Eykmann: Sie haben vergessen zu sagen, was der bayerische Finanzminister mit der Bundesregierung wegen dieser beiden, von Ihnen beschriebenen Maßnahmen gemacht hat. Er ist über uns hergefallen wie über räudige Hunde. Deshalb muss er sich das jetzt auch gefallen lassen.

(Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Jetzt braucht Herr Eykmann einen Dolmetscher!)

Ich habe bereits heuer im Herbst gesagt: Ich werde in diese gegenseitigen Schuldzuweisungen nicht einstimmen, weil ich nicht weiß, wann es mich selbst trifft. Wenn der Staat also sparen muss, wird es vermutlich nicht gehen, ohne dass davon auch die Mitarbeiter im öffentli

chen Dienst betroffen sind. Ob das aber gleich ein Drittel der Haushaltssanierung sein muss, darüber kann man streiten; das ist eine andere Frage. Aus diesem Grund gilt meine Kritik, gilt unsere Kritik, nicht den grundsätzlichen Einsparungsmaßnahmen, sondern der Art und Weise, wie diese erfolgen. Es gab interessanterweise eine Mehrheit im Ausschuss für Fragen des öffentlichen Dienstes, das hat Herr Kollege Franzke bereits angesprochen.

Die Überschrift des Antrags „Fairer Umgang mit den Beschäftigten des öffentlichen Dienstes“ hätte ich allerdings – und hier stimme ich mit Ihnen, Herr Kollege Dr. Eykmann, überein – auf die Maßnahmen bezogen, die wir hier in Bayern beschlossen haben. Bei den Kürzungsmaßnahmen, die hier getroffen würden, kommen wir zu dem Ergebnis, dass sie in erster Linie die älteren Beamtinnen und Beamten treffen. Die Heraufsetzung der Antragsaltersgrenze für die Altersteilzeit auf 60 Jahre bedeutet, dass die Beamten im Vollzugsdienst überhaupt keine Altersteilzeit mehr beanspruchen können. Die Anhebung der Antragsaltersgrenze, die Streichung der Altersermäßigung bei den Lehrern und die Erhöhung der Selbstbeteiligung bei Klinikaufenthalten treffen vor allem die älteren Beschäftigten im öffentlichen Dienst, weil diese sich nicht mehr entsprechend versichern können. Ich denke, diese Vorgehensweise kann aus unserer Sicht nicht mehr toleriert werden. Wie schon gesagt, der Ausschuss für Fragen des öffentlichen Dienstes hat diese Vorgehensweise auch durch seine Beschlussfassung kommentiert.

Lassen Sie mich noch kurz auf einige der Maßnahmen eingehen, vor allem auf die Altersteilzeit. Die Maßnahmen bei der Altersteilzeit bringen keine Einsparungen.

(Franzke (SPD): Der Minister ging darauf nicht ein!)

Ich gehe jetzt darauf ein. Sie bringen keine Einsparung. Ich habe heute die sehr genaue Frage an den Finanzminister gestellt, wie hoch die Einsparungen aufgrund der jetzigen Maßnahmen in den nächsten fünf Jahren sein werden. Der Finanzminister aber hat auf meine Frage mit keinem Satz geantwortet. Er weiß auch genau warum, weil es nämlich keine Einsparungen gibt.

(Prof. Dr. Eykmann (CSU): Das ist aber nicht das Thema Nullrunde, Herr Kollege!)

Herr Kollege Eykmann, die Überschrift des Antrags heißt so schön: „Fairer Umgang mit den Beschäftigten des öffentlichen Dienstes“, und genau darüber spreche ich im Augenblick. Das werden Sie mir wohl nicht verwehren können.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es bringt also keine Einsparungen. Die Staatsregierung hat die Altersteilzeit – außer bei den Lehrern – zum Stellenabbau missbraucht. Jetzt, wo das geleistet ist, werden die Konditionen deutlich verschlechtert. Wenn man die Altersteilzeit kostenneutral haben will, könnte man über eine Gestaltung verhandeln. Das Ganze aber nach oben zu drücken, wird auch aus zweiter Sicht ein Bumerang sein. Es betrifft die Frühpensionierung. Wir wissen,

dass die Frühpensionierungen infolge der Altersteilzeit gesunken sind. Ihre Zahl wird vermutlich wieder ansteigen. Um gleich Ihrem Vorurteil vorzubeugen: Bei 70% der Beamtinnen und Beamten kommt der Antrag auf Frühpensionierung vom Arbeitgeber und nicht vom Arbeitnehmer. Es wird deutlich, dass man durch die Einengung der Altersteilzeit in erster Linie verdecken will, dass man zu wenig Nachwuchs ausgebildet hat. Infolge dessen handelt es sich hier um ein personalpolitisches Problem. Der arbeitsmarktpolitische Ansatz, junge Menschen einzustellen, um ihnen einen Arbeitsplatz zu geben und die Lebensälteren zu entlasten, hat angesichts von 4 Millionen Arbeitslosen auch weiterhin seine Berechtigung.

Nachdem ich nicht nur für Fragen des öffentlichen Dienstes zuständig, sondern selbst Landwirt bin, möchte ich am Schluss noch einen Vergleich aus der Landwirtschaft bringen. Vor einigen Jahren haben wir die Agenda 2000 beschlossen. Damals waren die Bauern und die CSU dagegen. Mit den Ergebnissen war niemand zufrieden. Jetzt will man die Agenda 2000 überprüfen, doch CSU und Bauernverband weisen das mit dem Argument „Das muss so bleiben, wir wollen Planungssicherheit“ zurück. Ich muss Ihnen sagen: Was für Bauern gilt, muss auch für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des öffentlichen Dienstes gelten. Auch sie sollen Vertrauensschutz und Planungssicherheit für ihre Lebensplanung haben. Hier wird mit zweierlei Maß gemessen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nächste Wortmeldung: Staatsminister Huber.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Eykmann hat den Antrag in seiner scharfsinnigen und klaren Argumentation bereits überzeugend widerlegt.

(Beifall und Heiterkeit bei der CSU)

Ich sage deshalb noch etwas, weil mehrfach die Staatsregierung, auch der Herr Ministerpräsident, angesprochen wurde. Der Staatsregierung wird ein unfairer Umgang mit dem öffentlichen Dienst vorgeworfen.

Ich darf dazu Folgendes sagen: Die Staatsregierung und der Freistaat Bayern sind in dieser Tarifauseinandersetzung als Arbeitgeber Partei. Wir mischen uns als Staat, der zur Neutralität verpflichtet ist, nicht in fremde Tarifverhandlungen ein, sondern wir dürfen in dieser Tarifauseinandersetzung die Arbeitgeberseite vertreten. Das ist völlig legitim.

(Beifall bei der CSU – Dr. Bernhard (CSU): So ist es!)

Wo darin eine Verletzung der Tarifautonomie liegen soll, dass müssen Sie begründen. Wir respektieren selbstverständlich, dass die Gewerkschaften ihre Position darlegen, dass Herr Bsirske jeden Tag seine Forderungen auf den Tisch legt, dass Kundgebungen stattfinden. Etwas problematischer halte ich zum jetzigen Stand der Ver

handlungen, die eigentlich noch gar nicht begonnen haben, dass mit Warnstreiks gearbeitet wird. Ich glaube, das ist etwas verfrüht. Dennoch kritisiere ich das jetzt nicht. Sie können uns aber nicht vorwerfen, dass die Arbeitgeberseite klar ihre Möglichkeiten darstellt. Ich finde, es ist fair und ehrlich, den Mitarbeitern zu sagen, was geht und was nicht.

(Beifall bei der CSU)