Protocol of the Session on December 10, 2002

eine Frau, die sich ganz klar für den Beruf entschieden hat, die sich entschieden hat, Politik und Beruf miteinander zu verbinden.

(Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Genauso sieht Ihre Wahlfreiheit aus: entweder – oder!)

Ich erwarte von Ihnen, dass Sie andere Frauen, die diesen Weg nicht gegangen sind, die für sich einen anderen Weg gewählt haben, genauso wertschätzen.

(Hofmann (CSU): So ist es!)

Hören wir doch endlich auf, uns gegenseitig vorzuwerfen, welchen Lebensweg wir gehen. Reden wir das andere nicht schlecht, akzeptieren wir die Entscheidungen, schaffen wir die Voraussetzungen, dass sich die Frauen tatsächlich entscheiden können.

(Beifall bei der CSU – Zuruf von der SPD: Das tun wir doch!)

Schaffen wir doch die Rahmenbedingungen, dass sich die Frauen tatsächlich entscheiden können.

(Zurufe von der SPD und vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt gute Voraussetzungen dafür. Denken Sie doch nur an die Ausbildungsmöglichkeiten. Was haben die Frauen inzwischen erreicht? – Mehr Mädchen als Buben besuchen weiterführende Schulen. Mehr junge Frauen als junge Männer haben erstmals in diesem Semester ein Studium an den bayerischen Universitäten begonnen. Mehr als 50% der Studienanfänger sind Frauen. Das ist doch toll. Sagen wir doch: „Für diese Frauen beginnt eine positive Zukunft.“ Ich könnt noch viele andere Bereiche aufzählen, wo wir etwas erreicht haben. Machen wir doch Mut. Arbeiten wir doch daran, strukturelle und auch andere Schwierigkeiten abzubauen. Der Präsident schickt mir ein Rotzeichen. Ich muss leider aufhören.

(Beifall bei der CSU)

Der Präsident schickt keine Drohzeichen, sondern Zeitzeichen.

(Zuruf von der SPD: Rotzeichen! – Heiterkeit bei der SPD)

Ach, Rotzeichen. Ich habe Drohzeichen verstanden. Nächste Rednerin ist Frau Kollegin Dr. Kronawitter.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Frauen sind keine besseren Männer. Daran habe ich mich zu Beginn Ihrer Rede erinnert gefühlt, Frau Kollegin Fickler.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben mit Ihren Ausführungen wirklich unter die Gürtellinie geschlagen. Das dient der Sache der Frauen wahrlich nicht.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Kollegin Prof. Männle, Sie haben sehr eingehend darüber gesprochen, dass Frauen die Wahlfreiheit zwischen Familie und Beruf bekommen sollen. Ich darf Ihnen sagen: Ich, als Person, habe diese Wahlfreiheit nutzen können, und ich stehe auch dazu, dass ich sie jahrzehntelang genutzt habe. Aber – und jetzt kommt das Aber – Tatsache ist, dass in Bayern derzeit fast 70 von 100 Frauen im erwerbsfähigen Alter berufstätig sind. Das heißt, für diese Frauen stellt sich die Frage der Wahlfreiheit offensichtlich nicht. Sie sollen oder wollen den Beruf ausüben.

(Hofmann (CSU): Was wollen Sie denn dann?)

Ich will Ihnen sagen, was ich meine. Eine erwerbstätige allein Erziehende kann sich nicht überlegen, ob sie zu Hause bleibt. Das ist der Punkt.

(Frau Radermacher (SPD): Sie muss arbeiten!)

Unter diesen von mir genannten 70 Frauen sind sehr viele genau in dieser Situation. Wir stellen also fest, dass viele Frauen im Erwerbsleben die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu bewerkstelligen haben. Sie müssen überlegen, wie sie es machen, um Kinder und Familie auf die Reihe zu bekommen. Im beruflichen Alltag müssen sich viele Frauen fragen, warum bei ihnen die Familie für die Karriere noch immer hinderlich ist, für die Männer hingegen nicht.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im beruflichen Alltag warten diese Frauen auch auf die Antwort, warum Frauen trotz guter, ja sehr guter Qualifikation, beruflich so schwer vorwärtskommen, jedenfalls schwerer als ihre männlichen Kollegen.

Es gibt noch eine weitere Tatsache, über die wir nachdenken müssen: Am Monatsende erfahren viele Frauen immer noch einen Unterschied, wenn sie auf den Gehaltszettel schauen. Sie verdienen in vergleichbaren Tätigkeiten rund ein Viertel weniger als ihre männlichen Kollegen. Sie verdienen weniger, obgleich nach dem Gesetz der Grundsatz „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ gilt.

(Beifall der Abgeordneten Lück (SPD))

Es stimmt also noch immer etwas nicht mit der tatsächlichen Chancengleichheit von Frauen im Berufsleben. Politik und Tarifvertragsparteien sind aufgefordert zu handeln. Ich pflichte Frau Kollegin Männle wirklich bei: Nicht alles kann von der Politik gemacht werden.

Politik beeinflusst aber ganz wesentlich die gesellschaftliche Einschätzung und die Diskussion in der Gesellschaft über bestimmte Probleme.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir müssen es als Skandal empfinden, dass 36% der Personalchefs die Verbindung von Frauen und Kindern – wenn Mütter erwerbstätig sind – als problematisch ansehen. Daran ist unter anderem sichtbar, warum Frauen schwerer vorankommen.

Für uns ist es untragbar, dass die Einkommensdifferenz zwischen Männern und Frauen bei vergleichbaren Tätigkeiten 25% beträgt. Diese Differenz – dazu gibt es exakte Studien – steigt mit wachsender Qualifizierung und mit der Dauer der Erwerbstätigkeit. Daran wird noch einmal Ungerechtigkeit deutlich.

Wir brauchen in Bayern eine Strategie, die diese Benachteiligungen abzubauen hilft. Diese Strategie wird von der EU-Kommission und von den Mitgliedsländern gefordert. Bayern muss jetzt in die Gänge kommen und seinen Beitrag dazu leisten.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir wünschen uns – und wir brauchen dieses auch – von der bayerischen Frauenministerin in Sachen Frauenförderung in der Privatwirtschaft noch mehr Impulse. Wir brauchen eine aktivere Unterstützung bei der Umsetzung der Vereinbarkeit zwischen der Bundesregierung und den Spitzenverbänden der Wirtschaft zur Förderung der Chancengleichheit in der Wirtschaft. Wir müssen mithelfen, dass Unternehmen erkennen: Frauenfreundlichkeit, Familienfreundlichkeit ist wettbewerbsförderlich.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt hat die Frau Kollegin Dodell das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Lochner-Fischer versucht, hier ein Bild zu malen, dass die CSU die Frauen zurück an den Herd drängt. Sie versucht, ein Bild von einem hinterwäldlerischen Land Bayern zu malen, das es den Frauen nicht ermöglicht, berufstätig zu sein. Sie versuchen, ein Bild zu vermitteln, dass Frauen in Bayern massiv behindert werden, berufstätig zu sein.

(Frau Steiger (SPD): Frau Dodell, Sie haben nicht zugehört! – Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Bayern ist nicht nur die CSU!)

Ich sage Ihnen: Genau das Gegenteil ist der Fall. Die Wirklichkeit sieht in Bayern ganz anders aus.

(Beifall bei der CSU – Frau Christine Stahl (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN): Das stimmt zwar, aber nicht wegen euch!)

Frau Kollegin Dr. Kronawitter, Sie haben zu Recht gesagt, in Bayern arbeiten circa 68 bis 70% der Frauen – auch mit Kindern. Das ist die Wirklichkeit. Die Frauen

gehen nicht zurück an den Herd, sondern viele Frauen bei uns arbeiten.

(Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Trotz Förderpolitik! Nicht wegen Eurer Politik!)

Viele tun das aufgrund ihrer persönlichen Wahlfreiheit. Sie haben sich dafür entschieden. Ich sage dazu: Wir sehen die Realität. Viele Frauen stehen heute unter einem großen Druck. Die Mieten sind hoch, viele Lebensstandards sind zu erfüllen.

(Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Kinderbetreuung ist schlecht!)

Davor machen wir die Augen nicht zu. Wir stehen ganz klar für die Wahlfreiheit der Frauen.

(Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ihr tut nichts dafür!)

Wir sollten nicht polemisch agieren wie Sie, sondern wir sollten gemeinsam versuchen, die Rahmenbedingungen zu verbessern, damit diese Wahlfreiheit auch gewährleistet ist.

(Beifall bei der CSU)

Bei Ihnen – und das ist nicht nur mein Eindruck – hat eine Frau, die sich der Erziehung und der Familie widmet, überhaupt keinen Stellenwert mehr.

(Frau Dr. Kronawitter (SPD): Das ist doch nicht wahr!)