Protocol of the Session on December 5, 2002

Meine Damen und Herren, was uns, zum Beispiel der Finanzministerkonferenz, heute vorliegt, ist eine flächendeckende Erhöhung der Mehrwertsteuer, nämlich der Anhebung des halben Mehrwertsteuersatzes auf den ganzen Mehrwertsteuersatz. Der Tabubruch ist bereits geschehen! Die Mehrwertsteuer wird flächendeckend erhöht. Das ist die Realität.

(Beifall bei der CSU)

Dabei wird nun unter dem Deckmantel der Beseitigung von Steuerprivilegien gesagt, dass dies keine Steuererhöhungen sind. Meine Damen und Herren, das ist eine Philosophie, die davon ausgeht: Ein Bürger, der nicht 100% Steuerbelastung hat, hat Steuerprivilegien, und diese muss man ihm wegnehmen. Das ist genau die Münteferingsche Theorie der Ausweitung des Staatskorridors.

Ich will auch an dieser Stelle noch sagen: Der Haushalt, der hier vorliegt, unterscheidet sich von allen anderen in der Bundesrepublik, nicht zuletzt von dem der Bundesregierung dadurch, dass wir keinen Nachtragshaushalt für das laufende Jahr brauchten, dass wir nicht nur keine Erhöhung der Nettoneuverschuldung vornehmen, sondern ihren planmäßigen Abbau fortsetzen, dass wir eine hohe Investitionsquote haben und dass wir im Gegensatz zu anderen Ländern auch in der Zukunft weiterhin aus einer Wachstumsrate schöpfen können. Bayern bleibt handlungsfähig, auch mit seinen Haushalten.

(Beifall bei der CSU)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. – Entschuldigung, Herr Kollege Strasser.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Finanzminister, ich verstehe die Aufregung nicht, die Sie im Parlament kundtun. Sie sind rhetorisch unwahrscheinlich geschickt und sagen: Ja, ich habe doch auf dieses Dilemma, das kommen wird, hingewiesen. Auf der anderen Seite stellen Sie immer wieder fest, dass Ihre Beamtinnen und Beamten im Ministerium sorgfältigst gerechnet haben, dass Sie mit Ihren Rechnungen jetzt Recht bekommen haben, dass die Beamten im Vergleich zu denjenigen in Berlin unwahrscheinlich gut sind. Sie haben genau gerechnet.

(Dr. Bernhard (CSU): Nein, nein!)

Herr Dr. Bernhard, hören Sie doch zu. Sie haben, was den blauen Brief betrifft, genauestens gerechnet. Damit kein Missverständnis entsteht: Herr Minister, Sie machen das rhetorisch. Ich finde, dass es unfair ist, immer solche unqualifizierten Begriffe zu gebrauchen, die im Grunde genommen mit der Kultur nichts zu tun haben. Ich meine, Herr Minister, wenn Sie schon rhetorisch sprechen, hätten wir im Grunde auch erwarten können, dass im Haushalt, den Sie uns nach der Bundestagswahl vorgelegt haben, aufgrund der Zahlen, die ihr Haus bereits hatte, auch Korrekturen vorgenommen werden. Herr Glück hatte vorhin gesagt: Rechtlich sind wir verpflichtet, die Angaben der Steuerschätzung zu übernehmen. Sagen Sie doch konkret: Wo sind wir rechtlich verpflichtet, dies zu übernehmen? Wir haben doch einen Föderalismus, und wir können selbst wählen. Wenn Sie von Ihren Beamten Erkenntnisse haben, dass die Steuerschätzungen mit 6% nicht stimmen, wie Sie gesagt haben, hätten Sie uns die Korrekturen bereits mitteilen und hätten sagen können: Wir hoffen, dass es insgesamt besser wird.

Deshalb muss ich diese Vorwürfe gegenüber unserem Fraktionsvorsitzenden, die sie hier ausgesprochen haben, schärfstens zurückweisen.

(Beifall bei der SPD)

Wir wissen in der Zwischenzeit, welchen Stil Sie gebrauchen. Sie nehmen irgendetwas her, so wie heute der Fraktionsvorsitzende Alois Glück. Er nimmt ein Zitat aus einer Zeitung und geht breit auf dieses Zitat ein. Ihn interessiert doch gar nicht, was der Bundesrechnungshof sagt, weil das nicht in seine Ideologie passt. Sie machen das ganz breit, Herr Glück, müssen aber einfach zur Kenntnis nehmen, dass es in der politischen Auseinandersetzung so nicht geht. Es geht nicht, einfach ein Schlagwort herzunehmen und es auszubreiten. Das ist keine ordentliche Auseinandersetzung im politischen Alltag.

Ein nächstes, was ich zu den Steuerentwicklungen sagen möchte: Herr Minister, wir haben darauf hingewiesen und müssen keinen Millimeter zurücknehmen, was den Schrumpfhaushalt anbetrifft. Im Grunde genommen

haben Sie es über Jahre hinweg versäumt – im Gegensatz zu dem, was ich heute zum Bezirk Unterfranken gelesen habe –, eine Finanzpolitik zu machen, bei der die Rücklagen langfristig sinnvoll angelegt werden. Ich sage nur eines: Ich habe mir gestern, vorgestern, einmal die überplanmäßigen Ausgaben im Jahr 2001 angesehen. Es wäre gut, wenn Sie diese überplanmäßigen Ausgaben ein bisschen näher studieren könnten. Im Jahre 2001 – Herr Minister, wenn das falsch ist, korrigieren Sie mich – haben wir im Haushalt des Freistaats Bayern bei der Gesamtsteuer mehr eingenommen, als wir angesetzt hatten. Im Jahre 2001 war es möglich, überplanmäßige Ausgaben in Höhe von 782 Millionen zu finanzieren. Wer dann in den Haushalt schaut, um zu sehen, wie das geschehen ist, der stellt Einsparungen innerhalb des Gesamthaushalts fest. Das war im Grunde genommen nur möglich, weil wir auch eine entsprechende Steuerentwicklung hatten.

Ein Weiteres: Sie sollten auch einmal sehen, wie es früher war. Man sollte nicht immer in die Vergangenheit schauen. Ich möchte Ihnen ein Zitat vorlesen. Ich habe vor mir eine Finanzplanung liegen, in der steht: „Steuerausfälle in einer bisher nicht gekannten Größenordnung stellen die öffentlichen Haushalte vor die größten Probleme der Nachkriegsgeschichte.“ Wenn Sie glauben, dass es nur heute Probleme gibt, dann irren Sie sich. Dies hat Erwin Huber, der frühere Finanzminister, hier im Hause gesagt.

Noch eines zu diesen ganzen Entwicklungen: Lieber Herr Minister, was die Schulden anbetrifft, so ist unsere Position ganz klar, wie wir immer wieder betonen: Wir haben 1998 einen riesigen Schuldenberg übernommen. Niemand sagt, dass die Schulden abgebaut werden.

(Zuruf von der CSU)

Augenblick, die Finanzierung des Bundeshaushalts durch Kredite, so wie Sie es jahrelang praktiziert haben, haben wir begrenzt. Sie müssen einfach zur Kenntnis nehmen: Wenn heute die öffentlichen Haushalte unwahrscheinlich hoch verschuldet sind, dann haben Sie und nicht die SPD und auch nicht die jetzige Bundesregierung davon den größten Teil zu verantworten.

(Beifall bei der SPD – Zuruf von der CSU: Das ist eine Lüge!)

Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Kellner.

Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Die Tatsache, dass die Unionsfraktionen in Berlin einen Untersuchungsausschuss beantragt haben – wohlgemerkt zur Vergangenheit – zeigt, dass es Ihnen von der Union nur um Klamauk und nicht um die Lösung von Problemen geht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Ach (CSU): Was haben Sie beim Deutschen Orden und der LWS gemacht? In Bayern sind Sie Vorreiter beim Klamauk!)

Zu unserem eigenen komme ich noch.

Wenn es Ihnen um die Lösung von Problemen ginge, dann würden Sie endlich Reformvorschläge auf den Tisch legen, die nicht im Nirwana von irgendwo oder irgendwie enden. Ich sage Ihnen: Es ist eine Schande für eine große Partei wie die Ihrige, dass Sie sich so nachhaltig der Diskussion über Zukunftskonzepte verweigert.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Ach (CSU): Seid wann sagen Sie denn die Unwahrheit? Sie sind bisher für die Wahrheit bekannt!)

Gerade Ihre Wählerinnen und Wähler, die Wählerinnen und Wähler der Konservativen erwarten von Ihnen nicht Klamauk, sondern Lösungskompetenz.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abgeordneten Ach (CSU))

Herr Kollege Ach, damit Sie sich beruhigen:

(Ach (CSU): Das ist reine Polemik!)

Nein, ich rede zur Sache.

Die Tatsache, dass die CSU einen Untersuchungsausschuss beantragt hat, zeigt eines ganz deutlich: Sie waren zwar schon sehr oft Gegenstand von Untersuchungsausschüssen, haben aber keine Ahnung, was man mit dem Beantragen von Untersuchungsausschüssen erreichen kann.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Bern- hard (CSU): Das hängt vom Sachverhalt ab!)

Ich sage Ihnen: Der Schuss geht nach hinten los. Sie werden gnadenlos versenkt werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dann können Sie traurig heimschleichen.

Nun zur Sache, zu den Zahlen: Es stimmt, dass in diesem Jahr Monat für Monat jeder und jede von uns geschaut hat, wie sich die Steuereinnahmen entwickeln. Herr Faltlhauser, jetzt nehme ich Sie beim Wort. Sie sagen, es sei entscheidend, was man mit dem Wissen, dass die Steuereinnahmen nicht wie erhofft fließen, anfängt. Jetzt frage ich Sie: Was haben Sie mit dem Wissen angefangen? Sie hätten doch sofort, als Sie im August oder September wussten, wie die Lage ist, zu Ihrem Ministerpräsidenten sagen müssen: „ Stopp! Keine Wahlversprechungen! Die Steuereinnahmen geben das nicht her.“

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was haben Sie im Gegensatz dazu gemacht? Sie haben Ihr 100-Tage-Programm aufgelegt, das Milliardenbeträge erfordert hätte.

(Zuruf des Abgeordneten Dinglreiter (CSU))

Herr Dinglreiter, das war das Prinzip Hoffnung.

(Ach (CSU): Das haben Sie nicht gelesen!)

Natürlich habe ich es gelesen, und zwar sofort, weil Sie in Ihrer selbstgefälligen Selbstüberschätzung von dem Prinzip Hoffnung ausgegangen sind und gesagt haben: Wenn wir an der Regierung sind, dann wird ab sofort alles besser. So selbstgefällig sind Sie.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nun zur Steuerschätzung und Berücksichtigung der Zahlen im bayerischen Haushalt: Herr Staatsminister, natürlich muss man erst einmal die Zahlen der Steuerschätzung ansetzen. Es wäre auch kein Problem gewesen, die notwendigen Korrekturen vorzunehmen, wenn Sie nicht schon Ihre Reserve, nämlich eine Haushaltssperre, restlos in den Aktionshaushalten und Aktionsprogrammen des Ministerpräsidenten verpulvert hätten. Minister Erwin Huber weiß das ganz genau. Als bei ihm Steuerausfälle in ähnlicher Größenordnung auftraten, konnte er noch das Instrument der Erhöhung der Haushaltssperre nutzen. Das konnten Sie diesmal nicht, weil Sie für die Stoiber‚schen Aktionsprogramme, die das eigentliche Haushaltsrisiko in Bayern darstellen, die Haushaltssperre schon auf 15 bzw. 17% erhöht hatten. Das war Ihr Dilemma, Herr Faltlhauser.

Nun zum Schluss noch zum Abbau von Steuersubventionen: Es spottet jeder Beschreibung, wie die Unionsparteien, die jahraus jahrein sagen, Subventionsabbau müsse sein, in dem Moment, in dem Subventionsabbau betrieben wird, sagen: „Nein, nicht mit uns.“ Sie wissen doch, dass die meisten Subventionen Steuersubventionen sind. Gerade als Sie, Herr Faltlhauser, noch in Bonn Staatssekretär von Waigel waren, haben Sie ähnliche Programme von der Bareis-Kommission ausarbeiten lassen.

Ich bitte, in Zukunft die Probleme des Landes – des Bundes und Bayerns – redlich und ehrlich zu diskutieren.

(Dr. Bernhard (CSU): Das ist eine gute Ermahnung – siehe Ihre Wahlreden! – Herrmann (CSU): „Ehrlich“!)

Herr Kollege Dr. Bernhard, wir sind gerne bereit Reformkonzepte zu diskutieren. Wir tragen unseren Teil bei, indem wir etwas vorlegen. Das können Sie nicht bestreiten.

Ich sage Ihnen noch eines: Die Bürgerinnen und Bürger in Bayern und Deutschland haben ein Anrecht darauf, dass mit dem Politikklamauk Schluss ist und man endlich Lösungen zur Problembeseitigung erarbeitet.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Dr. Bernhard (CSU): Das ist eine späte Erkenntnis!)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen. Zu einer zusammenfassenden Stellungnahme hat das Wort der Herr Ministerpräsident.