Protocol of the Session on March 13, 2025

(Beifall bei den Grünen und des Abg. Ulli Hocken berger CDU)

Was hat das Gericht denn entschieden?

(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Ich weiß nicht, wel che Rede Sie heute Morgen gehört haben! – Gegenruf des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Das Pro blem ist, wenn man die eigene Rede vorher schreibt! – Weitere Zurufe)

Herr Abg. Dr. Rülke, meine Damen und Herren – –

Was hat das Gericht denn ent schieden, Herr Rülke?

(Unruhe)

Frau Abg. Evers, warten Sie bitte.

Sie haben obsiegt – das stimmt – bei der Frage der Zulässigkeit des Volksbegehrens. Um das zu begründen, hat sich das Gericht materiell-rechtlich auch mit der Frage der Persönlichkeitswahl und der Verhältniswahl auseinandergesetzt, und das hat es sehr umfassend und auch in einer sehr guten und begründeten Art getan.

(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Ja, das stimmt!)

Aber zunächst ist zu sagen: Das, was Sie hier als „Klatsche für den Innenminister“ und das Innenministerium bezeichnen, ist eine Auseinandersetzung mit der bis dorthin in den Kom mentaren herrschenden Meinung in der Rechtswissenschaft und der Juristerei. Also hier von einer Backpfeife für einen Innenminister zu sprechen, zeugt, meine ich, nicht von einer Auseinandersetzung mit den rechtlichen Theorien, die bis zur Entscheidung des Gerichts in der herrschenden Lehre vertre ten wurden.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Das Gericht hat das jetzt anders bewertet, sauber und ausführ lich begründet. Das ist ein Glück; denn wir sind ein funktio nierender Rechtsstaat, und es ist gelebte Rechtsstaatlichkeit, dass bei offenen, ungeklärten Rechtsfragen ein Gericht das letzte Wort hat. Es ist auch gut, dass ein Gericht anders ent scheiden kann. Das dient der Rechtsfortbildung und Weiter bildung.

Ich muss ganz ehrlich sagen: Ich bin dankbar, dass es den Ver fassungsgerichtshof gibt.

(Zuruf von der FDP/DVP: Wir auch!)

In unseren Zeiten, in Zeiten von erodierenden Demokratien ist eine funktionierende und unabhängig arbeitende Justiz gar nicht hoch genug einzuschätzen.

(Beifall bei den Grünen sowie Abgeordneten der CDU und der FDP/DVP)

Es ist unsere Pflicht, diese zu respektieren und vor Angriffen und vor Eingriffen zu schützen. Ein Blick in andere Länder zeigt uns gerade jetzt, wie fragil diese Gewaltenteilung sein kann und wie extreme politische Kräfte versuchen, immer zu erst die unabhängige Justiz zu schwächen.

Es gehört aber auch zum Respekt vor dem Rechtsstaat, Ent scheidungen nicht zu skandalisieren

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Nein, wir finden die Entscheidung gut! – Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Die Entscheidung war großartig! – Ge genruf des Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Hören Sie doch mal zu!)

oder aufzublasen, wenn es gar kein Aufblasen gibt. – Ich kom me schon noch zu den einzelnen Punkten; keine Sorge. Ex post ist man ja auch immer klüger. Aber gerade die FDP hat in der jüngeren Zeit ja auch Erfahrungen mit Niederlagen vor dem Verfassungsgericht gemacht,

(Vereinzelt Beifall)

sowohl im Bund als auch im Land. Sie sollten also durchaus erkennen: Eine Einordnung der Meinungsverschiedenheiten tut dem Rechtsstaat immer gut.

(Beifall bei den Grünen sowie Abgeordneten der CDU und der SPD)

Als Parlament könnten wir glücklich sein über diese Entschei dung des Gerichts. Denn was hat das Gericht getan? Das Ge richt hat betont, dass der Gesetzgeber einen weit größeren Spielraum in der Bewertung und in der Abwägung hat, als es bis dahin in der Lehre angenommen wurde.

(Abg. Andreas Deuschle CDU: Genau!)

Das heißt, das, was Sie jetzt suggerieren, nämlich dass die hier getroffene Entscheidung falsch sei, stimmt eben nicht.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Der Spielraum bedeutet ja gerade nicht, dass andere Lösun gen nicht auch rechtmäßig wären. Hier wurde sehr verantwor tungsvoll und in großer Abwägung mit dieser Einschätzungs prärogative umgegangen.

(Beifall bei den Grünen sowie Abgeordneten der CDU und der SPD)

Die Abschaffung von 32 Wahlkreisen

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Haben wir nicht vorgeschlagen!)

mag zwar verfassungsrechtlich zulässig sein – und ich beto ne: das Verfassungsgericht hat darauf hingewiesen, es sei hin reichend möglich –, aber es wurde betont: Es ist noch inner halb der Grenzen, bevor man sich nach außerhalb dieser Min destgröße begibt.

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Sehr richtig! – Zu ruf des Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP)

Ich bleibe dabei: Die Ebene des Landtags ist eine andere Ebe ne als die des Bundestags, und mit der Änderung der Wahl kreisgrößen würden sich mit einem Schlag die Wahlkreise hier quasi verdoppeln. Ich sage Ihnen: Mit einem Wahlkreis mit 30 Gemeinden und einem Querschnitt von 100 km weiß ich, wovon ich rede. Die Bürgernähe, die die Arbeit der Landtags abgeordneten auszeichnet, wäre damit Geschichte.

(Beifall bei den Grünen sowie Abgeordneten der CDU und der SPD)

Ich bin sehr froh, dass das Land Baden-Württemberg mit der hier in großer Abwägung getroffenen Reform ein gutes und modernes Wahlrecht bekommt. Wir senken das Wahlalter auch bei Landtagswahlen auf 16 Jahre. Wir geben so den jungen Menschen gerade in der derzeitigen Zeit die Möglichkeit, über ihre Zukunft aktiv mitzuentscheiden. Wir haben das Zweistim menwahlrecht eingeführt, welches Wählerinnen und Wählern künftig mehr Wahlfreiheit gibt. Und wir eröffnen über die Ein führung von Listen die Möglichkeit, die Vielfalt der Gesell schaft besser abzubilden – ich erinnere an die gestrige Debat te hier in diesem Haus –, um beispielsweise qualifizierten Frauen mehr Beteiligung hier im Parlament zu ermöglichen. Das ist ein großer Erfolg.

Sie sind mit Ihrem Gesetzentwurf hier im Parlament geschei tert. Auch das jetzige Urteil des Verfassungsgerichtshofs, das Sie als neue Sachlage darstellen wollen, ändert daran nichts. Sie haben hier im Moment keine parlamentarische Mehrheit.

Gehen wir aber doch kurz auf die Frage der Parlamentsgröße ein, weil Sie dieses Thema immer betonen. Ob der Landtag größer wird, hängt zunächst von den Wählern und dem Wahl ergebnis ab. Die Wahlrechtsreform ändert daran erst einmal gar nichts.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Ulli Hockenberger CDU)

Zukünftig haben Bürgerinnen und Bürger zwei Stimmen, al so mehr Wahlfreiheit. Das ist ein Abwägungsgesichtspunkt, den wir hier abgewogen und für positiv befunden haben. Wol len Sie sich dagegen aussprechen? Mehr Wahlfreiheit bedeu tet, dass dadurch Wahlergebnisse anders ausfallen können. Ob das zu einer Vergrößerung oder einer Verkleinerung des Par laments führt, wissen wir nicht. Beides ist denkbar, wie auch der Blick in andere Bundesländer zeigt.

Daher gehen wir Grünen so vor, wie wir es auch im Bundes tag gemacht haben. Wenn Handlungsbedarf besteht, wenn wir sehen, dass es zu extremen Abweichungen kommt, dann kön nen wir eine Reform zur Verkleinerung des Parlaments ma chen. Ins Blaue hinein machen wir das aber nicht;

(Vereinzelt Beifall)

denn das Wahlrecht ist ausbalanciert und abgewogen, ganz so, wie uns der Verfassungsgerichtshof aufgibt, diese Abwägung zu treffen. Eine Plafondierung würde ebenso wie eine Redu zierung der Zahl der Wahlkreise Nachteile mit sich bringen, nämlich in der Frage der Beteiligung, der Transparenz und der Bürgernähe.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Jetzt suche ich meinen Zettel mit den abschließenden Worten und komme dann zu Ihnen.

Ich sage Ihnen eines: Ja, Sie haben nur bei der Frage der Zu lässigkeit des Volksbegehrens gewonnen. Sie können jetzt ei nen weiteren Versuch eines Volksbegehrens starten.

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Genau!)

Das ist völlig legitim, das ist von der Verfassung vorgesehen. Vergessen Sie aber in der Werbung für das Volksbegehren nicht, darauf hinzuweisen, dass Abwägungen immer eine Pri orisierung bedeuten und dass sie positive, aber auch negative Folgen haben können. Eine Verkleinerung des Parlaments be deutet auf der anderen Seite den Verlust von Repräsentanz und Vielfalt. Seien Sie sich vor allem dessen bewusst, dass bei ei ner Kampagne, die Ressentiments gegen den Parlamentaris mus bedient, vor allem immer die Demokratie verliert.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen, der CDU und der SPD)

Für die CDU-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Dr. Miller.