Protocol of the Session on October 9, 2019

Die SPD-Fraktion – das kann ich heute schon sagen – wird dem Gesetzentwurf und dem Vertrag in zweiter Lesung zu stimmen.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der Grünen und der CDU)

Für die AfD hat Herr Abg. Sänze das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ein langes Drama nimmt vermeintlich sein Ende – oder beginnt heute aufs Neue. Nach vielem Hin und Her steu ert der Landtag das Versorgungswerk der Landtage NordrheinWestfalen und Brandenburg an.

Vielleicht erinnern Sie sich an folgende Textpassage der Ver gangenheit – ich zitiere –:

Der Vorsitzende gibt bekannt, zum Gesetzentwurf liege ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU, der Frakti on der SPD, der Fraktion GRÜNE und der Fraktion der FDP/DVP... vor. Anschließend teilt er mit, im Gesetzent wurf Drucksache 14/2500 stehe in Artikel 1 Nr. 8... hin ter dem Betrag „1 500 €“...

Berichterstatter war Herr Mack.

Die Halbwertzeit dieser Gesetzgebung betrug sage und schrei be eine Legislaturperiode. Jetzt finden sich wiederum drei der Fraktionen zusammen, die im Februar 2017 in einer Nachtund-Nebel-Aktion den Abgeordneten den Weg zurück in eine lukrative Staatspension öffnen wollten. Nur dumm, dass das Vorhaben damals an der Öffentlichkeit scheiterte.

Im Zuge der Parlamentsreform im Jahr 2008 hatten sich die Abgeordneten für eine private Altersversorgung entschieden. Sie wollten – man höre und staune – Anschluss finden an die Lebenswirklichkeit ihrer Wähler.

(Abg. Bernd Gögel AfD: Ach! – Abg. Anton Baron AfD: Bemerkenswert!)

Oh! – Im Gegenzug erhöhten sie sich die Grunddiäten um ein Drittel. Aktuell sind es 8 210 €. Für die private Altersver sorgung gab es, wie gesagt, 1 500 € extra. Heute sind es 1 805 €. Dieser Betrag oder noch höhere Beträge sollen jetzt in das Versorgungswerk eingestellt werden.

Die gesamte Aktion war notwendig, weil die Finanzmarktkri se Verzinsungen von 5 % unmöglich machte. Damals war es äußerst lukrativ. Schließlich hätte dies bei 60 Monaten Lauf

zeit 122 410 € gebracht. Heute, bei 0,5 % Verzinsung, bringt dies nur noch 109 333 €, wohlgemerkt bei 60 Monaten Lauf zeit. Bei fünf Jahren Parlamentszugehörigkeit, 25 Jahren Lauf zeit und einem gemittelten Zins von 2,5 % sind es immerhin noch 206 700 €. Nicht davon zu reden: Wenn manch einer von Ihnen 25 Parlamentsjahre absitzt, dann erarbeitet er sich – ach nein; er ersitzt sich –

(Abg. Jonas Weber SPD: Nicht von sich auf andere schließen!)

einen Anspruch von 751 196 €. Bei einer Lebenserwartung von 20 bis 21 Jahren nach Renteneintritt hat man sich eine Rente von – im Gegenwartswert – 3 129 € erwirtschaftet.

Herr Abgeordneter, lassen Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Gall zu?

Nein, lassen Sie mich erst ausreden. Im Anschluss.

Meine Damen und Herren, wissen Sie überhaupt, wie hoch die monatliche Durchschnittsrente in Deutschland ist?

(Abg. Reinhold Gall SPD: Das wissen wir!)

Laut Statistik der Deutschen Rentenversicherung erhielten männliche Rentner 2017 durchschnittlich 1 095 €; rentenbe rechtigte Frauen bekamen in der alten Bundesrepublik hinge gen nur eine durchschnittliche Rente von 622 €.

3 129 € – das nenne ich Jammern auf höchstem Niveau.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Jetzt werden Sie entgegnen: „Ja, aber die Besserverdienenden haben doch viel mehr.“ Nein, haben sie nicht. Die Maximal rente eines Rentners, der 45 Jahre lang über der Bemessungs grenze verdient hat, beläuft sich heute gerade einmal auf 2 400 € im Monat. Wohlgemerkt: Er arbeitet 45 Jahre

(Abg. Bernd Gögel AfD: Über der Bemessungsgren ze!)

und nicht nur – im Parlament – 25 Jahre.

Die gesamte Diskussion um die Veränderung der Altersver sorgung lässt nur einen Schluss zu: Sie soll in einer Nachtund-Nebel-Aktion heimlich durchgeboxt werden. Als großer Coup – klammheimlich und ohne Öffentlichkeit sollte das Ge setz verabschiedet werden – war dies geplant. Schiefgelaufen! Als Lösung lässt man nun durch einen Arbeitskreis dessen Er gebnisse vorstellen und verkauft sie unter dem Label: „Wir haben verstanden.“

Es kann aber nicht angehen, dass sich immer mehr gut ver dienende Bevölkerungsschichten aus der Solidargemeinschaft schleichen – und sich im Gegenzug noch als Volkshelden und Retter der Welt aufspielen.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Hören Sie gut zu: Wir, die AfD-Fraktion, machen da nicht mit. Wir versprechen aber den Bürgern in Baden-Württemberg: Wenn wir in diesem Parlament eine Mehrheit erreichen, füh ren wir alle zurück in die staatliche Rentenversicherung. Da zu – –

(Beifall bei der AfD – Lachen bei Abgeordneten der Grünen, der CDU und der SPD – Abg. Reinhold Gall SPD: Die wollen Sie doch abschaffen! – Abg. Nicole Razavi CDU: Was war denn das eben?)

Reden Sie keine Dummheiten; lesen Sie es richtig nach. – Dazu brauchen wir übrigens keine endlosen Diskussionen und keine teuren Gutachten – wir setzen es um.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD – Abg. Anton Baron AfD: Herr Gall, das war nur ein Konzept von vielen! – Zuruf: Frau Razavi wählt jetzt AfD!)

Nun hat das Wort Herr Abg. Dr. Rülke für die FDP/DVP.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Diskussion hat ja ihre Ursprünge in der Legislaturperiode ab dem Jahr 2006. Damals war in der Tat gesagt worden: „Wir möchten jetzt die Alters versorgung der Abgeordneten der Lebenswirklichkeit der Bür gerinnen und Bürger annähern. Zu diesem Zweck schaffen wir die staatlichen Pensionen ab, und die Abgeordneten sol len dann selbst – mit weniger Geld als bisher – fürs Alter vor sorgen; dafür erhöhen wir aber die aktiven Diäten.“

Mein Eindruck war damals, dass einige – sozusagen – Altvor dere ein Meistbegünstigungsprinzip für sich selbst entdeckt hatten, indem sie sagten: „Wir senken die Altersversorgung zwar ab, aber nur für diejenigen, die noch kommen; wir selbst behalten sie, und die Erhöhung der Diäten um ein Drittel neh men wir mit.“ Genau aus diesem Grund habe ich dem damals nicht zugestimmt.

Aber im Prinzip ist es richtig, zu sagen: Die Altersversorgung der Abgeordneten soll sich der Lebenswirklichkeit der Bevöl kerung annähern. Wenn die Diäten dann steigen, man gleich zeitig aber den Eindruck hat, das, was man an Vorsorgebei trag zur Verfügung gestellt bekommt, reicht nicht aus, dann kann man ja die Abgeordnetendiäten heranziehen, um die ei gene Altersvorsorge zu verbessern. – So also dieser Beschluss.

Im Laufe der folgenden Jahre haben sich dann immer mehr nachfolgende Abgeordnete gemeldet und festgestellt: „Unse re Altersvorsorge ist zu gering, da müsste man mal was tun.“ Das war auch der Grund dafür, dass im Februar 2017 Grüne, CDU und SPD beschlossen haben: „Wir kehren zu den staat lichen Pensionen zurück, behalten aber die erhöhten Diäten.“ Das ist am Widerstand der Bevölkerung gescheitert, und die ses Gesetz wird sicher als eines der Gesetze mit der kürzes ten Lebensdauer in die Geschichte des Landes Baden-Würt temberg eingehen.

(Zuruf des Abg. Rüdiger Klos AfD)

Das Problem aber blieb bestehen. Es gab immer noch Abge ordnete, die gesagt haben, das sei zu wenig, man müsste et was tun. Diese Diskussion hat dazu geführt, dass am heutigen Tag ein Gesetzentwurf vorliegt, der vorsieht, sozusagen von der privaten Selbstvorsorge in ein Versorgungswerk überzu wechseln. Nur wird dieser Wechsel an sich das Problem nicht

beheben. Wenn Sie in das eine System dasselbe hineingeben wie vorher in das andere, wird nicht eine wundersame Geld vermehrung die Folge sein. Ich glaube auch nicht, dass die ses Versorgungswerk der Landtage Nordrhein-Westfalen und Brandenburg sozusagen der wundersamen Geldvermehrung mächtig ist.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der AfD – Abg. Anton Baron AfD: Das stimmt, ja!)

Und zur Argumentation „Wir müssen das Problem mit der Hinterbliebenenversorgung und der Invalidität lösen“ weise ich darauf hin, dass man dies auch mit privaten Altersversor gungssystemen tun kann.

Herr Sckerl, Sie haben gesagt, es koste den Steuerzahler nicht mehr. Aber was ist mit den Verwaltungsgebühren von 185 000 € oder der Verlustrücklage von 1,2 Millionen €? Das sind Be lastungen für den Steuerzahler. Da kann man nicht einfach sa gen, es koste nicht mehr. Es kostet de facto schon mehr.

Wenn Sie im Endeffekt mehr Geld für die Abgeordneten im Alter haben wollen, müssen Sie auch mehr Geld in das Sys tem hineingeben. Sonst können Sie die ganze Aktion lassen.

Im Übrigen wundere ich mich schon sehr, wie man sich in ein solches System begibt mit einem Vorstand, in dem neun akti ve Abgeordnete sind, davon fünf aus Nordrhein-Westfalen, zwei aus Brandenburg und zwei aus Baden-Württemberg. Brandenburg ist also offensichtlich die Benchmark für BadenWürttemberg in diesem Versorgungsfonds. Ich glaube nicht, dass das den Ansprüchen des Landes Baden-Württemberg und auch des Landtags von Baden-Württemberg gerecht werden sollte, meine Damen und Herren.

(Zuruf von der AfD: Mittlerweile schon!)

Wir erkennen nicht, was dieses Versorgungswerk letztlich für die Abgeordneten bringen soll. Wir sehen nur, es bringt zu sätzliche Kosten für den Steuerzahler, und wir sehen, dass wir damit in ein System eintreten, bei dem andere das Sagen ha ben. Deshalb lehnt meine Fraktion diesen Gesetzentwurf ab.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Stefan Her re AfD)

Meine Damen und Her ren, mir liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor. Da mit ist die Aussprache beendet.

Ich schlage vor, dass wir den Gesetzentwurf Drucksache 16/6982 und den Antrag Drucksache 16/6992 zur weiteren Beratung an den Ständigen Ausschuss überweisen. – Es erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.