Protocol of the Session on July 17, 2019

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Ich würde nichts mehr sagen, denn die haben schon geklatscht!)

Ich nehme die Gelegenheit gern wahr, um auf Folgendes hinzuweisen: Herr Abg. Rott mann, ich bin nicht des Beifalls wegen hier im Landtag von Baden-Württemberg, sondern ich habe mehr als vier Jahrzehn te Schulerfahrung und bringe meinen Sachverstand ein. Da kann ich es akzeptieren, wenn nicht jeder alles, was ich sage, gut findet. Aber ich spüre viel Zuneigung in den Reihen des Koalitionspartners.

(Heiterkeit – Beifall bei der CDU und den Grünen sowie der Abg. Carola Wolle AfD)

Keine weiteren Fragen?

Keine weiteren Fragen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen – Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Man muss lo ben können! – Zuruf des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rül ke FDP/DVP)

Alles geklärt. – Für die AfDFraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Dr. Balzer.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Kollegen Abgeordnete! „Still stand, Blockaden und faule Kompromisse“ – so lautet der Ti tel dieser Aktuellen Debatte. Stillstand in der Bildungspolitik können wir eigentlich nicht erkennen. PISA und andere Un tersuchungen sprechen eine deutliche Sprache. In manchen Bereichen ist ja eher eine Art Niedergang, eine Art Rutsch bahn nach unten festzustellen. Deswegen nenne ich an dieser Stelle zunächst etwas Positives:

Wir haben die Abschaffung des Schreibens nach Gehör gefor dert. Anscheinend hat die Kultusministerin dankenswerter weise einen Brief geschrieben und damit diesem Unwesen ein Ende gemacht.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Aber Elternberichten gemäß wird das Schreiben nach Gehör an manchen Schulen noch praktiziert. Das ist bedauerlich und keine gute Sache.

Unsere Forderung nach Wiedereinführung der verbindlichen Grundschulempfehlung hat die CDU halb umgesetzt – als un verbindliche Grundschulempfehlung. Aber das ist immerhin ein Schritt in die richtige Richtung. Auch das ist etwas Posi tives.

(Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Der Mann hat Einsicht!)

Ja. – Die Gemeinschaftsschulen als Konkurrenz zum drei gliedrigen Schulsystem: Hier besteht in der Tat noch ein Pro blem. Frau Dr. Eisenmann stärkt die Realschule. Aber wir schauen etwas genauer hin. Unter der Hand wird die Real schule zu einer Art Gemeinschaftsschule umgeformt. Konse quent wäre das durchgängige Unterrichten auf mittlerem Ni veau. Das geschieht leider nicht. Versucht wird ein Spagat in den Klassen, der nicht gelingt, der nicht gelingen kann. Auf zwei oder drei Niveaus in einer Klasse zu unterrichten, das funktioniert nicht. Deswegen sind ein hoher Arbeitsaufwand, hohe Anforderungen an die Lehrkräfte und wenig Nutzen das Ergebnis.

Wir, die Alternative für Deutschland, fordern das neunjähri ge Gymnasium – aus guten Gründen.

(Beifall bei der AfD)

Der Entwurf eines Gesetzes liegt schon vor. Erfreulicherwei se wird das hier in diesem Hohen Haus von Ihnen auch schon aufgegriffen, von Kollegen Abgeordneten und Ministern, die jahrelang das Gegenteil praktiziert haben – späte Einsicht. Die Medien haben ja auch ihre Probleme damit. Aber gut, ent

scheidend ist die gute Politik für unser Land, für die Kinder in unserem Land.

Besonders kurz ist das Erinnerungsvermögen bezüglich der Schulpolitik bei der Sozialdemokratie. In der vergangenen Le gislaturperiode sollte das bürgerliche Gymnasium mit Ihrem Entwurf der Gemeinschaftsschule abgelöst,

(Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Quatsch!)

ja umgebaut oder demontiert werden.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Einfach falsch! – Zuruf von der SPD: Sie müssen aus Ihrem Keller rausstei gen!)

Konsequenterweise haben Sie in dieser Legislaturperiode den Ausbau der Gemeinschaftsschule mit der gymnasialen Ober stufe gefordert.

(Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Richtig so!)

Und jetzt rudert Herr Stoch zurück. 2014 war er da noch et was anderer Meinung. Als Kultusminister hat sich Andreas Stoch im Streit um das neunjährige Gymnasium deutlich von der Haltung des damaligen SPD-Fraktionschefs Schmiedel di stanziert.

(Abg. Carola Wolle AfD: Hört, hört!)

Am 6. Juli stand steht dagegen im „Mannheimer Morgen“ – Herr Stoch sprach als SPD-Landesvorsitzender beim Kleinen Landesparteitag in der Pforzheimer Fritz-Erler-Schule zu Mit gliedern der SPD –:

Die Südwest-SPD will allen Gymnasien im Land den Weg... zum Abitur in neun Jahren ermöglichen.

Allen Gymnasien!

(Abg. Andreas Stoch SPD: Das war schon immer SPD-Linie!)

Man hört und staunt!

(Zuruf des Abg. Andreas Stoch SPD)

Mehrheitlich haben die Delegierten beim Kleinen Landespar teitag dann für die Wahlfreiheit zwischen G 8 und G 9 votiert.

(Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Lesen Sie mal das SPD-Regierungsprogramm 2011!)

Das nennt man dann: „Wir müssen unser Profil da an einigen Stellen nachschärfen.“ Also, ich finde das sprachlich richtig schön.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Eine derartige Kehrtwende, fast schon akrobatisch, diese Biegsamkeit – erstaunlich oder eben späte Einsicht.

(Abg. Andreas Stoch SPD: Wer hat denn G 8 einge führt? Haben Sie das überhaupt mitgekriegt? – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Haben Sie eigent lich schon bemerkt, dass er nicht mehr Kultusminis ter ist?)

Nein, vermutlich nicht, aber ich kann Ihrer Meinung nach wahrscheinlich gar keine Zeitung lesen.

(Abg. Andreas Stoch SPD: Sie können exakt keine Zeitung lesen!)

Wo offensichtlich wird, dass sich Menschen in diesem Land Gymnasien nicht mal so eben durch eine gymnasiale Ober stufe an Gemeinschaftsschulen ersetzen lassen wollen, da weiß die SPD plötzlich nicht mehr, was sie bisher vertreten hat. Oder sind es die „fulminanten“ Wahlergebnisse, die Angst vor den kommenden Landtagswahlen oder der herbe Verlust durch die Demission von Frau Nahles, die hier zur Wende führten? Nennt man jemanden, der eine solche Wende voll zieht, dann eigentlich Wendehals?

(Beifall bei der AfD – Abg. Reinhold Gall SPD: Mei ne Güte!)

Jetzt könnte von der Regierungskoalition weiterhin – wir ha ben es uns ja vorhin ausführlich anhören dürfen – gute Bil dungspolitik gemacht werden. Ja, nämlich dann, wenn sich die Christdemokraten auf ihre Kernwerte besinnen würden und diese Punkte mit aller Entschlossenheit – vorhin wurde es hier aus der Mitte noch drastischer ausgedrückt – angehen würden.

Doch die CDU bremst, oder sie wird von ihrem grünen Koa litionspartner gebremst. Nennt man das Stillstand, das Schick sal der Komplementärkoalition? Von Stillstand ist ja im Titel der Aktuellen Debatte die Rede. Oder sagen wir vielleicht eher Krebsgang dazu? Krebsgang ist eine Art Rückwärtsgang, wenn ich es recht weiß.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der AfD)

Auch die Glaubwürdigkeit scheint ein Problem zu sein – mög licherweise das Schicksal der Komplementärkoalition. Laut dpa-Meldung von Dienstag steht unser geschätzter Minister präsident Kretschmann Forderungen seiner Kultusministerin nach einem bundesweiten Zentralabitur nach eigenem Bekun den sehr skeptisch gegenüber. Er spricht lieber von gemein samen Mindeststandards.

Kultusministerin Eisenmann hatte das Thema Zentralabitur Anfang Juli aufgebracht. Am Ende müsse es nicht nur deutsch landweit dieselben Prüfungsaufgaben, sondern auch einheit liche Regeln dafür geben, welche Fächer ins Abitur gebracht werden. Von fünf Fächern war hier nicht die Rede. Eisenmann ist auch designierte Spitzenkandidatin der CDU für die Land tagswahl. Ja, wohin denn nun? Bayern lehnt das Zentralabi tur übrigens ab. Das werde es mit Bayern und der CSU auf keinen Fall geben, sagte Markus Söder. Geschlossenheit, mei ne Damen und Herren, sieht anders aus.

(Abg. Andrea Bogner-Unden GRÜNE: Wie bei Ih nen!)

Noch vor einem guten halben Jahr ließ sich Ministerpräsident Kretschmann als Verfechter der Bildungshoheit der Länder gegenüber dem Bund feiern. Nun also plötzlich eine Kehrt wende, eingeleitet von der Kultusministerin. Oder sollen wir diese Kehrtwende Kapriole nennen? Sie will jedenfalls an scheinend das Zentralabitur. Natürlich wird ein Zentralabitur der Abschied von der Bildungshoheit der Länder sein. Denn

wenn am Ende das Gleiche in allen Ländern herauskommen soll, muss man auch den gleichen Weg gehen und vor allem den gleichen Lernstoff unterrichten.