Protocol of the Session on May 8, 2019

(Unruhe)

Es wäre schön, wenn er jetzt die Möglichkeit bekommt, zu reden. – Danke.

Vielen Dank. – Frau Präsiden tin, werte Kolleginnen und Kollegen! Zurück zum Thema. Der Gesetzentwurf mit dem Ziel der Erweiterung von direktdemo kratischen Elementen auf der Ebene der Landkreise geht – wir haben es mehrfach gehört – auf eine Initiative des Vereins „Mehr Demokratie“ zurück, die uns natürlich ebenfalls be kannt ist.

Wir unterstützen die Vorschläge von „Mehr Demokratie“, Ein wohneranträge, Bürgerbegehren und Bürgerentscheide ana log zu den Regelungen in der bereits bestehenden Gemeinde ordnung auch auf der Ebene der Landkreise einzuführen, und fragen auch, wie Herr Kollege Goll: Warum eigentlich nicht?

Die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern ist uns wich tig. Deshalb werden wir dem Gesetzentwurf auch zustimmen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Ein Blick in die anderen Bundesländer zeigt, dass in allen an deren Ländern, in denen es überhaupt Landkreise gibt, mit Ausnahme Hessens, die Möglichkeit der Mitbestimmung auf Landkreisebene besteht und dass es dort auch durchweg gute Erfahrungen mit diesem Instrument gibt. Deshalb bin ich ei gentlich guten Mutes, dass wir auch in Baden-Württemberg diesen Schritt erfolgreich meistern könnten.

Kollegin Erikli, Sie haben jetzt den Weg dahin infrage gestellt. Sie haben gesagt, die Gesetzesinitiative einer Oppositions fraktion sei der falsche Weg, und haben eine interfraktionelle Arbeitsgruppe vorgeschlagen. Wenn es daran scheitern soll te, dass jemand eine Einladung schreiben müsste: Wir könn ten das übernehmen und laden gern zu einer interfraktionel len Arbeitsgruppe zu diesem Thema ein.

(Beifall bei der SPD und der FDP/DVP)

Allerdings bin ich mir nicht so sicher, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, ob Sie diese Einladung annehmen dürfen und annehmen werden oder ob Sie vom Ministerprä

sidenten – er ist gerade nicht da – wieder mal zurückgepfiffen werden; ich komme gleich noch mal darauf zurück. Denn wir haben schon unsere Erfahrungen mit dem Umgang der Grü nen mit direkter Demokratie.

(Abg. Andreas Deuschle CDU: Jetzt aber!)

Wie Sie wissen, haben wir gerade ein Volksbegehren zur Ge bührenfreiheit von Kitas initiiert, um die direkte Demokratie zu stärken und die Bevölkerung bei diesem wichtigen Thema mit wirklich großer gesellschaftlicher Bedeutung zu beteili gen. Wir erfahren am eigenen Leib, wie schwierig es ist, hier die Unterstützung insbesondere auch der Grünen zu bekom men. Das bestärkt uns in unserer Ansicht, dass es bei diesem Thema doch noch viel mehr zu tun gibt als hier auch von Ih nen, Frau Erikli, angekündigt.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Stefan Räpple AfD)

Deshalb sind wir dem Verein „Mehr Demokratie“ auch dank bar, dass er dieses Thema vorantreibt und nicht lockerlässt, aber letztendlich auch wieder mal ein neues Kapitel aufschlägt unter der Überschrift „Grün-schwarze Unfähigkeit, dieses Land gemeinsam zu regieren und zu gemeinsamen Positionen zu kommen“.

Das gemeinsame Auftreten von „Mehr Demokratie“ und uns, der SPD-Fraktion, beim Volksbegehren zeigt, dass es das Ziel gibt, direkte Demokratie in Baden-Württemberg voranzubrin gen. Auch hier machen komischerweise die Grünen, deren ur eigenes Thema es immer war, direkte Demokratie voranzu bringen, nicht mit. Die Grünen, kaum sind sie an der Macht, beharren auf Stillstand und haben sich von dieser Idee verab schiedet – an vorderster Front der Ministerpräsident selbst.

(Abg. Nese Erikli GRÜNE: Ich habe doch klar ge sagt, dass wir dafür sind! Sie müssen schon genau zu hören! Ich habe ganz klar gesagt, dass wir dafür sind!)

Ich bin gerade beim Thema Kitagebührenfreiheit. Dazu pfeift Ihr Ministerpräsident auch Ihre möglichen Überlegun gen zur Änderung der Verfassung im Lichte der Entscheidung des Innenministeriums zum Volksbegehren zurück. „Stuttgar ter Zeitung“:

Kretschmann pfeift Fraktion zurück

Ich denke, er wird die Fraktion auch zurückpfeifen, wenn wir zu einer interfraktionellen Arbeitsgruppe einladen.

(Zuruf der Abg. Gabi Rolland SPD)

Insofern haben wir auch zum Thema Gebührenbefreiung seit dem Rückgriff des Ministerpräsidenten von den Grünen nichts mehr gehört. So sieht der Umgang mit direkter Demokratie unter einer grün geführten Landesregierung aus. Wir stellen uns das anders vor.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und der FDP/DVP)

Für die Landesregierung er teile ich das Wort Herrn Minister Strobl.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kol legen! Mit dem im Entwurf vorliegenden Gesetz zur Einfüh rung von Einwohneranträgen, Bürgerbegehren und Bürgerent scheiden in Landkreisen möchte die FDP/DVP-Fraktion die genannten Beteiligungsmöglichkeiten auch auf der Ebene der Landkreise einführen.

Aus kommunalverfassungsrechtlicher Sicht ist es dem Grun de nach durchaus möglich, direktdemokratische Elemente auch auf der Ebene der Landkreise einzuführen. So, wie etwa ein Bürgerentscheid auf Gemeindeebene einen Gemeinderats beschluss ersetzen und aufheben kann, würde ein entsprechen der Entscheid auf Landkreisebene Beschlüsse des Kreistags ersetzen oder aufheben. In anderen Bundesländern gibt es sol che Bürgerentscheide auf Landkreisebene. Das ist die kom munalverfassungsrechtliche Lage. Ob es auch sinnvoll und nützlich ist, diese direktdemokratischen Elemente auf Land kreisebene einzuführen, ist eine andere Frage.

Jedenfalls lehnt der Landkreistag, der als kommunaler Lan desverband und Vertreter der Landkreise zum Gesetzentwurf angehört worden ist, den Gesetzentwurf der FDP/DVP-Frak tion eindeutig ab. Der Gemeindetag schließt sich dem voll umfänglich an.

Der Landkreistag macht dabei deutlich, dass die direktdemo kratischen Elemente auf Gemeindeebene eben nicht ohne Wei teres auf die Kreisebene übertragen werden können. Freilich gibt es auch bei den Landratsämtern durchaus Themen, die die Kreiseinwohner direkt betreffen, etwa im Bereich der Um weltverwaltung oder bei der Flüchtlingsaufnahme. Dabei wird das Landratsamt aber als untere Verwaltungsbehörde des Lan des tätig und nicht für den Landkreis. Gegenüber den Einwoh nerinnen und Einwohnern des Kreises wäre es sehr schwer zu vermitteln, warum genau solche Fragestellungen dann in ei nem Einwohnerantrag eben nicht behandelt werden können.

Diese Einschätzung des Landkreistags, dessen Mitglieder von dem Gesetzentwurf unmittelbar betroffen sind, halte ich für ein stichhaltiges Argument; das ist ernst zu nehmen und ge wichtig.

Wichtig ist aus meiner Sicht auch das Argument, dass bevöl kerungsreiche Teile des Kreisgebiets bei Fragen des Standorts von Einrichtungen, an denen ein unmittelbares Interesse der Bürger besteht – denken Sie etwa an ein Krankenhaus oder eine Berufsschule –, den einwohnerschwachen Bereich ge nauso überstimmen können wie bei der Frage des Standorts von Einrichtungen, die auf wenig Begeisterung bei der an grenzenden Bevölkerung stoßen, etwa im Bereich der Abfall entsorgung.

Bei Stadtkreisen, in denen bereits nach derzeitiger Rechtsla ge über diese Themen im Rahmen eines Bürgerentscheids ab gestimmt werden kann, handelt es sich um ein räumlich deut lich beschränkteres Gebiet, bei dem nicht in vergleichbarer Weise eine ungleiche Bevölkerungsverteilung auftreten kann.

Daher unterscheiden sich diese beiden Fallkonstellationen er heblich voneinander. Darüber hinaus enthält der vorliegende Entwurf auch einige Schwächen in der konkreten Ausgestal tung.

Bei der Festsetzung des Quorums für den Bürgerentscheid auf 12 % der Stimmberechtigten bei Landkreisen mit bis zu

150 000 Einwohnern und auf 10 % bei Landkreisen mit mehr als 150 000 Einwohnern liegt man deutlich unter dem Quo rum von 20 % in der Gemeindeordnung. Zwar ist es bei Land kreisen, die in der Regel deutlich bevölkerungsreicher sind als die meisten Gemeinden, durchaus eine Herausforderung, 10 % bis 12 % der Stimmberechtigten für ein Anliegen zu gewin nen. Dies darf aber andererseits nicht dazu führen, dass 10 % der Bürger eines Landkreises über eine Angelegenheit ent scheiden, von der im Zweifel 100 % der dort lebenden Men schen betroffen sind. Insofern wäre ein solch niedriges Quo rum schon für sich genommen – aus meiner Sicht jedenfalls – abzulehnen.

Gleiches gilt für die Öffnung des Einwohnerantrags für Ein wohner, die das 14. Lebensjahr vollendet haben – eine Alters grenze, die es ansonsten nirgendwo im Kommunalrecht gibt und die aus meiner Sicht jedenfalls auch nicht nachvollzieh bar ist. Warum nicht das zwölfte, zehnte oder achte Lebens jahr?

Schließlich fehlt in dem vorliegenden Gesetzentwurf auch ei ne Regelung zur Kostenerstattung gegenüber den Städten und Gemeinden, die ausweislich des Gesetzentwurfs im Wege der Amtshilfe bei der Prüfung der Gültigkeit der Unterschriften tätig werden müssen – und zudem wohl auch für die Durch führung der Abstimmung selbst.

Alles in allem ist der Gesetzentwurf also nicht sorgfältig durchdacht. Den Bedarf für eine Einführung der genannten Instrumente auf Landkreisebene sehe ich insbesondere im Lichte der vom Landkreistag vorgetragenen durchschlagen den Bedenken nicht. Wie der Landkreis- und auch der Ge meindetag ausführen, ist der Gesetzentwurf der FDP/DVP nicht zielführend. Damit ist aus Sicht der Landesregierung dieser Gesetzentwurf auch abzulehnen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU – Vereinzelt Beifall bei den Grünen und der AfD)

Meine Damen und Her ren, gibt es weitere Wortmeldungen? – Ja. Herr Abg. Rott mann hat noch 23 Sekunden Redezeit.

Das reicht. – Frau Landtagsprä sidentin, vielen Dank. – Herr Innenminister, Sie sprachen da von, das Anliegen ernst zu nehmen. Das ist der Punkt, den wir als relativ neue Partei im Parlament bei den etablierten Par teien etwas kritisch sehen, sprich: die Anliegen ernst zu neh men, um sie dann abzulehnen.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Vereinzelt Beifall bei der AfD – Zuruf von den Grü nen: Hä? – Abg. Nicole Razavi CDU: Aber denken darf man schon noch!)

Dann rufe ich Herrn Abg. Dr. Gedeon und Herrn Abg. Dr. Fiechtner auf. – Zuerst bitte Herr Abg. Dr. Fiechtner.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, sehr verehrte Damen, sehr geehrte Herren! Die erste Frage des Wahl-O-Mats zur EU-Wahl lautet: „Sol len EU-weite verbindliche Bürgerentscheide eingeführt wer den?“

Die CDU lehnt es ab, bei schwierigen Sachverhalten die Bür ger mit vereinfachten Ja-Nein-Abstimmungen entscheiden zu lassen, was auch kaum Wunder nimmt, hat doch selbst unser ehemaliger Ministerpräsident Oettinger die Abstimmung um den Artikel 13 nicht verstanden.

Die SPD weicht zwar aus, deutet aber an, dass man die EUBürgerinitiativen reformieren und das Mindestalter herabset zen müsste.

Die AfD befürwortet Volksabstimmungen lediglich auf nati onaler, Landes- und kommunaler Ebene.

Die FDP fordert – wie zu erwarten – mehr Möglichkeiten, um den Bürgerdialog zu stärken.

Wenn es danach geht, sind die Mehrheitsverhältnisse für den Gesetzentwurf eigentlich schon jetzt klar. Dennoch begrüße und unterstütze ich den Gesetzentwurf. Gerade bei der Ab stimmung zu Stuttgart 21 hat der Volksentscheid Frieden in die Masse gebracht. Auch die Schweiz lebt direkte Demokra tie aktiv vor.