Protocol of the Session on April 4, 2019

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der Grü nen, der CDU und der FDP/DVP – Abg. Andreas Stoch SPD: Sehr gut!)

Nun darf ich das Wort Herrn Abg. Karrais von der FDP/DVP-Fraktion geben.

Sehr geehrte Frau Präsiden tin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben jetzt schon einige schöne Takte zu Europa gehört, denen ich mich in vie len Teilen auch anschließen kann.

(Abg. Daniel Rottmann AfD: Danke!)

Aber eines ist mir wichtig zu sagen: Wir befinden uns in Eu ropa gerade an einem Scheideweg. Da ist es wichtig, dass man mit dem Weißbuch Denkanstöße vorgelegt hat. Leider ist es dann dazu gekommen – auch und hauptsächlich wegen des Brexits, der gerade stattfindet; die Entscheidung ist ja schon vor einer Weile gefallen –, dass das aus dem Fokus geraten ist. Wir alle schauen gerade immer nur nach London, was dort passiert. Gefühlt ändert sich die Lage dort stündlich. Das ist einfach ein großes Problem, und das behindert die Europäi sche Union. Es ist auch ein Riesenfrevel, der dort an der nach folgenden Generation begangen wird, nicht nur in Großbri tannien, sondern auch in der Europäischen Union, in dem Rest, der noch verbleibt.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der SPD)

Der Brexit ist hier ein mahnendes Beispiel. Goldman Sachs hat mal Zahlen erhoben und angeschaut, was das die Wirt schaft in Großbritannien eigentlich kostet – nur einmal allein genommen. Das sind ungefähr 700 Millionen € pro Woche, die beim Bruttoinlandsprodukt in Großbritannien verloren ge hen.

Das heißt, es kann eigentlich für kein Land in der Europäi schen Union eine wirklich sinnvolle Option sein, aus der Eu ropäischen Union auszusteigen – nicht nur wegen der wirt schaftlichen Nachteile, sondern auch, weil eine Wertegemein schaft verlassen wird, die für Frieden und Wohlstand steht, die für Einigung steht und die solche Katastrophen wie im letzten Jahrhundert verhindern kann.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der Grünen, der CDU und der SPD)

Wir brauchen aber in der Europäischen Union auch eine Rück besinnung und eine Neubesinnung auf die Schwerpunkte, die wir setzen wollen; denn wir brauchen mehr Europa; wir brau chen aber auch weniger Europa.

Mehr Europa brauchen wir da, wo wir die globalen Fragen angehen, wo wir die wichtigen Fragen angehen, die wir nur gemeinsam mit der Masse der Europäerinnen und Europäer angehen und lösen können, wie z. B. die Klimapolitik, bei der es viel besser ist, sich europäische Lösungen auszudenken, statt nationale oder sogar regionale Alleingänge zu begehen; denn die sind am Schluss nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Wirklich etwas am Weltklima bewirken können wir nur auf europäischer Ebene.

Darum ist es extrem wichtig, dass wir uns dort darum küm mern – und nicht nur dabei, sondern auch in der Außen- und Sicherheitspolitik sowie in der Handelspolitik. Das sind die zentralen Fragen, die wir angehen müssen.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Dr. Erik Schwei ckert FDP/DVP: Sehr richtig!)

Da muss man auch mal wieder das Schlagwort des Subsidia ritätsprinzips in den Mittelpunkt stellen und sich darauf zu rückbesinnen. Denn was heißt das? Jede Ebene macht das, was sie am besten entscheiden kann und wo sie am meisten bewirken kann.

Ich bin dankbar, dass der Kollege Fink von der SPD auch den europäischen Mindestlohn bzw. einen verpflichtenden Min destlohn für die Mitgliedsstaaten angesprochen hat.

(Abg. Nicolas Fink SPD: Bis jetzt war es so gut!)

Denn das, was die SPD da vorschlägt, ist definitiv kein Bei trag zu einer sinnvollen EU. Am besten entscheiden hier näm lich die Nationalstaaten, ob sie das wollen oder ob sie das nicht wollen.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Es kann nicht sein, dass die Europäische Union hier in die An gelegenheiten der Mitgliedsstaaten hineinregiert; denn das ist nichts, was auf europäischer Ebene gelöst werden muss.

(Beifall bei der FDP/DVP – Zurufe von der AfD – Abg. Peter Hofelich SPD: Wenn der Wirtschaftsraum europäisch ist, ist auch der Arbeitsmarkt europäisch!)

Dann komme ich noch einmal auf die AfD zurück; denn auch gestern ist mir etwas aufgefallen, was mich wirklich gestört hat. Da hat nämlich der Fraktionsvorsitzende Gögel – im Zu sammenhang mit Ihrer Deindustrialisierungsdebatte, wie Sie es genannt haben – angemerkt, dass man über einen „Dexit“ nachdenkt.

Beim letzten Mal hat der Kollege Grimmer angekündigt, man wolle die EU auflösen. Das habe ich kritisiert und bemängelt und Sie dafür angegriffen. Sie haben dann geblökt wie die Schafe.

(Abg. Martin Rivoir SPD: Hammel!)

Letztendlich bestätigt sich aber das, was ich damals auch schon gesagt habe: Sie arbeiten nicht ernsthaft daran,

(Abg. Anton Baron AfD: Sie haben das Zitat nicht zu Ende gebracht!)

die EU zu reformieren, sondern Sie wollen die EU auflösen oder aus der EU austreten.

Wenn jemand mit so einem Credo in die Europawahl einsteigt, dann kann ich ihm nicht abkaufen, dass er ernsthaft an einer Reform der Europäischen Union interessiert ist. So jemand hat in Wirklichkeit schon aufgegeben.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Nicolas Fink SPD – Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

Damit bin ich dann auch bei der CDU. Da sehen wir: Der fran zösische Staatspräsident hat hier Vorschläge gemacht. Was macht die Bundeskanzlerin, die in der Europäischen Union Gewicht hat, die Ansehen hat? Sie schickt die Bundesvorsit zende der CDU vor, die kein Mandat in irgendeinem Parla ment hat. Die soll dann eine Antwort schreiben – das hat sie auch gemacht – an den französischen Staatspräsidenten. Das ist nicht der Weg, wie wir die Europäische Union reformieren können. Da hätte ich mir von Ihrer Seite, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, mehr Einsatz gewünscht.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Wir brau chen mehr Europa und nicht weniger. Das Fazit ist: Weil wir Europa brauchen, wollen und müssen wir es verändern, denn sonst wird es schwierig werden. Darum hoffe ich auf eine sinnvolle Entscheidung der Wählerschaft bei der Europawahl und bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der SPD – Abg. Dr. Erik Schweickert FDP/DVP: Sehr gut! – Zuruf des Abg. Joachim Kößler CDU)

Nun darf ich Herrn Mi nister Wolf ans Redepult bitten. – Wir haben zwar Abgeord nete oder Minister, die einen Tiernamen tragen, aber wir ver gleichen natürlich nie Abgeordnete mit Tieren.

(Abg. Anton Baron AfD: So ist es! – Zuruf des Abg. Daniel Karrais FDP/DVP)

Herr Minister Wolf, Sie haben das Wort.

Sehr ge ehrte Frau Präsidentin, herzlichen und aufrichtigen Dank für diese klarstellende Bemerkung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Inzwischen ist es ja schon zu einem Ritual geworden: Egal, unter welcher Überschrift wir hier über Europa diskutieren: Es kommt zu einem grund sätzlichen Schlagabtausch über die unterschiedlichen Positi onen. Dies ist im Grundsatz nichts Schlechtes für einen par lamentarischen Austausch und Dialog, aber es bringt natür lich, Kollege Grimmer, auch jeweils – gegebenenfalls in en thusiastischer Weise – zum Ausdruck, wie man zu Europa steht. So, wie Sie die Kolleginnen und Kollegen anderer Frak tionen bezichtigt haben, hier einseitig enthusiastisch für Eu ropa geredet zu haben, haben Sie das Recht für sich in An spruch genommen, enthusiastisch gegen Europa zu reden. Das steht Ihnen zu; ich bin froh, dass man überhaupt enthusias tisch über Europa in diesem Haus diskutiert.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen, der CDU, der SPD und der FDP/DVP – Abg. Anton Baron AfD: Gegen die EU!)

Ich finde, wir sollten auch immer wieder die positiven Ent wicklungen beim Namen nennen. Häufig verwenden wir et was zu viel Zeit darauf, über vermeintlich schlechte Entwick lungen zu diskutieren. Es gibt kritikfähige Punkte in Europa,

(Abg. Anton Baron AfD: Mindestlohn!)

die ich selbst immer wieder von diesem Platz aus anspreche. Aber ich bin in diesen Tagen in Sachen Europa viel im Land unterwegs und kann Ihnen versichern: Es ist erkennbar, dass die Menschen, vor allem auch angesichts der Entwicklung in Großbritannien, ein neues Verständnis für die Notwendigkeit der Europäischen Union entwickeln.

(Abg. Joachim Kößler CDU: Richtig!)

Das ist auch gut so, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen, der CDU und der FDP/DVP – Abg. Joachim Kößler CDU: Ja!)

Vor wenigen Tagen fand der deutschlandweite EU-Projekttag an Schulen bei uns im Land statt. Ich habe, wie viele von Ih nen in gleicher Weise, die Gelegenheit genutzt, um mit Schü lerinnen und Schülern über Europa ins Gespräch zu kommen. Dabei merkt man sehr schnell: Für die junge Generation hat Europas Zukunft längst begonnen. Für junge Europäerinnen und Europäer bedeutet Europa vor allem, grenzenlos zu rei sen, zu lernen, zu studieren, wo man will, und später Jobchan cen europaweit zu nutzen. Europa ist für diese jungen Men schen Alltag. Unsere Aufgabe ist es, diesen jungen Menschen, für die Europa Alltag ist, Europa näherzubringen und zu er klären, dass dieses Europa kein Selbstläufer ist, sondern dass man immer wieder von Neuem für dieses Europa kämpfen muss, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den Grünen, der CDU und der SPD so wie Abgeordneten der FDP/DVP – Abg. Joachim Kößler CDU: Richtig!)

Diese jungen Menschen haben recht; denn viele Zukunftsthe men sind nur europäisch zu lösen: Digitalisierung und künst liche Intelligenz, Klimawandel und Eindämmung der Erder wärmung, Sicherheit nach innen und außen. Die Liste ließe sich noch weiter fortsetzen.

Diese Liste passt auch zur Schwerpunktbildung, die wir beim Europaleitbild der Landesregierung erlebt haben. Ich will gern einräumen: Dieser Leitbildprozess war, wenn Sie so wollen, der baden-württembergische Weißbuchprozess. Ich will gar nicht verhehlen, dass auch mir manches bislang im Weißbuch prozess noch zu kurz gekommen ist oder nicht ausführlich dis kutiert wurde und dass ich noch nicht den abschließenden Ein druck gewinnen konnte, dass am Ende des Weißbuchprozes ses tatsächlich konkrete Reformvorschläge für Europa stehen. Aber dieser Weißbuchprozess ist auch noch nicht beendet.

(Abg. Dr. Bernd Grimmer AfD unterhält sich mit Abg. Dr. Wolfgang Gedeon [fraktionslos])

Kollege Dr. Grimmer, solange Sie sich mit dem fraktions losen Kollegen Dr. Gedeon unterhalten, wird es Ihnen nicht möglich sein, dem Versuch, Antworten auch auf Ihre Fragen zu geben, zu folgen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Da niel Karrais FDP/DVP)