Protocol of the Session on January 31, 2019

Das ist die Zeitung von heute. Es ist ein Auszug aus einem Bericht:

Im Sommer nach Italien abgeschoben, kurz vor Weihnach ten wieder eingereist: Jetzt soll der Asylbewerber Alas sa M., im vergangenen Jahr Organisator einer Flücht lingsdemo in Ellwangen, erneut Deutschland verlassen. Das Bundesamt für Migration... habe die Bearbeitung des Asylantrags... abgelehnt, bestätigte sein Rechtsan walt... Seine Kanzlei habe... gegen die „ungewöhnliche Eilentscheidung“... Klage beim Verwaltungsgericht in Karlsruhe eingereicht. In der dortigen Erstaufnahmeein richtung... wohnt der Mann seit seiner Wiedereinreise.

Ich muss dazusagen: Ich sage nichts gegen die Kanzlei.

Es ist nicht der einzige Rechtsstreit, in dem die Gelsen kirchener Kanzlei Alassa M. vertritt.

(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Und was hat das jetzt mit sicheren Herkunftsländern zu tun?)

Letzter Absatz:

Derweil zweifelt...

der Rechtsanwalt –

auch an der Rechtmäßigkeit der Razzia. In Stuttgart reich te er eine Klage gegen das Land ein. Nach Ansicht des Rechtsanwalts wird vor Gericht zu klären sein, ob eine von Flüchtlingen bewohnte Gemeinschaftsunterkunft an ders als eine Privatwohnung von der Polizei... durch sucht werden darf.

Ob die überhaupt durchsucht werden darf! Jetzt frage ich Sie: Wie weit müssen Sie in Stuttgart laufen, um einen zu finden, der das versteht? Sie werden sehr weit laufen müssen. Da sind die Menschen doch irritiert.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der AfD)

Wir können gegensteuern, wenn wir dort, wo wir handeln kön nen, überzeugend handeln. Das Konzept der sicheren Her kunftsländer ist insbesondere bei diesen vier neuen Staaten ein überzeugender Schritt. Es wäre wirklich schade, wenn wir ihn nicht gemeinsam gehen könnten.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Für die Landesregierung er teile ich Herrn Innenminister Strobl das Wort.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kol legen! Die Koalitionsvereinbarung von CDU/CSU und SPD auf der Bundesebene sieht vor, dass zum Zwecke der Verfah rensbeschleunigung Algerien, Marokko und Tunesien sowie weitere Staaten mit einer regelmäßigen Anerkennungsquote von unter 5 % zu sicheren Herkunftsstaaten bestimmt werden.

Die Landesregierung wird sich, wie bei anderen Verfahren auch, im Laufe des Bundesratsabstimmungsprozesses positi onieren, also spätestens bis zum 15. Februar.

An die AfD kann ich schon mal einen exklusiven Hinweis ge ben: Ein Blick in den Koalitionsvertrag lohnt sich.

(Abg. Rüdiger Klos AfD: Wo? In die Geheimabspra chen? – Abg. Anton Baron AfD: Schauen Sie mal das Interview mit Kretschmann im SWR!)

Dort steht nämlich, dass die grün-schwarze Koalition die Ein stufung der Maghreb-Staaten zu sicheren Herkunftsstaaten unterstützen wird, wenn die verfassungsrechtlichen Voraus setzungen erfüllt sind.

(Abg. Anton Baron AfD: Aha! – Zuruf des Abg. Bernd Gögel AfD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, betrachten wir doch gern auch die weiteren Grundlagen für die folgende Entschei dungsfindung. Nehmen wir zu Beginn die Anerkennungsquo te von Asylantragstellern aus den vier Staaten. Diese lag bun desweit im Jahr 2018 zwischen 0,3 % – Georgien – und 2,4 % – Marokko – und ist damit im Vergleich zu den Vorjahren na hezu unverändert niedrig. Der Kollege Blenke hat darauf be reits hingewiesen.

Ich möchte ergänzen: In Baden-Württemberg sind die Zahlen für das Jahr 2018 noch deutlicher. Die Anerkennungsquote für

maghrebinische Asylantragsteller lag zwischen 0 % – 0 %! – bei Marokko und 1 % bei Tunesien.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Hört, hört!)

Wer behauptet, dass in diesen Ländern schutzrelevante Ver folgung stattfindet, der unterstellt gleichsam, dass das Bun desamt für Migration und Flüchtlinge die Lage völlig ver kennt. Wenn das so wäre, darf man doch meinen, dass dieser Irrtum spätestens den Gerichten aufgefallen wäre. Denn der Rechtsweg ist ja gegenüber jeder Entscheidung voll eröffnet. Nein, es ist nun einmal so, dass fast alle aus diesen Ländern, die hier um Schutz nachsuchen, keine rechtlich relevanten Gründe geltend machen können, diesen Schutz auch zu erhal ten.

Für die sehr wenigen Verfolgten aus diesen Ländern, die tat sächlich schutzberechtigt sind, ist der Weg für eine Anerken nung ja auch später, bei einer Erklärung zu sicheren Her kunftsländern, nach wie vor offen. Denn es ist ja keinesfalls so, dass die Erklärung zum sicheren Herkunftsland automa tisch dazu führen würde, dass ein Asylantrag aus einem sol chen Staat ohne jegliche Prüfung abgelehnt würde. Jeder An trag wird weiterhin – es ist mir sehr wichtig, das zu betonen – individuell geprüft.

(Beifall der Abg. Thomas Blenke und Andreas Deusch le CDU)

Herr Minister, lassen Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Dr. Fiechtner zu?

Nein. – Das gilt sowohl für die Prüfung durch das BAMF, selbstverständlich aber auch bei einer eventuel len gerichtlichen Überprüfung – also ein individuelles Ver waltungsverfahren und ein individuelles Gerichtsverfahren in jedem einzelnen Fall.

Die Verfahren werden zwar beschleunigt, und der Aufenthalt kann gegebenenfalls schneller beendet werden, aber es gibt weiterhin ein individuelles Verfahren, in dem die individuel len Asylgründe dargelegt werden können.

Trotzdem war es der Landesregierung wichtig, dass die vul nerablen Gruppen auch weiterhin besonders behandelt wer den. Nicht zuletzt wurde das auch auf Drängen Baden-Würt tembergs hin in einer Protokollerklärung bei der Abstimmung am 10. März 2017 im Bundesrat so hinterlegt. Inzwischen steht das auch im Gesetzestext. In § 24 Absatz 1 b des Asyl gesetzes heißt es:

Das Bundesamt gewährt Ausländern aus sicheren Her kunftsstaaten..., die besondere Verfahrensgarantien im Sinne von Artikel 2 Buchstabe d der Richtlinie 2013/32/ EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerken nung und Aberkennung des internationalen Schutzes... benötigen, vor der Anhörung... grundsätzlich Zugang zu einer speziellen Rechtsberatung.

Das ist nunmehr im Gesetzestext so verankert.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat jetzt das im Gesetzentwurf zur Einstufung der vier Staaten angekündigte Konzept „Spezielle Rechtsberatung im Asylverfahren für be

sondere vulnerable Fluchtgruppen aus sicheren Herkunftsstaa ten“ im Entwurf vorgelegt. Dieses werden wir nun eingehend prüfen. – So viel heute.

Mit der Implementierung spezieller Rechtsberatung wird nicht zuletzt auch den europarechtlichen Vorgaben voll und ganz entsprochen. Wird nämlich festgestellt, dass ein Antragsteller besondere Verfahrensgarantien benötigt, dann bestimmt die Asylverfahrensrichtlinie, dass dem Asylbewerber die erfor derliche Unterstützung auch gewährt wird.

Nach einem ersten Blick auf das Konzept können wir davon ausgehen, dass die besonderen Bedürfnisse sensibler Perso nengruppen – wie etwa Opfer von Gewalt, Homosexuelle, un begleitete minderjährige Ausländer oder behinderte Personen – ausreichend berücksichtigt und gewährleistet werden. Ihnen wird aufgezeigt, welche Verfahrensgarantien in ihrem indivi duellen Fall gegeben sind. Ihnen wird verdeutlicht, inwieweit das BAMF besondere Bedürfnisse berücksichtigen kann und welche Ansprüche die Schutz suchende Person auf welche Art und Weise geltend machen kann.

Das Konzept sieht auch für einzelne Schutzgruppen besonde re Schutzkonzepte vor. Ich meine, damit befinden wir uns auf einem richtigen und guten Weg.

(Beifall bei der CDU)

Herr Minister, lassen Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Baron zu?

Nein. – Bedenken Sie außerdem die weitreichen den Folgen. Die Einstufung als sicherer Herkunftsstaat hat ei ne messbare Wirkung. Das haben wir bereits bei den Westbal kanstaaten festgestellt. Darauf hat Herr Kollege Blenke eben falls hingewiesen.

Wenn klar ist, dass Asylanträge nur eine sehr geringe Aussicht auf Erfolg haben, ersparen wir auch vielen Menschen in den Herkunftsländern eine Illusion,

(Abg. Thomas Blenke CDU: Genau so ist es!)

nämlich die Illusion, sie könnten auch mit den beträchtlichen finanziellen Aufwendungen und dem immensen Risiko einer Flucht eine Perspektive bekommen, ihren Lebensunterhalt in Deutschland zu verdienen.

(Beifall des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktions los]) – Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Richtig!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren – das ist mir persön lich wirklich ein besonderes Anliegen –, wir entziehen damit – auch das hat der Westbalkan klar gezeigt – der international tätigen Schlepperkriminalität den Boden und die Grundlage.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Martin Hahn GRÜNE)

Menschen müssen sich dann auch nicht auf eine lebensgefähr liche Reise machen, die am Ende im Nirwana endet. Die Zahl der im Mittelmeer ertrunkenen Migranten ist zwar 2018 zu rückgegangen, aber es ist noch immer eine vierstellige Zahl von Menschen, die im vergangenen Jahr ihr Leben im Mittel

meer lassen mussten, und das ist eine vierstellige Zahl von Menschen zu viel, die dort ertrunken sind.

(Beifall bei der CDU, Abgeordneten der Grünen, der SPD und der FDP/DVP sowie des Abg. Daniel Rott mann AfD)

Gerade auch vor diesem Hintergrund ist es aus meiner Sicht zutiefst bedauerlich, dass bisher kein politischer Konsens in der Bundesrepublik Deutschland, auch zwischen Bundestag und Bundesrat, hergestellt werden konnte, nach dem den West balkanstaaten folgend weitere Staaten mit einer sehr geringen Gesamtschutzquote zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt wer den.