Protocol of the Session on January 31, 2019

(Beifall bei Abgeordneten der AfD – Zuruf des Abg. Rainer Hinderer SPD)

Für die Fraktion GRÜNE er teile ich das Wort Herrn Abg. Lede Abal.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kol legen! Ich bin jetzt der Glückspilz, dem es zufällt, auf diese Rede zu antworten. Ich muss sagen, das war sogar für Ihre Verhältnisse, Herr Rottmann, ziemlich abstrus.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Das eigentliche Thema, das Sie auch angekündigt haben, war das Abstimmungsverhalten der Landesregierung zu einem Ge setzentwurf der Bundesregierung zum Thema „Sichere Her kunftsländer“, der demnächst im Bundesrat zur Abstimmung vorgelegt wird.

Wenn Sie den verfassungsmäßigen Auftrag der Länder, über die Gesetzentwürfe, die der Bundestag beschlossen hat, abzu stimmen, hier als Missbrauch des Parlamentarismus durch die Länder verunglimpfen, ist das bezeichnend für Ihr Demokra tieverständnis, und dazu haben eigentlich auch Ihre sich dar an anschließenden Machtfantasien sehr gut gepasst.

(Beifall bei den Grünen – Zuruf des Abg. Rainer Hin derer SPD)

Das Rechtskonstrukt der sogenannten sicheren Herkunftslän der lehnen wir Grünen aus grundsätzlicher Überlegung und Haltung ab. Das haben wir, die Landtagsfraktion, in der Ver gangenheit so vertreten, und das gilt auch weiterhin. Denn wir haben nach wie vor Zweifel am Sinn dieses Rechtskonstrukts. Dabei stellt sich nicht die Frage, ob es hier um eine grundsätz liche verfassungsrechtliche oder rechtliche Zulässigkeit geht. Dazu nämlich hat das Bundesverfassungsgericht in der Ver gangenheit bereits entschieden, allerdings mit klaren Vorga ben.

Es wird gern suggeriert, dass dieser Vorschlag, weitere Län der als sichere Herkunftsländer auszuweisen, das Asylsystem entlasten würde und Abhilfe schaffen würde. Das trifft aus meiner Sicht nicht zu, und deshalb führen wir heute einmal mehr eine symbolische Debatte zum Thema „Sichere Her kunftsländer“.

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Leider kursieren in der Öffentlichkeit auch nach wie vor fal sche Vorstellungen und Erwartungen dazu, was sich hinter diesem Begriff verbirgt. Die Einstufung als sicheres Her kunftsland hat nämlich erst einmal gar nichts mit der Frage zu tun, ob in ein Land abgeschoben wird oder wie schnell ein Asylantrag bearbeitet wird, und sie hat nur minimale Auswir kungen darauf, wie schnell über einen Asylantrag entschieden werden kann.

(Abg. Klaus Dürr AfD: Da können Sie doch zustim men!)

Es wird auch relativ häufig die Auffassung vertreten, dass es darum geht, wie schnell eine Person abgeschoben werden kann. Auch das trifft nicht zu. Das ganze Verfahren löst auch nicht die wesentlichen Probleme, die wir beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge haben, und es löst nicht das Prob lem der überlangen Asylverfahren insgesamt.

Abgesehen davon halten wir es insbesondere für richtig, dass das Mittel der freiwilligen Ausreise gestärkt und stärker un terstützt wird. Aber die Einstufung als sicheres Herkunftsland wird auch keine Veränderungen für die Durchführung von Ab schiebungen bringen. Entscheidend sind nämlich dafür insbe sondere die Rückführungsabkommen, welche die Bundesre gierung mit den Herkunftsländern vereinbaren müsste – oder aber die Rücknahmeregelungen nach Dublin müssten verän dert werden, also die Verpflichtung der europäischen Staaten, die Personen wieder zurückzunehmen, die sich in Deutsch land aufhalten, obwohl sie bereits in anderen Staaten als Asyl suchende registriert sind. Dann ist nämlich für die Durchfüh rung des Asylverfahrens dieser europäische Staat zuständig. Und da bleibt eigentlich niemand im innereuropäischen Zu sammenspiel so viel schuldig wie die italienische Regierung – also Ihre Brüder im Geiste.

Die Einstufung als sicheres Herkunftsland hat keine Auswir kungen auf diese Fragen. Sie betrifft nämlich ausschließlich das Asylverfahren und die Rechtsstellung sowie die rechtli chen Möglichkeiten, die ein Antragsteller im Asylverfahren hat. Sie hat Konsequenzen und erhebliche Rechtsfolgen für berechtigt Schutzsuchende, die möglicherweise dann auch nicht zu überwinden sind.

Genau deshalb sind wir noch immer skeptisch, weil die Be wertung von Asylsuchenden nach kollektiven Merkmalen schon mit dem individuellen Asylrechtsanspruch und dem rechtlichen Gebot der Einzelfallprüfung kollidiert.

Die Einstufung als sicheres Herkunftsland erschwert aus Sicht der Asylsuchenden die einzelfallbezogene Prüfung, kehrt die Beweislast um und mindert den Rechtsschutz. Die Zweifel an diesem Verfahren mit seinen Auswirkungen haben wir von seiten der Fraktion und hat auch der Ministerpräsident immer wieder formuliert. Deshalb muss der richtige Ansatz eigent lich lauten, denjenigen Schutz zu gewähren, die den Schutz des Asylrechts benötigen, und dafür die richtigen Instrumen te zu suchen.

(Beifall bei den Grünen)

Herr Abg. Lede Abal, lassen Sie eine Zwischenfrage des Abg. Gruber zu?

Ich möchte in meinen Ausführungen gern erst einmal fortfahren. – Es geht also darum, die richtigen Instrumente zu suchen und die Per spektiven im Heimatland zu schaffen, damit die Personen ih re Heimatländer nicht wegen Verfolgung oder aus anderen Gründen verlassen müssen. Das heißt, Fluchtursachen be kämpfen.

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Was sind „andere Gründe“?)

Dann erzielt man auch den gewünschten Effekt. Erfolglose Asylbegehren minimiert man nicht mit der Einstufung als si cheres Herkunftsland, sondern indem man Fluchtursachen be kämpft.

(Beifall bei den Grünen)

Nun sieht das Grundgesetz aber das Konzept der Einstufung als sicheres Herkunftsland vor. Das respektieren wir auch. So

haben wir uns im Koalitionsvertrag mit der CDU darauf ver ständigt, der Einstufung Tunesiens, Algeriens und Marokkos als sichere Herkunftsländer zuzustimmen,

(Zuruf des Abg. Bernd Gögel AfD)

wenn die hohen verfassungsrechtlichen Voraussetzungen ge geben sind.

Da haben wir nach wie vor Bedenken; zum einen, weil wir uns schon wundern, dass die Bundesregierung relativ unter schiedliche Staaten, auch in der inneren Situation unterschied liche Staaten wie Georgien, Marokko, Algerien und Tunesien in einen Gesetzentwurf zusammenpackt.

Wir stellen auch fest, dass es durchaus ernst zu nehmende Kri tik an der Menschenrechtssituation in diesen Ländern gibt, z. B. bei der Situation von Homosexuellen oder von Trans gendern, auch von Journalistinnen und Journalisten.

(Zuruf des Abg. Bernd Gögel AfD)

Deshalb hat die Landesregierung in Person von Ministerprä sident Kretschmann aus unserer Sicht völlig zu Recht darauf gedrängt, dass die Bundesregierung ein Konzept vorlegt, ein Verfahren, das sicherstellt, dass diese besonders vulnerablen Gruppen keine Nachteile dadurch erleiden, dass ihre Her kunftsländer als sicher eingestuft werden.

(Beifall bei den Grünen)

Ob dieses vorgelegte Konzept den Anforderungen genügt und ob auf dieser Basis eine Zustimmung im Bundesrat erfolgen kann, muss die Landesregierung nun prüfen. Dieses Vorgehen unterstützt die grüne Landtagsfraktion ausdrücklich.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen)

Für die CDU-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Blenke.

Danke schön. – Frau Präsiden tin, werte Kolleginnen und Kollegen! Der Bundestag hat am 18. Januar mit großer Mehrheit beschlossen, auch die Länder Tunesien, Algerien, Marokko und Georgien als sichere Her kunftsländer einzustufen. Dieses Gesetz bedarf der Zustim mung des Bundesrats. Wir von der CDU werben für die Zu stimmung zu diesem Gesetz im Bundesrat. Wir werben dafür auch gegenüber unserem Koalitionspartner.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Dr. Heinrich Fiecht ner [fraktionslos] – Abg. Karl Zimmermann CDU: Sehr gut!)

Weshalb ist die Einstufung als sicheres Herkunftsland so wich tig? Deutschland ist eines der ganz wenigen Länder auf die ser Welt, in denen das Asylrecht ein Grundrecht ist. Wer zu uns kommt und schutzbedürftig ist, erhält Schutz. Das ist ein hohes, verfassungsrechtlich garantiertes Gut, von dem wir auch nicht ablassen wollen und werden.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen – Abg. Karl Zimmermann CDU: Sehr richtig!)

Das bedingt jedoch, dass wir bei Herkunftsländern mit hohen Zugangszahlen und niedrigen Schutzquoten das Asylverfah

ren deutlich beschleunigen. Dafür gibt es seit 1993 das Inst rument der Einstufung eines Herkunftslands als sicher. Im nor malen Asylverfahren muss das Vorliegen von Asylgründen vom BAMF aufwendig geprüft werden. Kommt ein Asylbe werber dagegen aus einem als sicher eingestuften Herkunfts land, wird der Antrag als offensichtlich unbegründet abge lehnt, es sei denn, der Ausländer kann nachvollziehbar be gründen, dass ihm politische Verfolgung droht. Die Folge ei nes solchen offensichtlich unbegründeten Antrags ist ein be schleunigtes Verfahren.

Warum jetzt diese vier Staaten? Als sicher gilt ein Land, bei dem die Anerkennungsquote unter 5 % liegt. 2018 lag die An erkennungsquote für Marokko bei 2,3 %, für Tunesien bei 1,9 %, für Algerien bei 1,2 % und für Georgien bei 0,3 %.

(Zuruf: Hört, hört!)

Für Georgien gilt seit 2017 mit dem Schengen-Raum Visum freiheit, weil Anforderungen im Bereich Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte von dem Land erfüllt werden. Visumfrei reisen und dann Asyl beantragen, meine Damen und Herren, das passt nicht zusammen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der AfD)

4 265 Personen kamen im Jahr 2018 aus Georgien; 18 davon wurden als asylberechtigt anerkannt. Das sind gerade einmal diese 0,3 %. Das bedeutet, 4 247 Georgier haben das aufwen dige Asylverfahren durchlaufen, obwohl die Erfolglosigkeit absehbar war. Das ist nicht in unserem Interesse, und das ist auch nicht im Interesse der Betroffenen, die keine Klarheit be kommen.

(Beifall bei der CDU)

Schauen wir in das Kosovo, Ende 2015 zu einem sicheren Herkunftsland erklärt. Im Jahr 2015 kamen aus dem Kosovo über 30 000 Personen nach Deutschland. Im Jahr 2018 waren es noch 600 Asylanträge, die von Kosovaren gestellt wurden. Das zeigt: Die Einstufung als sicheres Herkunftsland wirkt.

Meine Damen und Herren, wer vor diesen Zahlen die Augen verschließt, der verkennt den Grundgedanken unseres Asyl rechts.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Dr. Rainer Balzer AfD)