Protocol of the Session on January 31, 2019

(Lachen bei der AfD – Zuruf der Abg. Nicole Razavi CDU)

unterhalten sich in Internetforen über die besten Einkaufsmög lichkeiten und Rezepte für ihren Lebensstil.

Grundsätzlich ist es zu begrüßen, wenn Medien, Bürger und Politiker dem Thema „Ernährung und Lebensmittel“ wieder mehr Aufmerksamkeit und Wertschätzung entgegenbringen.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der Grünen und der CDU)

Allzu lange haben wir gerade hochwertige Lebensmittel aus dem Blick verloren und auf Billigangebote gesetzt. Dies soll te aber nicht zu unsachlicher Panikmache führen. Noch nie in der Geschichte Deutschlands waren die für die Normalbürger erhältlichen Lebensmittel so gut und günstig, so reichhaltig und so engmaschig überwacht wie heute. Jeder sogenannte Skandal, der aufgedeckt wird, ist ja letztlich immer auch ein Beleg für erfolgreiche Kontrollen.

(Beifall bei der FDP/DVP)

An dieser Stelle einen herzlichen Dank an die Lebensmittel überwachung in unserem Land, ein herzliches Dankeschön an alle landwirtschaftlichen und gartenbaulichen Erzeugerinnen und Erzeuger, die uns tagein, tagaus mit guten, sicheren Le bensmitteln versorgen.

(Beifall bei der FDP/DVP – Minister Peter Hauk be gibt sich wieder zu seinem Platz auf der Regierungs bank.)

Du darfst wieder auf deinen Platz. Jetzt sind die Wogen ge glättet.

(Heiterkeit – Minister Peter Hauk: Jetzt darf ich wie der nichts sagen! – Weitere Zurufe)

Man muss den Landwirten und Gartenbauern den Rücken ein mal so richtig deutlich stärken, da ein guter Teil der Verbrau cherinnen und Verbraucher heute widersprüchliche und zum Teil unrealistische Erwartungen an die Lebensmittel haben. Die „Lebensmittel Zeitung“ und das Marktforschungsinstitut Ipsos haben jüngst den Handelsmarktmonitor 2018 veröffent licht. Über 1 000 Personen wurden da befragt. Ergebnis: Die Leute wollten alle regionale Lebensmittel, sie wollten gesun de Lebensmittel – aber nur 50 % der Befragten wollen mehr bezahlen. Gesunde Premiumlebensmittel aus der eigenen Re gion gibt es aber natürlich nicht zum Nulltarif.

Richtig ist: Es gibt heute Krankheitsbilder, die auch etwas mit falscher Ernährung zu tun haben. Das ist aber keine Frage der Qualität einzelner Produkte, sondern eine Frage der Lebens führung insgesamt. Viele von uns sitzen im Büro, es gibt zu wenig Bewegung und unausgewogene Ernährung mit einem zu geringen Anteil an frischem Obst und Gemüse.

(Zuruf des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)

Für das Essen nehmen wir uns keine Zeit mehr; wir essen ein fach mal was zwischendurch. Gerade deswegen bin ich skep tisch, ob die von grüner Seite immer wieder diskutierte Nähr wertampel so sinnvoll wäre.

(Beifall bei der FDP/DVP – Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Diät-Cola käme bei einer solchen Kennzeichnung besser weg als der natürliche Apfelsaft. Daher gilt noch immer das, was Paracelsus sinngemäß gesagt hat: Allein die Menge macht das Gift. Diese bunte Kennzeichnung einzelner Produkte hilft nicht weiter, wenn die Gesamternährung nicht ausgewogen und auf die persönlichen Tagesbedarfe abgestimmt ist.

Wenn wir heute im Landtag über gesunde, regionale und nach haltige Ernährung reden, dann frage ich mich als überzeugter Liberaler: Bis zu welcher Linie ist die Ernährung ein politi sches Thema? Wie weit darf sich der Staat beim Thema Er nährung überhaupt einmischen, und was bleibt im Sinne von Artikel 2 des Grundgesetzes der persönlichen Lebensgestal tung vorbehalten?

(Beifall bei der FDP/DVP)

Natürlich ist Ernährung insofern ein politisches Thema, als ein Drittel des EU-Haushalts in die Agrarförderung fließt. Er nährung ist tatsächlich auch ein politisches Thema, wenn es um den volkswirtschaftlichen Schaden insgesamt durch fal sche Ernährung geht. Bei der Wahl der politischen Mittel sind wir Freien Demokraten aber zurückhaltender als die Grünen und die Christdemokraten. So redet die Landesregierung in der verbraucherpolitischen Strategie von verhaltenswissen schaftlicher Intervention. Dahinter steckt die Idee, der Staat müsse den Bürgern einen Schubs in die richtige Richtung ge ben. Ich nenne das Bevormundung, meine Damen und Her ren.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der AfD)

Ministerpräsident Kretschmann hat in einem Bericht in der ZEIT im Oktober 2016 die rhetorische Frage gestellt, ob es seine Grünen nicht mit dem Glauben an die Erziehbarkeit des Menschen übertrieben hätten. Vermutlich hatte er dabei die Forderung nach den fleischlosen Veggie Days im Kopf, viel leicht aber auch die aus Minister Bondes Zeiten stammende Kampagne „Mach’s Mahl“. Mit ihrer Kampagne versucht die grün-schwarze Landesregierung noch immer, die mündigen Bürger zu gutem Essen zu erziehen. Herr Ministerpräsident, es geht nicht um eine Übertreibung bei der Erziehung der Menschen. Der Staat soll mündige Bürger überhaupt nicht er ziehen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der AfD)

Aufgabe der Politik ist vielmehr, die Erfüllung rechtsstaatlicher Pflichtaufgaben beim gesundheitlichen Verbraucherschutz zu gewährleisten, unabhängige Institutionen wie die Deutsche Gesellschaft für Ernährung und Verbraucherschutz zu unter stützen und dem Thema „Ernährung und Sport“ ausreichen de Mittel und Raum in den Bildungsplänen der Schulen ein zuräumen. Damit wird die Eigenverantwortung der jungen

Menschen gefördert. Alles andere überlassen Sie bitte Verei nen, Organisationen und natürlich der Familie.

Zuletzt eine Bitte an den schwarzen Teil der Koalition: Es geht um die ständige Vermischung von Verbraucherinformation und regionaler Absatzförderung durch das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz. Wir sehen z. B. bei der Streuobstkennzeichnung oder auch im Rahmen des Ge meinschaftsmarketings: Lebensmittelkennzeichnung scheint im Ministerium im Wesentlichen als Marketinginstrument be trachtet zu werden. Stets ist unklar, wann das Landwirtschafts ministerium spricht und wann das Verbraucherschutzministe rium.

2017 wurde in Stuttgart ein Supermarkt eröffnet. Die Staats sekretärin für Verbraucherschutz warb dort

(Staatssekretärin Friedlinde Gurr-Hirsch: Ich war nie dort!)

mit einem schriftlichen Grußwort für das Land als das „Genie ßerland Baden-Württemberg“. Anschließend hieß es aber, das wäre im Rahmen des Gemeinschaftsmarketings geschehen.

Im Ministerium liegt einerseits ein Streuobstkonzept auf, um für die regionale Streuobsterzeugung zu werben, andererseits klärt es die Verbraucherinnen und Verbraucher aber nicht da rüber auf, dass die Begriffe „Streuobst“ oder „regionales Streu obst“ gesetzlich überhaupt nicht geschützt sind und zu einer irreführenden Kennzeichnung geradezu einladen. Das darf so nicht sein.

Trennen Sie bitte sauber und erkennbar zwischen Verbraucher informationen und Vermarktungsformen. Beides ist wichtig, aber es sind eben zwei grundverschiedene Dinge.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der AfD)

Für die Landesregierung er teile ich Herrn Minister Hauk das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal herz lichen Dank an die CDU-Fraktion für die Benennung des The mas in der Aktuellen Debatte. Ich glaube, es ist in der Tat ein mal Zeit, dass man sich im Land über diesen wirklich maß geblichen und wichtigen Sachverhalt unterhält. Es geht um etwas, mit dem wir täglich zu tun haben, nämlich um Ernäh rung.

Essen und Trinken sind ebenso selbstverständlich wie alltäg lich und weitreichend, aber auch die Folgen davon. Die Lan desregierung hat sich 2016 auf den Weg gemacht, das Thema Ernährung als eine der wichtigen Aufgaben zu forcieren, und wir haben deshalb im November 2017 die „Ernährungsstrate gie für Baden-Württemberg“ beschlossen. Damit untermau ern wir auch die hohe Bedeutung und Relevanz des Themas.

Wir haben uns in dieser Ernährungsstrategie vorgenommen, ressortübergreifend aktuelle Themen wie die Gemeinschafts verpflegung, einen nachhaltigen Konsum oder die Vermeidung

von Lebensmittelverlusten zu bearbeiten. Lieber Kollege Ho her, das ist keine Bevormundung, das ist einfach das Aufgrei fen gesellschaftspolitischer Veränderungen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der CDU sowie des Abg. Andreas Kenner SPD)

Denn die Menschen in Baden-Württemberg arbeiten im Un terschied zu der Zeit vor hundert Jahren eben nicht mehr den ganzen Tag körperlich. Die Ernährungsgrundlage und die Ein kommenssituation haben sich deutlich verbessert. Damit steht deutlich mehr zum Konsum zur Verfügung, und es wird auch deutlich mehr konsumiert.

Ob das noch im richtigen Verhältnis zu dem steht, was phy siologisch für den Menschen gut ist, darf füglich zumindest hinterfragt werden. Ich sage hier nichts Falsches, wenn ich darauf hinweise, dass es eine große Zahl von Ernährungswis senschaftlern und Ärzten gibt, die übereinstimmend der Mei nung sind, dass der Mensch des 21. Jahrhunderts im Grunde noch so isst wie der Mensch des 19. Jahrhunderts, dies aber gar nicht mehr in derselben Weise braucht wie der Mensch des 19. Jahrhunderts. Er müsste sich eigentlich anders ernäh ren oder anders bewegen.

Darauf hinzuweisen und darüber zu informieren, das ist, glau be ich, vornehmste Aufgabe der Politik. Wir wollen nicht ver bieten. Das ist Sache jedes Einzelnen. Aber Information, Bil dung, Erziehung sind wichtig, und dass wir dafür auch Geld ausgeben, ist richtig und lebensnotwendig.

(Beifall bei den Grünen und der CDU – Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Auch die Arbeitsverhältnisse haben sich verändert. Während es früher gang und gäbe war, dass man zu Hause gefrühstückt und zu Abend gegessen hat – mittags war man vielleicht weg; viele hatten aber auch einen Arbeitsplatz in unmittelbarer Nä he und konnten auch mittags zu Hause essen; die Frau war da heim und hat gekocht; so war es doch –, sieht es heute ganz anders aus.

Immer mehr Menschen ernähren sich außer Haus. Das geht schon morgens auf der Fahrt zur Arbeit los. Es wird beim Bä cker angehalten, um dort ein Brötchen, einen Kaffee to go etc. mitzunehmen, was dann auf dem Weg zur Arbeit im Auto ver speist wird. Das Thema Außer-Haus-Verpflegung hat an Be deutung zugenommen.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja! – Abg. Norbert Beck CDU: Singlehaushalte!)

Das muss man einfach sehen. Davor kann man nicht die Au gen verschließen.

Da geht es nicht darum, zu bestimmen, sondern es geht ein fach um Information. Ich glaube, das muss eine Landesregie rung machen, wenn sie um des Menschen Wohl, wenn sie um das Wohl der Bürger besorgt ist.

(Beifall bei den Grünen und der CDU sowie des Abg. Dr. Rainer Balzer AfD)

Die Ernährungsbildung ist daher der zentrale Pfeiler der gan zen Ernährungsstrategie und darum auch der erste von neun Leitsätzen, die wir uns gegeben haben.

Ein wichtiger Teil der Strategie ist daneben die Gründung ei nes Landeszentrums für Ernährung, das am 1. Januar dieses Jahres seinen Betrieb aufgenommen hat. Dort, in Schwäbisch Gmünd, haben wir die bisherige dezentrale Zusammenarbeit, die es durchaus gegeben hat, gebündelt. Denn das Thema muss auch in der Fläche wirken. Wir versprechen uns dadurch einfach deutlich mehr Schlagkraft.

Am wichtigsten ist, glaube ich, die Ernährungsbildung für Kinder. Seit mehr als drei Jahrzehnten engagieren wir uns auf diesem Gebiet. Meine Vorgängerin Gerdi Staiblin hat dieses wichtige Thema schon vor 20 Jahren vorangebracht. Als vie le seine Bedeutung noch nicht erkannt hatten, hat sie das The ma „Kindererziehung, Kinderernährung“ schon als Baustein in ihre damalige Ernährungsstrategie eingebaut.