Protocol of the Session on June 30, 2016

Die Instrumente, die erforderlich sind, um diese Ungerechtig keit zu beseitigen, hat die sozialdemokratische Bundesminis terin in ihrem Gesetzentwurf klar aufgelistet. Ich würde mir wünschen, dass auch Sie diesen Gesetzentwurf unterstützen.

Der Dialog mit der Wirtschaft und die Kooperation mit Tarif partnern und Forschung sind jahrelang gelaufen. Jetzt schrei ben wir das Jahr 2016, jetzt ist es Zeit, zu handeln. Der Ge setzentwurf liegt vor. Ich bitte Sie alle, auch auf Ihre Bundes tagsfraktion Einfluss zu nehmen, damit dieser Gesetzentwurf endlich in das parlamentarische Verfahren kommt.

(Beifall bei der SPD – Abg. Andreas Schwarz GRÜ NE: Wer regiert denn in Berlin? – Abg. Andrea Lind lohr GRÜNE: Sie regieren!)

Für die Fraktion GRÜNE er teile ich Frau Abg. Wehinger das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsi dentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Entgeltgleich heit ist ein ganz wichtiges Thema, zweifelsohne, Frau Wölf le. Mir als neuer frauenpolitischer Sprecherin der Grünen und als Frau, wie Sie ja sehen, liegt sehr viel an diesem Thema, weil es mich schon seit ewigen Zeiten begleitet, nämlich ex akt seit 1971. Wenn Sie nachrechnen, stellen Sie fest: Das sind genau 45 Jahre. Damals habe ich die Ungleichheit des Lohns zum ersten Mal am eigenen Leib erfahren.

45 Jahre danach sprechen wir immer noch über dieses The ma, es beschäftigt uns immer noch. Für uns Grüne steht die ses Thema weit oben. Wir werden uns sehr darum bemühen, dass der Lohnunterschied aufgehoben wird.

(Beifall bei den Grünen)

Wir wundern uns doch sehr darüber, dass die SPD dieses The ma in Baden-Württemberg für eine Aktuelle Debatte anmel det, anstatt sich im Bund in der Regierungskoalition dafür ein zusetzen,

(Abg. Andreas Stoch SPD: Es gibt einen Gesetzent wurf! – Abg. Sabine Wölfle SPD: Koalitionspartner!)

dass der lang angekündigte Gesetzentwurf endlich umgesetzt wird.

(Abg. Sabine Wölfle SPD: Das liegt am Koalitions partner!)

Da findet Frau Ministerin Schwesig wohl keine Mehrheit und hat offenbar Schwierigkeiten, sich mit Herrn Kauder über die Interpretation des Koalitionsvertrags zu einigen.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Richtig! Deswegen reden wir darüber!)

Also zieht man das Thema im Ländle hoch.

Wie sieht es nun in der Bundesrepublik aus? Da liegt der Ent geltunterschied, insgesamt betrachtet, bei ca. 20 %, und zwar als unbereinigte Lohnlücke. Damit liegen wir in Deutschland im negativen Sinn einsam an der Spitze. Auch im Länderver gleich liegen wir in Baden-Württemberg hinten.

(Abg. Andreas Stoch SPD: Dann haben wir ja Hand lungsbedarf!)

Manche behaupten zwar, es gebe keine wirkliche Lohnlücke bzw. man könne diese komplett auflösen, wenn man bestimm te Faktoren herausrechne, z. B., dass Frauen häufiger Erwerbs unterbrechungen durch Familienunterstützung bzw. Erziehung der Kinder haben, oder auch die Tatsache, dass Frauen selte ner in Führungspositionen zu sehen sind und dass Frauen häu fig ein anderes Berufswahlverhalten als Männer zeigen, also andere Branchenspezifikationen haben.

Aber das stimmt nicht. Selbst bei statistischen Zwillingen – das heißt, wenn man Männer und Frauen bei gleichem Bil dungs- und Qualifikationsniveau in den gleichen Branchen und Berufen und in denselben Beschäftigungsformen mitein ander vergleicht – beläuft sich die Entgeltdifferenz bzw. die sogenannte bereinigte Lohnlücke auf bis zu 8 %. Und diese 8 % sind auch immer noch zu viel.

(Beifall bei den Grünen und des Abg. Andreas Deuschle CDU)

Die Bundesregierung geht jetzt zwar mit ihrem Gesetzentwurf daran – der ja, wie gesagt, noch nicht durch ist –, möchte Be richtspflicht, Auskunftsanspruch, mehr Transparenz, was die Entlohnungsspanne angeht, will Prüfverfahren in Unterneh men ab 500 Mitarbeitenden einführen. Das geht in die richti ge Richtung, aber es reicht noch nicht. Denn dieses Gesetzes vorhaben greift zu kurz, weil wir zwischen der bereinigten und der unbereinigten Lohnlücke differenzieren müssen. Die Entgeltlücke zwischen Frauen und Männern ist „nur“ – in An führungszeichen – zu ca. einem Drittel durch konkrete Lohn diskriminierung bedingt. Aber dieses Drittel ist auch zu viel. Es ist Aufgabe der Politik, Aufgabe von uns, etwas dagegen zu tun.

Die anderen zwei Drittel des „Kuchens“, der Lohnlücke, ha ben ihre Gründe aber ganz woanders, und diese Gründe müs sen wir genauer anschauen. Ein Grund für die Lohnlücke liegt nämlich in den großen Entlohnungsunterschieden zwischen den Branchen und darin, dass Frauen häufiger in den schlecht bezahlten Branchen arbeiten – und zwar nicht, weil sie nicht in besser bezahlten Branchen arbeiten könnten, sondern weil sie ein Herz dafür haben, beispielsweise in sozialen Berufen zu arbeiten. Berufe im sozialen Bereich sind noch immer eher Frauenberufe, in die die Männer langsam hineinkommen. Aber häufig wird noch immer gesagt: „Einen solchen Beruf solltest du als Mann nicht wählen; damit könntest du eine Fa milie nicht ernähren.“ Das ist oft noch das Denken.

Dadurch, dass in schlechter bezahlten Berufen – etwa Erzie herinnen, Betreuungs- und Pflegekräfte – mehrheitlich Frau en arbeiten, droht diesen Frauen zum einen eine schlechte Be zahlung, zum anderen gibt es dort häufig prekäre Beschäfti gungsverhältnisse. Somit laufen die Frauen häufig Gefahr, in Altersarmut zu geraten.

Ein weiterer Grund für die Lohnlücke sind nach wie vor die schlechten Vereinbarkeitsbedingungen. Sie führen vor allem bei Frauen zu Teilzeitarbeit, zu Minijobs, zu familienbeding ten Erwerbsunterbrechungen, und sie erschweren vor allem die Übernahme von Führungsaufgaben. Durch die Betreuung von Kindern und die Pflege von Angehörigen verzeichnen Frauen Erwerbsunterbrechungen, die wiederum zu geringe ren Karrierechancen, geringerem Verdienst und eben einem erhöhten Armutsrisiko im Alter führen.

Wir brauchen deshalb über ein Entgelttransparenzgesetz hin aus erstens eine Aufwertung der sozialen Berufe.

(Beifall bei den Grünen – Vereinzelt Beifall bei der CDU und der SPD)

Wie Sie im Koalitionsvertrag nachlesen können, setzen wir uns ganz entschieden für eine bessere Bezahlung bei den so zialen Berufen ein, und dies nicht nur, weil es überwiegend Frauen sind, die diese Berufe ausüben, sondern weil dieser Bereich – die sozialen Berufe – für unsere Gesellschaft le bensnotwendig ist. Sie alle, die Sie hier sitzen, werden viel leicht eines Tages froh sein, wenn es genügend Pflegerinnen und Pfleger gibt, die Sie im Alter versorgen.

Zweitens brauchen wir eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Das gilt meines Erachtens nicht nur für Frauen, sondern auch für Männer.

(Beifall bei den Grünen – Vereinzelt Beifall bei der CDU und der SPD)

Die Männer fühlen sich heute zunehmend verpflichtet – Gott sei Dank –, nicht nur Kinder zu zeugen, sondern sich für de ren Erziehung auch zuständig zu fühlen.

(Beifall bei den Grünen und der CDU sowie Abge ordneten der AfD)

Die Umfragen zeigen, dass ein Großteil der jungen Frauen, aber auch der Männer, beides wollen: eine Familie gründen, gleichzeitig aber auch berufstätig sein. Darauf müssen wir uns in der öffentlichen Daseinsvorsorge einstellen. Wir haben dies im Koalitionsvertrag formuliert – ebenso wie wir schon in den letzten fünf Jahren durch den Pakt mit den Kommunen und den Ausbau der Kleinkindbetreuung in Baden-Württemberg den Müttern und den Vätern eine gerechte Wahlmöglichkeit gegeben haben. Beide Elternteile können sich entscheiden, wer zu Hause bleibt. Und wir werden auch weiterhin den Aus bau von Ganztagsschulen vorantreiben, damit die Versorgung der Kinder auch nach der Kindergartenzeit weitergehen kann.

Im Koalitionsvertrag steht außerdem, dass die Angestellten des Landes und die Landesbeamten durch Familienzeiten wie Elternzeit und Pflegezeit keine Karrierenachteile erfahren. Au ßerdem sind wir für einen Dialog mit der Wirtschaft, dass die Wirtschaft Modelle erarbeitet und entwickelt, wie Lebensar beitszeitkonten erprobt werden können.

Der dritte Punkt betrifft die Unternehmenskulturen. Die Un ternehmen müssen etwas verändern, damit die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erleichtert wird und viel mehr Frauen Führungsaufgaben neben der Familie wahrnehmen können.

Dazu müssen die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber noch mehr auf die Bedürfnisse der Belegschaft eingehen. Sie müs sen dafür Sorge tragen, dass eine Frau Führungsaufgaben in Teilzeit übernehmen kann – denn auch in Teilzeit kann eine Frau eine super Arbeit machen –, dass sie nach der Kinderzeit in Vollzeit zurückkehren kann, dass es mehr flexible Arbeits zeitmodelle und Schulungen für Aufstiegskompetenzen gibt, dass eine Sensibilisierung auf der Führungsebene – da spre che ich insbesondere die Männer an – vorgenommen wird, dass die Unternehmen das Bewerbungsverfahren reflektieren und überarbeiten und dass die anonymisierte Bewerbung ein geführt wird – damit man nicht von vornherein sieht, ob die Bewerbung von einem Mann oder einer Frau ist.

(Lachen bei Abgeordneten der AfD)

Sie lachen, Herr Meuthen,

(Abg. Dr. Jörg Meuthen AfD: Ja, da lache ich!)

aber in Amerika wird das bereits mit großem Erfolg gemacht.

Das Gesetz der Bundesregierung, das eine Frauenquote von 30 % in Aufsichtsräten von börsennotierten und voll mitbe stimmungspflichtigen Gesellschaften vorsieht, ist nur ein An fang. Wir wollen gleiche Aufstiegschancen und gleichen Lohn für eine gleiche bzw. gleichwertige Tätigkeit.

Danke schön.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU – Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Sehr gut!)

Für die Fraktion der CDU er teile ich Herrn Abg. Teufel das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, ge ehrte Kolleginnen und Kollegen! Mit der heutigen Aktuellen Debatte führt die SPD eine Diskussion fort, die wir bereits im letzten Jahr hier im Landtag hatten. Schon damals wurden die Gründe für die Gehaltsunterschiede von Frauen und Männern eingehend und intensiv beleuchtet. Schon damals wurden die aktuellen Zahlen präsentiert und die Unterschiede in Bezug auf die bereinigte und die unbereinigte Lohnlücke erläutert. Schon damals wurde deutlich, dass alle Fraktionen darin über einstimmen, dass an der Beseitigung dieser Ungleichheit ge arbeitet werden muss.

(Abg. Andreas Stoch SPD: Aber konkret!)

Das Thema Entgeltgleichheit wird aktuell in der bundespoli tischen Gesetzgebung diskutiert. Das Statistische Bundesamt veröffentlichte anlässlich des diesjährigen Equal Pay Day am 19. März Zahlen, denen zufolge sich die Lohnlücke leicht ver kleinert hat. Frauen verdienten 2015 bundesweit 21 % weni ger als Männer; 2014 lag dieser Wert bei 22 %. Diese leichte Verbesserung ist zu begrüßen, sie ist aber bei Weitem nicht genug.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir können uns nicht darauf berufen, dass Frauen eben in Branchen mit geringeren Einkünften und häufiger in Teilzeit arbeiten. Aus diesem

Grund wurden auch auf Initiative der CDU-Landtagsfraktion einige Punkte in den Koalitionsvertrag aufgenommen:

Gleiche Aufstiegschancen und gleiche Bezahlung für glei che und gleichwertige Arbeit müssten selbstverständlich sein.... Um eine gerechte Entlohnung zu erreichen, wer den wir

die CDU-Landtagsfraktion –

den Dialog mit der Wirtschaft intensivieren...