Dorothea Wehinger

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Sehr geehrte Frau Präsi dentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Am vergangenen Sonntag, dem 8. März, war wieder der Internationale Frauen tag – leider noch immer kein Grund zum Jubeln, auch wenn es mancherorts rote Rosen und Sekt gab. Im letzten Jahr ha ben wir „100 Jahre Frauenwahlrecht“ gefeiert – schön! –, aber in vielen Punkten müssen wir noch sehr aufholen. Zwar kön nen wir Frauen heute viel mehr erreichen, als es noch vor Jahr zehnten möglich war; allerdings sind Frauen sowohl in der Wirtschaft als auch in der Politik noch immer deutlich unter repräsentiert. Schauen Sie sich nur hier im Landtag um. Wir Grünen sind die einzige Fraktion, die mit einem Frauenanteil von rund 47 % praktisch paritätisch besetzt ist.
Auch beim Einkommen werden Frauen nach wie vor diskri miniert. Männer verdienen ca. 22 % mehr als Frauen, was sich bis an das Lebensende der Frauen auswirkt. Von Lohngerech tigkeit sind wir also noch weit entfernt. Hinzu kommt, dass Frauen im Vergleich mit Männern noch erheblich mehr unbe zahlte Familienarbeit und Arbeit bei der Versorgung von An gehörigen leisten. Auch hier sind wir von Gleichberechtigung noch weit entfernt.
Aber seit dem Inkrafttreten der Istanbul-Konvention in Deutsch land am 1. Februar 2018 ist es eine dauerhafte Aufgabe aller staatlichen Ebenen – Bund, Länder und Kommunen –, heute und in der Zukunft all diese Verpflichtungen umzusetzen, das heißt, alles zu unternehmen, um Gewalt in jeglicher Form an Frauen zu verhüten und zu bekämpfen. Dies gilt insbesonde re im häuslichen Bereich.
Doch im häuslichen Bereich sieht es noch sehr dramatisch aus. Alle drei Tage stirbt in Deutschland eine Frau durch ih ren Partner oder Ex-Partner. 77 % aller Opfer von Mord und Totschlag in Beziehungen sind Frauen.
Jeden Tag versucht ein Mann, seine Frau oder Ex-Frau umzu bringen. Bei zwei von drei Tötungen in Beziehungen
geht es um Trennung, sprich die Frau verlässt den Mann, der Mann nimmt dies als Machtverlust wahr und tötet die Frau.
Neben solch brutaler physischer Gewalt sind Frauen in den meisten Fällen aber auch diejenigen, die verbaler Gewalt so wie Bedrohungen und Hetzkampagnen ausgesetzt sind.
Genau.
Denn zur Gewalt gehört eben nicht nur die körperliche, sondern auch die verbale Ge walt. Das möchte ich auch an Sie richten.
Verbale Gewalt durch die Sprache, die jetzt als neues Phäno men ebenso im Netz auftritt – nicht nur hier im Landtag –, verbale Einschüchterungen und Beschimpfungen übelster Art bis hin zu Vergewaltigungsandrohungen werden millionen fach im Netz gelikt, geteilt und gefeiert. Frauen sollen dadurch eingeschüchtert und zum Schweigen gebracht werden.
Verbale Gewalt findet aber auch in der Musik, insbesondere in Hip-Hop-Texten, statt.
In diesen Texten kommt Frauenfeindlichkeit weitaus häufiger vor als eine andere Dis kriminierungsform wie z. B. Homophobie und Rassismus.
Aber was sind nun die Ursachen für diese geschlechtsspezifi sche Hate Speech? Dazu müssen wir unser gängiges Ge schlechterverständnis einmal genauer ansehen. Sexismus und Frauenfeindlichkeit wurzeln in hierarchischen Geschlechter bildern und patriarchen Macht- und Herrschaftsverhältnissen
in unserer Gesellschaft.
Jegliches Infragestellen dieser vermeintlich natürlichen und als rechtmäßig wahrgenommenen Ordnung wird von vielen Männern als Verlust ihrer Privilegien sowie ihrer Macht- und Einflussmöglichkeiten gesehen.
Wer sind nun die Betroffenen? Vor allem sind das Frauen, die in der Politik ihre Stimme erheben und ihre Meinung klar äu ßern. Hetzkampagnen sind zudem heftiger, wenn mehrere Dis kriminierungsformen zusammenkommen. Das betrifft vor al lem schwarze Frauen und „Women of Color“, Frauen mit Mi grationshintergrund, Frauen mit Behinderung, lesbische und Transgender-Frauen, Dicke und Dünne. Und warum?
Einzig und allein deshalb, weil sie Frauen sind. Dagegen müs sen wir uns entschlossen wehren, und zwar auf Landes- und auf Bundesebene,
nicht zuletzt deswegen, weil Frauenfeindlichkeit ein Einfalls tor für Rechtsextremismus ist und als Demokratiegefährdung ernst zu nehmen ist.
Die Attentäter von Halle und Hanau haben in ihren Manifes ten einen wahnhaften Frauenhass und hasserfüllte,
frauenverachtende Ideologien offenbart. Sie sind der Gruppe der sogenannten Incels – also grob übersetzt: unfreiwillig im Zölibat lebend – zuzuordnen. Der Hass auf Frauen wird da mit begründet,
dass Feminismus und Emanzipation zu einem Niedergang westlicher Gesellschaften aufgrund sinkender Geburtenraten führten – so deren Behauptung.
Doch Antifeminismus ist leider auch in konservativen Krei sen weit verbreitet und macht den Rechtspopulismus damit anschluss- und gesellschaftsfähig.
Frauen werden objektiviert, in eine traditionelle Rolle als Mut ter zurückgedrängt, und die Gleichstellung der Geschlechter wird als Genderdiktatur abgetan.
Immerhin gibt es in Baden-Württemberg erste Initiativen, die sich des Themas annehmen. Mit der Meldestelle „respect!“ des Demokratiezentrums Baden-Württemberg gibt es seit En de 2017 die bundesweit einzige Meldestelle gegen Hass im Netz, die strafrechtlich relevante Hetze anzeigt. Auch die In ternetwache der Polizei Baden-Württemberg
ermöglicht Onlinemeldungen von Hasskommentaren.
Mir ist es ein großes Anliegen, dass betroffene Frauen schnell und unbürokratisch Hilfe erfahren.
Daher fordere ich eine noch höhere Sensibilisierung von Polizei und Justiz für die geschlechtsspezifischen Aspekte von Hate Speech und digi taler Gewalt.
Auf Bundesebene liegt derzeit ein Gesetzentwurf zur Bekämp fung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität vor, der eine Reform des NetzDG darstellt. Während der Gesetzent wurf zweifelsohne ein Schritt in die richtige Richtung ist, kommentiert der Deutsche Juristinnenbund den Entwurf als unzureichend, und zwar u. a. deshalb, weil Frauenfeindlich keit und Antifeminismus im Entwurf nicht explizit als Motiv für Hasskriminalität aufgeführt werden sollen
und Stalking auch weiterhin nicht in den Anwendungsbereich des NetzDG aufgenommen werden soll.
Wir benötigen also dringend eine Ausweitung und Konkreti sierung des Straftatbestands,
um Frauen effektiver vor Hate Speech zu schützen.
Deshalb fordere ich dazu auf, den Schutz und die Rechte der Frauen als gesamtgesellschaftliche Aufgabe zu sehen und nicht nur am Weltfrauentag über Feminismus zu reden.
Wir müssen die Frauenrechte auch in der digitalen Welt ver teidigen und dürfen die Opfer nicht alleinlassen, wir dürfen nicht länger schweigende Mehrheit sein. Hass und Gewalt dürfen keinen Platz in unserer Gesellschaft haben.
Danke schön.
Sehr geehrte Frau Präsi dentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Gewalt gegen Frau en geht uns alle an, und zwar an jedem einzelnen Tag im Jahr und nicht nur am Internationalen Tag zur Beseitigung von Ge walt gegen Frauen, der bekanntlich am Sonntag stattgefunden hat.
Trotzdem ist der 25. November wichtig. Denn Menschen ge hen gemeinsam auf die Straße und zeigen, dass Gewalt gegen Frauen viele Gesichter hat. Es ist unsere Aufgabe, die Men schenwürde, das Recht auf körperliche Unversehrtheit und die Gleichheit aller Menschen zu schützen.
Deshalb danke ich allen Engagierten, die sich am Wochenen de an vielen Aktionen im Land beteiligt haben. In Deutsch land findet Gewalt gegen Frauen leider alltäglich und mitten unter uns statt – ob auf offener Straße oder hinter verschlos senen Türen, zu Hause oder in der Prostitution, unabhängig von der Gesellschaftsschicht oder der sozialen Herkunft.
Statistisch gesehen wird alle fünf Minuten eine Frau bedroht, verprügelt, gestalkt, psychisch unter Druck gesetzt, sexuell genötigt oder vergewaltigt.
Das besagt die jüngste Statistik des Bundeskriminalamts.
Nun hören Sie gut zu: In Baden-Württemberg wurden im ver gangenen Jahr 19 Frauen von ihrem Partner oder Ex-Partner getötet oder ermordet. Insgesamt wurden den Behörden knapp 10 000 Fälle von Partnerschaftsgewalt gegen Frauen gemel det. Die Dunkelziffer liegt aber weitaus höher. Wir sagen des halb entschieden Nein zu Gewalt von Männern.
Die Landesregierung hat 2014 den Landesaktionsplan gegen Gewalt an Frauen als ressortübergreifende Gesamtstrategie beschlossen. Priorität Nummer 1 ist, ein bedarfsgerechtes An gebot an Frauen- und Kinderschutzhäusern sowie spezialisier ten Fachberatungsstellen sicherzustellen. Aktuell gibt es in Baden-Württemberg 42 Frauen- und Kinderschutzhäuser mit rund 750 Plätzen. In vier Landkreisen gibt es allerdings noch keine entsprechende Einrichtung. Die wissenschaftliche Be darfsanalyse und die Empfehlungen der Istanbul-Konvention des Europarats zeigen jedoch, dass in Baden-Württemberg dringend weitere Plätze in Frauen- und Kinderschutzhäusern erforderlich sind. Wir unterstützen deshalb ausdrücklich Mi nister Lucha in seiner Ankündigung, im kommenden Doppel
haushalt pro Jahr einen zweistelligen Millionenbetrag für ei nen flächendeckenden Ausbau der Frauen- und Kinderschutz häuser mit Beratungsstellen bis 2022 zur Verfügung zu stel len.
Dies ist ein notwendiger Schritt, der von Gewalt betroffenen Frauen mit ihren Kindern hilft, der Gewaltspirale zu entkom men.
Aber auch der Bund darf von Gewalt Betroffene nicht im Re gen stehen lassen. Es braucht auch auf Bundesebene ein Recht auf Schutz sowie eine bundesweit verlässliche Finanzierung der Frauen- und Kinderschutzhäuser. Ein kurzzeitiges Akti onsprogramm zum Ausbau von Hilfsstrukturen, wie es Minis terin Giffey angekündigt hat, reicht bei Weitem nicht aus. Frauen- und Kinderschutzhäuser brauchen eine dauerhafte und verlässliche Finanzierung.
Dies ist umso dringender, als wir erst über die Spitze des Eis bergs reden. Denn nur etwa 20 % der Betroffenen holen sich überhaupt Hilfe, sodass von weitaus mehr Opfern auszugehen ist. Betroffene Frauen schweigen oft aus Angst oder schämen sich, Hilfe in einer Beratungseinrichtung oder Schutz in ei nem Frauenhaus zu suchen. Schweigen jedoch hilft nur den Tätern. Daher ist es wichtig, Gewalt gegen Frauen öffentlich zu machen und zum Hinschauen zu sensibilisieren.
Denn durchschnittlich jede vierte Frau in Deutschland im Al ter zwischen 16 und 85 Jahren erlebt mindestens einmal kör perliche und/oder sexualisierte Gewalt durch einen Bezie hungspartner, das heißt: Mann, Vater, Bruder, naher Freund.
Jede Frau, die Opfer jedweder Gewalt wird, ist eine Frau zu viel. Das geht uns alle an. Wir stehen deshalb für eine Gesell schaft, die hinschaut und Frauen unterstützt und ermutigt, in allen Lebensbereichen selbstbewusst ihre Rechte einzufordern und, wenn nötig, einzuklagen.
Das Thema „Gewalt gegen Frauen“ muss sicherheitspolitisch ganzheitlich betrachtet werden. Das zeigt nicht zuletzt die grausame Vergewaltigung in Freiburg. Wir müssen alles da für tun, dass sich Frauen auch im öffentlichen Raum sicher und angstfrei bewegen können.
Die Zuweisung einer Schuld an die Opfer einer Tat, indem ih nen sogenanntes leichtsinniges Verhalten vorgeworfen wird – z. B., dass sie den Rock ein wenig zu kurz geschnitten hätten –, ist vollkommen inakzeptabel.
Es darf nicht sein, dass Frauen ihre Lebensweise aus Angst vor sexuellen Übergriffen anpassen oder einschränken müs sen.
Im kommenden Jahr wird die Polizei in Baden-Württemberg deshalb Sexualstraftaten zu einem kriminalpolitischen Schwer punkt machen.
Dafür setzen wir uns mit Nachdruck ein. Ebenso müssen Mehrfachtäter im Bereich der sexuellen Gewalt polizeilich als Intensivtäter behandelt werden und nicht einfach als normale Täter.
Der Umgang mit von Gewalt betroffenen Frauen und Kindern erfordert von Polizei und Staatsanwaltschaft besondere Sen sibilität und Fachkenntnis. Das ist leider nicht Teil der Aus bildung. Daher braucht es dringend mehr Spezialisierung und Fortbildung auch in diesem Bereich.
Doch auch wir müssen uns stärker dafür einsetzen, dass Ge walt erst gar nicht ausgeübt wird. Wir entwickeln derzeit ein umfassendes Konzept zur Sicherheit im öffentlichen Raum,
insbesondere auch mit Blick auf das Nachtleben, z. B. in Dis kotheken. Mit dem Modellprojekt „Luisa ist hier“ haben wir einen guten Anfang gemacht. Wir finden aber, es muss lan desweit durchgeführt werden.
Wirksame Prävention ist nicht nur der beste Schutz vor Ge walt,
sondern auch volkswirtschaftlich sinnvoll. Jeder Euro, der in die Verhinderung von Gewalt investiert wird, beugt hohen Kosten in der Gewaltnachsorge vor und vermeidet Verletzun gen, die oft ein Leben lang andauern.
Es gilt deshalb, die Präventionsarbeit in allen Bildungsberei chen zu stärken und damit bereits im Kindesalter anzufangen.
Mit der Rahmenkonzeption „stark.stärker.WIR“ und in der Leitperspektive „Prävention und Gesundheitsförderung“ in den neuen Bildungsplänen werden Schulen entsprechende Programme zu den Themen Gewalt, Sucht und Gesundheits prävention zur Verfügung gestellt. Mädchen und Jungen sol len in ihrer Persönlichkeit und in ihrer Konfliktlösungskom petenz gestärkt werden. Deshalb muss Präventionsarbeit sys tematisch ausgebaut und umgesetzt werden.
Gewalt gegen Frauen hat auch mit dem Machtgefälle zwi schen Männern und Frauen sowie mit geschlechtsspezifischen Rollenbildern zu tun. Aber Gewalt fängt schon mit der Spra che an; Sprache kann zutiefst verletzen und erniedrigen und kann die Frauen klein machen.
Gewalt gegen Frauen ist ein gesamtpolitisches Problem, das durch die #MeToo-Debatte langsam enttabuisiert wird – eine
Debatte, die das Schweigen der Frauen bricht und sie zum Re den bringt. Geschlechtsspezifische Gewalt muss entschiede ner bekämpft und vor allem klar benannt werden. Tötungen aus Eifersucht, Rache oder sonstigen niedrigen Beweggrün den sind Morde und keine „Beziehungsdramen“ oder „Fami lienstreitigkeiten“.
Die verbale Verharmlosung der Delikte verwässert das Prob lembewusstsein und relativiert die Gewalt.
Frauenrechte sind Menschenrechte. Wir brauchen eine Kultur des Hinsehens, wo immer diese Rechte verletzt werden – ob im öffentlichen Raum oder im häuslichen Bereich. Hierzu be darf es erstens einer verstärkten Präventionsarbeit, zweitens Beratung und Unterstützung sowie Betreuung der Gewaltop fer und drittens einer konsequenten Strafverfolgung. Gewalt gegen Frauen ist Gewalt gegen uns alle. Lassen Sie uns ge meinsam entschlossen dagegen ankämpfen.
Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsi dentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Alleinerzie hende und ihre Kinder tragen mit 45,8 % das höchste Armuts risiko in Baden-Württemberg. Es gibt 325 000 Alleinerzie hende bei uns in Baden-Württemberg, davon sind 84 % Frau en bzw. Mütter.
Eine davon – als Beispiel – ist Anna, 36 Jahre alt. Sie hat zwei Kinder im Alter von drei und sieben Jahren und lebt in einem Ihrer Wahlkreise. Anna arbeitet in Teilzeit. Sie kümmert sich allein um ihre Kinder, stemmt allein den Haushalt, jongliert mit Terminen und fällt abends natürlich müde ins Bett. Mit ihrem monatlichen Nettoeinkommen von unter 1 300 € muss sie den Lebensunterhalt der kleinen Familie allein finanzie ren. Anna lebt getrennt vom Vater ihrer Kinder. Dieser zahlt keinen Unterhalt für die beiden. Sie erhält daher 360 € mo natlich vom Staat als Unterhaltsvorschuss für die beiden Kin der.
In der ersten Jahreshälfte 2018 musste das Land Baden-Würt temberg in bereits mehr als 60 700 Fällen einspringen und Un terhaltsvorschuss von rund 65 Millionen € leisten. Jetzt kommt der springende Punkt: Das Nichtzahlen von Unterhalt ist kein Kavaliersdelikt, sondern ein Strafakt.
Der Druck auf säumige Unterhaltspflichtige muss konsequent erhöht werden, und die Gelder müssen von ihnen strengstens zurückgefordert werden. Denn nicht oder nur unregelmäßig gezahlten Kindesunterhalt kann man nicht einfach nur hin nehmen. Er ist ein wesentlicher Grund für die Armut von Al leinerziehenden und ihren Kindern.
Der Unterhaltsvorschuss ist daher eine wichtige Leistung zur finanziellen Unterstützung alleinerziehender Mütter, aber auch Väter, die keinen Unterhalt vom unterhaltspflichtigen Eltern teil erhalten.
Mit der Reform auf Bundesebene im letzten Jahr wurden die Leistungen für Alleinerziehende ausgeweitet, die Höchstbe zugsdauer gestrichen und der Bezug bis zur Volljährigkeit des Kindes ermöglicht; das hat Minister Lucha bereits ausgeführt. Dadurch profitieren in der Summe mehr Alleinerziehende in Baden-Württemberg von der Unterhaltsvorschussleistung, und das ist ein richtiger und längst überfälliger Schritt. Die Leis tungsausweitung führt zu finanziellen Mehrbelastungen von geschätzt 7,5 Millionen € jährlich.
Der Gesetzentwurf ändert die Quoten der Beteiligung von Land und Kommunen am Unterhaltsvorschuss; auch das hat Minister Lucha ausgeführt. Die Kommunen werden dabei in den Ausgaben entlastet und stärker an den Einnahmen aus die sem Unterhaltsvorschussgesetz beteiligt. Mit den Mehrein nahmen soll für die 46 Jugendämter ein Anreiz geschaffen werden, aufgrund dieser Überschussmittel die Anteile unter haltssäumiger Elternteile zurückzufordern. Diesen Ansatz un terstütze ich ausdrücklich.
Jetzt kommen wir zu dem Wermutstropfen im Unterhaltsvor schussgesetz. Zur Wahrheit gehört, dass der Unterhaltsvor schuss keineswegs bedarfsdeckend ist und obendrein voll auf andere soziale Leistungen wie Kinderzuschlag, Wohngeld oder Leistungen nach dem Bildungs- und Teilhabepaket an gerechnet wird. Diese bundesgesetzliche Regelung führt da zu, dass unsere Anna als Geringverdienerin ihren Anspruch auf diese Leistungen verliert und im Ergebnis finanziell schlech tergestellt ist – eine verheerende Wirkung.
Ebenso wird der Unterhaltsvorschuss bei Hartz-IV-Bezug als Einkommen angerechnet, sodass die Armutsgefährdung von Alleinerziehenden auch damit verschärft wird – eine parado xe Wechselwirkung, müsste die Unterstützung doch gerade diejenigen erreichen, die bedürftig sind.
Hier besteht eindeutig Handlungsbedarf auf Bundesebene. Wir fordern die Große Koalition dringend auf, rasch tätig zu wer den.
Außer durch finanzielle Mittel wie den Unterhaltsvorschuss müssen Alleinerziehende wie Anna bei ihren Herausforderun
gen im Alltag auch weiterhin und intensiv unterstützt werden. Die Landesregierung tut das bereits auf vielfältige Weise. Um ein paar Beispiele zu nennen: Angebote zur Teilzeitausbildung von Alleinerziehenden und Pflegenden, Ausbau und verbes serte Qualität der Kinderbetreuung über den Pakt für gute Bil dung und Betreuung, mehr familienfreundliche, flexible Ar beitszeitmodelle für Mütter, aber auch für Väter, und die För derung des sozialen Mietwohnungsbaus mit 180 Millionen € jährlich, außerdem das gute Landesprogramm STÄRKE.
Nahezu ein Fünftel aller Familien hier in Baden-Württemberg sind sogenannte Einelternfamilien. Daher fordere ich: Wir dür fen Alleinerziehende wie Anna nicht alleinlassen. Unterhalts vorschuss ist ein wichtiger Beitrag, aber es gilt, auch weitere Anstrengungen zu unternehmen, um Kinder- und Familienar mut gar nicht erst aufkommen zu lassen bzw. zu beseitigen. Denn Kinder, von denen wir immer sagen, sie seien unser Schatz – –
Ich bin fertig. – Kinder dürfen kein Armutsrisiko sein, weder in Paar- noch in Einel ternfamilien.
Danke schön.
Sehr geehrte Frau Präsi dentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Heute bera ten wir das Ausführungsgesetz des Landes zum Prostituier tenschutzgesetz in der zweiten Lesung. Die Umsetzung des höchst komplexen Bundesgesetzes aus dem Hause Schwesig/ Barley ist nicht einfach. Es gab zahlreiche Kritik am Gesetz der Bundesregierung.
Wir haben das Landesausführungsgesetz vergangene Woche noch einmal sehr intensiv im Ausschuss für Soziales und In tegration beraten. Hier möchte ich einen besonderen Dank an das Ministerium und die dort zuständige Fachreferentin aus sprechen, die uns im Ausschuss sehr ausführlich über ihre Pra xiserfahrungen mit den derzeitigen Anmeldungen und Bera tungen von Prostituierten berichtet hat.
Wir stehen mit dieser Frage in der großen Verantwortung, wie das Land einen bestmöglichen Schutz für die in der Prostitu tion tätigen Personen gewährleisten und ihnen einen nieder schwelligen Zugang zu umfassenden Beratungs- und Hilfsan geboten ermöglichen kann.
Drei Punkte möchte ich in diesem Zusammenhang nochmals herausstellen.
Erstens zur Gültigkeit der Anmeldebescheinigung für Prosti tuierte: Das Land hat von der Begrenzung des Geltungsbe reichs der Anmeldebescheinigung auf Baden-Württemberg abgesehen. Dies war das Ergebnis eines breiten Anhörungs verfahrens. Insbesondere die Fachberatungsstellen P.I.N.K. in Freiburg und Amalie in Heilbronn, aber auch die Liga haben sich ausdrücklich gegen eine Begrenzung ausgesprochen, da diese nicht zielführend für den Schutz der Prostituierten sei.
Es geht vielmehr darum, die Hürden im Anmeldungsverfah ren für Prostituierte so niedrig wie möglich zu gestalten, da mit sie auch ihrer Anmeldepflicht nachkommen können und im Gespräch beim Anmeldungsverfahren ein Vertrauensver hältnis aufbauen können. Zu hohe Hürden würden die Prosti tuierten in die Illegalität abdrängen, was gemäß Gesetzesziel unbedingt zu vermeiden ist.
Das Ministerium für Soziales und Integration hat zugesagt, besonders diesen Punkt bei der Evaluierung differenziert zu überprüfen. Richtig ist aber auch: Eine Anmeldung allein ga rantiert noch keinen Schutz für die Prostituierten.
Deswegen legen wir – der zweite Punkt meiner Ausführun gen – den Fokus auf die Qualität der Gesundheitsberatung. Dabei geht es darum, die Rechte und den Schutz der Prosti tuierten durch regelmäßige niederschwellige Beratungsange bote oder Beratungsgespräche in sechs- bis zwölfmonatigen Zyklen zu stärken und dort ein Vertrauensverhältnis aufzubau en.
Die Gesundheitsberatung dient nach WHO-Standard nicht nur der Abwehr von ansteckenden Krankheiten, wie das manch mal so landläufig gemeint wird, sondern sie legt auch einen ganzheitlichen Fokus auf die psychosoziale Gesundheit der Prostituierten. Das Ministerium für Soziales und Integration wird sich hier flächendeckend für eine angemessene Quali tätssicherung einsetzen und die Gesundheitsberatungen inten siv begleiten.
Ein Leitfaden für die Gesundheitsberatung wird derzeit er stellt. Zudem findet heute eine Informationsveranstaltung für die ab dem 1. November zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Behörden der Stadt- und Landkreise statt. Außerdem – darauf legen wir besonderen Wert – wird das Mi nisterium weitere Schulungen und Qualifizierungen auf An frage anbieten und den Kommunen jederzeit als Ansprech partner zur Verfügung stehen.
Die Qualität der gesundheitlichen Beratung entscheidet über den erfolgreichen Schutz der Prostituierten. Nur über ausrei chende Fachkenntnisse und entsprechende Sensibilisierungen können Zwangslagen aufseiten der Prostituierten erkannt und auch ein vertraulich geschützter Rahmen geschaffen werden. Auch das Ministerium hat sich hier eindeutig dem bestmög lichen Schutz der Prostituierten verpflichtet.
Mein dritter Punkt sind die Berechnung und der Ausgleich der Kosten der Kommunen. Wie bereits diskutiert, gibt es bisher auf Bundesebene keine validen Zahlen dazu und somit auch keine verlässliche Berechnungsgrundlage. Das Land hat da her eine Evaluierung und Spitzabrechnung der Kosten im Jahr 2019 vorgesehen. Die Parameter der Evaluation werden da bei in enger Abstimmung mit den kommunalen Landesver bänden erarbeitet. Diese rückwirkende Ausgleichsklausel ist ein faires Instrument und garantiert, dass keine Kommune in Baden-Württemberg auf ihren Kosten sitzen bleibt.
Das Land kommt auch diesbezüglich seiner Verpflichtung in vollem Umfang nach.
Zusammenfassend möchte ich festhalten: Das Land hat die Spielräume für eine praktikable Umsetzung genutzt und sich dem bestmöglichen Schutz der Prostituierten durch eine qua litativ hochwertige Gesundheitsberatung verpflichtet.
Die darüber hinausgehende Debatte über Menschenhandel und Kriminalitätsbekämpfung, die ja weiterhin im Raum steht, wird sehr ernst genommen und erfordert weitere Anstrengun gen und vor allem verschärfte Kontrollen vonseiten der Poli zei und der Ordnungsbehörden.
Ja. – Dazu kommt noch – das ist ein ganz wichtiger Punkt –, dass das Sozialministe rium einen runden Tisch unter Einbeziehung aller wichtigen Organisationen in diesem Bereich einrichten will.
In diesem Sinn werden wir Grünen die Verabschiedung des Ausführungsgesetzes zum Prostituiertenschutzgesetz befür worten.
Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsi dentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutie ren heute das Ausführungsgesetz des Landes zum Prostituier tenschutzgesetz und darüber, inwiefern das Land die Spiel räume bei der Umsetzung auf Landesebene genutzt hat.
Kernelemente des Prostituiertenschutzgesetzes hat Minister Lucha bereits ausgeführt. Ich möchte zunächst darauf hinwei sen, dass die Prostitution nicht irgendein Gewerbe ist, sondern es in vielen Fällen um die sexuelle Ausbeutung der Frauen und Zwangsprostitution sowie Menschenhandel geht. Bei spielsweise werden Frauen, insbesondere ganz junge Frauen, bevorzugt aus Osteuropa und Afrika unter Angabe falscher Tatsachen hierher gelockt. Dadurch entsteht für die jungen Frauen ganz, ganz großes Leid und Not, aus der sie dann in der Regel gar nicht selbst herauskommen. Deshalb müssen wir dem entschieden entgegentreten und für den bestmögli chen Schutz der Prostituierten allgemein eintreten.
Drei Punkte sind für mich in diesem Zusammenhang beson ders wichtig. Zunächst einmal geht es um die Prostituierten selbst. Sie müssen sich nach dem neuen Gesetz künftig bei
den Landratsämtern anmelden – gebührenfrei – und vorab ein verpflichtendes Informations- und gesundheitliches Beratungs gespräch wahrnehmen. Das Informations- und Beratungsge spräch findet in geschützter Umgebung mit fachlicher Exper tise statt, sodass die Prostituierten Informationen über ihre Rechte, aber auch ihre Pflichten sowie vor allem ihre Aus stiegsmöglichkeiten bekommen. Wir begrüßen das sehr.
Wir begrüßen aber auch die gesundheitliche Beratung durch den öffentlichen Gesundheitsdienst, die jedoch zeitlich und räumlich getrennt von der Anmeldung sowie auch im ge schützten Raum stattfinden muss. Denn nur so ist ein vertrau licher Austausch überhaupt möglich.
Das Ministerium für Soziales und Integration erarbeitet der zeit eine mehrsprachige App für Prostituierte, die als Wegwei ser für Behörden, für Beratungsstellen und das Hilfesystem überhaupt in Baden-Württemberg dienen soll. Auch das be grüßen wir sehr. Das ist ganz sicher ein ganz gutes Hilfsmit tel.
Beim zweiten Punkt geht es um die Qualifizierung der Mitar beiter in den Behörden. Fachkenntnisse, die ja nicht automa tisch vorhanden sind, und die Sensibilisierung der Mitarbei terinnen und Mitarbeiter in den Behörden sind von größter Wichtigkeit bei der erfolgreichen Umsetzung und zum Schutz der Prostituierten. Es ist wichtig, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sensibilisiert sind in Bezug auf das Erkennen von Anhaltspunkten, z. B. bei Zwangsprostitution, und das Eingreifen.
Das Ministerium für Soziales und Integration hat zusammen mit den Fachberatungsstellen einen Leitfaden und eine Ori entierungshilfe für einheitliche Standards bei den Beratungs gesprächen erarbeitet. Vorab wird es dazu eine Informations veranstaltung für alle in diesem Bereich Zuständigen geben. Wünschenswert wäre aber darüber hinaus, dass diese Mitar beiterinnen und Mitarbeiter weitere Schulungen und Fortbil dungen bekommen, weil diese Aufgabe nämlich eine ganz, ganz hohe Verantwortung innehat, aber für diese Arbeit auch eine hohe Empathie notwendig ist, die eben nicht von vorn herein vorhanden ist.
Der dritte und für mich ganz wichtige Punkt bezieht sich auf die Anforderungen für die Betreiberinnen und Betreiber von Bordellen. Neu in diesem Zusammenhang ist die Einführung einer Erlaubnispflicht für diese Prostitutionsstätten. Hier muss verschärft bei der Prüfung der Zuverlässigkeit des Betreibers oder der Betreiberin angesetzt werden. Dabei ist z. B. zu prü fen, ob die Betreiber oder die Betreiberinnen schon einmal kriminell auffällig waren oder eine rechtskräftige Verurteilung in den letzten Jahren vorliegt. Auch das ist ja nicht nur selten der Fall. In der Konsequenz muss, wenn so etwas heraus kommt, die Betriebserlaubnis natürlich verweigert werden.
Dazu kommt noch, dass die gesetzlichen Mindestanforderun gen an Hygiene, an Sicherheit und natürlich an die Arbeitsbe dingungen der Prostituierten eingehalten werden müssen, dass dazu Kontrollen durchgeführt werden müssen und dass man dazu auf den Polizeivollzugsdienst zurückgreifen kann und zurückgreifen muss. Ziel von diesen Anforderungen an die Prostitutionsstätten ist die entschlossene Bekämpfung der Kri minalität in Bezug auf Menschenhandel, sexuelle Ausbeutung
und im Besonderen der Zuhälterei. So etwas muss aufgedeckt bzw. verhindert werden. Bei Zuwiderhandlung gegen eine die ser Anforderungen muss das Bordell natürlich geschlossen werden, und der Betreiber oder die Betreiberin muss dann zur Rechenschaft gezogen werden.
Ja. – Wichtigster Grund satz ist für mich zum Schluss, dass die Hürden für die Anmel dung und die Beratungsgespräche mit den Prostituierten so niederschwellig wie möglich gehalten werden müssen. Im Ge genzug müssen die Hürden für die Betriebserlaubnis einer Prostitutionsstätte und die Intensität der damit einhergehen den Kontrollen zum Schutz der Prostituierten umso höher an gesetzt werden.
In diesem Sinn werden wir Grünen die Verabschiedung des Ausführungsgesetzes zum Prostituiertenschutzgesetz grund sätzlich befürworten.
Danke schön.
Sehr geehrte Frau Präsi dentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Heute ist wie der der Internationale Frauentag, wie Sie schon gehört haben und hoffentlich jetzt alle wissen. Der Internationale Frauen tag ist ein ganz wichtiger Tag für Frauen auf der ganzen Welt. Denn da erleben sie die Frauensolidarität in ganz entschiede nem Maß. Sie gehen auf die Straße, um für ihre Rechte zu kämpfen und für die Gleichberechtigung einzustehen.
Bei uns ist die Gleichberechtigung ja gesetzlich festgeschrie ben. Vieles wurde umgesetzt, aber vieles muss noch getan werden. Leider hängt immer noch sehr viel vom Geschlecht ab.
Deswegen haben wir, die Fraktion GRÜNE, zusammen mit der Fraktion der CDU den Antrag zum Thema „Frauenpolitik in Baden-Württemberg“ eingebracht. Daraus möchte ich ein paar Punkte vortragen.
Wir setzen uns für gleiche Verwirklichungschancen in allen politischen, beruflichen und gesellschaftlichen Bereichen ein. Denn diese sind Ausdruck für eine moderne, demokratische und freiheitliche Gesellschaft, und dafür steht Baden-Würt temberg.
An dieser Stelle möchte ich mich bei den Ministerien für die ausführliche Stellungnahme zu unserem gemeinsamen Antrag bedanken.
Wir Grünen stehen für Frauenpower. Wenn Sie sich anschau en, wie viele weibliche Abgeordnete hier bei uns Grünen sind, dazu zwei Ministerinnen,
eine Landtagspräsidentin, eine Staatsrätin und noch zwei CDUMinisterinnen,
sehen Sie, dass wir eine gute Entwicklung nehmen, die aber sicher noch ausbaufähig ist.
Wie sieht es in der Wirtschaft und im Berufsleben für uns Frauen aus? Frauen erhalten nach wie vor nicht in allen Bran chen den gleichen Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit wie ihre männlichen Kollegen.
Frauen sind in Führungspositionen nach wie vor unterreprä sentiert. Frauen arbeiten häufiger in Teilzeit oder in geringfü gigen Beschäftigungsverhältnissen.
Frauen nehmen Auszeiten für Kindererziehung und zur Pfle ge von Angehörigen. Die Wirtschaft hat inzwischen begriffen, dass sie ohne die Frauen – nicht nur im Niedriglohnsektor – nicht auskommt.
Dafür braucht es aber flexible Arbeitszeitmodelle, gleichbe rechtigte Karrierechancen und ein Diversity-Management. Wir haben heutzutage die bestausgebildete Mädchengeneration mit Hochschulbildung, hoher Fachqualifikation, Talent und Wissbegier und dürfen diese Potenziale nicht ungenutzt las sen.
Im Land gibt es die Landesinitiative „Frauen in MINT-Beru fen“ mit insgesamt 52 Partnern in Wirtschaft, Wissenschaft und Technik. Das Ziel dabei ist, Frauen für naturwissenschaft lich-technische Zukunftsbereiche zu gewinnen. Da heißt es auch, von dem Gedanken wegzukommen: „Frauen verstehen die Technik und die Wissenschaft sowieso nicht. Das verste hen nur die Männer.“ Gott sei Dank gehen wir davon jetzt all mählich weg. Die Landesinitiative unterstützt auch, dass die Frauen verstärkt in diese Bereiche hineinkommen.
Dafür brauchen wir aber auch ein gesellschaftliches Umden ken, nämlich weg von der Unterscheidung Männerberufe/ Frauenberufe hin zu: Berufe stehen als Angebot für alle gleich wertig da.
Jede und jeder sucht sich wirklich nach seinen Fähigkeiten und Bedürfnissen die Arbeit aus.
Dieser Gedanke muss schon mit in die Erziehung hinein.
Eine weitere Initiative ist das Projekt „Frauenkarrieren und innovative Unternehmenskulturen – Spitzenfrauen“. Dabei ist das Ziel, die Unternehmenskultur dahin gehend zu verändern, dass Frauen in Führungspositionen kommen. Denn immer noch beträgt der Frauenanteil in Führungspositionen in obers ter Ebene erst 35 %.
Auch das Land will als Arbeitgeber Programme zur Förde rung von Frauen in Führungspositionen in der Landesverwal tung auflegen. Das wird von uns, den Grünen, sehr unterstützt.
Warum sind jetzt trotzdem noch zu wenige Frauen in Spitzen positionen? Dafür gibt es verschiedene Gründe. Der erste ist, dass die Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf doch noch nicht so leicht geht. Viele Frauen wünschen sich Kinder. Beruf und Familie aber unter einen Hut zu bringen ist immer noch schwierig. Denn nach wie vor ist Haus- und Erziehungs arbeit – dreimal dürfen Sie raten – überwiegend Frauenarbeit.
Es muss gesellschaftlich und betrieblich selbstverständlich werden, dass auch Väter zu gleichen Teilen dafür zuständig sind.
Baden-Württemberg unterstützt die Vereinbarkeit durch gute Angebote in der Kinderbetreuung und in der Betreuung durch Ganztagsschulen.
Weiter brauchen wir aber neue und flexiblere Arbeitszeitmo delle in verschiedenen Lebensphasen. Diese sind notwendig. Teilzeit, Telearbeit, Homeoffice dürfen nicht länger als min derwertige Tätigkeiten angesehen werden. Davon müssen und sollen auch Kinderlose profitieren. Unser Land ist Impulsge ber für die Entwicklung einer familienbewussten Personalpo litik. Das ist sehr zu begrüßen.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Lohngerechtigkeit, die in vielen Bereichen noch nicht gegeben ist. Ein zentraler Punkt ist, dass Frauen für gleiche und gleichwertige Arbeit – das möchte ich besonders betonen – nicht wie ihre männlichen Kollegen entlohnt werden.
Was gleichwertig ist, kann ich Ihnen später erklären.
Ein Beispiel sind die Pflegeberufe. Bei Pflegeberufen steht die Sorge im Vordergrund. Es werden Menschen gepflegt. Be trachtet man das Gegenteil – Berufe in der Industrie –, dann erkennt man, dass da die Wertigkeit auf die Industrie gelegt wird. Denn in der Industrie verdient z. B. ein Meister doppelt so viel wie eine Erzieherin, die in einer Kita mit 100 Kindern Betreuungsarbeit leistet.
Die Überwindung dieses sogenannten Gender Pay Gap ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Gleichstellung von Frau en. Dafür werden wir uns sehr einsetzen.
Neu ist der Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Trans parenz von Entgeltstrukturen, den Frau Ministerin Schwesig plötzlich ganz hoch hält und sagt: „Das ist das neue Gesetz, durch das eine neue Lohngerechtigkeit entstehen kann.“ Das ist Augenwischerei. Der Gesetzentwurf sieht lediglich für Frauen, die in Betrieben mit mehr als 200 Beschäftigten ar beiten, die Möglichkeit vor, eine Auskunft über das Einkom men des männlichen Kollegen zu erhalten. Das heißt aber, dass über 60 % der Frauen gar keinen Gebrauch hiervon ma chen können, weil sie in kleinen und mittleren Unternehmen arbeiten und somit gar kein Recht auf Auskunft haben.
Doch, das ist ein großes Argument. – Das Land strebt au ßerdem Elternzeit und Karenzzeit zur Pflege Angehöriger bei Bediensteten des Landes an und will dies auch als Dienstzeit honorieren. Für die weitere berufliche Entwicklung und För derung soll dies angerechnet werden.
Ja. – Als letzten Punkt muss ich noch die Altersvorsorge ansprechen. Da die Alters armut in erster Linie Frauen betrifft, ist diese Vorsorge beson ders wichtig. Das heißt, es ist unabdingbar, dass Frauen auch lebenslang arbeiten können bzw. die Arbeit, wenn sie als Sor gearbeit ausgeführt wird, entsprechend honoriert wird.
Zum Schluss möchte ich sagen: Frauen leisten gleiche und gleichwertige Arbeit wie Männer und müssen dafür in gleichem Umfang entlohnt wer den.
Vielen Dank.
Herr Minister, vor ein paar Tagen kam ein Besucher zu mir ins Büro und fragte nach E-Mobilität. Er sagte, er sei Besitzer von zwei Elektrofahr zeugen, und ihm falle jetzt schmerzlich auf, dass in der Stadt, in der er lebt, keine kostenfreien Parkplätze für E-Autos mehr vorhanden seien und dass, wie er gelesen habe, das Land da für sorge, dass es eine weitere Fahrspur für Busse, Taxis und E-Autos gebe. Erste Frage: Stimmt das?
Zweite Frage: Was unternimmt das Land diesbezüglich, also sowohl in Bezug auf die Parkplätze als auch auf die Auflage, eine zusätzliche Fahrspur einzurichten? Wie wird die Bevöl kerung in verstärktem Maß dazu aufgefordert oder motiviert, E-Mobile zu kaufen?
Sehr geehrte Frau Präsi dentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Entgeltgleich heit ist ein ganz wichtiges Thema, zweifelsohne, Frau Wölf le. Mir als neuer frauenpolitischer Sprecherin der Grünen und als Frau, wie Sie ja sehen, liegt sehr viel an diesem Thema, weil es mich schon seit ewigen Zeiten begleitet, nämlich ex akt seit 1971. Wenn Sie nachrechnen, stellen Sie fest: Das sind genau 45 Jahre. Damals habe ich die Ungleichheit des Lohns zum ersten Mal am eigenen Leib erfahren.
45 Jahre danach sprechen wir immer noch über dieses The ma, es beschäftigt uns immer noch. Für uns Grüne steht die ses Thema weit oben. Wir werden uns sehr darum bemühen, dass der Lohnunterschied aufgehoben wird.
Wir wundern uns doch sehr darüber, dass die SPD dieses The ma in Baden-Württemberg für eine Aktuelle Debatte anmel det, anstatt sich im Bund in der Regierungskoalition dafür ein zusetzen,
dass der lang angekündigte Gesetzentwurf endlich umgesetzt wird.
Da findet Frau Ministerin Schwesig wohl keine Mehrheit und hat offenbar Schwierigkeiten, sich mit Herrn Kauder über die Interpretation des Koalitionsvertrags zu einigen.
Also zieht man das Thema im Ländle hoch.
Wie sieht es nun in der Bundesrepublik aus? Da liegt der Ent geltunterschied, insgesamt betrachtet, bei ca. 20 %, und zwar als unbereinigte Lohnlücke. Damit liegen wir in Deutschland im negativen Sinn einsam an der Spitze. Auch im Länderver gleich liegen wir in Baden-Württemberg hinten.
Manche behaupten zwar, es gebe keine wirkliche Lohnlücke bzw. man könne diese komplett auflösen, wenn man bestimm te Faktoren herausrechne, z. B., dass Frauen häufiger Erwerbs unterbrechungen durch Familienunterstützung bzw. Erziehung der Kinder haben, oder auch die Tatsache, dass Frauen selte ner in Führungspositionen zu sehen sind und dass Frauen häu fig ein anderes Berufswahlverhalten als Männer zeigen, also andere Branchenspezifikationen haben.
Aber das stimmt nicht. Selbst bei statistischen Zwillingen – das heißt, wenn man Männer und Frauen bei gleichem Bil dungs- und Qualifikationsniveau in den gleichen Branchen und Berufen und in denselben Beschäftigungsformen mitein ander vergleicht – beläuft sich die Entgeltdifferenz bzw. die sogenannte bereinigte Lohnlücke auf bis zu 8 %. Und diese 8 % sind auch immer noch zu viel.
Die Bundesregierung geht jetzt zwar mit ihrem Gesetzentwurf daran – der ja, wie gesagt, noch nicht durch ist –, möchte Be richtspflicht, Auskunftsanspruch, mehr Transparenz, was die Entlohnungsspanne angeht, will Prüfverfahren in Unterneh men ab 500 Mitarbeitenden einführen. Das geht in die richti ge Richtung, aber es reicht noch nicht. Denn dieses Gesetzes vorhaben greift zu kurz, weil wir zwischen der bereinigten und der unbereinigten Lohnlücke differenzieren müssen. Die Entgeltlücke zwischen Frauen und Männern ist „nur“ – in An führungszeichen – zu ca. einem Drittel durch konkrete Lohn diskriminierung bedingt. Aber dieses Drittel ist auch zu viel. Es ist Aufgabe der Politik, Aufgabe von uns, etwas dagegen zu tun.
Die anderen zwei Drittel des „Kuchens“, der Lohnlücke, ha ben ihre Gründe aber ganz woanders, und diese Gründe müs sen wir genauer anschauen. Ein Grund für die Lohnlücke liegt nämlich in den großen Entlohnungsunterschieden zwischen den Branchen und darin, dass Frauen häufiger in den schlecht bezahlten Branchen arbeiten – und zwar nicht, weil sie nicht in besser bezahlten Branchen arbeiten könnten, sondern weil sie ein Herz dafür haben, beispielsweise in sozialen Berufen zu arbeiten. Berufe im sozialen Bereich sind noch immer eher Frauenberufe, in die die Männer langsam hineinkommen. Aber häufig wird noch immer gesagt: „Einen solchen Beruf solltest du als Mann nicht wählen; damit könntest du eine Fa milie nicht ernähren.“ Das ist oft noch das Denken.
Dadurch, dass in schlechter bezahlten Berufen – etwa Erzie herinnen, Betreuungs- und Pflegekräfte – mehrheitlich Frau en arbeiten, droht diesen Frauen zum einen eine schlechte Be zahlung, zum anderen gibt es dort häufig prekäre Beschäfti gungsverhältnisse. Somit laufen die Frauen häufig Gefahr, in Altersarmut zu geraten.
Ein weiterer Grund für die Lohnlücke sind nach wie vor die schlechten Vereinbarkeitsbedingungen. Sie führen vor allem bei Frauen zu Teilzeitarbeit, zu Minijobs, zu familienbeding ten Erwerbsunterbrechungen, und sie erschweren vor allem die Übernahme von Führungsaufgaben. Durch die Betreuung von Kindern und die Pflege von Angehörigen verzeichnen Frauen Erwerbsunterbrechungen, die wiederum zu geringe ren Karrierechancen, geringerem Verdienst und eben einem erhöhten Armutsrisiko im Alter führen.
Wir brauchen deshalb über ein Entgelttransparenzgesetz hin aus erstens eine Aufwertung der sozialen Berufe.
Wie Sie im Koalitionsvertrag nachlesen können, setzen wir uns ganz entschieden für eine bessere Bezahlung bei den so zialen Berufen ein, und dies nicht nur, weil es überwiegend Frauen sind, die diese Berufe ausüben, sondern weil dieser Bereich – die sozialen Berufe – für unsere Gesellschaft le bensnotwendig ist. Sie alle, die Sie hier sitzen, werden viel leicht eines Tages froh sein, wenn es genügend Pflegerinnen und Pfleger gibt, die Sie im Alter versorgen.
Zweitens brauchen wir eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Das gilt meines Erachtens nicht nur für Frauen, sondern auch für Männer.
Die Männer fühlen sich heute zunehmend verpflichtet – Gott sei Dank –, nicht nur Kinder zu zeugen, sondern sich für de ren Erziehung auch zuständig zu fühlen.
Die Umfragen zeigen, dass ein Großteil der jungen Frauen, aber auch der Männer, beides wollen: eine Familie gründen, gleichzeitig aber auch berufstätig sein. Darauf müssen wir uns in der öffentlichen Daseinsvorsorge einstellen. Wir haben dies im Koalitionsvertrag formuliert – ebenso wie wir schon in den letzten fünf Jahren durch den Pakt mit den Kommunen und den Ausbau der Kleinkindbetreuung in Baden-Württemberg den Müttern und den Vätern eine gerechte Wahlmöglichkeit gegeben haben. Beide Elternteile können sich entscheiden, wer zu Hause bleibt. Und wir werden auch weiterhin den Aus bau von Ganztagsschulen vorantreiben, damit die Versorgung der Kinder auch nach der Kindergartenzeit weitergehen kann.
Im Koalitionsvertrag steht außerdem, dass die Angestellten des Landes und die Landesbeamten durch Familienzeiten wie Elternzeit und Pflegezeit keine Karrierenachteile erfahren. Au ßerdem sind wir für einen Dialog mit der Wirtschaft, dass die Wirtschaft Modelle erarbeitet und entwickelt, wie Lebensar beitszeitkonten erprobt werden können.
Der dritte Punkt betrifft die Unternehmenskulturen. Die Un ternehmen müssen etwas verändern, damit die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erleichtert wird und viel mehr Frauen Führungsaufgaben neben der Familie wahrnehmen können.
Dazu müssen die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber noch mehr auf die Bedürfnisse der Belegschaft eingehen. Sie müs sen dafür Sorge tragen, dass eine Frau Führungsaufgaben in Teilzeit übernehmen kann – denn auch in Teilzeit kann eine Frau eine super Arbeit machen –, dass sie nach der Kinderzeit in Vollzeit zurückkehren kann, dass es mehr flexible Arbeits zeitmodelle und Schulungen für Aufstiegskompetenzen gibt, dass eine Sensibilisierung auf der Führungsebene – da spre che ich insbesondere die Männer an – vorgenommen wird, dass die Unternehmen das Bewerbungsverfahren reflektieren und überarbeiten und dass die anonymisierte Bewerbung ein geführt wird – damit man nicht von vornherein sieht, ob die Bewerbung von einem Mann oder einer Frau ist.
Sie lachen, Herr Meuthen,
aber in Amerika wird das bereits mit großem Erfolg gemacht.
Das Gesetz der Bundesregierung, das eine Frauenquote von 30 % in Aufsichtsräten von börsennotierten und voll mitbe stimmungspflichtigen Gesellschaften vorsieht, ist nur ein An fang. Wir wollen gleiche Aufstiegschancen und gleichen Lohn für eine gleiche bzw. gleichwertige Tätigkeit.
Danke schön.