Protocol of the Session on December 19, 2018

(Beifall bei den Grünen, der CDU und der SPD so wie Abgeordneten der FDP/DVP)

für alle Demokratinnen und Demokraten, die Lehren aus der Geschichte gezogen haben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, am vergangenen Sonntag jährte sich der sogenannte Auschwitz-Erlass. Durch ihn wurde im Jahr 1942 die Deportation aller Sinti und Roma im damaligen Reichsgebiet in das Vernichtungslager Ausch witz angeordnet. Die Verfolgungen, die Zwangssterilisatio nen, die Verhaftungen, die diese Menschen bereits in den Jah ren davor erleiden mussten, fanden ihren traurigen Höhepunkt in der Deportation in das sogenannte Zigeunerlager in Ausch witz. Die wenigsten Personen, die dort ankamen, haben über lebt. Über 500 000 Sinti und Roma in ganz Europa wurden durch Täter des NS-Regimes ermordet. Bis heute gibt es Un verbesserliche, die vor dem Schicksal der Sinti und Roma die Augen verschließen.

Der Abgeordnete von Eyb hat an die Rede von Bundespräsi dent Roman Herzog erinnert, die dieser 1997 anlässlich der Eröffnung des Dokumentations- und Kulturzentrums Deut scher Sinti und Roma in Heidelberg hielt. Ich wiederhole noch einmal den entsprechenden Abschnitt aus der Rede:

Der Völkermord an den Sinti und Roma ist aus dem glei chen Motiv des Rassenwahns, mit dem gleichen Vorsatz und dem gleichen Willen zur planmäßigen und endgülti gen Vernichtung durchgeführt worden wie der an den Ju den.... Sie wurden im gesamten Einflussbereich der Na

tionalsozialisten systematisch und familienweise vom Kleinkind bis zum Greis ermordet.

So der ehemalige Bundespräsident.

Die geschichtliche Einordnung, die der Bundespräsident in seiner Heidelberger Rede gab, ist sehr klar. Sie zeigt auch uns heute, wie wir den schlimmen Geist der Ausgrenzung und der Verachtung, der sich bei uns wieder regt, einzuordnen haben. Dieser Geist rüttelt am Grundkonsens unseres demokratischen Gemeinwesens.

Der Philosoph Adorno hat diesen Grundkonsens sehr gut auf den Punkt gebracht: alles zu tun, damit Auschwitz sich nicht wiederholen kann, alles zu tun, um die Würde des Menschen zu schützen. Das ist der Grundauftrag unserer Verfassung – ein Auftrag an alle Demokratinnen und Demokraten in unse rem Land.

(Beifall bei den Grünen, der CDU, der SPD und der FDP/DVP sowie des Abg. Bernd Gögel AfD)

Es darf uns als Baden-Württemberger, als Deutsche und als Europäer nicht egal sein, wenn Sinti und Roma wieder aus gegrenzt werden und man ihnen mitten in Europa wieder mit Erfassungen und Zählungen droht. Ich darf aus der Gedenk rede von Bundesratspräsident Daniel Günther zitieren, die die ser am letzten Freitag gehalten hat – ich zitiere –:

Wenn wir heute des Schicksals der während der NS-Zeit ermordeten Sinti und Roma gedenken, gehört es ganz klar dazu, jene Kräfte zu stärken, die sich schützend vor an gegriffene Minderheiten stellen – in ganz Europa. Wir müssen uns daher fragen: Wie können wir das Zusam menleben von Minderheiten und Mehrheiten in Europa stärken? Wie können die Institutionen Europas, wie Kom mission und Parlament ihre Verantwortung für Minder heiten stärker wahrnehmen? Und: Wie kommen wir zu ei nem noch stärkeren Minderheitenschutz in Europa?

Diese Fragen zu stellen und darauf Antworten zu finden – das ist und bleibt unser Teil der Verantwortung!

Wir, die Landesregierung, wenden uns entschieden gegen al le Versuche, Sinti und Roma aus unserer Gesellschaft auszu grenzen. Es gibt kein „Wir“ und kein „Sie“. Es gibt nur diese unsere gemeinsame Demokratie. Und das ist eine plurale De mokratie, das ist unsere Verfassungsordnung, die Minderhei ten schützt und nicht ausgrenzt.

(Beifall bei den Grünen, der CDU, der SPD und der FDP/DVP)

Meine Damen und Herren, in wenigen Tagen läuft zum Ende dieses Jahres der erste Vertrag, der zwischen dem Land und dem Verband Deutscher Sinti und Roma, Landesverband Ba den-Württemberg, vor fünf Jahren geschlossen wurde, aus. Wir haben daher in den letzten Monaten einen Nachfolgever trag ausgehandelt, zu dem wir heute um Ihre Zustimmung bit ten.

Wir haben gemeinsam aus den letzten fünf Jahren eine gute Bilanz gezogen. Wir haben aber auch festgestellt, wo noch zu sätzliche Schritte notwendig sind – etwa bei der Bildungsför derung, um jugendliche Minderheitenangehörige dem Durch schnitt bei den erreichten Bildungsabschlüssen anzugleichen.

Wir wollen noch mehr tun, damit Sinti und Roma ihre reich haltige Kultur noch besser pflegen und ihre eigene Geschich te und Sprache noch gründlicher erforschen können.

Jeder weiß, dass Forschung aufwendig und teuer ist. Denn hier kam es durch die Verfolgung und Ermordung im Nationalso zialismus zu einem Wissensabbruch, der bis heute nicht voll ständig überwunden ist. Daher erhöhen und dynamisieren wir die finanzielle Förderung des Landesverbands und verlängern die Laufzeit des Vertrags, um Verlässlichkeit herzustellen.

Zudem hat der Landesverband erhöhte Aufwendungen für den Beratungsbedarf von Sinti und Roma, die hauptsächlich aus anderen EU-Ländern zuwandern.

Ich will Ihnen, Herr Kollege Klos, noch einmal sagen: Der Vertrag enthält eine Kündigungsklausel. Ich lese sie Ihnen noch einmal vor:

(Zuruf: Das nutzt nichts!)

Wenn einem Vertragspartner unter Berücksichtigung al ler Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertrags verhältnisses nicht zugemutet werden kann, ist eine Kün digung des Vertrags zulässig.

Da haben Sie sich also geirrt. Ich habe Ihnen begründet, wa rum die Mittel erhöht worden sind, nämlich, damit der Ver band verlässlich auf viele Jahre damit arbeiten kann. Der Ver trag enthält eine Kündigungsklausel. Ich hoffe, ich konnte Sie überzeugen, dass Sie sich da geirrt haben, sodass Sie jetzt dem Vertrag zustimmen können.

(Beifall bei den Grünen, der CDU und der SPD so wie Abgeordneten der FDP/DVP)

Wir werden als gemeinsames Gremium den Rat für die Ange legenheiten der deutschen Sinti und Roma weiterführen. Ich freue mich, dass auch der Landtag wieder Vertreter entsenden wird. Diese Zusammenarbeit hat sich in den letzten Jahren wirklich bewährt. Wir nehmen den Verband Deutscher Sinti und Roma, Landesverband Baden-Württemberg, in unserem Land damit als Partner auf Augenhöhe wahr und entwickeln und überprüfen unser Engagement gemeinsam.

Es freut mich, dass Vertreter und Vertreterinnen des Landes verbands heute hier bei uns sind. Seien Sie herzlich willkom men!

(Beifall bei allen Fraktionen)

Ich will noch einmal sagen: Es hat mich auch persönlich sehr bewegt, dass ich den Text des Vertrags und die Bibel in der Sprache der Minderheit, in Romanes, erhalten habe. Wir ver stehen dies als ein Zeichen des Vertrauens und eines zu Recht wachsenden Selbstvertrauens von Sinti und Roma in unserem Land.

(Beifall bei den Grünen sowie Abgeordneten der CDU, der SPD und der FDP/DVP)

Meine Damen und Herren, der Vertrag, den wir Ihnen vorle gen, wurzelt in der Vergangenheit, wir schließen ihn in der Gegenwart, aber mit Leben müssen wir ihn für die Zukunft erfüllen. Mit Ihrer Zustimmung können wir auf diesem Weg

einen entscheidenden Schritt vorwärtsgehen. Was im letzten Jahrhundert in deutschem Namen geschah, können wir nicht wiedergutmachen. Wir können den Familien der Opfer aber zeigen, dass wir Lehren gezogen haben, dass wir als Gesell schaft zusammenstehen und uns nicht spalten lassen und dass wir die Sinti und Roma gegen die Feinde der Demokratie ver teidigen. Wir werden sie in der Not niemals wieder alleinlas sen.

(Beifall bei den Grünen, der CDU und der SPD so wie Abgeordneten der FDP/DVP)

Ich hoffe auf eine einmütige Unterstützung des Hauses.

Haben Sie herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen und der CDU sowie Abge ordneten der SPD und der FDP/DVP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir kommen nun zur sogenannten Fraktionsvorsit zendenrunde nach § 82 Absatz 4 der Geschäftsordnung, weil der Herr Ministerpräsident das Wort ergriffen hat.

Wünscht die AfD das Wort? – Bitte, Herr Abg. Gögel.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, verehrte Gäste! Die AfD begrüßt selbstverständlich den Vertrag mit den Sinti und Roma, dieser deutschen Min derheit in unserem Land. Die Vergangenheit bewegt uns in diesem Punkt sehr, genauso sehr wie alle anderen demokrati schen Parteien in diesem Haus. Wenn Deutsche Mord, Verfol gung, Deportation an ganzen Volksgruppen vollbracht haben, dann fehlen einem auch heute dafür die Worte. Das ist der be dauerlichste Teil

(Zuruf des Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD)

am heutigen Tag und der Ursprung des Vertrags mit dieser deutschen Minderheit.

Wir, die AfD, kritisieren an diesem Vertrag – ich sage das nochmals; das hat Herr Klos schon ausgeführt – die 15-jähri ge, über drei Legislaturperioden reichende Laufzeit. Auch wenn der Herr Ministerpräsident uns hier einen Hinweis auf Kündigungsmöglichkeiten gibt: Ich denke, so viel Naivität sollte man uns nicht unterstellen. Ich möchte einmal die Re gierung hier in Baden-Württemberg sehen, die einen solchen Vertrag mit einer Minderheit aufkündigt.

(Zuruf des Abg. Wolfgang Drexler SPD)

Ich denke, es ist im Geschäftsleben und auch im politischen Leben sicher üblich, dass man Verträge mit vernünftigen Lauf zeiten gestaltet und sich am Ende der Vertragslaufzeit zusam mensetzt und über die Fortsetzung des Vertrags und auch über die weitere finanzielle Ausgestaltung diskutiert.

Die grundsätzliche Erhöhung haben Sie, Herr Ministerpräsi dent, hier angeführt und auch Ihre Beweggründe dargestellt. Allein fehlt uns hier doch des Öfteren der Glaube, denn wir gehen einfach davon aus, dass Sie für Sinti und Roma, die jetzt aus Osteuropa nach Deutschland kommen, in zusätzli che Leistungen investieren möchten und dass Sie die Mittel, die in diesem Bereich der Zuwanderung vom Bund und be reits auch von uns getragen werden, indirekt doch noch auf

stocken möchten. Da wünschen wir uns ein bisschen mehr Ehrlichkeit. Das hätte man vielleicht auch entsprechend dar stellen können.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Den Automatismus der jährlichen Mittelerhöhung haben wir auch diskutiert, und wir haben über Inflationsraten gespro chen. Uns hat dabei lediglich der Hinweis gefehlt, wie sich das in Zukunft entwickeln wird. Deshalb spricht man in der Regel immer im Nachgang eines Geschäftsjahrs oder eines Vertragsjahrs über einen zu gewährenden Ausgleich in Höhe der entsprechenden Inflationsrate. Auch das wäre aus unserer Sicht ein völlig normales Gebaren.

Sie neigen in letzter Zeit – dieses Gefühl habe ich und haben wir, die AfD-Fraktion – in den Parlamenten, speziell hier im Landesparlament, ein bisschen zu der Tendenz, zwischen de mokratischen Kräften

(Zuruf: Der AfD!)

und Nationalsozialisten