Die Sozialraumorientierung ist ein ganzheitliches Handlungs konzept der sozialen Arbeit. Im Kern geht es darum, die Le bensbedingungen aller Menschen in einem Stadtteil, einem Viertel oder einem ähnlichen Sozialraum zu verbessern. Ihre Interessen und Bedürfnisse stehen dabei im Vordergrund. Das heißt, einzelne Menschen in ihrem jeweiligen persönlichen Umfeld, ihrer Lebenswelt und ihren Beziehungen werden ernst genommen.
Einen wichtigen Baustein dazu stellt das Gesetz zur sozial räumlichen Gestaltung von Pflege- und Unterstützungsstruk turen und zur Änderung des Landespflegegesetzes dar. Durch dieses Gesetz wird das Landespflegegesetz von 1995 novel liert und an die heutigen Anforderungen – der Minister hat da zu schon ausführlich gesprochen – von quartiersnaher Betreu ung und an wirtschaftliche Pflege- und Unterstützungsstruk turen angepasst.
Wir verfolgen ganz konsequent unseren Leitfaden, unsere po litische Linie: Der Mensch steht im Mittelpunkt, der Mensch mit breiter Unterstützung, der dazu befähigt werden soll, selbstbestimmt in seinem gewohnten Umfeld am Leben teil zuhaben.
So wird es im nächsten Doppelhaushalt das Wohnbauförder programm für ambulante Pflege-WGs geben. Das Sofortpro gramm Kurzzeitpflege läuft ganz aktuell mit 7,6 Millionen €. Auch dazu hat der Minister schon gesprochen. Das ist meiner Meinung nach etwas ganz Wertvolles, weil da ein dringender Handlungsbedarf besteht.
Meine Damen und Herren, zwei Kernbotschaften des Geset zes möchte ich gern in den Mittelpunkt meiner Ausführungen stellen. Die erste, die wichtigste Kernbotschaft des Gesetzes steht bereits im Namen des Entwurfs: Sozialraum. Wir schaf fen hier die politischen Rahmenbedingungen, dass Menschen auch im Falle einer Hilfsbedürftigkeit selbstbestimmt nach ih ren Bedürfnissen und Fähigkeiten handeln können. Der Mo tor im Sozialraum ist hier wie auch im „Quartierskonzept 2020“ die Kommune. Wir, das Land, leisten unseren Beitrag dazu, dass dieser Motor auch läuft.
Wir ermöglichen Kommunen, für sich zu entscheiden, ob sie eine Modellkommune Pflege werden. Die grüne Landtags fraktion ist davon überzeugt, dass es notwendig und absolut wichtig und richtig ist, zukunftsfähige Wege für die Versor gung der alten und älteren Bürgerinnen und Bürger zu planen und sich darüber Gedanken zu machen. Denn das Alter im 21. Jahrhundert ist bunt und vielfältig, und unsere Gesellschaft ändert sich. Auch darauf geht dieser Gesetzentwurf ein.
Zweiter Aspekt: das kommunale Initiativrecht zur Errichtung von Pflegestützpunkten, Stärkung der Beratungsstrukturen und Pflegekonferenzen. Beratung statt Bevormundung ist das Wichtigste. Dieser Schwerpunkt ist mir, ist uns, der grünen Fraktion, sehr wichtig. Denn über viele Jahre hinweg wurde für die betroffenen Personengruppen über ihre Köpfe hinweg entschieden, immer mit guter Absicht und der Annahme, bes ser zu wissen, was für behinderte, zu pflegende Menschen wichtig ist.
Unser Anspruch ist aber ein anderer. Wir sorgen dafür, dass Menschen selbstbestimmt entscheiden dürfen, wie sie leben wollen. Wir sorgen dafür, dass kommunale Pflegekonferen zen unter Beteiligung aller relevanten Akteure eingerichtet werden können. Mögliche Fragestellungen können hier sein: Was brauchen wir vor Ort? Welche Unterstützungsstrukturen sind vorhanden? Wie können wir das Angebot zukunftsfähig ausbauen? Wie sieht es mit Tages-, Kurz-, Nachtzeitpflege aus? Ehrenamtliche Angebote, ambulante und stationäre Pfle gedienste, sektorenübergreifende Strukturen – all das kann bei Pflegekonferenzen vor Ort geklärt und dann zukunftsfähig ausgebaut werden.
Wir sorgen mit diesem Gesetz für die gesetzliche Grundlage für kommunale Beratungsstrukturen und die Einrichtung von Pflegestützpunkten vor Ort. Das LPSG – kurz – klärt also so zusagen die Zusammensetzung des Orchesters. Die Musik wird an anderer Stelle gespielt. Bleiben Sie gesund!
Sehr geehrte Frau Prä sidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein Blick in die Zu kunft zeigt: In den nächsten zehn, 15 Jahren erreicht die Ge neration der Babyboomer, die 1960er-Generation, das Ren tenalter. Heute ist jeder Fünfte in Baden-Württemberg über 65 Jahre alt. Bis 2050 dürfte es jeder Dritte sein. Diese Zah len sind nicht neu. Sie machen aber deutlich, wie wichtig es ist, unser Augenmerk noch stärker auf diejenigen zu richten, die im Alter Hilfe benötigen.
Ich freue mich deshalb, dass wir heute das Landespflegestruk turgesetz in der Ersten Beratung behandeln. Vom LPSG er warten wir wesentliche Verbesserungen.
Zum Ersten: Sowohl durch das kommunale Initiativrecht zur Errichtung von Pflegestützpunkten als auch durch die Umset zung der Modellkommunen Pflege entwickeln wir die Bera tungsangebote weiter und stärken die Beratungsstrukturen vor Ort. Wir wollen die Neuausrichtung der Pflege nur im Dialog, das heißt gemeinsam mit den Partnern vor Ort, mit den Be troffenen, den Leistungsträgern und den Leistungserbringern.
Konkret soll durch die Modellkommunen Pflege die lokale Ebene eine stärkere Rolle bei den Beratungsaufgaben erhal ten. Wir möchten den Kommunen deshalb die Möglichkeit einräumen, die örtliche Infrastruktur mit den verschiedenen Beratungsaufgaben zu verzahnen, das heißt mit den Bera tungsangeboten zu Leistungen der Altenpflege- und Einglie derungshilfe, zu Leistungen des öffentlichen Gesundheits
dienstes, zur rechtlichen Beratung, zu behindertengerechten Wohnangeboten, aber auch zum öffentlichen Nahverkehr und zur Förderung des Ehrenamts. Kurzum: In den Modellkom munen Pflege erfolgen künftig alle Beratungsangebote aus ei ner Hand.
Einen weiteren Baustein legen wir mit der Einrichtung kom munaler Pflegekonferenzen. Damit geben wir Stadt- und Land kreisen die Möglichkeit, die lokale Versorgungsplanung und Leistungsangebote mit allen Beteiligten vor Ort zu koordinie ren und zu vernetzen.
Zum Zweiten: Mit dem LPSG stärken wir die leistungssekto renübergreifende Zusammenarbeit der Pflegekassen, der Kran kenhausträger, der Reha- und Pflegeeinrichtungen. Wir möch ten einen möglichst reibungslosen Übergang von der Kran kenhaus- oder Rehabehandlung in die Pflegestrukturen ermög lichen.
Gleichzeitig wollen wir die Sektorengrenzen innerhalb der Pflege aufweichen. Pflegerische Versorgung soll zukünftig un abhängig vom konkreten Wohnort, von der eigenen Wohnung in der ambulanten Pflege-WG oder im Heim bedarfsgerecht zur Verfügung stehen.
Ein wichtiger Fortschritt in diesem Zusammenhang ist der Ausbau von Tages-, Nacht- und Kurzzeitpflegeplätzen. Damit setzen Grüne und CDU den mit der Gründung des Aktions bündnisses Pflege eingeschlagenen Weg konsequent fort.
Hier haben wir vor zwei Wochen bereits Taten folgen lassen. Mit einem Sonderprogramm in Höhe von 7,6 Millionen € ge hen wir den bestehenden Mangel an Kurzzeitpflegeplätzen entschlossen an.
Bei der Frage nach einer leistungsfähigen Pflegeinfrastruktur gilt es grundsätzlich zu klären, ob man neben der ambulanten auch die stationäre Pflege stärker mit einbezieht.
Drittens: Mit dem LPSG möchten wir die Digitalisierung deut lich stärker in die Pflege integrieren. Indem wir die Pflege als Schwerpunktthema der Digitalisierungsstrategie verankert ha ben, wurde hier bereits der Grundstein gelegt.
Unser Ziel muss sein, das Potenzial der neuen Technologien optimal zu nutzen. Dabei muss gelten: Beim Auf- und Aus bau digitaler Strukturen steht immer der Mensch im Mittel punkt.
Ich fasse zusammen: Mit dem LPSG legt die Landesregierung einen weiteren Grundstein für eine zukunftsfähige Pflege, ei ne Pflege, die im unmittelbaren Lebensumfeld der Menschen verortet ist. Wir bauen die vorhandenen Beratungsstrukturen aus und erproben zugleich neue Wege. Wir schaffen sozial raumorientierte Versorgungsstrukturen und passen diese an die heutigen Herausforderungen an. Pflegebedürftige und An gehörige erhalten dadurch schnell und unkompliziert Bera tungsangebote, passgenau entsprechend dem individuellen Unterstützungsbedarf und unabhängig von ihrem Wohnort.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen eine Neustruk turierung der Pflege. Dies umzusetzen ist unsere Aufgabe.
Frau Präsidentin, meine Da men und Herren! Die aktuelle Situation für ältere, pflegebe dürftige Menschen wird durch den demografischen Wandel bestimmt. Die kontinuierlich wachsende Zahl der Seniorin nen und Senioren bei gleichzeitigem starken Geburtenrück gang macht die Organisation von ausreichenden und passge nauen Wohn-, Unterstützungs-, Hilfs- und Pflegeangeboten zu einer der generationspolitischen Herausforderungen der nächsten Jahrzehnte. Daher begrüßen wir grundsätzlich den Ansatz und die Ausrichtung dieses Gesetzes. Wir begrüßen, dass alle Maßnahmen und Veränderungsschritte von den Men schen und ihren Bedürfnissen her gedacht wurden.
Eine die Menschen mit am stärksten berührende Entscheidung betrifft erwartungsgemäß die Frage, wo, wie und mit wem sie leben wollen. Deshalb ist die Zielsetzung des Gesetzes – „die Schaffung quartiersnaher, leistungsfähiger, ausreichender und wirtschaftlicher Pflege- und Unterstützungsstrukturen“ – po sitiv zu bewerten. Es soll sichergestellt werden,
... dass Menschen mit Pflege- und Unterstützungsbedarf möglichst lange im gewohnten Umfeld ihres Quartiers verbleiben können.
Wir begrüßen zudem, dass das Gesetz bedarfsgerecht auf die Kommunen ausgerichtet ist. So steht es den Stadt- und Land kreisen frei, je nach Bedarf, wesentlich mitzusteuern, was tat sächlich gebraucht wird und was eben auch nicht.
Wir befürworten grundsätzlich auch die Vernetzung der ver schiedenen Akteure. Bezüglich der Pflegekonferenz werden wir den ersten jährlichen Bericht an das Sozialministerium ab warten, um eine Kosten-Nutzen-Analyse zu erstellen.
Im Pflegeausschuss wird die sogenannte Pflegekammer als weiteres neues Mitglied genannt – eine Einrichtung, die un serer Ansicht nach noch infrage steht. Die beabsichtigte Ein richtung basiert bisher auf einer Umfrage, die von mehreren Fraktionen kritisiert wurde. Aus dieser Umfrage ging nach Meinung aller Oppositionsfraktionen nicht eindeutig hervor, dass es sich hierbei um eine Pflegekammer mit Zwangsmit gliedschaft und Pflichtbeitrag für jeden Einzelnen handelt. So stellen wir uns Bürgerbeteiligung nicht vor.
Zudem müsste eine solche Umfrage unserer Meinung nach auch alle betroffenen Personen mit einschließen, so wie es bei spielsweise in Rheinland-Pfalz der Fall war. Darauf wurde in Baden-Württemberg aus Kostengründen verzichtet, so die Landesregierung. Wir halten dagegen, dass die Einrichtung einer Pflegekammer einiges mehr kosten wird,
Unabhängig davon bleibt es aber dabei, dass die AfD für die Selbstbestimmung der Bürger eintritt und daher Zwangsmit gliedschaften generell ablehnt.
Das Beste kommt ja bekanntlich zum Schluss, und ich zitie re aus dem Gesetzentwurf zur Gestaltung des Angebots:
Dabei sollen auch kultur- und gendersensible Aspekte be rücksichtigt werden, insbesondere die unterschiedlichen Bedürfnisse der Menschen, die sich durch ihren religiö sen Hintergrund, ihre sexuelle Orientierung und ihre ge schlechtliche Identität ergeben können.
Zum religiösen Hintergrund möchte ich anführen, dass in Deutschland selbstverständlich die Glaubensfreiheit und die Freiheit des religiösen Bekenntnisses gilt. Die Religion ist je doch nicht die Aufgabe des Staates.