Natürlich muss auch darüber gesprochen werden, dass es ge rade an den Gymnasien Situationen gibt, in denen Unterricht vertreten werden muss. Wenn Sie jetzt die Bezifferung des Unterrichtsausfalls in Zweifel ziehen und sagen, Sie könnten nachvollziehen, dass man nicht mehr differenziert in vertre tenen Unterricht oder nicht vertretenen Unterricht, weise ich darauf hin: Sie haben in der vergangenen Legislaturperiode doch genau dieselben Statistiken zum Unterrichtausfall ver wendet.
Es sollte eigentlich unser gemeinsames Ziel sein, zu vermit teln, dass zum pädagogischen Konzept von Gymnasien eben auch Schüleraustauschmaßnahmen, Studienfahrten, Besuche von Gedenkstätten, Archiven, Museen, Forschungseinrichtun gen, Laboren, Theatern, Opern, Konzerten, Ausstellungen da zugehören und dass all dies ein unverzichtbarer Bestandteil im Rahmen der Persönlichkeitsentwicklung der Schülerinnen und Schüler ist.
Dass dies zu Handlungsbedarf an den Schulen führt, dass man dafür Vertretungskonzepte haben muss, ist auch klar. Deshalb schauen wir uns an, was es an den Gymnasien an Vertretungs konzepten gibt, wie dabei auf die fachspezifische Situation re agiert wird. Wir prüfen also, was die einzelnen Schulen haben und was wir in Bezug auf diese Vertretungskonzeptionen an Handlungsbedarfen sehen. Es reicht nicht, einfach irgendwo etwas draufzuschlagen – und sich dann zu wundern, dass dies nicht geholfen hat.
Herr Staatssekretär, ich habe eine Frage: Wenn man jetzt ein duales Lehramtsstudium einführen würde, also einen dualen Studiengang für Lehrämter, würde dies ja Zehntausende junger Lehrer an die Schulen spülen. Würde dies den Unterrichtsausfall effektiv bekämpfen?
Ich habe ein bisschen Schwierigkeiten, diese Frage dort einzuordnen, wo wir in der Diskussion gerade sind. Wenn wir über die allgemeinbilden den Gymnasien diskutieren, so ist der Hinweis wichtig, dass wir keinen Bedarf an zusätzlichen Lehramtsanwärtern haben. Wir haben allenfalls in einzelnen Fächern einen Bedarf an Lehramtsanwärtern. Das gilt auch für das Grundschullehramt. Es bringt nichts, zu sagen, das Grundschullehramt müsse neu aufgebaut werden. Wir haben Bewerberinnen und Bewerber auch für das Grundschullehramt.
Die Frage ist: Wie viele Studienanfängerplätze werden dafür zur Verfügung gestellt? Wie viele sind in der Vergangenheit dafür zur Verfügung gestellt worden, und wie viele werden in der Zukunft zur Verfügung gestellt? Wenn wir eine allgemei ne Diskussion über das Thema Lehrerbildung führen wollen, dann machen wir das vielleicht an anderer Stelle und mit ei ner anderen Themensetzung.
Ich bin darauf eingegangen, dass wir gemeinsam versuchen sollten, zu vermitteln und darauf hinzuweisen, dass es Vertre tungen geben muss, und dass wir deshalb auch mit den Eltern im Gespräch sind. So ist etwa ein Gespräch mit der Arbeits gemeinschaft der Elternbeiräte an Gymnasien im Regierungs bezirk Stuttgart angeboten worden.
Sie haben nach eigenem Handeln gefragt. Ich habe schon beim Stichwort Versorgungsgrad darauf hingewiesen, dass wir selbst verständlich mit eigenem Handeln besser auf die Situation re agiert haben, als das in der Vergangenheit der Fall war.
Ich will auch auf den Ausbau des Lehramts Grundschule – das hatte ich in meiner Antwort gerade schon angesprochen; Frau Boser hat das auch getan – eingehen: Wir bilden in diesem Bereich aus heutiger Sicht über den Bedarf hinaus aus.
Frau Rolland, ob mit oder ohne Nachhilfe – das war vorhin ein Zuruf von Ihnen –: Das hätten auch Sie – mit oder ohne Nachhilfe – in der vergangenen Legislaturperiode machen können. Damit hätte man Situationen wie der, in der wir jetzt stehen – wir haben an den Grundschulen zusätzlichen Unter richt in Deutsch und Mathematik; wir hätten eine Reaktion darauf gebraucht, dass die Studienzeit für das Grundschullehr amt verlängert worden ist –, mit einem Puffer abhelfen kön nen. Wir hätten dann eine andere Situation.
Wir haben auf den Bedarf, der gerade im Bereich des Grund schullehramts sowie beim Lehramt für die sonderpädagogi schen Bildungs- und Beratungszentren besteht, und für den Bedarf, der in einzelnen Regionen, auch in der Sekundarstu fe I, besteht, mit einem umfangreichen Maßnahmenpaket re agiert – Maßnahmen, die auch schon früher hätten getroffen werden können. Wir haben z. B. die Hinzuverdienstgrenzen für Pensionäre geöffnet und haben damit im Schuljahr 2018/2019 eine Gesamtwirkung von 161 Deputaten erreicht. Wir haben die Altersgrenze hinausgeschoben – mit einer Wirkung für 343 Personen, die dadurch im Unterricht geblieben sind. Wir set zen befristet sogenannte Ein-Fach-Lehrkräfte, also Lehrkräfte, die nur in einem Fach ausgebildet worden sind, für den Un terricht ein, mit einer Gesamtwirkung von 48 Deputaten, und wir haben Gymnasiallehrkräfte an Grundschulen eingesetzt, mit einer Wirkung im Schuljahr 2018/2019 von 182 Deputa ten.
Ich glaube, das zeigt, dass die Regierungskoalition und das Kultusministerium in einer Situation, die nicht ideal ist – um das klar zu sagen –, in der wir uns anderes in Bezug auf den Zugriff auf den Arbeitsmarkt für Lehrkräfte wünschen wür den, gehandelt haben. Wir haben gehandelt mit Maßnahmen, die einen guten Effekt gehabt haben und mit denen wir Ver besserungen erreicht haben. Es wäre besser gewesen, wenn Sie Vorkehrungen für die heutige Situation getroffen hätten, als heute über die Konsequenzen so bitter zu klagen.
Kolleginnen und Kollegen, es ist ja alles in Butter, die Schuldfrage ist eindeutig geklärt. – Herr Ministerpräsident Kretschmann, ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie da sind. Das ist Ihnen nicht immer möglich und da mache ich Ihnen keinen Vorwurf. Können wir beide untereinander einmal klären, wer die Zahl ins Leben gesetzt hat, dass 11 600 Lehrerstellen gestrichen werden?
(Ministerpräsident Winfried Kretschmann: Es kam von der Regierung! – Abg. Reinhold Gall SPD: Kretsch mann war es!)
Sie sagen, es kam von der Regierung. – Ich kann Ihnen helfen. Sie müssen nur googeln. Wenn Sie beispielsweise „Kretsch mann“ und die Zahl „11 600“ googeln – ich gebe Ihnen noch einen weiteren Tipp: SPIEGEL ONLINE –, dann stoßen Sie auf Folgendes:
Einen „echten Bildungsaufbruch“ hatte er versprochen, jetzt verkündet er erst mal einen Stellenabbau:...
Ich sage Ihnen: Wäre nicht die SPD gewesen, dann hätten Sie das volle Kanne durchgezogen mit Ihren Grünen.
Wir waren diejenigen. Wenn wir in der letzten Legislaturpe riode einen Fehler gemacht haben – da bin ich der festen Über zeugung auch vor der demütigen Anerkennung unseres Wahl ergebnisses –, dann den, dass wir nicht im Sommer 2012 auf gestanden sind und die Koalitionsfrage gestellt haben.
Wissen Sie, warum ich an dieser Stelle so emotional werde? Denn kaum waren wir aus der Regierung draußen, sagte Ihre neue Finanzministerin, Frau Sitzmann, in einem Interview mit dem „Mannheimer Morgen“: „Der Kultusetat muss liefern.“ Kaum war die SPD aus der Regierung raus, haben die Grü nen wieder die alte Lehrerstellenstreichungsnummer gefah ren, und die CDU, Frau Eisenmann, war zu schwach, um das zu verhindern.
Wenn wir über die Schuldfrage reden: In der Tat, das Statis tische Landesamt hat einmal gesagt, wir hätten 200 000 Schü lerinnen und Schüler weniger. Daraufhin hat der Rechnungs hof gesagt: „Prima, dann können wir 14 400 Lehrerstellen streichen.“ Daraufhin hat Herr Kretschmann gesagt: „Na ja, so viel ist es dann doch nicht, aber machen wir doch 11 600.“
(Abg. Beate Böhlen GRÜNE, zur SPD zeigend: Wer hat so gerechnet? Das wart doch ihr! – Gegenruf von der SPD)
Diese Fehlentscheidung hat dazu geführt, dass sowohl in Zei ten einer Regierung aus CDU und FDP/DVP als auch in Zei ten von Grün-Rot in der Tat nicht in dem Ausmaß gesteuert wurde, wie wir es heute machen würden, insbesondere im Be reich der Grundschulen.
Herr Schebesta, Sie haben recht. Quelle ist die Parlamentsre de von Frau Boser vom 16. Oktober 2014. Aber auch der da malige Spitzenmann der CDU, Wolf, wurde in der Plenarsit zung am 5. November 2014 wie folgt zitiert:
Man muss fair einräumen, dass vor dem Hintergrund rückläufiger Schülerzahlen jede Regierung Lehrerstellen abbauen würde. Auch wir müssten das auf Dauer tun.
(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Bis jetzt klagt gar niemand! – Abg. Sandra Boser GRÜNE: Es klagt doch niemand!)
Ich garantiere Ihnen, das Thema wird Ihnen an der Backe kle ben bleiben, und Sie werden auch auf den Straßen noch Ak tionen erleben; da bin ich mir sicher. Sie könnten heute han deln. Minister Stoch hat in seiner Amtszeit die Zahl der Lehrer stellenstreichungen auf null gesetzt, Frau Eisenmann hinge gen über 1 000 Lehrerstellenstreichungen zugelassen.
Der Philologenverband – das ist keine SPD-Vorfeldorganisa tion – erklärt uns in Gesprächen, es gebe auch fächerunabhän gig, Herr Röhm, einen Zusammenhang zwischen den Zahlen zum Unterrichtsausfall an den Gymnasien und dem Umfang, in dem wirklich qualitativer Unterricht stattfindet. Sie können heute handeln. Bei allen anderen Schularten haben wir fehl steuerungsbedingt wirklich Probleme, Lehrkräfte zu bekom men. Bei den Gymnasien nicht. Da schlug Ihre Streichung von 1 000 Lehrerstellen voll durch. Daher tragen Sie meines Er achtens die Verantwortung für einen Großteil der ausgefalle nen Unterrichtsstunden an Gymnasien. Staatssekretär Schebes ta spricht von 5,9 %, die Eltern in Stuttgart sprechen von 13,5 % Unterrichtsausfall. Deswegen klagen sie.