Protocol of the Session on October 11, 2018

Wir fordern seit Langem einen massiven Bürokratieabbau und eine umfassende Digitalisierung der Verwaltungsprozesse. So steht es bereits in unserem Landtagswahlprogramm 2016 und kann dort nachgelesen werden – Stichwort: One-Stop-Agency einführen. Wir haben bereits mehrfach Vorschläge gemacht, um die Digitalisierung in der Verwaltung voranzubringen. Ich erinnere dazu an unsere Digitalisierungsmanager, die die Kom munen unterstützen sollen.

(Beifall bei der AfD)

Herr Ministerpräsident – er ist nicht da –, Sie waren unlängst medienwirksam im Silicon Valley und in Kanada. Dort woll ten Sie nicht alle sehen, soweit ich das noch weiß. Warum wa ren Sie nicht auch in Mountain View, California, 500 East Middlefield Road? Dort hätten Sie dann im Veritas World Headquarters in Sachen „ella“ nach dem Rechten sehen kön nen und die Verluste durch die gefallene „ella“ für das Ländle reduzieren können. Aber vermutlich wären die gewieften ITManager aus dem Silicon Valley mit der „digital@bw“-Lan desregierung Schlitten gefahren.

Im Übrigen stimmen wir der Überweisung des Gesetzes an den Ausschuss zu.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der AfD)

Nun hat das Wort für die SPD Herr Abg. Rainer Stickelberger.

Sehr geehrte Frau Präsiden tin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Mi nister, ich habe Ihre Ausführungen mit großem Interesse ge hört. Sie wissen ja, dass ich ein großer Sympathisant der Di gitalisierungsstrategie des Landes bin und Sie, wo es geht, gern unterstütze; dies gilt für die SPD-Fraktion insgesamt.

Aber ich muss doch etwas Wasser in den Wein gießen. Sie ha ben eine schöne neue digitale Welt gezeichnet mit einigen Ein schränkungen, dass noch vieles zu tun sei; Frau Kollegin Lis bach hat es ebenfalls gesagt. Aber von einem Spitzenplatz im Ranking der EU-Länder, von einem Champions-League-Platz, sind wir noch meilenweit entfernt. Da gibt es noch viel zu tun.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der FDP/DVP – Abg. Anton Baron AfD: Nicht nur Meilen!)

Um es vorwegzusagen: Wir werden dem Gesetzentwurf, der ja zunächst nur einen marginalen Regelungsgehalt hat, natür lich zustimmen. Die Umsetzung der E-Rechnungsrichtlinie ist europarechtlich bindend vorgegeben. Das begrüßen wir auch in der Sache. Uns erscheint es im Zuge der fortschrei tenden Digitalisierung unserer Gesellschaft richtig, auch den Zahlungsverkehr elektronisch zu gestalten und die elektroni sche Rechnungsannahme zu regeln.

Aber wir bedauern, dass die elektronische Verarbeitung der elektronisch eingegangenen Rechnungen nicht gleich mitge regelt wird. Dazu schreiben Sie auch zu der Anfrage der FDP/ DVP, dies werde in einer gesonderten Gesetzesmaterie ge schehen. Das heißt, die Rechnungen werden elektronisch er stellt, sie gehen elektronisch ein, und nach guter alter Väter Sitte werden sie noch ausgedruckt, bearbeitet und dann abge

heftet. Damit bleibt die Regelung für uns Stückwerk. Digita lisierung der Verwaltung aus einem Guss stellen wir uns schon wesentlich kurzwelliger vor.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der FDP/ DVP)

Wir empfehlen Ihnen auch, auf Estland zu blicken;

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Schon wieder Estland!)

nicht immer muss es das Silicon Valley sein. Sie waren ja auch in Estland und haben dort gesehen,

(Abg. Andreas Stoch SPD: Hinfahren allein reicht nicht!)

wie begeistert ein Volk mit der Digitalisierung umgeht, auch wenn man jetzt Estland nicht mit Deutschland vergleichen kann, was Größe und Bevölkerungszahl angeht. Aber der Mut, etwas zu tun, ist dort vorbildlich. Diesen Mut sollten wir nach ahmen. Haben Sie diesen Mut, und vermitteln Sie diesen Mut auch an alle Akteure, die bei diesem Thema beteiligt sind. Dann haben Sie unsere Unterstützung.

Die Bürgerinnen und Bürger als Kundinnen und Kunden müs sen bei der Digitalisierung der Verwaltung im Vordergrund stehen. Es wird immer wichtiger, Angebote auch außerhalb der Öffnungszeiten zu machen. Dies beschleunigt Prozesse und trägt auch dem Umstand der sich verändernden Lebens- und Arbeitswelt Rechnung.

Digitales Arbeiten zu jeder Zeit und von jedem Ort aus in die ser Welt führt auch dazu, dass es immer schwieriger wird, Äm ter zu den regulären Öffnungszeiten zu besuchen. Umso wich tiger ist es, Verwaltungsleistungen umfassend digital zu erhal ten, wenn möglich mit dem I-Phone.

Da gibt es sicher noch Nachholbedarf. Wir haben natürlich zahlreiche Kommunen, die da unterwegs sind. Sie haben Bei spiele genannt. Zahlreiche Landkreise haben entsprechende Angebote. Die Zahl 650 ist ja schon beachtlich. Aber was uns da fehlt, ist eigentlich eine Koordination durch das Land. Wir haben immer noch den Eindruck: Da arbeitet jede Kommune vor sich hin und versucht, das Rad neu zu erfinden. Da sind Sie, ist das Land als Koordinator deutlich gefordert.

(Beifall bei der SPD)

Es ist dem Bürger auch nicht vermittelbar, warum ein Bauge nehmigungsverfahren in einem Landesteil digital erfolgen kann und im anderen nicht. Wir haben nach der Verfassung auch die Verpflichtung, auf die Gleichartigkeit der Lebensver hältnisse in unserem Bundesland hinzuwirken.

(Abg. Andreas Stoch SPD: So ist es!)

Wir sollten auch Verwaltungsleistungen günstiger regeln. Da zu hat der Landkreistag eine entsprechende Anmerkung, ei nen Vorschlag gemacht. Diesen sollten wir auch aufgreifen und dem Rechnung tragen.

Unsere Fragen, die wir dann auch im Ausschuss zu klären ha ben, sind: Wann wird das Verwaltungsverfahrensgesetz geän dert, um die großflächige Einführung der Digitalisierung wei

ter zu befördern? Das war noch für 2018 angekündigt. Wie sieht es mit der Digitalakademie aus, die Sie erwähnt haben? Wie sieht es mit der Fachberatung aus? Da soll übrigens auch ITEOS mitwirken – dem einen oder anderen ja noch aus an derem Zusammenhang bekannt. Bis wann wird das installiert? Wie weit sind wir da?

Aber ganz wichtig – zum Schluss – ist mir eines: Wichtig ist, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung in der Lage sind, in einer digitalen Verwaltung zu arbeiten. Sie müssen intensiv geschult und darauf vorbereitet werden. Für uns, die SPD, ist es eine der größten gesellschaftlichen Auf gaben, die Digitalisierung der Arbeitswelt zu bewältigen. Hierzu muss der Mensch im Mittelpunkt stehen. Dabei kommt dem Land als einem der größten Arbeitgeber in unserem Bun desland eine Vorbildfunktion zu. Nehmen Sie diese Verant wortung aktiv wahr.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Jochen Haußmann FDP/DVP)

Jetzt hat Herr Abg. Dr. Timm Kern für die FDP/DVP das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! „Willkommen in Analogistan“.

(Beifall des Abg. Jochen Haußmann FDP/DVP)

Die „Wirtschaftswoche“ hatte ja so recht, als sie am 7. August mit diesem Gruß titelte. Die grün-schwarze Landesregierung trägt erheblich dazu bei, dass Journalisten unser Land mit gu ten Gründen als „Analogistan“ charakterisieren können.

Wir erinnern uns: Grüne und CDU kündigten zu Beginn die ser Legislaturperiode geradezu eine Digitalisierungsoffensi ve für unser Land an. Aber wohin man auch blickt, offenba ren sich krachendes Scheitern, Unprofessionalität und großes Desinteresse an diesem Zukunftsthema Nummer 1.

(Beifall der Abg. Gabriele Reich-Gutjahr FDP/DVP – Zuruf von der FDP/DVP)

Mit „ella“ steht diese grün-schwarze Landesregierung auf den rauchenden Trümmern ihrer so vollmundig angekündigten Di gitalpolitik. Wie ist die aktuelle Situation in Wirklichkeit? Es ist doch eine Binsenweisheit, dass Angebote nur dann genutzt werden, wenn sie die Erwartungen der Kundinnen und Kun den auch erfüllen. In Deutschland ist das beim Thema E-Govern ment aber nicht der Fall, denn die E-Government-Nutzung stagniert laut E-Government-Monitor 2017. Allein 2017 sank die Nutzung von digitalen Behördendienstleistungen um vier Prozentpunkte auf nur noch 41 %. Man muss sich das einmal vor Augen führen, dass die Menschen exponentiell mehr Di gitalangebote im privaten Bereich nutzen, im öffentlichen Be reich die Nutzung aber zurückgeht. Nur 54 % der Nutzerin nen und Nutzer sind mit dem Angebot zufrieden, 2016 waren es immerhin noch 62 %.

Was sind die Gründe dafür? Erstens: Onlineangebote sind nicht bekannt. Zweitens: Die Anschaffung von zusätzlicher Hardware ist notwendig. Und drittens: Eine vollständige Ab wicklung im Internet ist nicht möglich.

Es überrascht nicht, dass das Thema E-Government in vielen staatlichen Bereichen krankt. In der Sozialverwaltung bei spielsweise besteht ein Mangel an Automatisierung und On linebeantragung von Schwerbehindertenausweisen, oder beim E-BAföG im Wissenschaftsbereich stellt der Identitätsnach weis die entscheidende Hürde dar. Der angebotene Onlinean trag ist praktisch nicht mehr als eine Ausfüllhilfe, denn der ausgefüllte Antrag muss immer noch ausgedruckt und per Post eingereicht werden. Nach wie vor berichten mir Studenten, sie müssten abgelegte Prüfungen von den Dozenten auf Pa pier bescheinigen lassen, dann zu den wenig kundenfreundli chen Öffnungszeiten auf das Prüfungsamt gehen und die Do kumente dort einreichen. Ein Student könnte in dieser Zeit na türlich auch studieren.

Beim Bau: Die Einsicht in Bebauungspläne und die Erteilung von Baugenehmigungen geschehen weitgehend in Papierform. Das hilft vielleicht der holzverarbeitenden Industrie, aber nicht den Bauwilligen.

Die mangelnde Motivation dieser Landesregierung beim E-Government kann man auch am Beispiel der Schulverwal tungssoftware ASV-BW deutlich machen. In Frage 12 unse rer Großen Anfrage stellten wir die Frage, ab wann das Schul verwaltungssystem ASV-BW flächendeckend eingesetzt wer den soll. Die Antwort der Landesregierung – Zitat –:

Derzeit wird das Verfahren ASV-BW inhaltlich und hin sichtlich der Benutzerfreundlichkeit weiterentwickelt bzw. optimiert.

Führen wir uns bitte einmal vor Augen, dass ASV-BW seit 2007 entwickelt wird und wir bis heute schon über 24 Milli onen € Steuergeld ausgegeben haben. Jetzt, nach elf Jahren, kommt die grün-schwarze Landesregierung auf die brillante Idee, die Software inhaltlich und mit Blick auf die Nutzer freundlichkeit weiterzuentwickeln. Donnerwetter!

Nein, diese Haltung ist ohne jede Ambition wie die gesamte Digitalpolitik in der Regierung Kretschmann II.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Der inhaltlich und organisatorisch für die Digitalisierung zu ständige CDU-Minister Thomas Strobl kümmert sich herzlich wenig um dieses entscheidende Zukunftsthema. Es kann also kaum verwundern, wenn Grüne und CDU mit ihrer jeweils neobiedermeierischen Haltung gegenüber technischem Fort schritt gemeinsam eine Koalition der Unmotivierten im Be reich der Digitalisierung bilden und dass dann die „Wirt schaftswoche“ unser Land als „Analogistan“ bezeichnet.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wie könnten Lösungen aus sehen? Hannes Schwaderer, der Präsident der Initiative D21, hat recht, wenn er sagt – Zitat –:

In einer digitalisierten Welt, in der sich alles unkompli ziert online erledigen lässt, hält die deutsche Verwaltung nicht Schritt, daher sinkt die Zufriedenheit der Befragten auch so auffallend. Es fehlt an Anreizsystemen, z. B. über Gebühren- oder Zeitersparnis, um der Bevölkerung den digitalen Weg schmackhaft zu machen. Erst wenn für die Bürgerinnen und Bürger ein echter Mehrwert entsteht,

werden diese Dienste auch akzeptiert. Dann steigt auch die Nutzung.