Protocol of the Session on October 11, 2018

(Zuruf des Abg. Andreas Glück FDP/DVP)

Ich nehme Ihren Gesetzentwurf und – damit Sie verstehen, wenn ich sage, dass Sie auch einmal meine Sorgen verstehen sollen – Ihre Begründung und zitiere:

Wölfe und Luchse gehören zu den in Anhang IV Buchst. a der Richtlinie 92/43/EWG aufgeführten Wildtieren und sind damit streng geschützt.

Als Abgeordneter ist man, wie es in der Verfassung geregelt ist – das ist etwas Tolles –, seinem Gewissen unterworfen. Als Mitglied der Exekutive bin ich aber, Herr Kollege Haser, an Recht und Gesetz gebunden. Das praktiziere ich mit dem, wie ich und wie das Umweltministerium in den letzten Monaten in dieser Frage agiert haben.

Unsere Aufgabe ist es, den rechtlichen Schutz, den ich eben aus dem Gesetzentwurf von SPD und FDP/DVP zitiert habe, zu gewährleisten und gleichzeitig auch – ich betone „gleich zeitig auch“ – den Interessen der Nutz- und Weidetierhalter gerecht zu werden.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Ich will mal noch eines sagen: Wenn man manche Reden hier gehört hat, hat man den Eindruck bekommen, es gäbe Wölfe an allen Ecken und Enden im Land.

(Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Gesichert gibt es einen, der im Fachbeamtendeutsch

(Zuruf des Abg. Andreas Glück FDP/DVP)

„GW852m“ heißt. Das ist der gesicherte. Das ist der,

(Unruhe)

der in der Region um Bad Wildbad resident geworden ist.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Also beim Blenke!)

Alles andere ist erst mal nicht gesichert. Wir bekommen im mer wieder Hinweise; wir gehen denen auch nach. Ich kann nicht ausschließen, dass es morgen oder übermorgen einen weiteren gibt. Das kann ich nicht ausschließen. Aber gesichert gibt es derzeit nur diesen einen. Das will ich einfach einmal festhalten.

(Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Keinen in Feuer bach! – Zuruf des Abg. Wolfgang Drexler SPD)

Vor allem nicht in Feuerbach.

(Zuruf des Abg. Andreas Glück FDP/DVP)

Ich habe, um das noch mal zu betonen, ein hohes Interesse da ran,

(Zuruf des Abg. Udo Stein AfD)

dass wir die Weidetierhaltung in Baden-Württemberg auch in Zukunft mindestens in dem Umfang, wie wir sie heute ha ben –

(Abg. Udo Stein AfD meldet sich.)

ich meine, sie ist in den letzten Jahren ohnehin massiv zurück gegangen, nicht wegen des Wolfes, sondern aus ganz anderen Gründen, vor allem aus wirtschaftlichen Gründen –, zur Of fenhaltung unserer Landschaft aufrechterhalten können.

Die Weidetiere sind einer der maßgeblichen Faktoren zur Be wahrung wertvoller Lebensräume in Baden-Württemberg.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der CDU – Abg. Andreas Glück FDP/DVP meldet sich.)

Ich finde es richtig und gut, dass wir über die möglichen We ge dahin, wie wir die Weidetierhalter unterstützen können, diskutieren. Daher – das sage ich offen – bin ich den beiden Fraktionen der SPD und der FDP/DVP für ihre Initiative auch durchaus dankbar.

(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Das hört man aus jedem Satz!)

Aber erlauben Sie mir einmal, im Folgenden darzulegen, wa rum uns der vorgelegte Gesetzentwurf zur Änderung des Na turschutzgesetzes substanziell nicht weiterhilft.

Herr Minister Untersteller, las sen Sie zwei Zwischenfragen zu?

Nein. Ich argumentiere jetzt erst einmal, wie wir diesen Gesetzentwurf bewerten. Denn ich rede zum Ge setzentwurf, Herr Kollege Glück – im Gegensatz zu anderen.

(Zuruf des Abg. Andreas Glück FDP/DVP)

Was wären die Folgen einer solchen Entschädigungsregelung, wie sie von Ihnen in dem Gesetzentwurf vorgeschlagen wird? Mit einer Zustimmung zu dem Gesetzentwurf würde eine Un gleichbehandlung der von wild lebenden Tieren verursachten Schäden festgeschrieben. Es gibt zahlreiche geschützte und nicht geschützte Tiere, die Schäden verursachen – zum Teil erheblich größere als die durch Wolf oder Luchs verursachten Schäden. Denken Sie beispielsweise – Kollege Rösler hat es angesprochen – an die Schäden durch Biber, denken Sie an die Schäden durch Kormorane, denken Sie auch an Schäden durch Saatkrähen. Und es gibt Tiere, die nicht dem Natur schutz unterliegen und ebenso große oder ganz erhebliche Schäden verursachen.

Ich will ein Beispiel nennen: die Schäden durch Wildunfälle. Die deutschen Autoversicherer haben im Jahr 2016 für Wild unfälle insgesamt 682 Millionen € – Kaskoschäden – ausge geben, also fast 700 Millionen €. Die Einführung einer – mit meinen Worten – Staatshaftung für Wolf und Luchs – denn nichts anderes wollen Sie mit diesem Gesetzentwurf – würde doch automatisch die Forderung auch nach der Entschädigung

für Schäden durch andere wild lebende Tiere nach sich zie hen. Auch das hat Kollege Rösler angesprochen. Wo, frage ich Sie, ziehen Sie denn die Grenze?

(Abg. Raimund Haser CDU: Bei Schäden an Nutz tieren!)

Warum Entschädigung bei einem Tier und warum nicht bei einem anderen? Das Land kann aber den wirtschaftenden Menschen nicht generell gegen alle Risiken aus der freien Na tur absichern. Das würde das Land auf Dauer finanziell über fordern. Wir bieten nun einmal nicht die Rundum-Vollkasko versicherung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, grundsätzlich setzt ein Scha densausgleich ein Verschulden oder die Schaffung einer Ge fährdungslage voraus. Verursacht ein wild lebendes Tier Schä den, liegt nun einmal kein Verschulden seitens des Staates vor, denn wir, der Staat, haben dieses Tier nicht ausgesetzt. Es gibt Bundesländer, in denen der Luchs ausgesetzt wurde – aber nicht in Baden-Württemberg. So gesehen, gibt es zunächst einmal keine Verantwortung seitens des Landes für ein wild lebendes Tier.

Die Unterstellung eines Tieres unter Naturschutzrecht stellt formalrechtlich zunächst keine Gefährdungslage in der Argu mentation dar. Insofern besteht kein Anspruch auf Schadens ausgleich gegenüber dem Staat. Hiervon kann auch nicht zu gunsten einzelner Gruppen oder bestimmter Schadensarten abgewichen werden.

Im Übrigen möchte ich darauf hinweisen, dass vor einem Scha densausgleich immer die Schadensvermeidung steht. Diese ergibt sich bei Weidetieren u. a. aus den im Agrar- und Tier schutzrecht verankerten Mindeststandards zum Herdenschutz, die – das möchte ich hier auch einmal deutlich machen – lei der nicht überall eingehalten wurden und nach wie vor nicht eingehalten werden, wie Sie erkennen, wenn Sie sich so man che Fälle aus den letzten Monaten und Jahren anschauen, bei denen es zu Rissen gekommen ist.

(Zuruf des Abg. Andreas Glück FDP/DVP)

Vor diesem Hintergrund kommt für den Ausgleich von durch Wolf und Luchs verursachten Schäden nur ein freiwilliger Ausgleich infrage. Diesen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD und der FDP/DVP, gibt es in Baden-Württem berg, und dieser – das will ich auch dazusagen – hat sich bei uns bewährt.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Die Trägergemeinschaft „Ausgleichsfonds Wolf“ hat den Fonds mit 10 000 € ausgestattet, und das Land ersetzt die erstatteten Beträge bislang zu 70 %. Art und Umfang der Schäden, die über den Ausgleichsfonds erstattet werden, entsprechen Art und Umfang der Schäden, wie diese in der Begründung zu dem vorgelegten Gesetzentwurf formuliert wurden. Kenn zeichnend für diese Fondslösung ist die rasche und unbüro kratische Abwicklung der Ausgleichszahlung.

Das, meine Damen und Herren – das will ich an dieser Stelle sagen –, ist nur in Baden-Württemberg möglich.

(Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Genau!)

In der Regel ist das Geld innerhalb von drei Tagen nach Scha densaufnahme auf dem Konto der Geschädigten. In anderen Ländern, beispielsweise in Sachsen, von wo Sie das ja wohl übernommen haben, oder in Sachsen-Anhalt – da gibt es ei ne ganz ähnliche Regelung –, dauert die Durchführung des Antragsverfahrens – ein solches benötigen Sie nämlich, wenn Sie das gesetzlich festschreiben, Herr Kollege Haser – über die höheren Forstbehörden, wie das in Sachsen gemacht wird, für sämtliche haushaltstechnischen Abwicklungen, die damit in Verbindung stehen, sechs bis acht Wochen – bei uns drei Tage, in Sachsen sechs bis acht Wochen. Dreimal dürfen Sie raten, was für die Betroffenen angenehmer ist.

(Abg. Raimund Haser CDU: Das ist doch gar keine Frage!)

Vom Luchs verursachte Schäden werden ebenfalls über einen von einer Trägergemeinschaft getragenen Fonds ersetzt.

Ergänzend möchte ich noch darauf hinweisen, dass es Versi cherungen gibt, die Tierlebensversicherungen zu recht güns tigen Preisen anbieten. Sie entschädigen Halter für durch Wolf, Luchs oder Hund gerissene Nutztiere sowie auch für gestohlene Tiere, auch wenn kein Herdenschutz installiert war, den Sie übrigens in Ihrem Gesetzentwurf landesweit vor schreiben und vorgeben wollen als Grundlage dafür, dass überhaupt Entschädigungszahlungen geleistet werden können.

Man muss sich einmal vorstellen, was Sie mit Ihrem Gesetz entwurf vorhaben. Im Grunde genommen fordern Sie, dass das, was wir im Moment in dem Präventionsgebiet rund um Bad Wildbad machen – nämlich zu sagen: „Leute, ihr müsst eure Herden entsprechend sichern“ –, im ganzen Land ge macht wird, obwohl im Moment ein einziger Wolf gesichert da ist. Es ist schon mutig – das muss ich Ihnen schon sagen –, so etwas zu machen und das dann hier noch als Fortschritt für die Weidetierhalterinnen und Weidetierhalter verkaufen zu wollen.

(Abg. Andreas Glück FDP/DVP: Da kann man nur den Kopf schütteln! – Weitere Zurufe)