Protocol of the Session on October 10, 2018

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ohne Deutsch geht zu wenig. Wer Bildungs politik macht, der hat dies in den Fokus zu nehmen. Ohne Deutsch geht zu wenig in der Ausbildung, geht zu wenig im Beruf, geht zu wenig in der gesellschaftlichen Teilhabe.

Baden-Württemberg ist eine Erfolgsgeschichte, die von Men schen mit deutscher, mit italienischer, mit kroatischer, mit tür kischer, mit russischer oder einer anderen Muttersprache ge schrieben wurde. Das ist wertzuschätzen, und zu dieser Wert schätzung gehört die Ehrlichkeit, dass eine persönliche Er folgsgeschichte in unserem Land, realistisch betrachtet, kaum anders geschrieben werden kann, als wenn man gut Deutsch spricht.

Es gibt Menschen, die jeden Tag dafür eintreten, dass diese Erfolgsgeschichten geschrieben werden können. Das sind z. B. die Erzieherinnen und Erzieher in den Kitas oder die Lehrkräfte in den Schulen. Aufgabe der Politik ist es, deren Arbeit zu unterstützen und gute Sprachförderangebote vorzu halten.

(Beifall bei der SPD – Vereinzelt Beifall bei den Grü nen)

Mannheim hat z. B. ein spezielles kommunales Angebot für seine Kitas und Schulen, von der Stadt finanziert, für den Zu sammenhalt gemacht – eine weitere baden-württembergische Erfolgsgeschichte.

Zuwanderung ist kein temporäres oder zeitlich befristetes The ma. Baden-Württemberg ist nicht so erfolgreich, obwohl es ein Einwanderungsland ist; Baden-Württemberg ist so erfolg reich, weil es auch ein Einwanderungsland ist.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Es ist darum falsch, dass alle 1 165 Stellen für Lehrkräfte in der Sprachförderung weiterhin mit einem k.w.-Vermerk ver sehen sind. Das muss sich ändern. Das ist ein ausdrücklicher Appell von uns an die Regierungsmehrheit von Grünen und Schwarzen.

Heutzutage haben 44 % der Kinder in den vierten Klassen ei nen Migrationshintergrund. Das ist die Realität; nur spiegelt sich diese nicht in unserem Bildungssystem wider. Aus Sicht der SPD muss darum dringend an vier Stellschrauben gedreht werden: Wir brauchen mehr Sprachförderung in den Kitas. Wir brauchen mehr Zeit für Sprachförderung in unseren Schu len. Wir brauchen einen Schulversuch zum herkunftssprach lichen Unterricht. Eine Förderung in der Herkunftssprache hilft den Kindern beim Deutschlernen. Das nennt die Wissen schaft koordinierte Zweisprachigkeit. Es wird Zeit, dieses Po tenzial zu nutzen und ein staatlich verantwortetes Angebot an den Schulen zu installieren. Die bittere Alternative ist näm lich allzu oft die doppelte Sprachlosigkeit, wenn die Kinder weder Mutter- noch Zweitsprache richtig in Wort und Schrift beherrschen. Und wir brauchen mehr Ganztagsschulen. Es muss Ganztagsangebote geben, die durch Rhythmisierung und Kooperation mit Vereinen sinnvolle gemeinschaftliche Ange bote machen, in denen dann auch Deutsch die Sprache ist, die man zusammen findet, um zusammen etwas Gutes zu machen.

Der AfD-Antrag ist nicht hilfreich. Er ist gehässig, weil er die Möglichkeit, die Chance, Deutsch zu lernen, dazu nutzt, Aus

grenzung zu betreiben, Menschen zu spalten und zu verhin dern, dass Menschen sich in ihrer Schule zu Hause fühlen.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der Grü nen, der CDU und der FDP/DVP)

Schule ist ein Lern- und Lebensort. Die Kinder und Jugend lichen geben ihre persönlichen Freiheiten, die ihnen unsere Verfassung garantiert, nicht an der Schulpforte ab. Im Gegen teil: Die Schule gibt ihnen die Möglichkeit, all diese Freihei ten zu nutzen und mündige Bürgerinnen und Bürger zu wer den, zu sein, die ihre eigene Geschichte in Baden-Württem berg schreiben dürfen.

Dem steht die AfD-Schule gegenüber. Da wird bespitzelt und verpetzt.

(Abg. Dr. Bernd Grimmer AfD: Bei Ihnen wird ge hetzt! – Zuruf des Abg. Udo Stein AfD)

Da soll die Schulgemeinschaft wie Überwachungsdrohnen durch den Pausenhof fliegen und schauen, ob an irgendeiner Ecke ein Satz auf Russisch, Kosovarisch oder – in meinem Fall – auf Kurpfälzisch gesprochen wurde.

(Abg. Carola Wolle AfD: Ist das Ihr Weltbild?)

Das passt zu einer Partei, die im Internet Spitzelpranger an bieten will, in denen Lehrer und Schüler, Kollegen sich ge genseitig verpetzen, sich gegenseitig anprangern. Immer deut licher wird, für was Sie kämpfen: Sie kämpfen für eine schreckliche Schule in einem schlimmen Land. Da machen wir nicht mit.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der Grünen und der CDU)

Die Schülerinnen und Schüler, und zwar sowohl die, die von zu Hause aus Deutsch sprechen, als auch die, die von zu Hau se aus kein Deutsch sprechen, haben es verdient, auf eine gu te Schule zu gehen. Bei allem bildungspolitischen Streit, den wir immer wieder haben, weiß ich von den demokratischen Parteien hier im Haus,

(Lachen bei der AfD)

dass wir darum ringen, für die Schülerinnen und Schüler in Baden-Württemberg eine gute Schule anzubieten.

(Zurufe, u. a. des Abg. Stefan Herre AfD)

Das unterscheidet uns von der schrecklichen Schule der AfD. Wir wollen gute Förderung, guten Unterricht, gute Angebote. Das wollen wir statt Überwachen, Bespitzeln, Denunzieren und Sich-Verpetzen.

(Abg. Udo Stein AfD: Nein, Neutralität wahren! – Abg. Anton Baron AfD: Sie sollten sich besser Ge danken machen, warum Sie bei 10 % stehen!)

Wir wollen ein Baden-Württemberg, in dem an unseren guten Schulen die Maria und der Erhan, die Ruslana und der Patrick ihre Erfolgsgeschichten schreiben können.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den Grünen sowie Abgeord neten der CDU)

Für die FDP/DVP-Frak tion bitte Herr Abg. Dr. Kern.

(Abg. Anton Baron AfD: Haben sich wieder einmal alle Parteien abgesprochen?)

Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Der heutige Antrag der AfD ist gera dezu ein Musterbeispiel dafür, mit welcher psychologisch durchaus nicht ungeschickten Methode diese Partei versucht, in unserem Land Politik zu betreiben.

Wer den heutigen Antragstitel der AfD unbefangen und ober flächlich liest – „Deutsch als verpflichtende Umgangssprache an Schulen“ –, kann eigentlich nur zu zwei Reaktionen kom men. Zum einen ruft dieser Antragstitel natürlich Sorge, viel leicht sogar Angst hervor nach dem Motto „Was? Um Him mels willen, sind wir in Deutschland wirklich schon so weit, dass unsere deutsche Sprache auf den Pausenhöfen der Kin der in die Position einer unterdrückten Minderheit geraten ist?

(Zuruf von der AfD: Stimmt!)

Muss jetzt echt schon darüber nachgedacht werden, auf deut schen Schulhöfen Deutsch als Umgangssprache per Verord nung durchzusetzen?“

(Zuruf von der AfD: Ja, muss! – Abg. Anton Baron AfD: Verneinen Sie das etwa?)

Die darauf folgende zweite Reaktion des Lesers lässt sich ebenfalls leicht prognostizieren: „Himmel noch mal! Dieser unhaltbare Zustand muss doch auch den etablierten Parteien bisher schon bekannt gewesen sein. Aber die haben wohl nix gemacht. Endlich gibt es mit der AfD eine Partei, die als ein zige den Mut hat, diesen offensichtlichen Missstand öffent lich anzuprangern.“

(Beifall bei Abgeordneten der AfD – Abg. Thomas Axel Palka AfD: Ja! Gut!)

Gell, liebe AfD? So haben Sie sich das gedacht, und so wür den Sie die Menschen in unserem Land gern hinter die Fich te führen. Ihr Applaus gerade eben hat ja geradezu bewiesen, dass meine Analyse zutrifft.

(Abg. Bernd Gögel AfD: Jetzt können wir Schluss machen!)

Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage?

Am Ende gern.

Hinzu kommt ein weiterer Punkt: Nicht etwa die AfD sieht sich in der Pflicht, ihre steilen Thesen sauber empirisch zu be legen, sondern für die AfD sind kritische Zeitgenossen entwe der blind für die dramatische Lage, in der sich unsere Heimat befindet, oder diese Zeitgenossen begrüßen gar die schleichen de Abschaffung Deutschlands – tertium non datur.

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Für die FDP/DVP-Fraktion ist es selbstverständlich, von den Schü lern konsequent das Beherrschen und Verwenden der deut schen Sprache einzufordern,

(Zurufe von der AfD: Ah! – Aha!)

und zwar sowohl im Unterricht als auch außerhalb des Unter richts, wo immer dies möglich und angebracht ist.

(Abg. Bernd Gögel AfD: Z. B. auf dem Pausenhof!)

Dies ist u. a. auch deshalb wichtig, weil ein feines Gespür für Sprache in Kombination mit politischer Bildung die beste Vor kehrung gegen politische Quacksalber ist, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der Grünen, der CDU und der SPD)

Der heute hier zur Diskussion stehende AfD-Antrag zeigt recht anschaulich, wie diese Partei in unserem Land Politik macht. Ihre steilen Thesen erzählen im Grunde immer die glei che Geschichte: „Deutsches Volk, pass auf, du wirst angegrif fen, aber wir von der AfD stellen uns schützend vor dich!“

Damit das Erzählmuster der AfD nicht allzu durchschaubar wird, wechseln die Angreifer regelmäßig. Mal sind es die Mi granten, mal die Systemparteien, mal die Medien, dann die Gewerkschaften, dann mal die katholische Kirche, dann mal die evangelische Kirche oder die Landeszentralen für politi sche Bildung.

(Oh-Rufe von der AfD)