Protocol of the Session on October 10, 2018

Bei dem Thema „Sonderregelung für Lebensmittel“ haben wir jetzt als Zielrichtung eine Quote von mindestens 20 % Öko produkten. Daran möchte ich deutlich machen, wie es funkti oniert und wie es im Wesentlichen läuft.

(Abg. Anton Baron AfD: Zielrichtung oder Quote?)

Wir haben sehr gute Erfahrungen, Herr Baron, mit der Quo te. Schauen Sie meine Fraktion an: ein sehr erfolgreiches Prin zip.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Die 20-%-Regelung ist dem geschuldet, dass wir allenthalben – in der Agrarpolitik, worüber wir heute Morgen gesprochen haben, und in anderen Bereichen – klare Zielvorgaben wollen entsprechend unserer Vorstellung, wie viel ökologische Land wirtschaft wir haben müssen. Deswegen müssen wir auch als Kunden dieser eigenen Zielrichtung folgen. Deswegen diese 20 %. Das war zunächst einmal wichtig.

Wichtig war auch, dass wir das in großer Freiheit tun, dass wir niemandem vorgeben, was er einkauft. Der eine kann sei nen Weinbedarf irgendwo in einem von uns geführten Restau rant decken, und der andere kann seine Nudeln oder was auch immer kaufen. Diese Freiheit war ganz wichtig, weil wir na türlich im Einzelnen nicht die Situation der Beschaffer im Be reich Lebensmittel kennen. Deshalb haben wir nur diese Grundvorgabe gemacht. Wir haben Betriebe, die da schon viel weiter sind und sich weit darüber hinaus eindecken. Aber so zusagen die Neustarter können das in einer hohen Flexibilität tun und haben da gute Möglichkeiten.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der CDU)

Ich muss ehrlich sagen: Auch wir als Fraktion sind Beschaf fer. Nächste Woche haben wir das Landtagsfest der Grünen, und wir stellen gerade fest, wie schwer die Beschaffung oft ist. Da ist es einfach wichtig, dass wir solche Vorgaben haben. Wir haben jetzt das Problem, dass unser Caterer verzweifelt 40 kg Hackfleisch für Cevapcici gesucht hat. Es war kaum beizubringen. Ich glaube, es ist einfach wichtig

(Abg. Claus Paal CDU: Schwäbisches Cevapcici! – Abg. Thomas Blenke CDU: Wir sind ja schon froh, dass es nicht nur Grünkernbratlinge gibt!)

ja, schwäbisches Cevapcici –, dass man auch für die Groß küche Vorgaben macht, damit sich Märkte entwickeln kön nen, die auch die Generationen, die nach uns kommen, im Blick haben, und damit ökologische Befassung alltäglich und einfach wird, so wie es sein soll, damit das gern angenommen wird.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Thomas Blenke CDU: Früher gab es immer nur vegetarische Fleischküchle bei den Grünen!)

Nachhaltig strategisches Beschaffen ist nicht teuer, sondern werthaltig. Dass es teuer ist, ist ein völlig überholtes Argu ment. Die Gesamtzyklusbetrachtung und die Folgekostenbe trachtung sind sehr wichtig und wertvoll. Soziale und gesell schaftliche Wirklichkeiten sind Kaufkriterien. Das ist uns wichtig. Ökologische Verantwortung wird wahrgenommen.

Und zum Schluss: Die weltweiten Auswirkungen von unse rem Einkaufs- und Verkaufsverhalten werden mitbewertet. Deswegen sind wir stolz und froh über das, was uns jetzt vor liegt und seit dem 1. Oktober für unser Land gilt.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen und der CDU)

Für die CDU-Fraktion spricht die Kollegin Claudia Martin.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Seit zehn Tagen ist sie in Kraft: die neue VwV Beschaffung. Sie umfasst 18 Kapitel und ist ca. 70 Seiten lang. Sie ist ein umfassender Leitfaden für die Vergabe von Leistungen unter Berücksichtigung der lan desspezifischen Vorgaben.

Mit ihrem Inkrafttreten wird für die Landesverwaltung auch die UVgO, die bundeseinheitliche Unterschwellenvergabe ordnung, eingeführt. Mit der Neufassung der VwV Beschaf

fung werden die Wertgrenzen für vereinfachte Vergabeverfah ren deutlich angehoben. Das heißt konkret: für beschränkte Verfahren 100 000 € statt bisher 50 000 €, für die Verhand lungsvergabe 50 000 € statt 20 000 €, für den Direktauftrag 5 000 € statt 2 000 €.

Die Anhebung der Wertgrenzen vereinfacht und beschleunigt Verfahren und dient damit dem Bürokratieabbau. Sie erleich tert dadurch auch kleinen und mittleren Unternehmen die Teil nahme daran.

Eine Vorschrift, die in ihrer Anwendung Prozesse vereinfa chen und beschleunigen soll, ist in ihrer Erstellung und Aus arbeitung aber oftmals ganz das Gegenteil, nämlich langwie rig und zäh. So war es auch bei der VwV Beschaffung. Hart gerungen wurde oftmals um jedes Wort. Das war wichtig, soll doch dieser Leitfaden seinen Anwendern selbstverständlich einen entsprechenden Gestaltungsspielraum bei den Vergabe verfahren bieten.

Die neue VwV Beschaffung erlaubt es den Vergabestellen, umweltbezogene Aspekte in Zukunft noch stärker in den Fo kus zu rücken. Mit der Innovationspartnerschaft wurde eine völlig neue Verfahrensart für die gemeinsame Entwicklung und den anschließenden Erwerb innovativer Produkte und Dienstleistungen eingerichtet. Hierdurch können Auftragge ber konkrete Vorgaben hinsichtlich Energieeffizienz, Klima schutz und anderen Umweltfaktoren einfließen lassen.

Neben allgemeinen Grundsätzen der Vergabe erhalten beson ders soziale und ökologische Aspekte mehr Aufmerksamkeit. Hier rücken u. a. die Leitsätze der Ernährungsstrategie des Landes stärker in den Mittelpunkt, zum einen mit der Emp fehlung der 20-%-Quote für Bioprodukte, zum anderen aber auch über die Forderung nach kurzen Wertschöpfungsketten und kurzen Lieferwegen. Denn wie heißt es so schön? Regi onal ist das neue Bio.

(Beifall bei der CDU)

Wir sind uns einig, dass bei gleichwertigen geeigneten Ange boten jenes vorzuziehen ist, welches die geringste Belastung für die Umwelt hervorruft. Dennoch dürfen weniger nachhal tige Mitbewerber nicht einfach von der Ausschreibung ausge schlossen werden.

Auch der entwicklungspolitischen Leitlinie Baden-Württem bergs wird Rechnung getragen, da mit dem neuen Rechtsrah men auch fair gehandelte Produkte stärker in den Blickpunkt rücken. Dem Kaffee aus unserem Partnerland Burundi steht nun nichts mehr im Weg.

Ein weiterer Kernpunkt der neuen Rahmenbedingungen ist die Berücksichtigung der ILO-Kernarbeitsnormen nicht mehr nur bei Produkten aus Asien, Afrika und Lateinamerika, son dern jetzt auch aus europäischen Staaten, bei denen die Durch setzung grundlegender Arbeitsstandards nicht als gegeben an gesehen werden kann.

Im Bereich der Softwareprodukte ist bei vergleichbarer Wirt schaftlichkeit und Risikobewertung der bevorzugte Einsatz von Open-Source-Produkten zu prüfen.

Mit der neuen VwV Beschaffung ist der Bereich der Aus schreibung im digitalen Zeitalter angekommen. Die Kommu

nikation zwischen dem öffentlichen Auftraggeber und dem Unternehmen wird künftig grundsätzlich elektronisch ablau fen. Durch die nun einheitlichen Verfahren wird die Vergabe effizienter und kostengünstiger.

Alles in allem wird mit dieser Verwaltungsvorschrift den von seiten des Landes gewünschten Prinzipien der Beschaffung Rechnung getragen. Dennoch wird sichtbar, welcher Komple xität der Vergabepraktiker heutzutage ausgesetzt ist. Umwelt- und sozialpolitische Maximen und deren Konkretisierung und die konkret ausgeführte Ausschreibung werden im herausfor dernden Umfeld einer modernen Vergabepraxis nicht automa tisch zu verflechten sein.

Doch auch wenn Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit gern als Gegensätze angesehen werden: Für die CDU-Landtags fraktion gehen Ökonomie und Ökologie Hand in Hand.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen – Abg. Thomas Blenke CDU: Sehr gut!)

Das Wort hat Frau Abg. Carola Wolle für die AfD.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, mei ne Damen und Herren Abgeordneten! Gemäß der Verwal tungsvorschrift Beschaffung bedeutet Nachhaltigkeit, dass qualitative, innovative, soziale, umweltbezogene und wirt schaftliche Aspekte gleichberechtigt zu berücksichtigen sind. Dadurch soll sichergestellt werden, dass die zur Verfügung stehenden Ressourcen nicht auf Kosten der kommenden Ge nerationen verbraucht werden. Wer sollte etwas dagegen ha ben?

Selbstverständlich sind die meisten in der Verwaltungsvor schrift Beschaffung dargelegten Ziele zu unterstützen. Bei ge nauem Hinsehen jedoch zeigt sich, dass mit der Aufnahme der Nachhaltigkeit in den Beschaffungsprozess eine typisch grü ne Nebelkerze gezündet wurde.

Wer kennt nicht die Schuler Gastronomie in der Stuttgarter Wilhelma oder – besser gesagt – kannte diese? Nach 55 Jah ren Zoo-Gastronomie kam 2017 für Schuler das Aus. Der Ver trag wurde neu ausgeschrieben, und das Rennen machte an stelle des Stuttgarter Traditionsunternehmens der Schweizer Gastronomie-Multi Marché.

Ein Grund hierfür dürfte der Zwang zur Nachhaltigkeit der anzubietenden Speisen und Getränke gewesen sein. Denn die Qualität des Angebots wurde bei der Entscheidung für Mar ché mit 65 % gewichtet. 40 % der frisch angebotenen Obst- und Gemüsesorten werden nun regional eingekauft, und 80 % des Fleisches stammen von einem regionalen Metzger.

Solche Vorgaben kann nur ein überregional tätiger Konzern mittels einer Mischkalkulation leisten.

(Zuruf von den Grünen: So ein Quatsch!)

Hier wurde ein regionales Traditionsunternehmen nachhaltig ausgebootet. Der neue Caterer verspricht zwar ein vergleich bares Preisniveau, doch wir werden sehen, wie nachhaltig die se Aussage in ein paar Jahren sein wird.

Weitere Beispiele für nachhaltige Beschaffung gefällig? Um weltschutz und Klimaschutz, wer wäre nicht dafür? Haben Sie sich eigentlich schon einmal ein Waldgebiet angesehen, in dem ein Windpark gebaut wurde? Das ist in der Tat nachhal tig, nämlich nachhaltige Umweltzerstörung, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der AfD – Zuruf von der AfD: So ist es!)

Aber nicht nur das. Sehen Sie sich auch einmal die Strom preisentwicklung an, und vergleichen Sie diese mit den Prei sen im benachbarten Ausland. Hier werden Sie ebenfalls Nachhaltigkeit feststellen – nachhaltige Beeinträchtigung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen und der baden-württem bergischen Wirtschaft. Stellen Sie sich, liebe „GrünInnen“, so die Unterstützung der kleinen und mittleren Unternehmen vor? Wir nicht.

(Beifall bei der AfD)

Auch die Priorisierung der E-Mobilität bei der Beschaffung ist so ein Beispiel. Anstelle der Dieselstinker und der CO2Schleudern surren emissionsfreie E-Mobile durch unsere Städ te. Von den menschenunwürdigen Bedingungen in den Ko baltminen,

(Abg. Rüdiger Klos AfD: Ja!)

von der nachhaltigen Umweltzerstörung bei der Lithiumge winnung zur Batterieproduktion spricht hier niemand. Denn die Umwelt und die Menschen woanders gehen Sie nichts an.

(Beifall bei der AfD)

Darüber hinaus verlieren wir in der baden-württembergischen Automobilindustrie und bei deren Zulieferern die Kernkom petenz im Automobilbau.

(Abg. Claus Paal CDU: Falsch!)