Sehr geehrte Frau Prä sidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Eines der elemen tarsten Themen für die Bürgerinnen und Bürger, für die Ge sellschaft in Baden-Württemberg ist, wie wir die Gesundheits versorgung in der Zukunft absichern. Es ist schon bemerkens wert, lieber Herr Kollege Teufel – Sie haben ja die Debatte beantragt –: Wenn ich jetzt in die Reihen der CDU schaue, dann muss ich sagen, dass wahrscheinlich alle derart über
zeugt von Ihrer Rede gewesen sind, dass sie den Eindruck ha ben, sie brauchten die Debatte gar nicht zu verfolgen.
Oder es ist mangelndes Interesse an Ihrer Debatte, lieber Herr Teufel. Aber es ist beeindruckend, wenn die FDP/DVP mehr Abgeordnete im Saal hat als die CDU. Einfach klasse!
(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Dr. Boris Weirauch SPD – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/ DVP: Wir nähern uns sowieso immer mehr an! – Ge genruf des Abg. Winfried Mack CDU: Das liegt aber mehr an uns!)
Ich darf an dieser Stelle heute den 21 000 Ärztinnen und Ärz ten, den vielen Tausend Pflegerinnen und Pflegern, auch den Ärztinnen und Ärzten und Pflegerinnen und Pflegern im sta tionären Bereich, ausdrücklich Dank sagen. Denn sie sind es, die die Gesundheitsversorgung in Baden-Württemberg ge währleisten. Deshalb soll in dieser Debatte auch einmal ein ausdrücklicher Dank an alle Menschen gerichtet werden, die dafür sorgen, dass wir möglichst lange gesund bleiben. Herz lichen Dank an alle Beteiligten.
In Baden-Württemberg haben wir eine ganz besonders vor bildliche Situation bei allen Partnern, die sich um die Gesund heit der Menschen im Land kümmern – seien es die Kassen ärztliche Vereinigung Baden-Württemberg, die Ärztekammer, die BWKG, der MDK, der Hartmannbund, die Haus- und Fachärzteverbände oder der Landespflegerat. Sie alle sorgen – das konnte man letzte Woche beim MDK-Tag wieder ein drucksvoll sehen – bei unterschiedlichen Ausgangspunkten dafür, dass in Baden-Württemberg die Herausforderungen ge meinsam mit der Politik angenommen werden. Es ist nicht in jedem Land so selbstverständlich, dass diese Akteure an ei nem Strang ziehen – das sehen wir an vielen Projekten, die jetzt auch genannt wurden. Es ist eine Besonderheit, die Ba den-Württemberg auszeichnet, dass wir die Herausforderun gen der Zukunft im Gesundheitsbereich gemeinsam anpacken. Deswegen an dieser Stelle auch herzlichen Dank an alle Ver bände, die hier mitwirken.
Ich will als Stichwort nur nennen, dass die Landesärztekam mer Baden-Württemberg als bundesweit erste Ärztekammer dafür gesorgt hat – das Projekt „docdirekt“ wurde ja schon von allen Vorrednern angesprochen –, dass das Fernbehand lungsverbot aufgehoben worden ist. Heute ist dies bundesweit Thema. Der Erfolg hat viele Väter,
aber es war die Ärztekammer Baden-Württemberg, die dies initiiert hat. Insofern sind wir hier Vorreiter.
Es sind bereits viele Themen angesprochen worden, bei de nen es durchaus in die richtige Richtung geht. Wir haben die Notwendigkeit, uns tatsächlich Gedanken zu machen, wie wir über die bisher bestehenden Einzelpraxen hinaus neue For men schaffen können. Wir haben inzwischen 17 % angestellte Ärzte, 22 % der Ärzte sind in Teilzeit tätig. Wenn man das mit
der Situation vor 20 Jahren vergleicht, dann weiß man, dass wir damals eine ganz andere Situation hatten. Das heißt, wir müssen auch hier andere Möglichkeiten wie beispielsweise Ärztezentren schaffen.
Hierzu will ich ausdrücklich sagen: Das Landärzteprogramm, das ja die schwarz-gelbe Koalition auf den Weg gebracht hat, gilt es weiter auszubauen, sodass solche Projekte nicht nur von der Kassenärztlichen Vereinigung, sondern auch über ein weiterentwickeltes Landärzteprogramm finanziell unterstützt werden, damit gezielt Ärzte angestellt werden können. Des wegen erwarten wir eine Weiterentwicklung des Landärzte programms.
Ich habe die Ankündigungen gehört. Wir werden genau hin schauen, was die Koalition der Grünen und der CDU da auf den Weg bringen wird.
Der Ausbau der Studienplätze wurde ja schon prominent an gekündigt. Das werden wir ebenfalls beobachten, das unter stützen wir auch. Dasselbe gilt für die Ankündigung, bis 2020 an allen Medizinstudienstandorten das Thema Allgemeinme dizin zu stärken, sei es durch ein Institut oder eine eigene Ab teilung. Auch das halten wir für einen richtigen Weg.
Das Thema Digitalisierung wurde von meinen Vorrednerin nen und Vorrednern ebenfalls bereits angesprochen. Auch das ist, glaube ich, ein ganz wichtiges Thema. Die Schweiz macht uns vor, wie wir neue Möglichkeiten schaffen können. Des wegen bin ich froh, dass wir uns auch auf diesen Weg bege ben haben.
Gestatten Sie mir noch einige Sätze zu den Themen Stipendien programm und Landarztquote. Das Stipendienprogramm, das ja ab dem siebten Semester greift, ist sicherlich auch eine der Maßnahmen, die man in den Blick nehmen muss. Bei der Landarztquote muss man in der Tat noch einmal sehr genau hinschauen. Alles, was uns helfen kann, sollte man ja nicht gleich in Bausch und Bogen verurteilen oder kritisieren, son dern sollte man sich genau anschauen. Aber das ist schon ein Punkt, bei dem man in der Tat genau schauen muss. Wenn sich jemand mit 17, 18, 19 Jahren für einen Schritt entscheidet, der ihn auf acht, zehn oder 15 Jahre festlegt, ist es schon schwierig.
(Minister Franz Untersteller unterhält sich mit Abg. Stefan Teufel CDU an dessen Abgeordnetenplatz.)
Ich kann mir nicht vorstellen – lieber Kollege Teufel, es wä re noch schöner, wenn Sie mir bei der Debatte, die Sie initi iert haben, Ihre Aufmerksamkeit schenken würden –, dass Sie die Ärztinnen und Ärzte, die gesagt haben, sie erklärten sich bereit, in den ländlichen Raum zu gehen, sich dann jedoch nicht dafür entscheiden, in Ketten legen und vor den Land arztpraxen festschnallen, damit sie da nicht wegkommen.
Denjenigen, die über gute finanzielle Ressourcen in ihren Fa milien verfügen, fällt es leichter, zu sagen: „Ich mach das“, wohl wissend, dass sie vielleicht ein Elternhaus haben, das sie dann wieder „freikauft“. Man muss da also sehr genau unter scheiden.
Im Übrigen: Was gilt als unterversorgt? In Stuttgart sind 18 % der Hausarztpraxen nicht besetzt. Also müssten wir auch Stutt gart zum ländlichen Raum und zum unterversorgten Gebiet erklären,
wenn Sie das stringent planen wollen. Denn auch in Stuttgart gibt es freie Hausarztpraxen. Ich glaube, deswegen muss man diese Quote noch einmal sehr genau anschauen.
Das, was Sie jetzt einführen, hilft uns in den nächsten Jahren. Sie haben ja die Zahlen zur Altersstruktur genannt. Wir brau chen jetzt Maßnahmen und keine Quote, die erst in zwölf Jah ren wirkt. Ich glaube, das ist nicht der richtige Ansatz. Belas sen Sie es doch beim Stipendienprogramm; nehmen Sie nicht noch die Quote. Sie müssen offenbar nach Themen suchen, bei denen Sie sich mit dem Koalitionspartner einig sind. Heu te konnte man ja noch einmal hören, dass es da keine Eini gung gibt. Deswegen auch dazu noch einmal dieser Hinweis.
(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Das kann ich nur empfehlen! – Vereinzelt Heiterkeit – Zuruf der Abg. Nicole Razavi CDU)
Danke, Herr Kollege Haußmann. – Anders, als der Vorredner der SPD es gesagt hat, ist es ja mitnichten so, dass die Ärzte deswegen ins Ausland gehen würden, weil sie dort lockerer arbeiten kön nen, sondern sie gehen dorthin, weil sie dort schlicht und er greifend für die gleiche Leistung mehr verdienen.
Wie stehen Sie zu einer Veränderung des Bezahlsystems auch innerhalb unserer Bundesrepublik mit dem Risikostrukturaus gleich mit dem Ziel, dass mehr Geld, das in Baden-Württem berg erwirtschaftet wird und auch den Kassen zugeführt wird, in Baden-Württemberg, bei den dort behandelnden Ärzten bleibt, damit die Arbeit hier wieder auskömmlicher wird?
Sehr geehrter Herr Dr. Fiechtner, Sie geben mir jetzt gerade die Überleitung zu mei nem letzten Punkt.
Denn das habe ich in den Vorreden bisher vermisst. Wir ha ben über die Themen immer mit der Überlegung gesprochen: Wie kann man mehr junge Leute in diesen Bereich bringen? Wir müssen uns auch dafür einsetzen, dass sich dies lohnt, dass es attraktiv bleibt, und dazu gehört beispielsweise auch das Thema „Aufhebung der Budgetierung“. Es kann nicht sein, dass im Facharztbereich statistisch gesehen 16 % der Leistungen ohne Bezahlung erbracht werden.
Wenn man solche Dinge nicht aufhebt, braucht man sich nicht zu wundern, dass es wenig attraktiv bleibt, in diesem Beruf zu arbeiten.
Dazu gehört auch das Thema Bürokratieabbau. Wenn Haus ärzte 80 Formulare ausfüllen müssen, dann muss man sich fra gen: Ist das noch zeitgemäß? Dann hilft es nichts, nur eine Landarztquote zu fordern; dann muss man auch Möglichkei ten schaffen, dass es einfacher wird. Dazu gehört beispiels weise, auch beim Thema Regresse, Bagatellgrenzen einzufüh ren. Da würde man viel Aufwand sparen. All das sind Maß nahmen, zu denen ich leider von Ihnen, Herr Teufel, nichts gehört habe.
Es gehört auch eine klare Aussage dazu, dass es der falsche Weg ist, lieber Kollege Hinderer, in Richtung einer Bürger versicherung zu gehen. Gerade in Baden-Württemberg brau chen wir, wenn man von medizinischem Fortschritt, von In novationen spricht, auch die duale Form der Krankenversi cherung für eine gute Zukunft.
Deswegen gehört zu einer Steigerung der Attraktivität des Be rufs nicht nur, mehr finanzielle Möglichkeiten zu schaffen, um in den Beruf zu kommen, sondern es muss einfach auch Spaß machen, in dem Beruf zu arbeiten. Wir sollten uns dafür ein setzen – das tun die Freien Demokraten –, dass es attraktiver wird, in diesem Beruf zu arbeiten.
Deswegen, lieber Herr Kollege Fiechtner, haben wir auch in unserem Wahlprogramm ganz klar formuliert, die Budgetie rung aufzuheben. Ich glaube, das ist eine ganz wichtige Maß nahme. Dazu hat die Große Koalition nun die Möglichkeit. Herr Teufel, da können Sie die Initiative ergreifen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kolle gen! Erst einmal, liebe CDU, lieber Stefan Teufel, herzlichen Dank für die heutige Debatte. Wenn Sie sich erinnern, was gestern Staatsrätin Erler gesagt hat, dass es gestern Morgen hier in diesem Haus zwei wichtige gesellschaftspolitische De batten in einer hohen Differenziertheit, in Nuancen, im Strei ten – im positiven Streiten – um gute Lösungen gab, dann ist die heutige Debatte auch ein Beitrag dazu, dass wir ein kom plexes, kompliziertes Thema als eines des Thinktank-Gremi ums dieses Landes begreifen. Daher ein ganz herzliches Dan keschön an Sie alle für die qualifizierte Debatte.