Protocol of the Session on May 9, 2018

(Zuruf des Abg. Winfried Mack CDU)

passen Sie auf –, also ebenjene Regierungen, die in ihren Ländern einer Kontrolle durch Parlamente unterliegen.

(Abg. Fabian Gramling CDU: Lernen kann man da nichts mehr! – Gegenruf der Abg. Dr. Christina Baum AfD: Arrogant! Gerade Sie in Ihrem Alter können noch etwas lernen!)

Genau jene Regierungen beschließen in der EU gesetzliche Regelungen, die die Parlamente in den Ländern dann zur Kenntnis nehmen müssen.

Herr Abg. Dr. Merz, kommen Sie bitte zum Schluss. Ihre Redezeit ist abgelaufen. Die gan ze Seite Ihres Manuskripts vorzutragen geht nicht mehr.

(Abg. Winfried Mack CDU: Diese Äußerung unter stütze ich!)

Die Exekutive wird zur Legis lative. Eine Gewaltenteilung in der EU ist somit ausgehebelt. Denken Sie darüber nach. Wovon sollte man also bei der EU sprechen, wenn nicht von Klüngelei und Machenschaften? Halbherzige Kritik auch einiger Altparteien an den Plänen Oettingers gibt es. Am Ende wird die EU aber mehr Geld be kommen, und Deutschland wird brav bezahlen, weil Sie alle hier widerstandslos mitmachen werden – wir, die AfD, jedoch nicht.

(Beifall bei der AfD)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Hofelich das Wort.

Frau Präsidentin, werte Kollegin nen und Kollegen! Vom europapolitischen Aussichtsdeck heu te Morgen jetzt in den europäischen Maschinenraum, den Eu ropabericht, der mir auch Gelegenheit gibt, ein paar Dinge an zusprechen, die auch die laufende Arbeit im Europaausschuss berühren.

Ich habe gern zur Kenntnis genommen, dass die Grünen und die CDU Kollegen ans Pult geschickt haben, die nicht die eu ropapolitischen Sprecher ihrer Fraktionen sind. Wir werden

das bei uns nächstes Mal auch so halten. Ich finde es auch gut, dass wir alle bei diesen Gelegenheiten einmal zu Wort kom men.

Der Europabericht stimmt uns auf ein Europäisches Parlament und eine EU-Kommission – wenn man so will – in Aktion ein, und das ist auch gut. Ich glaube, da ändert sich unmerklich et was: Europa findet unter einer gewissen Anspannung doch im mer mehr auch zusammen.

Wir sind auch gegenüber denjenigen gelassener geworden, welche – so sage ich einmal – so ein bisschen selbstbewusstignorant immer wissen, was alles nicht geht. Europa spricht darüber, was geht. Emmanuel Macron macht eben auch den Unterschied aus. Er ist ein realistischer Idealist, er ist ein eu ropäischer Franzose, keine Frage.

Gestern Abend kam ein interessanter Bericht im Fernsehen nach den „Tagesthemen“. Das ist eine permanente Provoka tion für den auch zuweilen etwas trägen deutschen Zeitgeist. Das spüren wir. Deswegen reden wir auch in Baden-Württem berg über ein Europa in Bewegung, also „Europe en marche“. Ich glaube, dass wir dazu gute Gelegenheit haben und als Ba den-Württemberger nicht nur aufgefordert sind, sondern es auch können.

Ich habe mir drei kurze Themen herausgesucht. Das erste ist die „Vier Motoren“-Zusammenarbeit. Wir waren – es ist be reits gesagt worden – mit dem Ausschuss auf einer knapp vier tägigen Reise in der Auvergne-Rhône-Alpes und zuvor in der Lombardei. Die „Vier Motoren“ waren Lothar Späths Idee; das darf man dieser Stelle noch einmal betonen. Sie sind ein europapolitischer Pfad, ein Feld für kooperative Innovatio nen.

Seit Herbst des vergangenen Jahres hat der Ministerpräsident die Präsidentschaft bei den „Vier Motoren“ inne. Er hatte sie schon einmal. Im Staatsministerium liegt – in der aus meiner Sicht weiterhin nicht einfachen europapolitischen Arbeitstei lung der Regierung – auch die primäre Verantwortung. Ich fra ge schon an dieser Stelle, was Sie eigentlich seit Herbst letz ten Jahres von Führung oder von neuen Initiativen bei den „Vier Motoren“ gehört haben. Ich habe noch nicht schreck lich viel gehört. Ich habe eher Lustlosigkeit und Trägheit wahrgenommen. Im Juli soll nun ein Treffen stattfinden, aber ich meine, unsere Regierung – insbesondere der Herr Minis terpräsident – könnte sich hier etwas mehr ins Zeug legen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der AfD)

Wir waren letzte Woche – ich habe es gesagt – in den beiden Regionen. Unser Eindruck: Wir müssen das Bündnis keines wegs begraben. Die Parlamente und die Zivilgesellschaft sind durchaus interessiert, und sie sind auch zu aktivieren. Aber wir brauchen eben Projekte: E-Mobilität, berufliche Bildung, Kreativwirtschaft, Energie, aber auch Themen wie Rechtsstaat oder wie „Dezentraler Staatsaufbau“. Diese sind bereits an diskutiert; sie sind auch angearbeitet.

Wir sind im Ausschuss der Meinung: Jetzt ist Zeit, um die Partnerschaft wieder zu intensivieren. Wirtschaftlich starke Regionen brauchen sich nicht zu verstecken. Die „Vier Mo toren“ erfordern und verdienen unser Engagement, meine Da men und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Zum Zweiten einige Gedanken zu aktuellen Europathemen der Kommission, die uns auch in der parlamentarischen Ar beit beschäftigen:

Uns Sozialdemokraten sind europaweit gute Arbeit und Le bensqualität ein Anliegen. Die überarbeitete Entsenderichtli nie stärkt die Bekämpfung von Betrug und Missbrauch. Sie verbessert die Zusammenarbeit zwischen den nationalen Be hörden. Wir haben nun auch mit einer europäischen Arbeits behörde zu rechnen, die neu eingeführt wird. Diese steht na türlich unter dem üblichen Bürokratieverdacht und ist daher auch Gegenstand der Skepsis. Aber Arbeitnehmern wie Selbst ständigen einen besseren Zugang zum Sozialschutz zu ver schaffen, die Umsetzung der sozialen Rechte zu begleiten, ei ne faire Arbeitskräftemobilität in Europa zu gewährleisten, das sind Ziele, die wir, die SPD, teilen, weshalb wir auch un sere Hoffnung in diese Behörde setzen. Ich sage: Wer A zum freien Markt sagt, muss B zur sozialen Marktwirtschaft sagen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD – Vereinzelt Beifall bei den Grü nen)

Der Verbraucherschutz macht an Grenzen nicht halt. Wir be grüßen die Maßnahmen, wie sie auch im Europabericht auf gelistet sind, gegen Desinformation im Internet und für faire Bedingungen für Anbieter auf Onlineplattformen. Europa muss hier wehrhaft sein.

Einige Sätze zur Steuerpolitik: 30 Jahre nach Maggie That cher sollten wir uns freimachen von reiner Privatisierungs gläubigkeit, und wir sollten einem neuerlichen „race to the bottom“, einem Wettlauf nach unten bei den Steuersätzen in Europa und darüber hinaus, widerstehen.

Wir sind auch der Meinung, dass wir gerade, was die Körper schaftsteuer angeht, bei der Bemessungsgrundlage, aber auch bei der Gestaltung der Sätze auf eine Harmonisierung zulau fen. Das ist auch richtig; denn das ist ja eine internationale Steuer. Eine Transaktionssteuer – ich habe es heute Morgen gesagt – kann europäisch angelegt werden, auch die von den Grünen genannte Plastiksteuer.

Wichtig ist aber: Die Eurozone muss zusammenbleiben – un ter dem Königsrecht des Europäischen Parlaments, aber eben mit einer eigenen Haushaltslinie für die Eurozone. Damit wol len wir auch unterstützen, dass Europa in zwei Geschwindig keiten vorankommen kann.

Meine Redezeit, Frau Präsidentin, neigt sich dem Ende zu. Daher möchte ich mein drittes Thema wenigstens noch anrei ßen: Ich glaube, dass wir vor dem Hintergrund der amerika nischen Zumutungen, was die Handelspolitik angeht, vor der wichtigen Aufgabe stehen, dass die deutsch-französische Ach se funktionieren muss. Jeder, der noch weiß, wie es damals beim Irakkrieg war, als die Regierung Schröder/Fischer ange sichts ihrer Haltung enormen Druck aushalten musste, weiß, dass dieser Zusammenhalt enorm wichtig ist. Deswegen mei ne ich, wir sollten anstreben, in der deutsch-französischen Zu sammenarbeit gerade auch vonseiten Baden-Württembergs unseren Beitrag zu leisten. Das ist, glaube ich, nicht das Schlechteste, was wir in Europa leisten können.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Barbara Saebel GRÜNE und Fabian Gramling CDU)

Für die FDP/DVP-Fraktion er teile ich das Wort Herrn Abg. Dr. Aden.

Sehr geehrte Frau Prä sidentin, sehr geehrte Kollegen! Sehr geschätzter Herr Merz, ich muss Ihnen sagen: In den beiden Redebeiträgen, die Sie hier heute Morgen abgeliefert haben, haben Sie sich wirklich als eine Krämerseele in Bezug auf Europa geoutet.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU sowie des Abg. Andreas Kenner SPD – Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Das ist noch zurückhal tend formuliert!)

Deswegen würde ich Ihnen empfehlen, insbesondere meinem Redebeitrag gut zuzuhören.

Europa ist keine geografische Einheit. Im Gegensatz zu Ame rika, Afrika und Australien wird dieser Wurmfortsatz des eu rasischen Kontinents erst durch eine gemeinsame Kultur zu einem Erdteil. Europäer sind deswegen Europäer, weil sie ei ne gemeinsame Geschichte und Kultur haben.

(Abg. Anton Baron AfD: Und das ist jetzt gefährdet!)

Europa ist aber nicht auf die Europäische Union beschränkt, auch wenn das heute unser politisches Haus ist; Europa ist ein kulturelles Ideal. Auch die Ukraine, Weißrussland und Russ land gehören dazu. Und, notabene, in diesem Sinn kann man auch Israel als einen Teil Europas bezeichnen.

(Beifall des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktions los])

Das unterscheidet die Länder Europas wesentlich von Län dern in anderen Erdteilen.

Wenn ich diese Aussage an den Beginn meines Beitrags zu aktuellen europäischen Themen stelle, so tue ich das, um da rauf aufmerksam zu machen, dass Europa mehr ist als ein ge meinsamer Wirtschaftsraum und dass Europa mehr sein soll als ein multinationaler Besteuerungs- und Versicherungsver ein. Ich sage das vor allem auch, weil in diesen Tagen allge mein das Gespenst der Angst herumgeht, dass es mit Europa nicht mehr weitergeht und dass die Gefahr besteht, dass die europäische Idee auf der Strecke bleibt.

Wir reden, ja, wir beschwören immer wieder eine europäische Identität. Aber was müssen wir darunter verstehen? Was müs sen wir tun, damit wir eine gemeinsame Identität entwickeln können, die den Bürgern von Tromsö bis Taormina, von Kiew bis Gibraltar bewusst wird?

Europa ist, wie schon gesagt, anders als die anderen Erdteile. Wir bewohnen den kleinsten Kontinent. Auf seinen 5 Millio nen km2 leben Völker mit unterschiedlichen Sprachen und kul turellen Traditionen. Aber alle sind im Kern einander sehr ähn lich: Alle europäischen Völker haben die christliche Religion angenommen. Alle europäischen Völker berufen sich auf die griechische und die römische Antike als gemeinsames Erbe für ihr politisches System und auch für ihr Rechtssystem. Das selbe gilt für die Kulturleistungen der Völker in Kunst, Lite ratur und Wissenschaft. Die Wiener Klassik ist nicht ohne ita lienische Musikkultur entstanden. Die Aufklärung ist nicht ohne Reformation denkbar. Diese kulturellen Gemeinsamkei ten haben seit dem Mittelalter immer wieder zu Versuchen ge

führt, Europa auch politisch zusammenzuführen. In unseren Tagen haben diese Versuche durch die Gründung der Europä ischen Union politische Gestalt angenommen. Für viele Eu ropäer erfüllte sich damit ein Traum.

Es gilt nun, jenseits von wirtschaftlicher, rechtlicher und po litischer Vereinheitlichung den Menschen bewusst zu machen, was uns Europäer innerlich und geistig verbindet.

Damit komme ich zum eigentlichen Kern meines Redebei trags. Ich fordere die europäischen Organisationen auf, abseits von Mittelfristigem Finanzrahmen, europäischem Einlagen sicherungsfonds, Brexit-Verhandlungen, europäischen Sicher heitsvorkehrungen eine Bestandsaufnahme und eine Bewusst machung unseres speziellen europäischen kulturellen Erbes durchzuführen. Ich weiß, es gibt ERASMUS-Programme, es gibt transnationale Universitäten, es gibt Schüleraustausch und noch vieles mehr. Wir geben Milliarden für die Landwirt schaft aus, Milliarden für die Entwicklung der Regionen. Ha ben uns diese Programme auf dem Weg zur Entwicklung ei ner europäischen Identität weitergebracht?

(Abg. Gabi Rolland SPD: Ja, klar!)

Wir brauchen, um Europa wirklich ins Bewusstsein der Bür ger zu bringen, nicht nur eine gemeinsame Währung, einen Binnenmarkt, eine europäische Einlagensicherung, ein Euro päisches Parlament, gemeinsame politische Organisationen, sondern zusätzlich ein einigendes Projekt.

(Zuruf des Abg. Emil Sänze AfD)

Natürlich, die EU ist zuvörderst ein Friedens- und erst in zwei ter Linie ein Wirtschaftsprojekt. Dazu gehört aber vor allem, zu vermitteln, dass Europa mehr ist als Champions League, europäischer Musikwettbewerb und Brüssel mit seiner Büro kratie. Vielmehr müssen wir – cum grano salis – uns bewusst machen, dass wir im Grunde eine Familie sind, die auf ge meinsamen Werten gegründet ist.

Ich fordere noch einmal: Diese Werte gilt es in einer Bestands aufnahme zu ermitteln. Jeder Kulturkreis, jedes Land ist auf gefordert, seinen Beitrag zum europäischen Erbe einzubrin gen. Allein die Diskussion über diese Bestandsaufnahme wird zu einer Chance, jedem einzelnen Bürger bewusst zu machen, dass es sich lohnt, sich mit den Wurzeln Europas näher zu be schäftigen.