Protocol of the Session on May 9, 2018

Das heißt, kumulieren, panaschieren – die Stimmen werden weit gestreut.

(Abg. Hermann Katzenstein GRÜNE: Erzählen Sie uns etwas Neues!)

Wenn Sie also eine Partei verbieten wollen oder einer verbo tenen Partei die Mandate entziehen wollen, dann müssten Sie natürlich überlegen: Was ist mit den Stimmzetteln, mit denen diese Abgeordneten gewählt worden sind?

Da sind zum einen die Stimmzettel, mit denen diese Abgeord neten gewählt worden sind.

(Zuruf des Abg. Andreas Deuschle CDU)

Mit diesen Stimmzetteln haben auch Abgeordnete anderer Par teien Mandate bekommen. Man müsste fragen: Wes Geistes Kind sind die Abgeordneten, wes Geistes Kind sind die Wäh ler? Müsste man dann nicht konsequenterweise alle Stimmen auf diesen Wahlzetteln für ungültig erklären und diese Wahl zettel annullieren?

(Abg. Georg Nelius SPD: Das Wahlrecht nicht ka piert! – Zuruf der Abg. Beate Böhlen GRÜNE)

Das Gleiche gälte umgekehrt: Wenn auf einer Liste für eine der anderen Parteien eine verbotene Partei Stimmen bekom men hat, dann müsste man im Grunde auch überlegen, ob man diese Stimmzettel alle annulliert und für ungültig erklärt. Man müsste also die Wahl neu auszählen. Dementsprechend wür den alle Parteien vermutlich Stimmen und gegebenenfalls auch Mandate verlieren.

(Zuruf des Abg. Andreas Deuschle CDU)

Ich möchte dies einfach einmal zu bedenken geben.

Das freie Mandat ist eigentlich der Knackpunkt, über den ich sprechen möchte. Jeder einzelne Abgeordnete – auch auf kom munaler Ebene – ist demokratisch gewählt, egal, welche Über zeugung er vertritt. Und einen demokratisch gewählten Ab geordneten abzusetzen, meine Damen und Herren, das kenne ich eher aus Geschichten der Diktaturen, aus undemokrati schen Staaten,

(Beifall bei Abgeordneten der AfD – Zuruf des Abg. Wolfgang Drexler SPD)

mit denen wir uns nicht gemein machen möchten – ich glau be, weder Sie noch wir.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Das sind doch keine Abgeordneten! – Unruhe)

Es ist schön, dass Sie so engagiert zuhören und Ihnen das Thema so wichtig ist.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Nein! Wir wollen den Quatsch nicht hören!)

Ein Parteienverbot ist die letzte Maßnahme zum Schutz der parlamentarischen Demokratie. Das sollte auch bei den Grü nen angekommen sein. Bei einer solchen Entscheidung und den flankierenden Schritten müssen die demokratischen Grundwerte sehr sorgfältig gegeneinander abgewogen wer den. Da ist zum einen das Verbot einer Partei – ganz klar –, da ist zum anderen das freie Mandat eines persönlich gewähl ten Abgeordneten.

(Zuruf des Abg. Andreas Deuschle CDU)

Sie werden sagen: „Natürlich, das bezieht sich auf verbotene Parteien.“

(Abg. Ulli Hockenberger CDU: So ist es!)

(Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Aber wer kann zu 100 % ausschließen, dass diese Regelung nicht eines Tages missbraucht wird? Sicherlich nicht heute oder morgen, doch wer weiß, was in zehn Jahren ist.

(Abg. Andreas Deuschle CDU: Ja, haben Sie da Sor gen? – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU meldet sich. – Glocke der Präsidentin)

Ich werde aus zeitlichen Gründen keine Zwischenfrage zu lassen. Ich habe im Vorfeld darüber nachgedacht.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Okay!)

Wollen wir eine der schärfsten Maßnahmen durch eine Maß nahme, die wir obendrauf setzen, mal eben so toppen? Wenn eine Partei verboten wird, dann werden deren Abgeordnete ganz schnell von selbst ihre Mandate verlieren – ganz einfach durch Ablauf der Wahlperiode, möglicherweise durch Auflö sungserscheinungen der Fraktion usw.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Das sind keine Abge ordneten! Es gibt keine Abgeordneten im Kommu nalparlament! – Abg. Andreas Stoch SPD: Sie haben rechtlich keine Ahnung! – Zuruf des Abg. Karl-Wil helm Röhm CDU)

Jetzt kommt eine entscheidende Frage: Halten Sie unsere De mokratie für so schwach, dass Sie dies nicht aushalten und nicht abwarten können?

(Beifall bei Abgeordneten der AfD – Abg. Andreas Stoch SPD: Wir halten Ihre Argumentation für schwach! – Abg. Andreas Deuschle CDU: Wollen Sie sich schon wieder auflösen? – Heiterkeit bei Abgeordneten der Grünen – Zuruf des Abg. Wolfgang Drexler SPD)

Ist Ihnen bewusst, dass eine solche Entscheidung irgendwann einmal möglicherweise auch die SPD oder die Grünen treffen könnte, Parteien, deren Jugendorganisationen und teilweise auch Bundestagsabgeordnete wie Claudia Roth Deutschland als Land ablehnen, die Gesetze ablehnen, das Asylrecht un terlaufen und vor Schildern herumlaufen

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Jetzt Vorsicht, junger Mann!)

mit Aufschriften wie „Deutschland, du mieses Stück...“ usw.?

(Beifall bei Abgeordneten der AfD – Zuruf von der AfD: Siehe Österreich!)

Das Verbot einer Partei ist eine so heftige Maßnahme, dass wir nicht im Übereifer Prinzipien der Demokratie wie das freie Mandat aushebeln oder über Bord werfen dürfen.

Ich sehe die Gefahr, dass einige der Etablierten in ihrem wohl meinenden Kampf für die Demokratie die Demokratie und wichtige Elemente derselben aushebeln und zerstören.

(Lachen des Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE)

Deshalb möchte ich zum Schluss eine Frage stellen: Wo ist die Grenze zwischen dem wehrhaften Rechtsstaat und der schrittweisen Abschaffung desselben?

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Das Wort hat jetzt Herr Abg. Rainer Stickelberger für die SPD.

Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Nach diesem abstrusen Plädoyer für Mandate verfassungswidriger Parteien möchte ich jetzt auf den Gesetzentwurf eingehen. Wir halten die Regelungen, die Sie in Ihrem Entwurf dargestellt haben, Herr Minister, im An schluss an die kommunale Praxis grundsätzlich für sinnvoll. Wir sehen allerdings noch Beratungsbedarf im Innenaus schuss, was die Erhöhung der Mandatszahlen in kleinen Ge meinden angeht. Da hätte uns interessiert: Was sind das ei gentlich für Zahlen? Ist das eine relevante Größe? Wie viele Gemeinden sind davon betroffen? Das könnten wir dann er örtern.

Wir können insbesondere mit dieser Regelung leben, wenn Sie es, wie im Entwurf vorgesehen, der Hauptsatzung der Ge meinde überlassen, ob sie überhaupt eine solche Regelung schafft.

Was die Bürgermeisterwahl angeht, muss man sehen, ob das etwas bringt. Ob ein früher Eintrag in das Wählerverzeichnis eine Steigerung der Wahlbeteiligung bringt – das mag so sein.

Wir haben noch Klärungsbedarf bei der Frage, wie wir die Einwohnerzahlen berechnen, die maßgeblich für die Zahl der Mandate in den Gemeinderäten sind. Es sind wohl zahlreiche Klagen von Gemeinden gegen den damaligen Zensus anhän gig. Da interessiert uns schon: Wie weit sind diese Verfahren fortgeschritten? Wirken die sich auf die Feststellung der rele vanten Zahlen aus? Da hätten wir spätestens im Ausschuss gern eine Aufklärung.

Was den Mandatsverlust angeht – das ist hinreichend disku tiert worden –, schließen wir uns selbstverständlich dem an, was der Gesetzentwurf vorsieht.

Kritisch sehen wir allerdings, dass Sie es in diesem Gesetz entwurf unterlassen, überhaupt etwas zum inklusiven Wahl recht auszuformulieren. Herr Innenminister, nachdem die Kol legin Wölfle Sie vorhin angesprochen hat, haben wir den Ein druck gewonnen, dass Sie vom Thema „Inklusives Wahlrecht“ so weit entfernt sind wie die Erde vom Mond oder vielleicht noch weiter.

(Heiterkeit des Abg. Anton Baron AfD)

Was wir besonders vermissen – er guckt mich schon groß an –: Herr Sozialminister, wo sind Sie eigentlich bei diesem The

ma „Inklusives Wahlrecht“? Es wäre doch Ihre ureigenste Auf gabe, hier Ihre Stimme zu erheben.

(Zuruf von der SPD: So ist es!)