Wir befinden uns gerade im zweiten Bewirtschaftungszyklus. Neue prioritäre Stoffe sind dazugekommen. Trotz alledem muss man schlichtweg feststellen: Den guten Zustand werden wir auch 2021 nicht erreicht haben – nicht in der Bundesre publik und auch nicht in Baden-Württemberg. Dazu will ich noch ein paar Worte verlieren.
Woran liegt so etwas? Es liegt sicherlich auch daran, dass wir eine hohe Bevölkerungsdichte und ganz andere Strukturen ha ben als andere Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, wes wegen der Ansporn und die Anstrengungen bei uns sicherlich noch größer sind als in anderen Mitgliedsstaaten.
Die Naturschutzverbände haben im letzten Jahr die Bundes republik verklagt oder Beschwerde eingereicht. Warum haben sie das gemacht? Sie haben das gemacht, weil sie sagen: „Der Bund kommt seiner Verpflichtung nicht nach, die Wasserrah menrichtlinie zügig und ordnungsgemäß umzusetzen.“ Haupt ansatzpunkt waren hier die Bundeswasserstraßen, war die Aussage, der globale Ansatz bei unserer Herangehensweise fehle. Baden-Württemberg als Bundesland kommt dabei üb rigens gut weg. Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht. Wir sind auf einem guten Weg; allerdings hapert es bundesweit noch. Deswegen diese Fragen: Was muss man eigentlich ma chen? Wohin muss man kommen?
Nur zwei Punkte hierzu: Lediglich 7,4 % der sogenannten Wasserkörper in Baden-Württemberg entsprechen den Anfor derungen der Wasserrahmenrichtlinie. Woran liegt das? Nicht an der Chemie, nicht an dem Eintrag der Stoffe – da sind wir in den letzten Jahrzehnten eigentlich gut vorangekommen –, sondern an der Gewässermorphologie, auf gut Deutsch an der Verbauung unserer Gewässer, deren Rückbau zu naturnahen Gewässern natürlich keine Maßnahme ist, die man übers Knie bricht. Vielmehr steckt darin richtig viel Musik, richtig viel Geld.
Ein anderer Schwerpunkt ist nach wie vor die Landwirtschaft. 100 kg Stickstoffbilanzüberschuss gehen nirgendwo vorbei, sondern die sind in einer Grundwasserbelastung mit Nitrat sichtbar. Wir haben Belastungsschwerpunkte im Main-Tau ber-Kreis, in Stuttgart, in Heilbronn, im Kraichgau, in Ober schwaben. Tierhaltung ist da ein Thema.
Es ist viel besser geworden, aber wir haben tatsächlich noch viele Sanierungsgebiete. Wir haben gerade z. B. mit der Lan deswasserversorgung wieder die Thematik. Ich glaube, Herr Reinhart, Sie waren dabei, gerade im Gespräch mit den Ver antwortlichen. Es gibt noch Themen, die einfach angegangen werden müssen. Denn wir sind nicht auf einem Weg, dass wir sagen können: „Die 20 mg Nitrat erreichen wir in der Fläche.“ Vielmehr operieren wir mit einem Grenzwert von 50 mg.
Was wir also brauchen, sind politische Ziele, die wir aufrecht erhalten wollen: Reduzierung des Nitrataustrags, Reduzierung
von Pestizidausträgen, Schutz des Oberflächengewässers vor dem Eintrag von Phosphat – findet überwiegend mit Boden erosion statt –, Schutz der Oberflächengewässer vor Pflanzen schutzmitteln, Reduzierung der Pflanzenschutzmittel. Wir müssen unsere, so sage ich einmal, bewährten Programme – SchALVO, Wasserpfennig, Schutzgebiets- und Ausgleichs verordnung in der Landwirtschaft, auch FAKT-Programme – vielleicht noch stärker auf die Themen Klimaschutz, Wasser schutz und Agrarumwelt zuschneiden und vielleicht auch schärfen.
Wir brauchen eine Novellierung der Gemeinsamen Agrarpo litik. Die steht ja im Bereich der Landwirtschaft gerade an. Da muss der Fokus auf der Umwelt und den Themen Bodenschutz und Wasserschutz liegen. Wir brauchen unser Biodiversitäts programm, das wir gerade auf den Weg gebracht haben, und wir müssen bei Abwassertechnik, Kläranlagen – vierte Reini gungsstufe, Phosphor, Spurenstoffe, Keime – eine neue Schwerpunkttechnologie entwickeln und in der Fläche umset zen. Auch brauchen wir einen verbesserten Schutz der Ober flächengewässer vor dem Eintrag gefährlicher Stoffe – Stich worte Jagst, Löschwasser und solche Dinge.
Fazit: Wir sind auf einem guten Weg, aber wir haben auch noch viel vor uns. Baden-Württemberg steht im Vergleich gut da, aber die Herausforderungen sind riesig. Ich bin gespannt, wo wir in ein paar Jahren stehen. Wir werden den Umweltmi nister natürlich bei all seinen Bemühungen zum Umweltschutz und zum Wasserschutz weiterhin unterstützen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch im Gewässerschutz geht es nicht darum, das Wasser den Bach hinunterzutragen. Herr Murschel, wenn Sie sagen: „Wir sind auf einem guten Weg“, dann muss man einmal klar sagen: Wenn wir feststel len, dass auch 2027 – also zum Ende des dritten Bewirtschaf tungszyklus – 80 % der Oberflächengewässer nicht in dem Zustand sein werden, den wir haben wollen, machen wir viel leicht einiges richtig, aber ein guter Weg sieht definitiv anders aus.
Wir müssen uns die Frage stellen, ob der Grundsatz „One out, all out“ wirklich hilft. Dieses Prinzip besagt ja: Sobald auch nur eines der vier Kriterien in der Wasserrahmenrichtlinie nicht erfüllt ist oder als „mäßig erfüllt“ eingestuft wird, ist das Wasser insgesamt nicht mehr gut. Ich glaube, da müssen wir auch etwas differenzieren, weil an dieser Stelle letztlich die Gesamtschau fehlt.
Vielleicht müssen wir auch einmal neuere Phänomene und an dere biologische Qualitätskomponenten besser berücksichti gen. So geht es nicht nur um den Eintrag von Schadstoffen aus Industrieanlagen oder der Landwirtschaft, sondern auch um Rückstände aus Medikamenten oder um Kleinplastik, die nicht nur die Meere, sondern auch die Binnengewässer und die Wasserläufe belasten.
Welchen Einfluss hat der Klimawandel auf unser Wasser? Schwache Winter, Temperaturschwankungen, Niedrigwasser stände, Hochwasserereignisse. Wie müssen wir mit diesen Phänomenen unserer Zeit umgehen? Darauf müssen wir in der Praxis Antworten finden.
An einem Punkt – das möchte ich hier anhand der Wasserrah menrichtlinie schon sehr deutlich sagen – müssen wir aufpas sen, dass wir das Kind nicht mit dem Bade ausschütten. Die Herstellung der Durchgängigkeit ist per se ein hehres Ziel. Es geht aber konträr zu anderen Zielen unserer Umweltpolitik, konkret zu den Belangen der Wasserkraft und insbesondere der Kleinen Wasserkraft.
Es gibt in Baden-Württemberg rund 1 700 Wasserkraftanla gen. 66 von ihnen haben eine Leistung von über 1 000 kW. Diese sind unumstritten. Der Ausbau gilt aber gemeinhin als abgeschlossen.
Aber was ist mit den 1 100 Anlagen, die jede für sich höchs tens 50 kW leisten und die bei uns insgesamt nur zu rund 1 % der Wasserkraftleistung pro Jahr beitragen? Es darf unserer Meinung nach nicht sein, dass wir auf die nachhaltigste, die auf lange Sicht wirtschaftlichste, billigste, leiseste, schadstoff ärmste und auch nachts nutzbare Energiequelle verzichten, nur weil wir davon ausgehen, dass dann vielleicht die Fisch population steigt.
(Beifall des Abg. Karl Rombach CDU – Abg. Wolf gang Drexler SPD: Was? – Weitere Zurufe, u. a.: Seit wann?)
ja, ein bisschen Geschichtskunde tut gut: seit 1810 – hat die Wasserkraft eine hundert Jahre alte Tradition.
Die OEW nutzen die Iller schon seit den Zwanzigerjahren für die Stromerzeugung. Es gibt Mühlen wie z. B. die Dinkelmüh le Graf in Tannheim oder das Anwesen des Grafikers Otl Ai cher in Rotis, die uralt sind und noch heute solide Energie er bringen.
Die Fischpopulationen in Argen und Eschach, wie die Lebens adern bei uns heißen, waren einst deutlich höher. Aber mit der Wasserkraft an sich kann das nichts zu tun haben. Denn die Wehre sind älter als die Menschen, die sich noch daran erin nern können, dass sie Bachforellen mit bloßen Händen gefan gen haben.
Wenn Landesfischereiverband, NABU und LNV unisono sa gen, die Erhaltung und Wiederherstellung von naturnahen und ökologisch funktionsfähigen Fließgewässern und Gewässer abschnitten müsse Vorrang vor dem Bau von weiteren Was serkraftwerken haben, haben sie eines nicht verstanden: Es geht meist nicht um den Bau neuer Wehre, sondern um die Nutzung des Energiepotenzials, das in vorhandenen Wehren steckt.
Deswegen wird umgekehrt ein Schuh daraus. Erst wenn wir einem Betreiber erlauben, eine Turbine zu installieren, kön nen wir ihn auch dazu verpflichten, die Durchgängigkeit her zustellen,
ohne dass wir dafür Ökopunkte bereitstellen, weil er dazu ver pflichtet ist. Nachhaltiger geht es doch gar nicht. Während wir überall dort, wo Wasserkraft in Verbindung mit einer Fisch treppe betrieben wird, sowohl Durchgängigkeit als auch re generative Energie haben, haben wir dort, wo kein wirtschaft liches Interesse herrscht, am Ende gar nichts – weder Durch gängigkeit noch Energie.
Deswegen plädieren wir, die CDU-Fraktion, für ein gesundes Maß zwischen der ökologischen Durchgängigkeit und den In teressen der Wasserkraft. Wenn wir ökologisch weiterkom men wollen, geht das nicht gegen die Wasserkraftanlagenbe treiber, sondern nur mit ihnen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die etwas sperrige Wasserrahmenrichtlinie ist heute also unser Thema. Die Her ren Vorredner haben schon sehr schön dargelegt, welche Pro blematik sowohl im Oberflächen- als auch im Grundwasser ruht. Insofern möchte ich all das nicht wiederholen. Wir müs sen uns nur fragen: Woher kommt diese Verordnung eigent lich? Wir sehen, dass es wieder mal eine dieser wunderschö nen Verordnungen ist, die durch eine Initiative von Brüssel ausgelöst worden sind.
Da wird sicherlich irgendein Fischsterben mal international aufgetreten sein, bei dem man gesagt hat: Das ist grenzüber schreitend; da muss die Kommission tätig werden. Dement sprechend hat man im Jahr 2000 im Ministerrat und im EUParlament diese Richtlinie erlassen, die vom Nordkap bis nach Palermo und von Le Havre am Kanal bis nach Odessa irgend wo hinten in der Walachei gelten soll.
(Abg. Gabi Rolland SPD: Nein, falsch! Odessa? – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Odessa kann nicht stimmen! – Abg. Raimund Haser CDU: Odessa in der Walachei!)
Insofern ist sie nicht gerade spezifisch auf deutsche Verhält nisse zugeschnitten, sondern sehr allgemein formuliert. Dem entsprechend war der deutsche Gesetzgeber bei der Übernah me dieser Vorschrift gezwungen, noch mehr ins Detail zu ge hen. Das hat dazu geführt, dass wir inzwischen eine ziemlich umfangreiche Gesetzgebung daraus abgeleitet haben.
Das Ziel „Überall gutes Wasser in Europa“ ist selbstverständ lich für sich gesehen durchaus positiv. Die Stellungnahme des Ministeriums zeigt ja auch sehr viele Messstellen, die inzwi schen eingerichtet worden sind, und hohe Ausgaben, die zur Verbesserung des Zustands eingeleitet worden sind. Tatsache ist allerdings, dass die Hauptlasten der Wasserverunreinigung nach wie vor von den Verursachern dieser Verunreinigungen selbst getragen werden, indem sie entsprechende Abwasser gebühren zu entrichten haben.
Mit der Förderrichtlinie Wasserwirtschaft hat das Landesum weltministerium zur Verbesserung der Gewässerstrukturen beigetragen, indem man nunmehr solche Gemeindeinvestiti onen bis zu 85 % bezuschusst. Nach dem Urteil des Umwelt ministeriums ist das Grundwasser, mengenmäßig auf die Lan desfläche gerechnet, im Moment in Ordnung – hinsichtlich der Nitrate bis 91 %. An den Nitratwerten der übrigen 9 % der Landesfläche muss noch gearbeitet werden – wenn es geht na türlich in der richtigen Richtung. Das heißt, sie müssen wei ter gesenkt werden. Die 25 Jahre alte Schutzgebiets- und Aus gleichsverordnung, die noch aus dem alten Landesrecht stammt, hat offensichtlich ganz erheblich dazu beigetragen, frühere Missstände zu beheben.
Das Ministerium berichtet, dass die durchschnittliche Nitrat belastung des Grundwassers in den letzten 20 Jahren um rund 22 % abgenommen hat. Gleichzeitig berichtete z. B. der Ge schäftsführer der Landeswasserversorgung im Sommer 2017 bei einer Tagung in Bad Boll, dass an 40 % der Messstellen der Nitratwert im Vergleich zu 2007 angestiegen sei. Dieser Widerspruch müsste geklärt werden. Das kann natürlich dar an liegen, dass hier unterschiedliche Zeiträume miteinander verglichen worden sind.
In über 60 % der Trinkwassergewinnungsanlagen sind inzwi schen Spuren von Pflanzenschutzmitteln nachweisbar. Das Ministerium spricht in der Stellungnahme zum Antrag Druck sache 16/1061 von „begrenzt“ nachweisbar, weshalb lediglich vier Wasserschutzgebiete als Pflanzenschutzmittelsanierungs gebiete ausgewiesen wurden. Da kann man nur hoffen, dass diese Zahl nicht zunimmt, sondern dass es gelingt, auch die se in den Griff zu bekommen.
Der Brüsseler Zentralismus führt dazu, dass jetzt z. B. die Landwirte in Deutschland ihre einigermaßen bewährten Ein richtungen zur Düngung ihrer Felder im Prinzip entsorgen müssen, weil sie durch die Vorschrift gezwungen sind, ande re Techniken zur Düngung anzuwenden, was natürlich nur dann interessant ist, wenn damit auch der entsprechende Er folg erzielt werden kann.
Die Bauern werden also gezwungen, schon einmal diese Än derungen durchzuführen, während die Regierung sich noch nicht einmal sicher ist, ob die von Brüssel verlangten Maß nahmen überhaupt Wirkung zeigen. Ähnlich verhält es sich hier im Land: Die Kommunen werden zu teuren Nachrüstun gen ihrer Kläranlagen gezwungen.
Das sind oft Investitionen im sechsstelligen Bereich für Tuch filter, um dem Phosphor auf die Spur bzw. auf die Schliche zu kommen und die Phosphorrückgewinnung zu verbessern, was natürlich mit erheblichen Kosten verbunden sein wird.
Leider ist es uns nicht gelungen, die SLoPE-Studie, die Stu die zur Entwicklung von Werkzeugen zur verbesserten Loka lisierung von Phosphoremissionen – so heißt das sperrige Ding –, selbst lesen zu können, nachdem das Umweltminis