Leider hat aber der Staat lange Zeit den Stickoxidausstoß nicht tatsächlich im Verkehr reglementiert, sondern auf einem ganz klar definierten Prüfstand, wo der Ausstoß im Normalfall nied riger ist. Daher gibt es heute selbst Euronorm-6-Diesel – nicht 6d, aber andere –, die tatsächlich mehr ausstoßen als solche der Euronorm 4.
Man muss einmal klar sagen: Mit dieser Definition der Grenz werte, die zwar sehr scharf waren, aber auch sehr ungenau, hat die Politik einen Fehler gemacht. Dafür können wir die Autoindustrie juristisch nicht belangen.
Viele Fahrzeughersteller haben aber noch eins draufgesetzt. Sie haben nämlich mit ihrer Software geschaut, ob das Auto gerade auf dem Prüfstand fährt – dann macht es spezielle Be wegungen –, haben dann die Leistung abgesenkt, den Ver brauch erhöht, und damit geht auch der Stickoxidausstoß zu rück. Das ist klarer Betrug, und hierfür müssen die Betriebe auch geradestehen.
das mit der Erprobung von Hardwareupdates gemeinsam mit dem ADAC klar nachgewiesen hat: Eine drastische Redukti on des Stickoxidausstoßes durch Hardwareupdates ist mög lich.
(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU – Abg. Jochen Haußmann FDP/DVP: Wie geht das weiter?)
Wenn wir also mit der Hardwarenachrüstung beginnen und in den wenigen verbleibenden Städten mit Grenzwertüberschrei tung spezifische Maßnahmen wie eine Erneuerung der Bus flotte, die Erprobung von Lieferverkehr auf E-Mobilität und vieles mehr durchführen, wird spätestens 2020 allenfalls noch Stuttgart den Grenzwert überschreiten.
Bevor ich mich der Landeshauptstadt zuwende, eine klare Aussage der CDU. Wir erwarten Folgendes: erstens klare Kommunikation auf Bundes- und Landesebene mit der Auto mobilindustrie, dass die angekündigten Softwareupdates jetzt unverzüglich überall umgesetzt werden; zweitens Einwirken auf die Autokonzerne inklusive der Importeure und vielleicht auch mancher Mitglieder der Bundesregierung, dass, wo im mer möglich, in Ballungszentren Hardwareupdates kommen und von denen bezahlt werden, die bei Grenzwerten betrogen haben; und drittens die eben angesprochenen stadtspezifischen Maßnahmen wie Elektrobusse, Elektromobilität und Ausbau der Infrastruktur und des ÖPNV.
Es gibt ja jetzt einige Leute in Baden-Württemberg, die be haupten, das Verkehrsministerium und insbesondere der Mi nister würden nichts anderes tun, als möglichst viele Fahrver bote vorzubereiten. Das glaube ich nicht, und ich bin mir ganz sicher: Ministerium und Minister werden mit uns zur Verhin derung von Fahrverboten intensiv an der Umsetzung der eben angesprochenen Maßnahmen arbeiten.
Am Ende des Tages bleibt also genau eine Stadt, nämlich Stuttgart, in der mit all diesen genannten Maßnahmen der Stickoxid-Jahresmittelwert immer noch nicht auf 40 Mikro gramm pro Kubikmeter abgesenkt werden kann – Herr Kol lege, nicht einmal dann, wenn wir sämtlichen Pkw-Verkehr verbieten.
Jetzt stelle ich mir die Frage: Wie kann das überhaupt sein? Zum Jahreswechsel war ich im Urlaub in einem anderen eu ropäischen Land und hatte dort klar das Gefühl: Die Luft ist nicht so sauber wie bei uns, aber dort gibt es kein Problem mit dem Grenzwert. Dann habe ich mir einmal die europäische Rechtsnorm 2008/50/EG genauer angeschaut. Diese Verord nung hat, wie vom Kollegen gesagt, das Ziel, die Grenze der Schadstoffbelastung in Europa einheitlich zu regeln.
Der Sinn ist einfach: Die Verordnung möchte sicherstellen, dass dort, wo sich Menschen langfristig aufhalten – das tun
sie am Gehweg tatsächlich eher selten –, Werte erreicht wer den, bei denen gesundheitliche Folgeschäden ausgeschlossen sind. Jetzt können wir nicht bei jedem im Wohnzimmer und Schlafzimmer nachmessen, was der für einen Wert hat. Des halb wird mit einer Referenzmessstelle ein Wert erzielt, so dass man dann weiß, dass dort, wo die Leute wohnen, keine Gesundheitsgefährdung besteht.
Jetzt heißt es in dieser EU-Verordnung, dass eine solche Mess stelle dort, wo die Belastung am stärksten ist, aber maximal 10 m von der Straße entfernt aufgestellt werden darf.
Da geht der normale Europäer – eigentlich jeder außer man chen von uns – selbstverständlich davon aus, dass ein Land bei maximal 10 m Abstand vielleicht 9,80 m wählt, aber nicht die Entfernung direkt am Gehweg. Immerhin sinkt der Wert bis zu 10 m vom Gehweg um 30 %. Das heißt, faktisch haben wir durch Aufstellen – dem Gesetz nach richtig – einen Grenz wert, der um 30 % schärfer ist als im Rest der EU. Dort hat man einen Wert festgelegt, der in Bezug auf mögliche Gesund heitsschäden genau relevant ist. Wir erfüllen also den Wort laut des Gesetzes bzw. der Verordnung, den Sinn erreichen wir nicht.
(Beifall bei der CDU und der AfD sowie Abgeordne ten der FDP/DVP – Abg. Anton Baron AfD: So ist es! Sehr gut!)
Dabei fällt im Fall von Stuttgart noch etwas auf: Seit Jahren ist die Überschreitung der Grenzwerte doch bekannt. Warum hat dann die Deutsche Umwelthilfe nicht gefordert, dass der Verkehr am Neckartor zumindest fließt und nicht noch just an dieser Stelle eine Ampel steht?
Abbremsen, um Feinstaub zu erzeugen, und Anfahren, um Stickoxid zu erzeugen, das mag nicht der beste Beitrag sein. Wem solch eine Belastung aber völlig egal ist, der zeigt sein wahres Gesicht. Es geht der Umwelthilfe ausschließlich um Fahrverbote.
(Beifall bei der CDU, der AfD und der FDP/DVP – Abg. Jochen Haußmann FDP/DVP: Ja! – Abg. Anton Baron AfD: Sehr gut!)
Nicht überraschend ist dann, dass die Umwelthilfe sich mit Abmahnungen und mit Spenden eines Autoherstellers – des sen Wagen dann eher nicht geprüft werden – entsprechend fi nanziert.
Übrigens: Durch diese Diskussion zu Fahrverboten der Die seltechnologie verunmöglicht uns die Umwelthilfe die Absen kung der CO2-Grenzwerte. Das ist ein ganz entscheidender umweltpolitischer Fortschritt. Die Organisation sollte viel leicht nicht Deutsche Umwelthilfe, sondern Deutsche Toyo ta-Hilfe heißen.
Die Kritik, dass nicht gehandelt wurde, muss ich auch gegen über dem Oberbürgermeister der Landeshauptstadt äußern.
Nur ein Beispiel: Warum gibt es denn keine optimierte Ver kehrssteuerung – optimiert mit modernsten Datenanalysen –, um die Stickstoffkonzentration möglichst gering zu halten?
Wie man die Situation tatsächlich verbessert, haben wir doch in Reutlingen mit dem Scheibengipfeltunnel erlebt; dort sind die Werte deutlich gesunken. Warum ist in Stuttgart jegliche Infrastrukturmaßnahme um Jahre verzögert worden,
sodass heute immer noch 20 % der Autofahrer nur durch Stutt gart hindurchfahren wollen? Wenn diese Autofahrer um die Stadt herumfahren würden – wie sie das eigentlich auch möch ten –, würden wir die Grenzwerte erreichen.
Großartiger Ausbau des ÖPNV in Stuttgart: Fehlanzeige. Wer wie viele von uns von außerhalb nach Stuttgart kommt, kann nicht immer nach Degerloch fahren, um Park and Ride zu nut zen. Hier brauchen wir also Umsteigemöglichkeiten, um die Plätze in der Stadt zu entlasten.
Deshalb ist es kein Wunder bei so viel Nichthandeln und Nichttun vonseiten der Landeshauptstadt, dass genau hier Fahrverbote drohen.
Bei uns ist die Luft so sauber wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Um ohne Fahrverbote – die laut Gerichtsurteil nur die aller letzte Möglichkeit sind – noch besser zu werden, fordern wir, die CDU, schnellstmögliche Softwareupdates durch die Au toindustrie, Hardwareupdates, wo immer möglich, in Bal lungsräumen, finanziert von denen, die betrogen haben, sowie stadtspezifische Maßnahmen mit E-Bussen. Zudem ist für Stuttgart sofort der Verkehrsfluss, übrigens inklusive ÖPNV, zu optimieren, und dann ist zu überlegen, ob weitere Mess stationen in Entsprechung von Wort und Sinn der EU-Vor schrift zur Klärung der Frage beitragen können, wo tatsäch lich eine Gesundheitsgefährdung vorliegt.
(Beifall bei der CDU, der AfD und der FDP/DVP so wie der Abg. Rainer Stickelberger SPD und Dr. Hein rich Fiechtner [fraktionslos])
Die Berichterstattung, welche durch Messungen des renom mierten KIT vom vergangenen November angestoßen wurde, hat einigen Staub aufgewirbelt. So berichtete u. a. der FOCUS in einem Artikel mit dem Titel „Stickoxid-Werte in Stuttgart: Wissenschaftler stellen Messdaten in Frage“ von erheblichen Abweichungen zwischen den Ergebnissen des KIT und den offiziellen Messdaten.
Die SPD hat daraufhin eine Anfrage an die Landesregierung gestellt – mit guter Begründung, bei einer in Aussicht gestell ten Beurteilung der Folgen der offiziellen Werte. Die Antwort lautete: Um die Umweltbelastung vor Ort konkret festzustel len, wurden und werden Messstationen nach festgelegten Kri terien aufgestellt.
Über die Richtigkeit von deren Standorten kann man sicher lich im Detail streiten, und streiten kann man sicher auch da rüber, ob der jetzige Standort am Neckartor in jeder Hinsicht repräsentativ für die Belastungen in diesem Bereich der Stutt garter Innenstadt ist. Wichtig ist allerdings eines: Alle Mess daten werden nach den gleichen Maßstäben bewertet. Eine Bewertung nach dem Motto „Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen“ darf es nicht geben. In dieser Hin sicht hat das KIT mit seinem Bericht vor allem eines bewirkt: Es hat die Situation verdeutlicht.