Protocol of the Session on April 12, 2018

Herzlichen Dank und auf gute weitere Arbeit daran, dass wir alle in sauberem Wasser schwimmen können

(Zuruf von der SPD: Und baden!)

und mit dem sauberen Wasser leben können.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Raimund Haser CDU)

Für die Landesregierung er teile ich das Wort Herrn Minister Untersteller.

Verehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Frau Kollegin Reich-Gutjahr, zu Ihren Anmerkungen zum Schluss: In der heutigen Fragestun de gab es eine Anfrage zum Thema „Auswirkungen von mul tiresistenten Keimen in Oberflächenwasser auf die Landwirt schaft“. Das haben Sie jetzt angesprochen.

(Staatssekretärin Friedlinde Gurr-Hirsch: Aus der Fraktion der FDP/DVP!)

Wer hat die Anfrage beantwortet? Das zuständige Ministeri um – in diesem Fall das MLR, die Kollegin Friedlinde GurrHirsch. Daher ist es kein böser Wille, wenn ich eine solche Anfrage nicht beantworte. Vielmehr liegt die Zuständigkeit für die Beantwortung dieser Frage beim Nachbarhaus. Es ist nicht so, dass wir das Thema nicht wertschätzen würden, son dern es geht hier um Zuständigkeitsfragen.

(Zuruf: Genau!)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen – es wurde schon ange sprochen –, vor ein, zwei Wochen hieß es – Zitat –: „Zu we nig Leben in deutschen Flüssen und Bächen“. Das war quasi die Quintessenz der von einer breiten Medienöffentlichkeit in Deutschland aufgenommenen Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der grünen Bundestagsfraktion bezüglich des ökologischen Zustands der Gewässer in Deutschland. Dem nach – wenn man einmal zusammenfasst, was da veröffent licht wurde und was in der Antwort enthalten ist – befinden sich Flüsse und Bäche in Deutschland in einem ökologisch schlechten Zustand.

In 93 % der Fließgewässer – so jedenfalls die Stellungnahme des Bundesumweltministeriums – leben nicht mehr die Ge meinschaften aus Fischen, Pflanzen und Kleintieren, die man dort eigentlich vorfinden müsste. Nach den durchaus strengen EU-Kriterien sind demnach nur gut 6 % der Fließgewässer in einem ökologisch guten Zustand. Diese EU-Kriterien sind in der jetzt hier schon mehrfach erwähnten Wasserrahmenricht linie definiert.

Wir in Baden-Württemberg dürfen für uns in Anspruch neh men: Wir haben in den vergangenen Jahren schon einiges bei unseren Gewässern erreicht. Ich werde nachher auch noch ver suchen darzulegen, welche qualitativen Unterschiede zwi

schen unserem Land und anderen Teilen in Deutschland durchaus bestehen. Das können wir auch belegen.

Aber die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie wird auch uns noch lange beschäftigen – womöglich wenn man an das Thema „Durchgängigkeit der Fließgewässer“ denkt. Ich kann nicht, um die Durchgängigkeit der Fließgewässer wiederher zustellen, in wenigen Jahren das rückgängig machen, was in Jahrhunderten aus unterschiedlichsten Gründen in vielen un serer Fließgewässer gemacht wurde.

Herr Kollege Haser, Ihren Ausführungen habe ich sehr auf merksam gelauscht.

(Abg. Raimund Haser CDU: Das ist grundsätzlich immer von Vorteil!)

Jetzt ist es kein Wunschkatalog, den man da aufstellen kann. Man kann nicht sagen – ich überspitze es jetzt ein wenig –: „Wir nehmen das Ganze in Zukunft nicht mehr so ernst“, „Die Wasserkraft ist uns wichtiger“ oder so.

(Abg. Paul Nemeth CDU: Ein bisschen flapsig!)

Diese Wahl habe ich nicht. Selbst wenn ich sie hätte, wäre die Frage: Ist das richtig? Das will ich jetzt einmal dahingestellt sein lassen.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Gesetz ist Gesetz!)

Jedenfalls aber: Ich habe nicht die Wahl, sondern ich bin ver pflichtet.

(Abg. Raimund Haser CDU: Das ist immer eine Ab wägung! – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Das ist der Rechtsstaat! Das ist so!)

Die EU-Wasserrahmenrichtlinie fordert von mir, Herr Kolle ge Haser, einen guten ökologischen und guten chemischen Zustand unserer Fließgewässer herzustellen.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Genau!)

Dazu gehört einerseits die Frage nach der Qualität des Was sers selbst. Dazu gehört dann das Thema „Strukturen unserer Gewässer“, also Gewässerrandbereiche etc. Auch das Thema „Durchgängigkeit der Fließgewässer“ gehört dazu. Fische und andere Lebewesen sollen auch wieder wandern können – das, was sie über Jahrhunderte gemacht haben, bevor diese Quer verbauungen in den Fließgewässern eingebaut wurden. Dies ist übrigens auch notwendig, damit ein genetischer Austausch stattfinden kann – nicht dass sich, wie das in einzelnen Fließ gewässern bis heute der Fall ist, mehr oder weniger Becken aneinanderreihen und dann innerhalb dieser Becken Fischar ten und andere Arten dieses Fließgewässers vorkommen.

Daher: So einfach ist es leider Gottes nun einmal nicht. Wie gesagt, die Durchgängigkeit wiederherzustellen wird noch viel Zeit in Anspruch nehmen. Wir sind in der Mitte des zweiten Bewirtschaftungszyklus – das hat der Kollege Murschel an gesprochen – und damit mitten in der Umsetzung der Maß nahmen, die sich aus der Wasserrahmenrichtlinie ergeben.

Es gibt weithin vier Handlungsfelder: Das sind die Reduzie rung der Nährstoffeinträge aus der Landwirtschaft und aus den Kläranlagen – dazu werde ich gleich noch etwas sagen – so

wie die Durchgängigkeit der Gewässer im Land, und auch das Thema Mindestwasser sowie das Thema Renaturierungen spielen hier eine wichtige Rolle.

Gleichzeitig erarbeiten wir neue Konzeptionen. Damit wol len wir bei Renaturierungen und auch bei dem Thema Phos phorreduzierungen künftig noch zielgerichteter vorgehen. Vor Ort passiert hier im Land durchaus viel. Natürlich führt jede einzelne dieser Maßnahmen zu einer Verbesserung. Allerdings kommen wir in der Sache nur Schritt für Schritt voran. Am Ende dieses Jahres – um das anzusprechen, was Frau Kolle gin Rolland in ihrer Rede erwähnt hat – werden wir einen Zwi schenbericht geben, auch geben müssen, aus dem hervorgeht, wie viele Maßnahmen bis zu diesem Zeitpunkt begonnen bzw. dann auch tatsächlich umgesetzt sind.

Die Frage, was diese Maßnahmen bereits bewirkt haben, ist dagegen nicht so einfach zu beantworten. Es ist letztendlich natürlich die Frage nach der Maßnahmenumsetzung und der Wirkung. Die Wirkung ist nicht innerhalb von wenigen Mo naten oder Jahren ersichtlich, sondern die entsprechenden Fortschritte in unseren Flüssen und Bächen sind oftmals auch erst nach einem längeren Zeitraum zu erkennen. Das liegt nicht daran, dass es keine Fortschritte gäbe. Es liegt daran, dass – das wurde auch schon angesprochen – letztendlich ei ne Worst-Case-Bewertung erfolgt. Bei der Ökologie wie auch bei der Chemie ist die schlechteste Komponente ausschlagge bend.

Um das einmal an einem Beispiel zu verdeutlichen – Frau Kollegin Reich-Gutjahr hat es angesprochen –: Wenn wir ei nen Stoff wie Quecksilber haben, dessen Anwendung eigent lich schon verboten ist, der aber – um den Fachbegriff zu ver wenden – ubiquitär ist, sprich überall in unserer Umwelt vor kommt, und die EU einen Grenzwert zugrunde legt, der recht schwer zu erreichen ist, führt das dazu – selbst wenn wir alle anderen Werte erreichen, aber diesen einen nicht –, dass auf den entsprechenden Karten der Europäischen Union alle die se Fließgewässer rot eingefärbt werden. Alle Fließgewässer sind rot eingefärbt, auch unsere Seen sind rot eingefärbt, weil wir den Grenzwert nur dieses einen Stoffes, der ubiquitär ist, nicht einhalten.

Das ist natürlich schon eine Absurdität; das will ich an dieser Stelle auch einmal sagen. Es ist auch nicht gerade motivati onsfördernd für diejenigen, die Gewässerschutz betreiben – nicht nur bei uns übrigens, sondern insgesamt in Europa. Denn man fragt sich ja: Wenn wir diesen einen Wert eh nicht errei chen können, warum sollen wir dann überhaupt noch etwas machen?

Daher: Es ist richtig, dass die Wasserrahmenrichtlinie im kom menden Jahr auch einmal auf den Prüfstand gestellt wird. Denn ich finde, über eine solche Herangehensweise muss man auch einmal diskutieren können. Das gilt bis hin zu der Fra ge: Bis wann erreichen wir was? Deswegen halte ich es für völlig richtig, dass zwischendurch auch einmal ein Punkt kommt, an dem wir über die Wasserrahmenrichtlinie und das, was wir in der Vergangenheit da gemacht haben, noch einmal diskutieren.

Wo stehen wir also, wenn wir den bundesweiten Vergleich von 2016 heranziehen? Rund 7 % der Oberflächenwasserkörper – das sind Seen und Fließgewässer – sind in einem gutem öko

logischem Zustand. 7 % klingt erst einmal wenig. Aber: 58 % der Fließwasserkörper in Baden-Württemberg sind in einem mäßigen Zustand, also nur eine Stufe vom guten Zustand ent fernt. Es gibt ein fünfstufiges System. Das bietet erst einmal eine gute Perspektive, die beste Kategorie zu erreichen.

Im Vergleich dazu – das möchte ich an dieser Stelle auch noch einmal erwähnen –: Bundesweit befinden sich in dieser Be wertungskategorie 36 % der Fließwasserkörper. Das heißt, da kann man durchaus einen Unterschied erkennen. Wenn man dann noch weiß, wie viele Fließgewässer wir hier in BadenWürttemberg haben, gibt es, finde ich, keinen Grund, sich für das, was wir über all die Jahre hinweg gemacht haben – übri gens auch meine Amtsvorgängerinnen und Amtsvorgänger –, verstecken zu müssen.

Eine andere wichtige Zahl möchte ich auch noch einmal er wähnen. Lediglich 1,6 % aller Oberflächenwasserkörper in Baden-Württemberg befinden sich in einem schlechten Zu stand – 1,6 %. Im bundesweiten Vergleich sind es 19,6 %. Da raus kann man ersehen, dass unsere Maßnahmen der letzten Jahre gegriffen haben.

Der zweite Grund liegt in der Erfolgsgeschichte des Grund wasserschutzes. Auch dazu will ich ein paar Bemerkungen machen. Nach Jahrzehnten mit der Schutzgebiets- und Aus gleichsverordnung, mit dem Agrarumweltprogramm FAKT, aber auch mit MEKA sind ca. 91 % der Landesfläche in ei nem guten Zustand.

(Der Redner hält eine Grafik hoch.)

Wenn Sie sich diese Grafik einmal anschauen, dann sehen Sie, dass es in den letzten Jahren ständig bergab ging. Manch anderes Bundesland – ohne diese hier aufzuzählen – wäre froh, es wäre in unserer Situation.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Vorhin habe ich gehört, dass es in der Mittagspause offensicht lich ein Gespräch mit der Landeswasserversorgung gab. Die kenne ich ja ein bisschen. Ich kann mir ungefähr vorstellen, was man da zu hören bekommen hat. Aber auch da will ich ausdrücklich festhalten, dass in dem Wasserschutzgebiet Do nauried-Hürbe bei allen Brunnen der Wert für das Rohwasser ein gutes Stück unterhalb der 50 mg pro Liter liegt – bei allen Brunnen, das Rohwasser wohlgemerkt und nicht erst das auf bereitete Wasser.

Daher wundere ich mich schon ein wenig über so manche Presseveröffentlichung der letzten Wochen. Ich kann es Ihnen genau sagen: Insgesamt liegen die Werte je nach Fassung, die wir dort haben, zwischen 25 und 37 mg pro Liter, aber dies beim Rohwasser und nicht bei irgendwie aufbereitetem Was ser, in das hätte Geld gesteckt werden müssen.

(Zuruf der Staatssekretärin Friedlinde Gurr-Hirsch)

Man muss sehen: Es gibt da eine sehr schwierige Situation. 50 % der Flächen sind Ackerland – im Landesdurchschnitt sind wir bei etwa 26, 27 % –, und es gibt dort eine geomor phologisch nicht einfache Situation. Trotzdem haben wir schon heute diese genannten Werte.

Daher: Über manches, was ich in den letzten Wochen zur Si tuation der Landeswasserversorgung und des Donaurieds le sen durfte, kann ich mich nur wundern.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der CDU)

Jetzt will ich vielleicht noch ein Thema ansprechen, Herr Kol lege Haser, nämlich die Wasserkraft. Bekanntermaßen liegt mir dieses Thema wirklich auch am Herzen. Ich meine, der jenige, der hier in Baden-Württemberg das Förderprogramm zur Modernisierung der bestehenden Wasserkraftanlagen auf gelegt hat, steht vor Ihnen. Es war schwierig genug für mich, das dann auch mit der EU-Kommission – wegen der Gefahr einer Doppelförderung usw. – durchzufechten. Trotzdem ha ben wir das Förderprogramm weiterhin, und wir werden auch schauen, dass wir es in den nächsten Jahren weiterfahren kön nen, dass die Mittel zur Verfügung stehen.

Trotzdem glaube ich, dass man die Dinge einmal einordnen muss. Sie haben die Zahl genannt. Wir haben – das ist richtig – rund 1 700 Wasserkraftanlagen. 66 davon sind große Was serkraftanlagen und erbringen 90 % der Leistung, die die Was serkraft insgesamt erbringt. Der Anteil der Wasserkraft an der Energieerzeugung in Baden-Württemberg macht etwa 7 %, 8 % aus – je nach Jahr. Einmal gibt es ein trockenes Jahr, ein anderes Mal ein wassertechnisch gutes Jahr. Von diesen 7 %, 8 % erbringen diese 66 Anlagen also 90 %. Das heißt, 10 % werden von gut 1 600 Kleinwasserkraftanlagen erbracht. Das ist zwar nicht nichts, aber man sollte es einordnen.

Trotzdem sind immer – das ist auch nicht „nice to have“, son dern dazu stehe ich in der Pflicht – die Anforderungen der Wasserrahmenrichtlinie einzuhalten, sprich Durchgängigkeit der Fließgewässer, Mindestwasser usw.