Protocol of the Session on March 7, 2018

Für die SPD-Fraktion er teile ich das Wort dem Kollegen Rivoir.

Herr Präsident, meine Kollegin nen und Kollegen! Vorab, Herr Dörflinger: Gratulation zu Ih rer mutigen Rede. Ich hätte eigentlich fast alles, was Sie ge sagt haben, unterschreiben können.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Das kannst du noch nachholen! – Abg. Daniel Renkonen GRÜ NE: Große Koalition!)

Danke für die klaren Worte und Ausführungen. Ich will schon einmal sagen, dass dieses Urteil aus Leipzig schon eine Klat sche für diese Landesregierung war. Da kann jetzt auch nicht darüber hinwegtäuschen, dass einige sagen: „Endlich haben wir Rechtssicherheit“, und sich darüber freuen, Rechtssicher heit zu haben. Ich meine, wenn man als derjenige, der eigent lich die Gesetze macht, ein Gericht braucht, um Rechtssicher heit zu haben, dann ist das schon auch ein Armutszeugnis und eigentlich Politikversagen.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der AfD und der FDP/DVP)

Wir gehen eigentlich davon aus, dass man, wenn man vor Ge richt geht, den Streit gewinnen will und nicht Rechtssicher heit haben will – aber wie auch immer.

Es ist schon klar: Unsere Einschätzung zu der Frage, ob wir nun in Berufung gehen oder die Sprungrevision machen, war

die richtige. Wir haben gesagt: Sprungrevision ist ein großer Fehler, geht in Berufung. Denn in einer Berufung werden noch einmal die inhaltlichen Dinge abgeklärt und diskutiert. Wir hatten ja seit dem ersten Urteil den Berliner Dieselgipfel, jetzt gibt es die Softwareupdates. Es gibt ja auch schon verbesser te Luftwerte in Stuttgart. Dies hätte alles bei einem Berufungs verfahren berücksichtigt werden können. Aber der Herr Ver kehrsminister will ja die Fahrverbote – ideologisch motiviert –, und insofern hat er sich halt in dieser Koalition nun durch gesetzt. Man hatte die Sprungrevision gewählt und hat jetzt den Salat hier in Baden-Württemberg.

Meine Damen und Herren, Herr Minister, wir haben nach wie vor das Gefühl – ich habe dieses Wort hier vor einem halben Jahr schon einmal benutzt –: Sie nehmen diese kalte Enteig nung der Dieselfahrer billigend in Kauf.

(Beifall bei der SPD, der AfD und der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Daniel Renkonen GRÜNE)

Herr Minister, Kolleginnen und Kollegen, Baden-Württem berg ist ein reiches Land. Aber auch in diesem reichen Land können sich die meisten Leute eben nicht alle drei Jahre ein neues Auto leisten. Das ist doch die soziale Frage,

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der AfD und der FDP/DVP – Abg. Andreas Stoch SPD: So sieht es aus!)

um die es hier geht.

Dann will ich auch noch einmal zu dem Stichwort „Reiches Baden-Württemberg“ eines sagen – ich glaube, Herr Dörflin ger, Sie sind auch darauf eingegangen –: Unser Wohlstand hier hängt auch damit zusammen, dass wir eine tolle, gute Diesel technologie in diesem Land entwickelt und weiterentwickelt haben und den sauberen Diesel hier auch fertigen und an den Markt bringen. Auch das ist eine Quelle unseres Wohlstands. Wer diesen mit der Hatz, die hier gegen den Diesel veranstal tet wird, bekämpft, legt die Axt an einen Pfeiler unseres Wohl stands in diesem Bundesland.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der AfD – Zuruf von der AfD)

Dann zu dem Titel der Aktuellen Debatte. Dieses wilde Durch einander, das Grüne und Schwarze hier in den letzten Wochen nach der Urteilsverkündung geboten haben, ergibt natürlich schon ein erbärmliches Bild. Man möchte sich eigentlich mit Grausen abwenden, aber das Thema ist leider zu ernst.

Ich möchte kurz die Chronologie darstellen; zum Teil wurde das ja schon zitiert. Der Ministerpräsident verkündet staats tragend-vernünftig im SWR, dass er keine Fahrverbote für Eu ro-5-Diesel mit Softwareupdate haben möchte. Zeitgleich ver kündet der Verkehrsminister, er wähne sich jetzt endlich an seinem Ziel, der Durchsetzung von Fahrverboten, damit man zum Ende dieses Jahres Euro-4-Dieselfahrzeuge aus Stuttgart verbannen könne

(Abg. Anton Baron AfD: Unglaublich!)

und nächstes Jahr dann gleich die Euro-5-Diesel.

(Abg. Anton Baron AfD: Und dann im Ausschuss nicht da sein!)

Eine Partei, zwei Meinungen. Der Kabinettskollegin Hoff meister-Kraut geht es gleich um Ausnahmeregelungen – auch recht. Der Parteifreund der Wirtschaftsministerin, Herr Rein hart, sieht – wie Sie auch – keinerlei Automatismus für Fahr verbote, die aus diesem Urteil folgen könnten. Ein großes To huwabohu,

(Abg. Anton Baron AfD: Verhältnismäßigkeit!)

das uns diese Landesregierung hier dargeboten hat, meine Da men und Herren.

(Beifall der Abg. Dr. Christina Baum AfD)

Man sieht eben, dass diese Koalition eigentlich nur in dem Augenblick zusammenhält, in dem man die Probleme mit viel, viel Geld zuschütten kann. Wenn das nicht mit Geld geht, streiten sie auf offener Bühne, dass es eigentlich peinlich ist für dieses Bundesland.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der AfD und der FDP/DVP)

Warum haben wir dieses Problem eigentlich? Warum disku tieren wir hier darüber? Wir haben das Problem doch deswe gen, weil zu viele Menschen jeden Tag mit dem Auto in die Stadt hineinfahren wollen und müssen. Sie fahren deswegen in die Stadt hinein, weil sie keine Alternativen haben, weil es an einem guten ÖPNV-Angebot und anderen Alternativen mangelt. Deswegen fahren sie in die Stadt, und deswegen ha ben wir – speziell hier in Stuttgart – ein Problem mit der Luft.

Die politische Verantwortung für diesen Zustand, für zu vie le Autos und zu schlechten ÖPNV, trägt der Verkehrsminister. Da sitzt er. Sieben Jahre ist er jetzt im Amt.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr rich tig! Sieben Jahre! – Abg. Hermann Katzenstein GRÜ NE: Fünf Jahre mit wem zusammen?)

Eine Veränderung, eine grundlegende Verkehrswende ist in diesem Land nicht erkennbar. Es fehlt an grundlegenden Maß nahmen. Ein paar zähle ich Ihnen jetzt einmal auf.

Die finanzielle Unterstützung, meine Damen und Herren, für ein vernünftiges Busangebot in der Fläche

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

soll 2021 kommen – anderes Parlament, anderer Gesetzgeber. Ob das kommt, weiß niemand. Alles wird in die Ferne gescho ben.

Es gibt in Baden-Württemberg – wir haben es hier schon mehrfach diskutiert – keinerlei Förderung für neue Schienen fahrzeuge, um den ÖPNV auszubauen.

Es fehlt die verbindliche Fortführung des LGVFG. Der Bund – unsere Koalition – hat mit 1 Milliarde € im Bundes-GVFG Mittel für die Förderung des Nahverkehrs und den Ausbau der Schiene vorgelegt. Frau Sitzmann, Herr Verkehrsminister: Wo sind Ihre Angebote an die Kommunen, den ÖPNV auszubau en? Nichts, nichts.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Daniel Renko nen GRÜNE)

Sie zögern, Sie machen nichts. Oder wo ist die Initiative des Landes für einen kraftvollen Ausbau der S-Bahn und der Stadtbahn in Stuttgart und anderen Städten unseres Landes? Nichts hören wir. Es fehlen die Finanzmittel, obwohl Sie ei gentlich im Geld schwimmen.

(Zuruf von den Grünen: Und jetzt das Thema S 21! – Gegenruf von den Grünen: Genau, S 21!)

Meine Damen und Herren, auch beim Radverkehr – das ist ja das Lieblingsthema unseres Herrn Verkehrsministers – ist kei ne Strategie erkennbar. Über Ankündigungen und Experten runden ist man nicht hinausgekommen. Jeder Landrat kann Ihnen sofort fünf oder zehn Radwegeprojekte, die Aufgabe des Landes wären, aufzählen. Nichts passiert; das ist die Re alität im Land Baden-Württemberg.

(Zuruf des Abg. Hermann Katzenstein GRÜNE)

Dann noch eine Realität in diesem Bundesland – fast jeden Tag lesen wir es in den Zeitungen –: Der regionale Zugver kehr, das Rückgrat unseres ÖPNV, ist chaotisiert. Verspätun gen und Zugausfälle sind an der Tagesordnung. Meine Damen und Herren, bei dem Zustand, in dem der Zugverkehr in Ba den-Württemberg ist, steigt kein Pendler freiwillig auf die Schiene um. Lieber fahren die Pendler mit dem Auto, auch wenn sie im Stau stehen müssen. Das ist der Zustand.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der AfD – Abg. Anton Baron AfD: So ist es!)

Meine Damen und Herren, all das, was ich aufgezählt habe, voranzubringen, das wäre eigentlich Ihre Aufgabe, Herr Mi nister;

(Abg. Hermann Katzenstein GRÜNE: Wo waren Sie denn die letzten sieben Jahre? – Gegenruf des Abg. Reinhold Gall SPD: Das kannst du dir schenken!)

es ist Ihre politische Verantwortung, gerade im Schienennah verkehr.

(Unruhe)

Ich habe es ja schon einmal gesagt: Da sind Sie sozusagen der oberste Fahrdienstleiter unseres Landes Baden-Württemberg. Als oberster Fahrdienstleiter sollte man eigentlich eine schmu cke Schirmmütze aufhaben. Aber die Bahn, Herr Minister, setzt Ihnen im Grunde jeden Tag die Narrenkappe auf.

(Heiterkeit)

Sie wehren sich nicht dagegen; Sie bekommen es nicht hin. Wir haben Chaos im Land: auf der Filsbahn und auf vielen anderen Bahnen. Sie schaffen es nicht, die Bahn dazu zu be kommen, ein verlässliches Zugangebot in Baden-Württem berg zu schaffen. Ebendas ist das Problem, das wir hier in die sem Bundesland haben.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FDP/DVP – Vereinzelt Beifall bei der AfD)

Ich will es einmal zusammenfassend auf den Punkt bringen: Es ist und bleibt eine Tatsache, dass hier eine grüne Quadriga auf ganzer Linie versagt hat: Ein grüner Ministerpräsident, ein grüner Verkehrsminister, ein grüner Regierungspräsident und