Protocol of the Session on February 28, 2018

Menschen wären froh, überhaupt ein angemessenes und men schenwürdiges Angebot in Baden-Württemberg vorzufinden.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Die Landesregierung kümmert sich mit der geplanten Ände rung des Landespflegegesetzes, bildlich gesprochen, um das Blümchen im Vorgarten, während hinten die Hütte brennt.

Danke schön.

(Beifall bei der AfD und des Abg. Dr. Wolfgang Ge deon [fraktionslos])

Für die SPD-Fraktion er teile ich dem Kollegen Hinderer das Wort.

Herr Präsident, werte Kollegin nen und Kollegen! Ich komme wieder zum Thema „Umset zung des Bundesteilhabegesetzes“ zurück.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der Grünen, der CDU und der FDP/DVP)

Mit dem 2016 im Bund beschlossenen Bundesteilhabegesetz wird die Lebenssituation von Menschen mit einer Behinde rung im Sinne von mehr Selbstbestimmung verbessert und die Eingliederungshilfe zu einem modernen Teilhaberecht weiter entwickelt.

Das Bundesteilhabegesetz kommt jetzt endlich in die verbind liche Umsetzung auf Landesebene. Vor allem werden damit auch noch nicht verwirklichte Teile der UN-Behinderten rechtskonvention angegangen.

In der hinter uns liegenden Legislaturperiode des Deutschen Bundestags wurde dieses wohl größte Sozialgesetz der letz ten Jahre im Bundesministerium für Arbeit und Soziales un ter Federführung der damaligen Ministerin Andrea Nahles

(Abg. Anton Baron AfD: Das kann nichts werden!)

in einem intensiven Beteiligungsprozess erarbeitet. Die Ab stimmung mit den Beteiligten, vor allem mit den Menschen mit Behinderungen, ihren Verbänden, den Leistungsanbietern, den Kommunen und den Ländern, war dabei alles andere als einfach – Herr Kollege Poreski hat darauf hingewiesen –; denn jeder der Beteiligten hatte unterschiedliche Ziele.

Mit dem nun vorliegenden Gesetzentwurf werden in BadenWürttemberg insbesondere die Stadt- und Landkreise und für bestimmte Aufgaben auch der Kommunalverband für Jugend und Soziales als Träger der neuen Eingliederungshilfe be nannt. Die Verfahren und Zuständigkeiten zur Erarbeitung der Rahmenverträge werden geregelt, und die Interessenvertre tung der Menschen mit Behinderungen bei der Erarbeitung der Rahmenverträge wird bestimmt.

Gerade der erste Punkt ist für uns sehr wichtig; denn wer an ders sollte die Aufgaben eines Leistungsträgers bei uns wahr nehmen als diejenigen, die das in den letzten Jahren gemacht haben?

(Glocke des Präsidenten)

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Räpple?

Nein, er soll mal mit seiner Fraktion reden. Dann darf er hier vielleicht einmal wieder ans Rednerpult...

Also nein.

... und alles sagen, was er möch te.

(Abg. Anton Baron AfD: Er war letztes Mal am Red nerpult!)

Der erste Punkt ist für uns also sehr wichtig, und es ist auch gut, dass die Landesregierung nach der Kritik zum Anhö rungsentwurf den Kommunalverband für Jugend und Sozia les ebenfalls zum Träger der Eingliederungshilfe für überge ordnete, koordinierende Aufgaben bestimmt hat. Da hat viel leicht auch unser Druck etwas bewirkt.

(Zuruf des Abg. Thomas Poreski GRÜNE)

Aber mit der Neubestimmung des zuständigen Leistungsträ gers im SGB IX ist auch eine neue Verantwortung für die Fi nanzierung verbunden. Hier wird uns ein Gesetzentwurf vor gelegt, in dessen Begründung detailliert geschildert wird, dass den Kommunen als Leistungsträgern durch die Umsetzung des Gesetzes in den Jahren 2018/2019 höchstens geringfügi ge Kosten entstehen, die – man höre und staune – nicht kon nexitätsrelevant sind. Gleichzeitig rechnen die Kommunen vor, dass sie mit zusätzlichen Kosten in dieser Zeit von 150 Millionen € rechnen.

(Abg. Anton Baron AfD: Auf Rechnung von Frau Nahles!)

Sehr geehrter Herr Minister, das ist kein ganz guter Regie rungsstil. Wir hätten schon erwartet, dass Sie vor der Einbrin gung des Gesetzentwurfs zumindest die Grundlage für einen Konsens herstellen. Möglicherweise haben Sie eine gewisse Annäherung erreicht. Dann müssen Sie das aber auch in den Gesetzentwurf hineinschreiben und den Landtag entsprechend informieren. Wir werden uns darüber im Ausschuss noch ge nauer austauschen müssen.

Herr Kollege Hockenberger hat gerade einen Hinweis auf den Nachtragshaushalt gebracht. Das ist für uns neu. Ich denke, das hätte in die Gesetzesbegründung hineingehört.

Die Landesregierung regelt mit diesem Gesetzentwurf nur das, was zur Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes aktuell un bedingt nötig ist. Sie verweist darauf, dass derzeit sehr viel in der Vorbereitung des vollständigen Inkrafttretens des Bundes gesetzes erfolgt, ohne dass die Ausführungen landesgesetz lich geregelt werden müssen.

Die Liga der freien Wohlfahrtspflege hat in ihrer Stellungnah me einen anderen Ansatz. Sie fordert eine gesetzliche Fixie rung spätestens ab dem Zeitpunkt der probeweisen Einfüh rung des Hilfebedarfsbemessungssystems sowie eine vorge zogene Implementierung der Arbeitsgemeinschaft zur Weiter entwicklung der Eingliederungshilfe. Auch darüber werden wir in den Ausschussberatungen noch zu sprechen haben. Denn eines ist klar: Wenn der Zeitplan für die Umsetzung nicht eingehalten wird, sind die Menschen mit Behinderun gen die Verlierer.

Die Landes-Behindertenbeauftragte, Frau Aeffner, und mit ihr die Interessenvertretung der Menschen mit Behinderungen fordern die Feststellung des Hilfebedarfs durch eine unabhän gige Stelle. Herr Poreski teilt diese Auffassung. Die Landes regierung hält das für denkbar. Allerdings sagt die Landesre gierung, diese Frage müsse jetzt noch nicht geklärt werden. Dem möchten wir widersprechen. Wenn dieser Weg gewählt wird, müssen jetzt die Weichen dafür gestellt werden; denn sonst bleibt die Feststellung des Hilfebedarfs automatisch bei den Leistungsträgern.

Ich erwarte, dass uns die Landesregierung im Ausschuss aus führlich darüber informiert,

(Glocke des Präsidenten)

und bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Für die FDP/DVP-Frakti on erteile ich das Wort dem Kollegen Keck.

Sehr verehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon 15 Jahre her, dass es – im Jahr 2003 – das Europäische Jahr der Menschen mit Behinderungen gab. Das Motto – das hat Herr Minister Lucha vorhin schon angeregt – war: „Nicht über uns ohne uns“. Dies gilt für uns auch noch 15 Jahre später. Vielen herz lichen Dank, Frau Aeffner, für Ihre tatkräftige Mitarbeit. Ich hoffe, dass Sie weiter tatkräftig mitarbeiten dürfen.

In Baden-Württemberg war damit die Initiative „Mittendrin statt außen vor“ verbunden. Noch heute stehen Diskussionen, Veranstaltungen und Projekte der Behindertenhilfe gern un ter diesem Motto.

Dass wir heute in der ersten Lesung über das Ausführungsge setz zum Bundesteilhabegesetz beraten, ist mir eine besonde re Freude. Gern würde ich dies kommentieren mit: „Was lan ge währt, wird endlich gut.“

(Beifall bei der FDP/DVP)

Aber so weit, dass es gut ist, sind wir leider noch nicht. Es ist ohne Frage ein bedeutender Schritt, dass nun die Fachleistun gen der Eingliederungshilfe aus der Sozialhilfe heraus- und in das SGB IX eingeführt werden.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Räpple?

Nein, natürlich nicht. Ich möch te ja keine unrühmliche Ausnahme sein.

(Heiterkeit bei der FDP/DVP – Abg. Karl Zimmer mann CDU: Man redet über Teilhabe, aber gibt kei ne Teilhabe!)

Doch damit es wirklich gut wird, muss das Gesetz ausführ lich im Fachausschuss diskutiert und vertieft werden.

Auszugsweise möchte ich hier auf wenige zu diskutierende Punkte eingehen. Zunächst beziehe ich mich auf den Antrag

zur Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes in Baden-Würt temberg, Drucksache 16/2934, und möchte auch heute noch einmal betonen, dass es bislang völlig offen ist, ob im erforder lichen Zeitraum eine Einigung bezüglich der neuen und erfor derlichen Landesrahmenverträge nach § 131 Absatz 1 SGB IX tatsächlich verabschiedet werden kann. Die neue Bedarfsfest stellung ist alles andere als trivial. Eine landesweit einheitli che Anwendung ist wichtig. Deshalb haben die Betroffenen verbände in der Anhörung gefordert, dass diese Bedarfsfest stellung unabhängig von den Trägern der Eingliederungshil fe zu organisieren ist.

Weiter befürchte ich, dass es bereits bei der Herbeiführung der Einigung zu den neuen Rahmenverträgen zu Schwierig keiten bei der Aufnahme der neuen Beteiligungsrechte der In teressenvertretungen von Menschen mit Behinderungen kom men wird. Diese fordern eine Drittelparität, also gleichberech tigte Mitwirkung. Die Verbände sind jedoch nicht Vertrags partei, und auch die Gestaltung der Mitwirkungsrechte liegt nicht auf Landes-, sondern auf Bundesebene. Letztlich sollen die Probleme in einer Geschäftsordnung gelöst werden, die sich die Gremien selbst zu geben haben.

Nächster zu lösender Knackpunkt ist die Konnexität. Auch das wurde schon angesprochen. Hier fordere ich Sie auf, Herr Minister, klar darzulegen, von welchem Umfang Sie ausge hen. Wie vorher schon angedeutet, kam vom Bundesministe rium die Kostenschätzung von 21,9 Millionen €. Der KVJS hat 235,5 Millionen € ermittelt, und – Kollege Poreski hat es auch schon angesprochen – er fordert hier Konnexität vom Bund. Ich bin gespannt, wie es ausgeht.

Wie soll die Regelung der Konnexität aussehen, wenn ein Kreis die Aufgaben per Satzung an eine kreiseigene Gemein de überträgt? Besteht dann der Konnexitätsausgleichsanspruch des Kreises, der die Aufgaben übertragen hat, noch weiter? Wenn nicht, dürfte der Übertragungsfall wohl nicht zum Zu ge kommen. Wenn ja, stellt sich die Frage, wie sich ein Aus gleichsanspruch des Kreises in unveränderter Höhe begrün det, wenn er der Gemeinde zwei Drittel der Kosten zu erstat ten hat.

Von zentraler Bedeutung ist zudem, dass in § 3 Absatz 2 AG SGB IX bei den Leistungserbringern die private Seite fehlt. Es ist völlig unakzeptabel, den bpa, den VDAB und den VPK, allesamt Vertragspartner des bisherigen Rahmenvertrags nach SGB XII, bei den Rahmenverträgen nach § 131 Absatz 1 SGB IX außen vor zu lassen.