Protocol of the Session on June 8, 2016

(Zuruf der Abg. Beate Böhlen GRÜNE)

dass Sie mit der Bundesagentur für Arbeit ein gemeinsames Programm zur beruflichen Integration von Flüchtlingen auf den Weg bringen und eine Wohnraum-Allianz gründen wol len.

Fällt Ihnen da etwas auf? Ein Widerspruch vielleicht? Statt das Kompetenzwirrwarr zu entflechten und die Anzahl von Institutionen, die unseren Bürgern das Leben häufig schwer machen, zu reduzieren, schaffen Sie sogar neue Stellen und neue Bürokratie.

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner AfD: Neue Stellen, neue Bürokratie!)

Dabei haben Sie zwei Minuten vorher noch genau das Gegen teil gesagt. Wie wäre es denn, wenn Sie, dem Wortlaut Ihrer eigenen Rede folgend, sich einfach einmal aus dem Leben der Menschen heraushalten würden?

(Zuruf des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner AfD)

Sie haben selbst gesagt, niemand könne – Zitat –

sicher voraussagen, welche Strategien, welche Produkte, welche Dienstleistungen oder welche Geschäftsmodelle in Zukunft erfolgreich sein werden, schon gar nicht der Staat.

Richtig. – Warum bauen Sie dann bei jedem Problem, sei es in der Bildung, sei es in der Hochschulpolitik oder in der In tegration, als Allererstes immer auf den Staat statt darauf, dass die Menschen in Baden-Württemberg selbst klug genug sind, ihr Leben in die eigene Hand zu nehmen?

(Beifall bei der AfD)

Glauben Sie denn wirklich, dass Integration dadurch gelingt, dass man möglichst viele Stunden in einem Integrationskurs sitzt?

(Beifall bei der AfD)

Ich kann Ihnen nur sagen: Ich bin in den Sechziger-, Siebzi gerjahren im Ruhrgebiet groß geworden. Ich habe eine Ah nung, wie Integration funktioniert. Integrationskurse gab es damals nicht; das ging anders, und das hat funktioniert.

(Lachen des Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU)

Glauben Sie, dass die Schüler bessere Leistungen erzielen, wenn Sie den Ganztagsunterricht und die Gemeinschaftsschu le weiter massiv ausbauen?

(Abg. Beate Böhlen GRÜNE: Ja!)

Sie glauben das, ich weiß. Mich verblüfft das immer wie der.

(Lachen bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Glauben Sie ernsthaft, dass Kinder, die für Sie laut Ihrer Re de das Wertvollste sind, was wir haben – auch das so eine Ap plaus heischende Selbstverständlichkeit; wer wollte dem wi dersprechen? –, freie und selbstbestimmte Individuen werden, wenn sie ganztags einem Bildungsplan mit teilweise grotes ken Inhalten unterworfen werden?

(Zuruf von der SPD: Welche? – Abg. Andreas Stoch SPD: Beispiele anführen! Zitieren Sie!)

Den Bildungsplan diskutieren wir dann, wenn das Thema Bildungsplan auf der Agenda steht.

(Vereinzelt Beifall – Abg. Andreas Stoch SPD: Sprech blasen! – Abg. Reinhold Gall SPD: Nichts als Sprü che! – Abg. Beate Böhlen GRÜNE: Sprechen Sie zum Koalitionsvertrag! – Abg. Andreas Stoch SPD: Grotesk ist Ihre Argumentation! – Weitere Zurufe – Unruhe)

Auf diese Inhalte werden wir zu sprechen kommen. Wir wer den in den nächsten Monaten viel Gelegenheit dazu haben, und wir werden diese nutzen. Haben Sie einfach noch ein we nig Geduld, Herr Stoch.

(Beifall bei der AfD)

Wir glauben, dass es für Kinder und Jugendliche schöner ist, nachmittags ihren Wünschen entsprechend in den Fußballver ein, zum Theaterspielen, zum Musizieren oder in den Schach klub zu gehen – oder was immer sie tun wollen. Weiß Gott, mit dieser Position stehen wir nicht ganz allein.

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner AfD: Das muss alles vom Staat genehmigt werden! – Abg. Daniel Andre as Lede Abal GRÜNE: Sie sind ja romantisch!)

Für Sie ist Freiheit Romantik, ich weiß.

(Heiterkeit und Beifall bei der AfD – Abg. Udo Stein AfD: Jawohl! Bravo!)

Das genau ist das Problem der Partei der Grünen. – Wenn wir schon bei der Bildungspolitik sind, möchte ich auch dazu noch ein paar Worte sagen. Im Koalitionsvertrag ist viel von Wahl freiheit die Rede. Aber wie können wir, gerade wenn es um das Thema Kinderbetreuung geht, eigentlich von Wahlfreiheit sprechen, wenn die Eltern gar nicht mehr über die finanziel len Mittel verfügen, sich gegen stark subventionierte Ganz tagskrippen zu entscheiden? Wieso stellt es für Sie eigentlich einen Wert an sich dar, Kinder den ganzen Tag in Ganztags schulen staatlich kontrolliert aufwachsen zu lassen?

(Beifall bei der AfD – Abg. Dr. Heinrich Fiechtner AfD: Jawohl!)

Sie haben sich in Ihrer Rede sogar zu der Behauptung hinrei ßen lassen, dass sich die Mehrheit der Eltern eine Ganztags schule wünschen.

(Abg. Beate Böhlen GRÜNE: Es gibt Studien dazu!)

Ich weiß nicht, mit wem Sie sprechen. Aber wenn ich mit El tern spreche, höre ich immer etwas ganz anderes. Vielleicht sollten Sie Ihren Vorsatz, für die Bürger eine Politik des Ge hörtwerdens zu etablieren, schon heute umsetzen und einfach einmal lernen, richtig zuzuhören.

(Beifall bei der AfD)

Wieso sind Sie eigentlich so unglaublich stolz darauf – Zitat –, „alte Strukturdebatten überwunden“ zu haben, auf Deutsch: kurz davor zu sein, das dreigliedrige Schulsystem finanziell derart auszutrocknen, bis Sie es endlich ganz auf dem Gewis sen haben?

(Beifall bei der AfD – Abg. Dr. Heinrich Fiechtner AfD: Das ist ein gute Frage! – Abg. Andreas Stoch SPD: Er lebt in den Fünfzigerjahren!)

Wieso macht die CDU bei dieser Umsetzung einer ideologi schen Verblendung eigentlich mit? Sie wollen den Wirtschafts standort Baden-Württemberg stärken, begreifen aber offen kundig nicht, dass Sie mit dem dreigliedrigen Schulsystem ei nen seiner Hauptpfeiler angreifen.

Ihre grundfalsche Ausrichtung setzt sich auch in der Hoch schulpolitik fort. Dort haben Sie laut Koalitionsvertrag Fol gendes vor – ich zitiere –:

Stärken werden wir besonders

„besonders“ –

die Beiträge der Sozial-, Geistes-, Kultur- und Religions wissenschaften, um die Herausforderungen in den Berei chen Integration und gesellschaftlicher Zusammenhalt zu bewältigen. Auch die Geschlechterforschung und die Be teiligungsforschung können hier wichtige Impulse setzen.

Ich sehe es förmlich schon vor mir: Daimler, Bosch und Co. werden sich um geschlechterforschungserfahrene Absolven ten geradezu reißen.

(Beifall bei der AfD)

Das sind aus Ihrer Sicht also künftige Kernkompetenzen der Absolventen unserer Hochschulen. Wir haben da andere Vor stellungen.

(Beifall bei der AfD)

Die Unternehmen werden sich um diese Absolventen fast ge nauso reißen, wie Sie sich, lieber Herr Ministerpräsident, um die Einführung direktdemokratischer Elemente in unsere Ver fassung reißen.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der AfD)

Ich habe mit Begeisterung vernommen, dass Sie Bürgerbetei ligung und direkte Demokratie für eine wichtige Ergänzung

und Bereicherung unserer Demokratie halten; so heißt es in Ihrer Regierungserklärung.

(Beifall bei der AfD)

Das sehen wir auch so. Dann können wir, die AfD, uns ja schon auf Ihre Unterstützung freuen, wenn wir entsprechen de Initiativen ins Parlament einbringen. Ich bin gespannt.