Jetzt fragen Sie sich vielleicht: Was geht uns das an? Ich möchte Ihnen das erklären. Der Beschluss betrifft alle Län der, weil die Entscheidung auf einer Gesamtbewertung beruht, in der das Bundesverfassungsgericht das nordrhein-westfäli sche Hochschulgesetz zusammen mit dem Akkreditierungs stiftungsgesetz betrachtet hat und auch dieses Gesetz bean
standet hat. Auf diesem Gesetz aber beruhte der Akkreditie rungsrat in seiner bisherigen Konstitution. Er bildet für alle Bundesländer, auch für Baden-Württemberg, das Herzstück des Akkreditierungsverfahrens. Wenn wir also nicht gesetz geberisch nachbessern, entfiele das Akkreditierungsverfahren, wie es seit Jahren in den Ländern gemeinsam praktiziert wird. Auch international sind übrigens solche Akkreditierungsver fahren Standard.
Worum geht es bei solchen Verfahren? Es geht dabei darum, dass Studiengänge begutachtet werden und ihnen ihre Quali tät bescheinigt wird. Das ist wichtig. Denn wir brauchen Stu diengänge, deren Qualität gesichert und bundesweit anerkannt ist. Früher, vor der Bologna-Reform, haben dafür die Länder ministerien die Prüfungsordnungen der Hochschulen auf Punkt und Komma redigiert. Zum Glück sind wir davon heu te ein gutes Stück weit entfernt.
Im Mittelpunkt steht also nicht ein formales Verfahren oder eine Bescheinigung über die Sicherstellung von Qualität. Auch mit diesem alten sozusagen TÜV-Verständnis von Akkreditie rung soll der neue Staatsvertrag nun aufräumen.
Im Mittelpunkt steht daher vielmehr, die Qualität der Studi engänge kontinuierlich weiterzuentwickeln und dafür den ex ternen Blick auf die eigene Praxis in den Hochschulen wer fen zu lassen. Für Qualitätssicherung sind die Hochschulen zunächst selbst verantwortlich. Das betont auch der erste Satz des Staatsvertrags. Dafür braucht es aber eine gewisse Pers pektivenvielfalt und den externen Blick, und zwar von exter nen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, auch von Stu dierenden und auch von Vertreterinnen und Vertretern aus der beruflichen Praxis.
Gegen die Akkreditierung als solches hat sich das Bundesver fassungsgericht daher auch ausdrücklich nicht gewandt. Im Gegenteil: Es hat die Qualitätssicherung vielmehr als Ziel an erkannt. Die Gesetze wurden beanstandet, weil sie zu allge mein gehalten waren. Das Bundesverfassungsgericht erwar tet, dass der Gesetzgeber die wesentlichen Entscheidungen selbst trifft und sie nicht anderen Einrichtungen wie z. B. den Agenturen oder dem Akkreditierungsrat überlässt.
Kurz gesagt: Das Parlament hat nicht nur die Regelungsbe fugnis; es hat auch die Pflicht, die wesentlichen Regelungen selbst zu treffen.
Für die Akkreditierungsverfahren fordert das Bundesverfas sungsgericht: Der Gesetzgeber muss die wesentlichen Krite rien nennen, er muss die Grundzüge des Verfahrens selbst re geln, und die Wissenschaft muss an den inhaltlichen Entschei dungen darüber hinaus maßgeblich beteiligt sein.
Die Länder haben sich nach dieser Entscheidung darauf ver ständigt, dass das ländergemeinsame und ländereinheitliche Akkreditierungssystem aufrechterhalten bleiben soll. Für sol che übergreifenden Projekte zwischen den Ländern ist der Staatsvertrag das Mittel der Wahl.
Ich freue mich deshalb, dass es gelungen ist, innerhalb des vorgegebenen zeitlichen Rahmens eine Verständigung unter den Ländern zu bewerkstelligen. Bereits gut ein Jahr nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts konnte der Staats vertrag erfolgreich abgeschlossen werden.
Dabei gab es durchaus unterschiedliche Positionen, sodass wir auch den einen oder anderen Kompromiss schließen mussten. Es war für uns aber zentral, dass die Gewährleistung der Qua lität von Studium und Lehre vorrangig Aufgabe der Hoch schulen selbst ist. Gleichzeitig war es der politische Wille, ins besondere auch unser Anliegen, die Kritik am bisherigen Ak kreditierungssystem aufzunehmen und sie produktiv umzu setzen.
Uns, der Landesregierung, waren dabei vor allem vier Punk te wichtig: erstens die Verschlankung der Regelwerke und der Verfahren, zweitens längere Laufzeiten für Akkreditierungen, drittens eine neue Rolle der Agenturen und viertens die Öff nung der Akkreditierung für alternative Verfahren, die soge nannte Experimentierklausel.
Zu den vier Punkten im Einzelnen: Die Verschlankung – ers tens – haben wir erreicht. Wir treten damit auch ein Stück weit dem in den letzten Jahren entstandenen Wildwuchs von Re gelungen entgegen. Im Laufe der Zeit, in den vergangenen Jahren hat jede Agentur ihren eigenen Stil entwickelt und ih re eigenen Akzente gesetzt, sodass sich da über die Jahre hin weg sozusagen ein dicker Aktenordner an unterschiedlichsten Vorgaben und Regelungen ergeben hatte. Dies wird jetzt al les in einem Staatsvertrag aus 18 Artikeln zusammengeführt. Dazu wird noch eine in Vorbereitung befindliche MusterRechtsverordnung mit 36 Paragrafen hinzukommen. Insge samt haben wir damit die Regelungen gestrafft und deutlich reduziert.
Der zweite Punkt ist ebenfalls erreicht. Die neuen Laufzeiten der Akkreditierung bringen für die Hochschulen eine deutli che Verbesserung. Sie wurden nicht nur vereinheitlicht, son dern auch auf acht Jahre verlängert.
Der dritte Punkt: Die Agenturen werden eine neue und geän derte Rolle erhalten. Sie sind künftig Dienstleister der Hoch schulen, die den Akkreditierungsbericht nach einem einheit lichen Muster als Entscheidungsgrundlage für den Akkredi tierungsrat erarbeiten. Sie sollen Berater der Hochschulen in Sachen Qualitätsentwicklung sein, und deswegen können sie nicht gleichzeitig Entscheider in dieser Angelegenheit sein. Die Entscheidung liegt künftig allein beim Akkreditierungs rat. Dadurch stellen wir künftig eine einheitliche Spruchpra xis her.
Der vierte Punkt ist die Öffnung der Akkreditierung für alter native Verfahren. Die Öffnung hat sich im Laufe unserer Be ratungen durchgesetzt. Auch das ist eine deutliche Handschrift aus Baden-Württemberg.
Die Regelungen für Experimente sind im Vertrag betont knapp gehalten, damit inhaltlich ein weiter Spielraum bestehen wird. Grundsätzlich gilt: Wenn die Hochschulen selbst vernünftige Modelle dafür entwickeln, wie sie die Qualität des Lehrange bots begutachten und verbessern, stehen wir dem offen gegen über. Wir wollen dies ermöglichen und keine unnötigen Hür den aufbauen.
Deswegen: Alles in allem ist der Staatsvertrag ein Fortschritt. Er schafft die erforderliche Rechtsgrundlage für eine Quali tätssicherung nach einheitlichen Standards, er führt zur Ver schlankung der Verfahren und zeigt gleichzeitig Offenheit für Experimente.
Wir werden in den kommenden Jahren auch genau beobach ten, wie sich das Thema Kosten entwickelt, und wir werden gegebenenfalls auch eingreifen, falls es zu unerwünschten Entwicklungen kommt.
Nach dem für Staatsverträge gültigen Verfahren haben wir Ih nen, dem Parlament, den Akkreditierungsstaatsvertrag recht zeitig vor der Unterzeichnung zur Kenntnis gegeben. Sie ha ben ihn mitgetragen. Dafür möchte ich mich bei dieser Gele genheit bedanken. Jetzt geht es darum, ihn durch Gesetz in Landesrecht zu übernehmen.
Gleichzeitig enthält der Gesetzentwurf Übergangsregelungen, die sicherstellen, dass bereits begonnene Verfahren nach al tem Recht zu Ende geführt werden können. Auch bleiben be stehende Akkreditierungen von der Rechtsänderung unbe rührt, sodass Hochschulen gewissermaßen in ihrem Akkredi tierungsturnus weiter verfahren können.
Der Staatsvertrag beschränkt sich also auf die großen Linien. Wir haben das Akkreditierungssystem schlanker und flexib ler gemacht. Wir haben uns dafür entschieden – mit allen Bun desländern gemeinsam –, das Akkreditierungswesen als Inst rument der Qualitätssicherung besser aufzustellen und ihm die notwendige Rechtsgrundlage zu verschaffen. Es gab ja auch Kritiker, die dagegen eingewendet haben, man könne das Gan ze schlicht und einfach bleiben lassen, komplett abschaffen und zur alten staatlichen Aufsicht und zum alten Genehmi gungsverfahren zurückkehren. Wir haben uns aus gutem Grund für einen anderen Weg entschieden und den Weg zurück zur kurzen Leine des Staates nicht beschritten.
Meine Damen und Her ren, für die Aussprache hat das Präsidium eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion festgelegt.
Bevor wir mit der Aussprache beginnen, habe ich eine Bitte an die rechte Seite der Regierungsbank: Ich bitte Sie, die Ge spräche in die Lobby zu verlegen, meine Damen Staatssekre tärinnen.
Herr Präsident, liebe Kol leginnen und Kollegen! Das deutsche Akkreditierungssystem befindet sich in einer Zeit des Umbruchs. In den beiden ver gangenen Jahrzehnten haben im deutschen Hochschulsystem tief greifende Veränderungen stattgefunden, zu denen u. a. die Studienreform mit der Umstellung auf Bachelor und Master sowie intensive Bemühungen um die Verbesserung von Qua lität in Studium und Lehre zählen.
Bachelor und Master haben immer mehr Akzeptanz in der Lehre, unter Studierenden und nicht zuletzt auch unter Arbeit geberinnen und Arbeitgebern gefunden. Das entspricht den
Anforderungen an Mobilität und Flexibilität, vor denen die jungen Menschen in ihrem Berufsleben stehen.
Die Notwendigkeit gesteigerter Transparenz, Vergleichbarkeit und Qualitätssicherung sind dabei logische Konsequenzen. Das erfordert eine externe Überprüfung.
Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom Februar 2016 hat eine Qualitätssicherung von Studium und Lehre zwar grundsätzlich für verfassungskonform erklärt – wir haben das gerade gehört –, zugleich hat das Gericht aber auch deutlich gemacht, dass das bisherige System juristisch nicht legitimiert ist, ein „Weiter so!“ nicht infrage kommt und bis zum Ende dieses Jahres der neue Staatsvertrag verabschiedet sein muss.
Mit dem Studienakkreditierungsstaatsvertrag wird dieser ge setzliche Rahmen geschaffen, indem viele Verfahren, Akteu re und Bewertungskriterien der Akkreditierung allgemein ge regelt werden. Er stellt dann das formalisierte Fundament dar und sorgt für Legitimation.
Ich freue mich also, dass wir heute den Neustart des Systems einleiten. Herzlichen Dank an Ministerin Bauer und ihre Mit arbeiterinnen und Mitarbeiter.
In einem umfangreichen Beteiligungsprozess hat man sich auf eine Vielzahl neuer Instrumente geeinigt. Die vier wichtigs ten wurden gerade erwähnt. Sie sollen u. a. auch die Akzep tanz des Akkreditierungssystems erhöhen.
Dabei bedeutet dieser Entwurf nicht, dass die bisherigen Ver fahrensweisen der internen und externen Qualitätssicherung an den deutschen Hochschulen grundlegend über den Haufen geworfen würden. Aber um der Wissenschaftsfreiheit mehr Gewicht zu verleihen – auch das wurde eben schon ausgeführt –, wurde beispielsweise die Zahl der Professorinnen und Pro fessoren im Akkreditierungsrat erhöht, und auch in den Gut achtergremien wird ihre Rolle gestärkt. Damit ist nun gewähr leistet, dass in fachlich-inhaltlichen Fragen eine strukturelle Mehrheit der Vertreterinnen und Vertreter aus der Wissen schaft vorhanden ist.
Der Staatsvertrag räumt den Fachbereichen bei den selbst ge setzten Qualifikationszielen eines Studiengangs zu Recht ei ne prominente Stellung ein. Schon bisher bildeten diese den implizit wesentlichen Maßstab zur Beurteilung der Studien gänge. Indem die Fächer selbst ihre Qualifikationsziele for mulieren, werden diese – wie schon bisher – zum Garant für die im Rahmen der externen Qualitätssicherung anerkannte Autonomie der Fakultäten und Fachbereiche in der Gestal tung von Studium und Lehre.
Politik, Öffentlichkeit, aber nicht zuletzt auch die Studieren denschaft der Hochschulen und der Arbeitsmarkt legen auf diese fachliche Gestaltung ebenso großen Wert wie auf Trans parenz und Vergleichbarkeit der Studien- und Abschlussni veaus im nationalen wie internationalen Rahmen.
Die Studierbarkeit des Studiums innerhalb des gegebenen Zeitrahmens inklusive der Möglichkeit zur Mobilität ist ein weiterer wichtiger Aspekt, insbesondere für die Studierenden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Qualität des Studiums ist zukunftsentscheidend. Gerade in Baden-Württemberg mit seiner starken Wirtschaft brauchen wir gut ausgebildete und
hoch motivierte Menschen – und das übrigens nicht nur in den technischen Fächern. Wir in Baden-Württemberg als dem Land der Dichter und Denker und der Tüftler haben einen ho hen Anspruch, wenn es um unsere Hochschulen geht. Wir ge ben den in unserem Land Studierenden das beste Rüstzeug an die Hand, wenn es darum geht, ihre eigene Zukunft wie auch die unserer Wirtschaft und unserer Gesellschaft positiv zu ge stalten.
Durch das Inkrafttreten des Staatsvertrags am 1. Januar 2018 werden die Verhältnisse zwischen Hochschulen, Akkreditie rungsagenturen und Akkreditierungsrat geklärt. Mit diesem Entwurf werden wir unserer Verantwortung gemeinsam mit den anderen Bundesländern gerecht. Hier zeigen sich die Funktionsfähigkeit unseres Föderalismus sowie die positive Entwicklung der Vergleichbarkeit von Studium und Lehre.
Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Es gibt Dinge, die sich hartnäckig hal ten, z. B. das Klischee vom Langzeitstudenten, der immer gern ausschläft, nur Party macht und sein Studium doch nie zu En de bringt. Dabei wissen wir alle, dass für die mit Abstand meisten Studierenden das Studium alles andere als ein Selbst zweck ist. Sie investieren viel Fleiß und Energie in ihr Studi um, weil sie gut ausgebildet und qualifiziert sein wollen, wenn sie nach dem Studium einen Beruf ergreifen.
Die Studierenden dürfen deshalb zu Recht von der Politik er warten, dass sie nach dem Studium nicht in den berühmten Elfenbeinturm gesetzt werden, sondern dass sie am Ende im mer einen Abschluss in der Tasche haben, der sie zur Berufs ausübung befähigt. Selbstverständlich ist es Aufgabe der Po litik, genau dafür Sorge zu tragen.
Damit keine Missverständnisse aufkommen: Prinzipiell wird schon allein im Rahmen der Wissenschaftsfreiheit für eine entsprechend gute Ausbildung gesorgt. Doch der grundgesetz liche Schutz der Berufsfreiheit erlaubt Kontrollen, wie es sie seit Einführung der Akkreditierung im Zuge von Bologna auch gibt. Dennoch hat das Bundesverfassungsgericht mit seinem Beschluss vom 17. Februar 2016 noch einmal ausdrücklich klargestellt, dass die Qualitätssicherung von Studiengängen ein Ziel mit Verfassungsrang ist.
Doch weil die Qualitätssicherung eben auch in die Wissen schaftsfreiheit eingreift, hat das Bundesverfassungsgericht vom Gesetzgeber eine klare gesetzliche Grundlage für das Ak kreditierungssystem gefordert. Dieser Vorgabe kommen die Bundesländer nun mit dem vorliegenden Entwurf eines Stu dienakkreditierungsstaatsvertrags, den wir heute hier disku tieren, gemeinsam nach.