Um Bauwerkssicherheit dennoch wie bisher zu gewährleis ten, enthält der Gesetzentwurf eine Ermächtigungsgrundlage für den Erlass einer neuen technischen Verwaltungsvorschrift, und diese Verwaltungsvorschrift dient der Konkretisierung von Bauwerksanforderungen. Dies können Anforderungen beispielsweise im Hinblick auf die Standsicherheit, den Brand schutz oder auch auf Gesundheits- und Umweltschutz sein. Der Bauherr, die Bauherrin muss die Auswahl der zu verwen denden Bauprodukte sachgerecht anpassen.
Die Zuständigkeit für den Erlass der Verwaltungsvorschrift weist der Gesetzentwurf den obersten Baurechtsbehörden des
Landes – sprich dem von mir schon erwähnten Wirtschafts ministerium und dem Umweltministerium – im gegenseitigen Einvernehmen zu. Aus kompetenzrechtlichen Gründen sind wir in diesem Punkt von der Musterbauordnung abgewichen, welche diese Aufgabe dem Deutschen Institut für Bautechnik zuweist. Übrigens ist Baden-Württemberg nicht das einzige Bundesland, das so verfahren ist. Vielmehr haben auch die beiden Länder Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt die Zuständigkeit an die obersten Baurechtsbehörden der jewei ligen Länder gegeben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Änderung der Landesbauordnung im Bereich des Bauproduktenrechts ist er forderlich, um, wie gesagt, die baurechtlichen Anforderungen an das jetzt gültige europäische Bauproduktenrecht und an die Erfordernisse, die sich aus dem Urteil ergeben, das ich zitiert habe, anzupassen. Ich bitte Sie daher um die Unterstützung des von der Landesregierung hier im Hohen Haus eingebrach ten Gesetzentwurfs.
Meine Damen und Her ren, für die Aussprache hat das Präsidium eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion festgelegt.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Landesbauord nung bietet ja durchaus Stoff für kontroverse Debatten. Aber heute geht es eben nicht um Dach- und Fassadenbegrünung, auch nicht um Fahrradstellplätze
und auch nicht um die Frage, wie viele barrierefreie Wohnun gen wir brauchen. Sicher werden wir auch noch die eine oder andere Diskussion zu durchaus kontroversen Themen haben, wenn uns die Ergebnisse der Wohnraum-Allianz vorliegen.
Aber all dies ist heute nicht unser Thema. Vielmehr ist das, worum es heute geht, politisch wohl recht unstrittig. Denn es geht um die Umsetzung von EU-Recht oder, genauer, um die Anpassung baurechtlicher Vorschriften an das europäische Bauproduktenrecht.
Bisher waren hier nationale Verwendungs- und Übereinstim mungsnachweise für CE-gekennzeichnete Bauprodukte not wendig. Das ist mit dem EU-Recht nicht kompatibel – der Herr Minister hat es ja eben auch ausgeführt –, weil nationa le Anforderungen nicht über die europäische Norm hinausge hen dürfen. Dazu gab es 2014 ein Urteil, dem auch nachge kommen werden muss und dem die Bauministerkonferenz 2016 mit einer neuen Musterbauordnung auch nachgekom men ist. Diese hat keine eigene Rechtswirkung. Deswegen be steht heute die Notwendigkeit, die Umsetzung in Landesrecht vorzunehmen.
Ich will noch kurz etwas zu den Ergebnissen der Anhörung sagen. Denn in der Sache hat der Herr Minister ja schon alles umfassend ausgeführt. Die Ergebnisse der Anhörung waren
durchaus unterschiedlich. Es gab teilweise positive Reaktio nen, u. a. auch von den kommunalen Landesverbänden, weil man sich sinkende Baukosten erhofft. Kritik kam aber auch von den Verbänden der Bauwirtschaft, des Handwerks und der Immobilienwirtschaft, weil man dort befürchtet, dass sich er höhte Planungs- und Haftungsrisiken ergeben und dies eher wieder zu einer Kostensteigerung führt.
Auch die Architektenkammer hat sich zu Änderungen durch aus kritisch geäußert, weil sie Lücken in der europäischen Normung sieht und eine europäische Bauproduktennormung für notwendig hält. Bund und Länder versuchen auf europäi scher Ebene zurzeit, sich hier für einen Stufenplan einzuset zen.
All dies ändert aber nichts daran, dass wir diese Änderung heute vollziehen müssen. Sie ist dringend, und sie ist auch ein fach zwingend – deshalb auf jeden Fall Zustimmung von un serer Seite.
Herr Präsident, meine sehr geehr ten Damen und Herren! „Gesetz zur Änderung der Landes bauordnung“ – beim Wort „Landesbauordnung“ ahne ich schon die ersten Zuckungen. Daher möchte ich am Anfang meiner Rede sagen: Ich möchte voll und ganz dem zustimmen, was Kollegin Lisbach und Minister Untersteller gesagt haben. Die CDU-Fraktion stimmt ihren Ausführungen voll und ganz zu. Da passt kein Blatt dazwischen; wir sind ganz ihrer Meinung. Die SPD könnte sich mit Blick auf vergangene Tage einmal eine Scheibe davon abschneiden.
Natürlich geht es um notwendige Anpassungen an die bau rechtlichen Vorschriften. Das Ziel ist ja nicht mehr Bürokra tie, sondern das Ziel lautet Harmonisierung des Binnenmarkts, Freiheit für Waren und Dienstleistungen sowie europaweite Vermarktung von Bauprodukten über die sogenannte CEKennzeichnung, die Sie alle sicher schon einmal gesehen ha ben.
Es geht also darum, europäisch harmonisierte Normen für Bauprodukte anzuwenden und deren Qualitätseigenschaften zu bestimmen. Zusätzliche nationale Anforderungen sind da her nicht zulässig und auch nicht mehr nötig; denn eine Re gulierung erfolgt auf europäischer Ebene. Damit ist dafür ge sorgt, dass ein freier Warenverkehr stattfinden kann und die ser nicht wie in der Vergangenheit behindert werden kann. Im Interesse eines freien europäischen Wettbewerbs soll der Bür ger selbst entscheiden, welche Produkte aus diesem europäi schen Warenkorb er erwirbt.
Die Änderungen werden also nicht nur von Baden-Württem berg vorgenommen, sondern auch von allen anderen Ländern. Hierzu sind wir seit 2014 bereits aufgefordert; insofern ist es höchste Zeit, dass dieser Gesetzentwurf jetzt ins Parlament eingebracht wird, dass wir in den Ausschüssen darüber debat tieren und das Gesetz dann hier in zweiter Lesung verabschie den.
Der vorliegende Gesetzentwurf steht für mehr Marktfreiheit, für Verwaltungsvereinfachung und auch für weniger Bürokra tie in ganz Europa.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Dieses Thema ist ein veritables Beispiel dafür, auf welche Art und Weise der Europäische Gerichtshof sich, wie so oft, unter Umgehung der Gewaltenteilung zum Erfüllungsgehilfen der Kommission macht.
(Abg. Winfried Mack CDU: Ach komm! Den Satz musst du aufschreiben, sonst kriegst du ihn nicht raus!)
Die Interessen der Mitgliedsländer spielen mal wieder keine Rolle mehr, und die Mindestqualitätsstandards der Baupro dukte werden zugunsten einer europäischen Standardisierung abgesenkt.
Dies hat natürlich Auswirkungen auf unsere zukünftigen Bau projekte. Als Beispiel für eine Gefahr, die bei den nachlässi gen EU-Normen wieder auftreten könnte, sei der sogenannte Betonkrebs genannt, also die Alkali-Kieselsäure-Reaktion bei Betonzuschlägen. Diese kann zu gefährlichen und teuren Be tonschäden führen. Auch in Bezug auf die Brennbarkeit von Mineralfaserdämmstoffen und damit die Sicherheit der Men schen sind die Standards der EU-Normen deutlich niedriger angesetzt.
Ein weiteres großes Problem ist auch die Bürokratie, unter der Handwerk und Industrie ja schon jetzt leiden – als Ingenieur weiß ich, wovon ich spreche. Diese Bürokratie wird nun so gar noch weiter aufgebläht, statt sie endlich – so, wie wir dies schon immer fordern – abzubauen. Da nämlich nicht jedes CE-zertifizierte Produkt nach bisherigen Standards sicher ist, müssen die Planer und Bauherren in Zukunft also bei vielen Baustoffen umfangreich nachforschen und deren Eigenschaf ten mit den Verwaltungsvorschriften abgleichen.
Stellen Sie sich bitte diesen Aufwand bei jedem Bauwerk vor! Wenn diese Entwicklung mit weiteren unsinnigen Vorschrif ten der EU weitergeht, ist die Planung bald teurer als der ei gentliche Bau.
Wenn Sie darin nun einen Missbrauch dieser Debatte für EUKritik sehen, dann haben Sie wahrscheinlich noch nicht mit Architekten oder Bauingenieuren geredet. Insgesamt ca. 65 Verbände, Hersteller und Institute haben sich kritisch geäu ßert, darunter auch die Bundesingenieurkammer und die Bun
desarchitektenkammer, wie vorhin erwähnt. Diese fordern nun als Notlösung eine Übersicht über künftig fehlende Produkt anforderungen und deren zusätzliche privatrechtliche Verein barung. Höhere nationale Standards seien mittlerweile ja schließ lich europarechtswidrig.
Mit anderen Worten: Das Urteil gefährdet die bisherigen Qua litätsstandards. Um diese weiterhin zu gewährleisten, soll nun bei Ausschreibungen auf gleichbleibend strenge Kriterien ge achtet werden. Natürlich wäre dies dann aber keine verpflich tende Regelung mehr, erst recht nicht für private Bauträger. Ein Expertenverband zeigt hier also auf, wie kontraproduktiv dieses Urteil grundsätzlich war. Ausländischen Bauunterneh men, die nicht bereit sind, sich freiwillig auf die hohen bishe rigen Standards in Deutschland zu verpflichten, sind nun Tür und Tor geöffnet. Ich sehe schon jetzt kommen, dass der Pfusch bei Bauprojekten zunehmen wird und infolgedessen auch die Kosten weiter explodieren werden.
Diese Änderung der Landesbauordnung ist jedenfalls ein an schauliches Beispiel dafür, dass dieser EU-Zentralismus auf hören muss. Gleiche Regelungen zu Baustoffen von Schwe den bis Bulgarien sind der EU-Kommission wichtiger als si chere Außengrenzen, und der Europäische Gerichtshof urteilt einmal mehr obrigkeitshörig.
Anknüpfend an den übernächsten Tagesordnungspunkt, die Debatte über europapolitische Themen, sei daher gesagt: So viel EU wie nötig, so wenig wie möglich.
Übrigens ist es keineswegs so, dass es von Anfang an keinen Ausweg aus diesem Dilemma gegeben hätte. Die deutsche Bundesregierung hätte durchaus mit Konsequenzen auf stren gere EU-Normen pochen können, die den deutschen Normen zumindest nahekämen. Eine offizielle Beschwerde hätte man früher und umfassender einreichen müssen. Sie sehen, mehr Druck auf Brüssel wäre für die Bundesregierung durchaus möglich gewesen. Aber nein, Ihre Parteifreunde, liebe CDU und liebe SPD, haben dabei wieder einmal versagt.
Grundsätzlich bleibt also zu hoffen, dass durch die Verwal tungsvorschrift Technische Baubestimmungen und die vorha benbezogene Bauartgenehmigung nach § 16 a Absatz 2 der Musterbauordnung die qualitativen Abstriche kleingehalten werden können.