Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns die gravie renden Mängel dieses Gesetzentwurfs gemeinsam in den Aus schussberatungen beheben, und lassen Sie uns vielleicht bei anderer Gelegenheit einmal generell über dieses Thema dis kutieren. Denn, wie Sie zu Recht erwähnt haben, Ihre Vorgän gerin war da sehr ambitioniert und mutig auf dem Weg.
(Minister Manfred Lucha: Das schwedische Vorge hen fördert die Prostitution in den baltischen Staaten! – Glocke des Präsidenten)
Sehr geehrter Herr Prä sident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute in erster Lesung das Ausführungsgesetz zum Prostituiertenschutz gesetz, das der Bund verabschiedet hat. Wir können an die Festlegungen des Bundes also nicht herantreten und diese kor rigieren. Wir können dies kritisieren, aber heute geht es natür lich um das Ausführungsgesetz, das dennoch einige Spielräu me bietet.
Ziel des Ausführungsgesetzes ist es, die mit dem Milieu typi scherweise verbundene Kriminalität wie Menschenhandel, Gewalt und Ausbeutung von Prostituierten sowie Zuhälterei zu bekämpfen. Deswegen hat man mit dem Bundesgesetz ei ne Beratungspflicht eingeführt; dies ist zukünftig bei den Stadt- und Landkreisen angesiedelt.
Es ist also eine Anmeldebescheinigung notwendig. Diese Be scheinigung kann verweigert werden, wenn tatsächliche An haltspunkte darauf schließen lassen, dass der Entschluss, der Prostitution nachzugehen, in hohem Maß fremdbestimmt ist. In diesem Gespräch soll also festgestellt werden, ob die Pro stituierten diese Tätigkeit selbstbestimmt und aus freien Stü cken durchführen.
Der Landkreistag schätzt, dass etwa 80 % derjenigen, die zu einem solchen Anmeldungsgespräch kommen, der deutschen Sprache nicht mächtig sind und einen Dolmetscher brauchen.
Jetzt muss ich mich schon fragen, wie das abläuft, wenn vie le junge Prostituierte mit 18, 19 Jahren aus Bulgarien und Ru mänien kommen, die kein Wort Deutsch sprechen. Überlegen Sie einmal, wie groß in anderen Branchen die Chance wäre, selbstbestimmt und selbstständig zu arbeiten, wenn man die deutsche Sprache nicht spricht. An diesem Punkt frage ich mich schon: Wie kann jemand, der kein Wort Deutsch kann, überhaupt in der Lage sein, frei und selbstbestimmt dieser Aufgabe als Prostituierte nachzugehen? Da würde ich mir wünschen, dass wir im Ausführungsgesetz diese Aspekte mit deutlicher Stringenz betrachten.
Versetzen Sie sich einmal in die Lage der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landkreise, die diese Aufgabe jetzt neu auf sich nehmen und die dann 35 Minuten Zeit haben – so ist der Zeitrahmen, Frau Wehinger –, das Gespräch mit Dolmet scher zu führen, um dann zu bewerten, ob die jeweilige jun ge Dame eine Anmeldebescheinigung bekommt.
Ich muss mich wundern, dass im Entwurf des Ausführungs gesetzes vorgegeben ist, für diese Tätigkeit reiche der mittle re Dienst. Nichts gegen den mittleren Dienst, aber wenn ich sehe, wie die Landesregierung bei den Integrationsmanagern die Hürde bis hin zum Universitätsabschluss nicht hoch ge nug legen kann,
dann wundere ich mich, dass in diesem Bereich der mittlere Dienst ausreicht, obwohl Sie, Frau Wehinger, bekräftigen, es solle etwas gegen die sexuelle Ausbeutung getan werden. Der mittlere Dienst wird vermutlich deswegen als ausreichend er achtet, weil das Land weniger vergüten will. Das ist doch kei ne qualifizierte Behandlung der Thematik, die Sie hier an den Tag legen.
Seit Juli 2017 erfolgt diese Beratung ja durch das Sozialmi nisterium. Daher hätte ich gern, dass Sie, Herr Minister, nächs te Woche einmal im Ausschuss über die Erfahrungen berich ten. Vielleicht wäre es gut, wenn eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter, die bzw. der das durchführt, in den Ausschuss kommt und bestätigt, dass das völlig problemlos mit Dolmet scher in 35 Minuten zu machen ist. Das Sozialministerium hat ja jetzt entsprechende Erfahrungen.
Auch das, was Frau Wölfle hinsichtlich der Kosten angespro chen hat, können wir sicherlich noch einmal im Ausschuss be sprechen. Aber meine Bitte ist: Herr Minister Lucha, bringen Sie zur Ausschussberatung eine Mitarbeiterin mit, die das seit Juli macht und berichten kann, wie das in der vorgegebenen Zeit funktioniert. Das wäre, denke ich, wichtig.
Uns würde natürlich auch interessieren, wie die Verwaltungs vorschriften, der Leitfaden und die Orientierungshilfe ausse hen, damit wir das nochmals intensiv besprechen können.
Wenn Sie mit den Verantwortlichen der Landkreise sprechen, die sich mit diesem Gesetz beschäftigen müssen, stellen Sie fest, dass es da noch sehr viele Fragen gibt. Aber dieses Ge setz wird jetzt durchgepeitscht. Am 25. Oktober ist die zwei te Lesung, und am 1. November soll es in Kraft treten. Wer verantwortlich mit diesem wichtigen Thema umgeht – Frau Wehinger, Sie haben mehrmals betont, wie wichtig es ist, die Prostituierten zu schützen –, lässt das Gesetz nicht zum 1. No vember 2017 in Kraft treten, sondern frühestens zum 1. Janu ar 2018.
Das ist das Mindeste. Da sollten Sie noch mal in sich gehen. Wie soll dies in dieser kurzen Zeit möglich sein? Die Land kreise konnten sich bisher nicht damit beschäftigen, müssen aber jetzt Mitarbeiter für diese Aufgabe bereitstellen und sie entsprechend schulen. Da muss man fairerweise wirklich sa gen: Das lässt sich nicht zum 1. November umsetzen.
Sie schütteln den Kopf. Wir können ja nächste Woche im Ausschuss darüber sprechen. Meine Ansicht ist: Wenn man verantwortlich mit diesem Ausführungsgesetz umgeht, dann sollten wir es frühestens zum 1. Januar 2018 in Kraft setzen.
Meine Damen und Her ren, es liegen mir keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Aussprache beendet.
Ich schlage vor, den Gesetzentwurf Drucksache 16/2743 zur weiteren Beratung an den Ausschuss für Soziales und Integ ration zu überweisen. – Es erhebt sich kein Widerspruch. Da mit ist das so beschlossen.
Wir kommen zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung des Antrags der Fraktion der SPD, Drucksache 16/2014. Der An trag ist ein reiner Berichtsantrag und kann für erledigt erklärt werden. – Sie stimmen dem zu.
Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zu dem Staatsvertrag zwischen dem Land BadenWürttemberg, dem Freistaat Bayern, dem Land Berlin, dem Land Brandenburg, der Freien Hansestadt Bremen, der Freien und Hansestadt Hamburg, dem Land Hessen, dem Land Mecklenburg-Vorpommern, dem Land Nieder sachsen, dem Land Nordrhein-Westfalen, dem Land Rheinland-Pfalz, dem Saarland, dem Freistaat Sachsen,
dem Land Sachsen-Anhalt, dem Land Schleswig-Holstein und dem Freistaat Thüringen über die Organisation eines gemeinsamen Akkreditierungssystems zur Qualitätssiche rung in Studium und Lehre an deutschen Hochschulen (Studienakkreditierungsstaatsvertrag) und zur Änderung des Landeshochschulgesetzes – Drucksache 16/2744
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie aufgepasst haben, haben Sie gemerkt: Ich habe immer gesagt „Land“. Vielleicht merken wir uns alle einmal für alle weiteren Wortmeldungen: Wir haben in Deutschland keine Bundesländer, sondern Län der.
(Beifall bei Abgeordneten der Grünen, der CDU, der AfD und der SPD – Abg. Reinhold Gall SPD: Ja wohl! Sehr gut! – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Wa rum haben Sie das Land Sachsen nicht weggelassen?)
Wohl wahr, Herr Präsident! – Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn es in der „Tagesschau“ um Gravitationswellen, um Kryo-Elektronenmikroskopie geht oder um die biomolekularen Regulationen unserer inneren Uhr wie zurzeit, dann heißt das ja meist eines: Es ist wieder die Zeit im Jahr, in der mit dem Nobelpreis die wichtigsten wis senschaftlichen Errungenschaften unserer Zeit ausgezeichnet werden und in der für eine breite Öffentlichkeit sichtbar wird, zu welch bewundernswerten Leistungen der ungezügelte For schergeist und die freie Wissenschaft in der Lage sind. Also ist es kein Wunder, dass Wissenschaftsfreiheit zu unseren zen tralen Freiheitsrechten gehört und dass sie als solches deswe gen auch einen besonderen Schutz genießt.
Wir wissen aber auch aus eigener Erfahrung, dass es nicht im mer einfach ist, das Gebot der Wissenschaftsfreiheit angemes sen und ausbalanciert in Strukturen und Gesetze zu überset zen. Erst vor Kurzem haben wir hier im Land Baden-Würt temberg in Reaktion auf ein Urteil des baden-württembergi schen Verfassungsgerichtshofs Änderungen des Landeshoch schulgesetzes präsentiert, um die Wissenschaftsfreiheit stär ker und besser abzubilden.
Unseren Kollegen in Nordrhein-Westfalen ist es ähnlich er gangen. Das Bundesverfassungsgericht erklärte am 17. Feb ruar 2016 das nordrhein-westfälische Hochschulgesetz für verfassungswidrig, soweit es um Programmakkreditierungen von Studiengängen ging, also um das Verfahren der Qualitäts beurteilung und Qualitätssicherung der Studiengänge an den Hochschulen. Es stellte fest, das Gesetz berücksichtige Wis senschaftsfreiheit nicht adäquat.
Jetzt fragen Sie sich vielleicht: Was geht uns das an? Ich möchte Ihnen das erklären. Der Beschluss betrifft alle Län der, weil die Entscheidung auf einer Gesamtbewertung beruht, in der das Bundesverfassungsgericht das nordrhein-westfäli sche Hochschulgesetz zusammen mit dem Akkreditierungs stiftungsgesetz betrachtet hat und auch dieses Gesetz bean