Protocol of the Session on October 11, 2017

Berichterstatter: Abg. Martin Rivoir

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Allge meine Aussprache eine Redezeit von fünf Minuten je Frakti on festgelegt.

In der Allgemeinen Aussprache erteile ich Frau Abg. Zimmer für die Fraktion GRÜNE das Wort.

Verehrte Frau Präsidentin, lie be Kolleginnen und Kollegen! Zu Beginn darf ich aus dem Koalitionsvertrag zitieren:

Baden-Württemberg ist als Flächenland auch im Bereich des öffentlichen Verkehrs auf schnelle und leistungsfähi ge Verkehrswege und gute Verbindungen in urbanen wie ländlichen Räumen angewiesen. Ein verlässliches und at traktives Angebot von Bahnen und Bussen ermöglicht die Mobilität und Teilhabe für alle Menschen.

Mit der heutigen zweiten Lesung gehen wir einen wichtigen Schritt, dieses vereinbarte Ziel umzusetzen. Unser Ziel ist es, bis 2025 ein landesweites, bedarfsangepasstes und verlässli ches ÖPNV-Grundangebot von frühmorgens bis spätabends mindestens im Stundentakt zu schaffen. Deshalb haben wir versprochen, ein schlüssiges und zeitgemäßes Nachfolgesys tem der Ausgleichszahlungen für Ausbildungsverkehre nach § 45 a des Personenbeförderungsgesetzes zu entwerfen.

Mit dem heutigen Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen, hal ten wir dieses Versprechen. Nach einer breiten Verfahrensbe teiligung haben wir mit dem Städtetag, dem Landkreistag, dem Verband Baden-Württembergischer Omnibusunterneh mer und dem Verband Deutscher Verkehrsunternehmen eine für alle praktikable Lösung erarbeitet, die Anforderungen aus dem EU-Recht berücksichtigt, die vorausschauend geplant ist und von der alle Fahrgäste im Land profitieren werden.

(Beifall bei den Grünen und der Abg. Nicole Razavi CDU)

Das Gesetz wurde so überarbeitet, dass die Vorteile klar auf der Hand liegen. Bisher fließen rund 20 Millionen € als Aus gleichszahlungen für verbilligte Schüler- und Ausbildungsti

ckets direkt vom Land an die Verkehrsunternehmen und so in den ÖPNV.

(Abg. Jochen Haußmann FDP/DVP: Nicht 20, son dern 200 Millionen €!)

Hier bestand – – Was habe ich gesagt?

(Abg. Jochen Haußmann FDP/DVP: 20!)

Es sind 200 Millionen €. – Hier bestand dringender Hand lungsbedarf. Nicht nur, dass diese Regelung wegen der lang jährigen Pauschalisierung nicht rechtskonform ist; auch die Stimmen aus den Landkreisen und den Gemeinden wurden immer lauter, dies zu ändern. Wenn der ÖPNV von Bürger meistern und Landräten als Megathema eingestuft wird und wenn einhellig der Wunsch herrscht, ihn nicht allein am Schü lerverkehr auszurichten, dann müssen wir von Landesseite her reagieren und neue Grundlagen schaffen.

(Beifall bei den Grünen – Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Wir wollen einen flächendeckenden ÖPNV, der eine verläss liche Alternative zum eigenen Auto bietet und sich nicht nur an den Unterrichtszeiten der Schulen orientiert. Wir wollen einen ÖPNV, der den heutigen Mobilitätsanforderungen der Menschen gerecht wird und der die Mobilitätsansprüche für Beruf, für Bildung, für Versorgung, Freizeit und gesellschaft liche Teilhabe sichert.

Die Reform hat zwei wesentliche Elemente. Zum einen stär ken wir die Landkreise als Aufgabenträger; denn diese wis sen am besten, wie der ÖPNV aussehen soll, der vor Ort ge braucht wird. Zum anderen ermöglichen wir mit der Mittel aufstockung eine bedarfsorientierte Neusortierung der Ver kehre. Beginnend mit dem Jahr 2021 wird es bis 2023 eine schrittweise Erhöhung um insgesamt 50 Millionen € auf dann 250 Millionen € geben. Dieses Geld kommt zur Hälfte vom Land und zur anderen Hälfte von den Kommunen, und es fließt direkt in den ÖPNV. Darin sind sich alle Beteiligten ei nig.

(Beifall bei den Grünen und der Abg. Nicole Razavi CDU)

Jetzt werden Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, wieder darauf hinweisen, dass diese 50 Millionen € zu spät kommen.

(Abg. Martin Rivoir SPD: Genau! Richtig! – Gegen ruf der Abg. Nicole Razavi CDU: Das lag an eurer Seite!)

Im Gegenzug darf ich Sie darauf hinweisen: Diesen Gesetz entwurf hätten wir gern schon früher eingebracht, aber wir sind in der letzten Legislaturperiode daran gescheitert, dass wir mit Ihnen, mit unserem damaligen Koalitionspartner, kei ne Einigung und auch keine Aufstockung der Mittel hinbe kommen haben.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der CDU – Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Genau! So war es!)

Mit den Änderungsanträgen, die seit der ersten Lesung im Landtag eingereicht wurden, stellen wir sicher, dass die zur Verfügung gestellten Gelder in einem fairen und transparen ten Verfahren an die Unternehmen abfließen und dass die Ge meinden und Landkreise in ihrem selbstständigen Handeln unterstützt werden. Wir stellen außerdem sicher, dass die Bus unternehmen für keine neuen Kosten – wie eine Umsatzsteu er auf die Zuschüsse – aufkommen müssen.

Die zusätzlichen Mittel in Höhe von 2 Millionen € für Ver waltungskosten, die bei den Aufgabenträgern jetzt anfallen, sind ausreichend; dieser Betrag ist mit den kommunalen Lan desverbänden abgestimmt. Deshalb werden wir dem vorlie genden Antrag der AfD nicht zustimmen.

Mit unserem vorliegenden Entschließungsantrag stoßen wir außerdem ein Bündnis für den Mittelstand im öffentlichen Personennahverkehr an.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Sehr gut!)

Wir gewährleisten auf diese Weise, dass die kleinen und mitt leren Unternehmen eine erfolgversprechende Zukunft in dem neu gestalteten Umfeld haben werden. Wir lassen die Unter nehmen in unserem Land nicht im Regen stehen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und des Abg. Thomas Dörflinger CDU – Abg. Hermann Katzen stein GRÜNE: Genau!)

Nun möchte ich noch ein Dankeschön sagen – ein Dankeschön an unseren Verkehrsminister Hermann und sein ganzes Haus, der in einem umfassenden Beteiligungsverfahren die unter schiedlichen Interessen zu dem jetzt vorliegenden Konsens zusammengeführt hat. Diesen Austausch werden wir auch in Zukunft brauchen.

Zum Schluss: Wir haben ein gutes Paket für alle Beteiligten geschnürt. Bringen wir dies nun heute auf den Weg, damit wir unseren ÖPNV in Zukunft fair, effektiv, transparent und at traktiv für alle Bürgerinnen und Bürger gestalten können.

(Beifall bei den Grünen)

Das Wort für die CDUFraktion erteile ich Herrn Kollegen Dörflinger.

Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Es gibt Gesetze, die laufen schon in der Vorbereitung relativ geräuschlos und glatt durch, und es gibt Gesetze, bei denen bis zum Schluss um jede einzelne Formu lierung gerungen wird. Der heute vorliegende Gesetzentwurf gehört sicherlich zur zweiten Kategorie.

Doch dieses Ringen um eine gute Lösung hat sich gelohnt. Wir verabschieden heute ein Gesetzesvorhaben, das den Inte ressen des Landes, der kommunalen Landesverbände und auch der Busunternehmen gerecht wird. So zeigt sich mal wie der: Die schwierigsten Geburten bringen am Ende die schöns ten Kinder.

(Vereinzelt Heiterkeit – Beifall des Abg. Hermann Katzenstein GRÜNE – Abg. Martin Rivoir SPD: Oh! – Zuruf des Abg. Jochen Haußmann FDP/DVP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der öffentliche Personen nahverkehr genießt bei uns einen hohen Stellenwert, und dies vollkommen zu Recht. Das merken Sie, wenn Sie die Debat te um die Luftreinhaltepläne in den Städten verfolgen. Doch nicht nur in den Städten, sondern auch im ländlichen Raum ist ein gut ausgebauter ÖPNV unerlässlich. Busverbindungen sind dort für einige Menschen der Schlüssel, um überhaupt an der Gesellschaft teilhaben zu können. Kurzum: Der ÖPNV ist gleichermaßen wichtig für die Ballungsräume wie auch für die ländlichen Räume.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Genau!)

Nun genügt die bisherige Finanzierungspraxis des ÖPNV nicht mehr dem europäischen Rechtsrahmen und muss daher geändert werden. Die 200 Millionen € Ausgleichsleistungen für Verkehrsunternehmen gehen künftig – das hat die Vorred nerin schon gesagt – direkt an die Aufgabenträger; das sind die Stadt- und Landkreise.

Geschaffen wurde die Grundlage für die Kommunalisierung in einem Eckpunktepapier, das von allen betroffenen Verbän den unterzeichnet wurde. Damit war der Weg frei für den heu te vorliegenden Gesetzentwurf.

Wir werden dem Gesetzentwurf zustimmen, weil damit fol gende für uns wichtige, elementare Voraussetzungen erfüllt werden. Erstens: die aktive Einbindung der Verkehrsunterneh men und auch der kommunalen Aufgabenträger. Zweitens: die Aufstockung der Finanzmittel ab dem Jahr 2021, um damit das ÖPNV-Angebot weiter ausbauen und verbessern zu kön nen. Und drittens sollte sichergestellt sein, dass z. B. Schüler monatskarten um mindestens 25 % günstiger sind als regulä re Monatskarten. Das ist ein notwendiger sozialer Beitrag, der uns sehr wichtig ist.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Herzstück der ÖPNV-Finanzreform ist aber auch die deutli che Mittelaufstockung um 50 Millionen €, die jeweils zur Hälfte vom Land und von der kommunalen Seite getragen wird.

(Abg. Martin Rivoir SPD: In der nächsten Legisla turperiode! Beschlüsse zulasten Dritter!)

Ab 2023 stehen dann jährlich insgesamt 250 Millionen € zur Verfügung. Das ist, auch im Vergleich mit anderen Bundes ländern, ein toller Betrag, der es ermöglicht, das ÖPNV-An gebot weiter attraktiv zu gestalten. Wir sind stolz, dass wir das hinbekommen haben.

Für uns, die CDU-Fraktion, ist ein ganz wichtiger Punkt, dass bei dieser Reform die kleineren und mittleren Verkehrsunter nehmen nicht unter die Räder kommen. Wichtig ist uns des halb, dass der Unternehmeranspruch auf die Ausgleichsmit tel fest verankert wird, und das ist im Gesetzestext nun klar geregelt.

Mit dem durch die Regierungsfraktionen auf den Weg ge brachten Bündnis für den Mittelstand im ÖPNV wollen wir den Rahmen schaffen, dass die Aufgabenträger den Busver kehr auch in Zukunft mittelstandsfreundlich gestalten können.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Aufgabe dieses Bündnisses von Land, Verkehrsunternehmen und den kommunalen Verbänden wird sein, gemeinsam ge eignete Maßnahmen zu entwickeln. Linienbündel sollten z. B. so gestaltet werden, dass auch kleinere Unternehmen reelle Chancen haben, Ausschreibungsverfahren zu gewinnen.

Den Stadt- und Landkreisen empfehlen wir, die Gestaltung der Satzung möglichst einheitlich zu handhaben und sich auch dort mit den Verkehrsunternehmen eng abzustimmen. Denn ein Flickenteppich an Regelungen bringt den ÖPNV nicht weiter voran.

Die CDU-Fraktion wird dem Gesetzesvorhaben samt dem Ih nen vorliegenden Änderungsantrag, der sachlich begründet und auch mit den kommunalen Landesverbänden abgestimmt ist, zustimmen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, mit der notwendi gen Neuordnung der ÖPNV-Finanzierung und dem bundes weit modellhaften Bündnis für den Mittelstand setzen wir ein starkes Zeichen für den ÖPNV in Baden-Württemberg.