Protocol of the Session on June 22, 2017

Das Wort zur Begründung erteile ich für die FDP/DVP-Frak tion Herrn Abg. Dr. Schweickert.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor genau 303 Tagen hat unsere Fraktion diesen Antrag eingebracht. Da sieht man einmal, wie lange es dauert, bis ein solcher Antrag hier im Plenum behan delt wird. Nichtsdestotrotz: Fast ein Jahr nach seiner Einbrin gung ist dieser Antrag noch genauso brandaktuell wie vor ei nem Jahr.

(Lachen bei Abgeordneten der Grünen und der CDU)

Es hat sich gezeigt, dass im Koalitionsvertrag nur die „halbe Wahrheit“ festgehalten wurde, denn

die Nebenabreden wurden nicht vorgestellt, obwohl sie wichtige politische Weichenstellungen und Konkretisie rungen enthalten

Ich verstehe das Lachen gerade aus der grünen Fraktion jetzt nicht, denn ich habe Ihnen den Änderungsantrag TO-1-1 zur Landesdelegiertenkonferenz der Grünen im November 2016

in Schwäbisch Gmünd mitgebracht. Darin steht genau das, was ich gerade zitiert habe. Das sage nicht ich, das sagen die Grünen selbst. Denn bei dieser Landesdelegiertenkonferenz wurde beantragt, diesen Koalitionsvertrag erneut zur Abstim mung zu stellen. Es war nicht irgendjemand, der diesen An trag gestellt hat, sondern er wurde u. a. von Reinhard Hackl unterschrieben, der schließlich auch einmal Mitglied der Frak tion GRÜNE in diesem Haus war.

Die CDU braucht sich auch nicht so hervorzutun. Denn Ende 2016 hat der ehemalige Abg. Werner Pfisterer gegenüber der „Badischen Zeitung“ einmal die Meinung geäußert, dass es so etwas früher nicht gegeben habe und er sehr erstaunt sei, was man sich heute als Abgeordneter alles gefallen lasse.

(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Hört, hört!)

Meine Damen und Herren, die grüne Basis und die CDU-Ba sis haben sich hier sehr viel gefallen lassen.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der AfD und der SPD)

Deshalb handelt es sich bei diesem Tagesordnungspunkt auch nicht um Aufgewärmtes oder um kalten Kaffee, wie Sie viel leicht später behaupten werden, auch nicht um einen ausge laugten Teebeutel. Sie werden feststellen, dass dieser alte Tee beutel noch ein Mordsgschmäckle hat.

Meine Damen und Herren, das mediale Interesse war damals hoch. Die Salamitaktik des Zugebens der Nebenabreden hat te ihren Widerhall gefunden. Der Ministerpräsident – er ist jetzt leider nicht hier – hat gesagt, er würde so etwas heute nicht mehr tun. Als dann bei der Regierungspressekonferenz sein Ausspruch kam: „Ich mauschle schon immer“, und zwar zum Wohl von Volk und Vaterland, ist dem Regierungsspre cher die Kinnlade heruntergefallen – so zumindest steht es in der WELT vom 19. Juli 2016.

Das Grundthema dieser Nebenabreden war das Vertrauen oder in diesem Fall das fehlende Vertrauen in den Koalitionspart ner. Hier ein Hinweis an die Kolleginnen und Kollegen von der SPD: Wenn man vier, fünf Jahre mit dem Ministerpräsi denten koaliert, dann reicht ein Ehevertrag bzw. ein Koaliti onsvertrag wohl nicht mehr aus, und man muss zusätzlich noch die Auslegung des Ganzen beschließen. Meine Damen und Herren, wenn ich das meiner Frau zugemutet hätte, wäre ich bis heute nicht verheiratet.

(Abg. Winfried Mack CDU: Keine Nebenabreden?)

Deshalb ist dieses Dokument, das von der Regierungskoaliti on gegen die Abgeordneten der Regierungsfraktionen, gegen die Parteibasis der jeweiligen Parteien, aber auch gegen die Öffentlichkeit in dieser Legislaturperiode beschlossen wor den ist, ein Unding.

Wenn wir uns anschauen, was von den Nebenabreden noch übrig ist oder was im Dissens untergegangen ist, müssen wir feststellen, dass da sehr viele Detailfragen festgelegt wurden. Es wurden auch Finanzüberlegungen angestellt. Wenn wir ge fragt haben, wie diese Überlegungen aussehen, dann hieß es – ich zitiere sinngemäß, Herr Präsident –: „Da haben die Ver tragspartner keine weiter gehenden Überlegungen angestellt.“ Das heißt, der Willensbildungsprozess war noch nicht abge

schlossen. Da möchte ich doch mal jetzt, ein Jahr später, von Ihnen hören: Ist denn der Willensbildungsprozess nun abge schlossen? Bevor ich eine Ehe eingehe und sage: „Ich will“, ist bei mir der Willensbildungsprozess abgeschlossen.

(Heiterkeit)

Gut, Sie brauchen etwas länger, Sie gehen erst die Ehe ein, und dann dauert der Willensbildungsprozess noch ein Jahr.

(Abg. Rainer Stickelberger SPD: Scheinehe!)

Aber wie ist es denn jetzt mit den geplanten Stellenkürzun gen? Wie ist es mit den Lebensarbeitszeitkonten, der besse ren Ressourcensteuerung und der Verwaltungsmodernisie rung? Meine Damen und Herren, da könnten Sie der Öffent lichkeit jetzt schon einmal sagen, wie es um Ihre Nebenabre den bestellt ist und ob die Willensbildung hier abgeschlossen ist.

Auch bei dem Thema Windkraftanlagen hat man es durch die Nebenabreden nicht hinbekommen, eine Klärung zu erreichen, zumindest nicht zwischen Herrn Hauk und Herrn Unterstel ler – beide sind auch leider nicht da.

(Zuruf des Ministers Peter Hauk)

Oh, Entschuldigung, Herr Kollege Hauk. Ich habe Sie in den Reihen der Abgeordneten nicht gesehen. – Es hat nur funkti oniert, wenn es um die Personalfragen ging.

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE unterhält sich an der Regierungsbank mit Minister Thomas Strobl. – Glocke des Präsidenten)

Bitte schön, Herr Kollege Dr. Schweickert.

Danke schön.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Die nächste Nebenabrede! – Heiterkeit)

Ja, die nächste Nebenabrede wird hier schon gemacht.

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Ich habe mich ge rade noch einmal vergewissert: Es gibt tatsächlich keine weiteren Nebenabreden! Sie können zum En de Ihrer Rede kommen! – Heiterkeit – Glocke des Präsidenten)

Herr Kollege Schwarz, der Kollege Dr. Schweickert hat das Wort.

Ich habe das Wort. Deswegen möchte ich es noch mal sagen. Ich finde es sehr gut, dass Sie das noch mal darstellen, Herr Kollege Schwarz. Aber wenn Sie nicht wissen, ob es noch zusätzliche Neben abreden gibt, dann wirft das auch ein gewisses Schlaglicht auf das Ganze.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der AfD und der SPD)

Bei den Nebenabreden haben es die Grünen ja hinbekommen, die CDU zumindest bei den Finanzierungsfragen und der im pliziten Verschuldung erst einmal zu knechten, um dann fest

zustellen, dass man bei dem ganzen zusätzlichen Geld, das vorhanden ist, ohne Haushaltsstrukturkommission auskommt. Da standen gerade Sie, meine Damen und Herren von der CDU, schon etwas mit heruntergelassenen Hosen da.

Die Frage, die man sich stellt, ist: Wo ist denn da der Gestal tungswille dieser Regierungskoalition? Ist der zugeschüttet worden von dem vielen Geld, das vorhanden ist? Ich würde mir da mehr einen Ministerpräsidenten und weniger einen Landesvater wünschen. Denn man kann sich ja des Eindrucks nicht erwehren, dass man jetzt alles, was an den Nebenabre den etwas kritisch war, einfach mal unter dem Deckmantel des zusätzlichen Geldes sehr schön übersehen kann.

Meine Damen und Herren, wenn dann durch ein Video be kannt wird, dass der Ministerpräsident die Festlegung auf ein Verbot der Verbrennungsmotoren im grünen Wahlprogramm in Bausch und Bogen verdammt

(Abg. Anton Baron AfD: Richtig!)

und zeigt, dass er von dem Abschlusspapier, bei dem die pro minenten Wahlkämpfer, wie Herr Özdemir gesagt hat, zusam menwirken, gar nichts hält –

(Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

von „Schwachsinn“ war da die Rede –, obwohl es die Unter schrift des Ministerpräsidenten trägt, dann frage ich mich: Wenn das bei einem Parteitagsbeschluss der Grünen so ist, ist dann die Unterschrift unter dem Koalitionsvertag oder unter der Nebenabrede überhaupt wert, dass man das Ganze beach tet, oder ist es nicht einfach so, dass das vom Gutdünken ab hängt und niemand weiß, wohin diese Regierung steuert?

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der AfD und der SPD)

Deshalb: kein kalter Kaffee, sondern ein Teebeutel, der auch aufgewärmt ein Mordsgschmäckle hat. Ich bin einmal ge spannt, wie Sie uns jetzt erklären, wie weit Ihr Willensbil dungsprozess ist und zu welchen Ergebnissen Sie gekommen sind.

Frau Kollegin Walker, Sie haben sich schon vorbereitet. Ich freue mich schon auf die Antwort.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Für die Fraktion GRÜNE erteile ich das Wort Frau Kollegin Walker.

(Abg. Anton Baron AfD: Die Kommentierung zu dem Video würde mich interessieren!)

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Schweickert, ich will Ihnen heute gern ein bisschen auf die Sprünge helfen und im Rückblick noch einmal verdeutlichen, was Sie eigent lich schon wissen müssten.