Wir befinden uns ja in einer Woche der Stoßgebete der Euro päer an die Heilige Dreifaltigkeit der politischen Vernunft. Nach den Wahlen in Österreich und in den Niederlanden wur den jetzt auch in Frankreich die Rechtspopulisten in Schach gehalten.
Deshalb ist eine solche Aktuelle Debatte, wie wir sie jetzt füh ren – „Wahl in Frankreich – ein Sieg für Europa und ein Ge winn für Baden-Württemberg!“ –, auch richtig. Allerdings fra ge ich mich, warum gerade die CDU diese Aktuelle Debatte beantragt hat. Gut, Kollege Stächele als Vorsitzender des Aus schusses für Europa und Internationales wird sicherlich sei nen Beitrag dazu geleistet haben. Aber eigentlich ist dieser Sieg, über den wir heute reden, sozialliberal. Der konservati ve Kandidat Fillon ist ja in dem Sumpf von Korruption unter gegangen, weil sich die Schwesterpartei, liebe CDU, nicht schnell genug von ihm gelöst hat. Es ist nun einmal so, dass man sich in einem solchen Fall besser löst. Wir werden sehen, wie das in NRW funktioniert. Wie ich meine, haben sie es in Schleswig-Holstein deutlich besser gemacht.
Diese Aktuelle Debatte hätten deswegen eigentlich nur die SPD-Fraktion und die FDP/DVP-Fraktion beantragen kön nen.
Dann muss man sich das Wahlergebnis einmal anschauen. Da bricht wirklich keine Jubelarie los, wenn man sieht, dass von 47,5 Millionen Wahlberechtigten bei einer Wahlbeteiligung von knapp 75 % immerhin 11 %, also 4,07 Millionen Franzo sen, die Carte blanche gezogen haben, also ungültige Stim men, leere Wahlzettel abgegeben haben. Wenn man dann noch sieht, dass Frau Le Pen immerhin 33,9 % der Stimmen erhal ten hat, dann sind wir natürlich froh, dass die Wahl so ausge gangen ist. Dies ist aber keine Basis, um sich zurückzulehnen, meine Damen und Herren.
Mich freut, dass ein proeuropäischer Wahlkampf dazu geführt hat, dass jemand gewonnen hat. Das ist gut so.
An die Adresse der SPD-Fraktion gerichtet möchte ich dann schon noch sagen, Kollege Hofelich: Macron war Minister ei ner sozialistischen Regierung, und er hat wie Gerhard Schrö der mit einem dezidierten marktwirtschaftlichen Kurs, mit der Öffnung der Märkte, mit dem Wecken von Wachstumskräften die Wahl gewonnen. Er hat als Minister im Wirtschaftsbereich auch einiges in diesem Bereich getan. Er kam aber nicht mit der sozialistischen Mottenkiste von Andrea Nahles und einer Rückabwicklung der Agenda 2010, wie Schulz sie beabsich tigt.
Es zeigt sich, dass diese Wochen – ich sage einmal so – eher die Wochen der smarten Enddreißiger sind. Wir werden ein mal sehen, wie das weitergeht.
Ist diese Wahl ein Gewinn für Baden-Württemberg? Macrons Programm bringt tatsächlich Licht und Schatten – das müs sen wir so sehen –, es ist aber natürlich ein Gewinn, insbeson dere wenn man die Alternative bedenkt. Flexibilisierung, Stär kung des französischen Arbeitsmarkts – das ist richtig. Auch
die Gesundung im Bereich der Finanzen – volle Unterstüt zung. Wir als Europäer, auch als Baden-Württemberger müs sen alles begrüßen, was mehr Wachstumsdynamik in die fran zösische Volkswirtschaft bringt. Denn es ist doch klar, dass mit einer 35-Stunden-Woche und einem Renteneintrittsalter von 62 Jahren die Zukunft auch für Herrn Macron nicht zu schaffen sein wird.
Jetzt kommen wir einmal zu dem Stöckchen, Herr Kollege Hofelich. Direkt nach der Wahl können die einen kritisieren. Aber was machen die anderen? Schulz fordert dann auch gleich diesen europäischen Haushalt und den europäischen Finanzminister. Man kann darüber streiten, ob solch eine ge meinsame Budgetfinanzierung kommen soll.
Man darf dann aber nicht den Vorwurf machen, dass die Eu robonds kommen. Denn wir Europapolitiker wissen doch al le, dass das gar nicht so einfach geht. Die Verträge müssten geändert werden. Wir müssten in ein Ratifizierungsverfahren gehen – Volksabstimmungen; das ist doch keine Kleinigkeit –, und in der jetzigen Situation weiß ich nicht, wer dem im Moment ein Pro reden möchte, dass wir jetzt noch einmal in allen Ländern in die Ratifizierung gehen. Ich glaube, da kom men Ergebnisse heraus, die uns ganz schön auf den Boden der Tatsachen zurückführen werden.
Deswegen sind wir – das sage ich Ihnen – da skeptisch. Das muss man auch aktuell sagen können. Man muss auch sagen können, dass Frankreich die Reformen erst einmal zu Hause durchführen muss und nicht nach Europa in die anderen Län der schauen sollte, wie man sich da beteiligen kann.
Deswegen sind wir, die FDP/DVP, gegen eine Vergemein schaftung von Schulden. Kollege Hofelich, Eurobonds, die Aufnahme gemeinsamer Schulden zu für uns schlechteren Konditionen, das kann nicht in unserem Interesse liegen.
Dass Deutschland etwas tun muss, da bin ich bei Ihnen. Las sen Sie uns Frontex stärken. Auch dazu müssen wir mehr bei tragen, auch finanziell. Das sind alles Dinge, über die man re den kann. Ob man dann aber mit Punkten wie Mindestsozial standards oder europäischer Arbeitslosenversicherung auf dem richtigen Weg ist, wage ich zu bezweifeln.
Ich freue mich auch darauf, mit dem Kollegen Frey einmal über das Thema Handelsbilanzüberschuss und darüber zu sprechen, wie dieser abgebaut werden kann. Da bin ich näm lich auf die Vorschläge der Grünen, wie das vorankommen soll, gespannt.
Das ist aber gar nicht der Punkt. Wir müssen uns überlegen, wie es mit Frankreich weitergeht. Herr Macron braucht jetzt
Unterstützung für seine Politik, hat dafür aber keine Partei. Am Montag will er nun seine 577 Kandidaten vorstellen. Sie dürfen auch ihr altes Parteibuch behalten. Wenn Sie sich aber etwas umschauen, was so passiert, dass beispielsweise Valls sagt: „Ich unterstütze Macron“, Macron davon aber gar nichts weiß und sein Pressesprecher sagt: „Herr Valls hat mir seinen Lebenslauf nicht eingereicht; den lasse ich einmal am ausge streckten Arm verhungern“, dann zeigt mir das, dass auch hier ein paar alte Rechnungen noch offen sind.
Wir werden auch sehen, wie eine Umbenennung seines „En Marche!“ in „La République en Marche“ zu einer Verände rung führt und vor allem, wie Frankreich damit umgeht – das haben die Vorredner auch gesagt –, jetzt weg von einem Zwei parteiensystem zu einem Vierparteiensystem zu kommen, und wie die Blöcke miteinander reden. Da sind wir mal gespannt. Ich bin sicher, am 18. Juni wissen wir mehr und können das Thema dann nochmals aufrufen.
Eigentlich wollte ich meine Rede jetzt beenden. Ich komme aber noch einmal zu Ihnen, Herr Meuthen. Was Sie sich hier leisten, ist wirklich dreist. Sie haben meines Erachtens Ihr Ver hältnis zu Frau Le Pen weder als AfD noch als Meuthen ge klärt.
Es sind nicht die Niederländer und ihr Wilders, nicht die Österreicher und ihr Hofer, nicht die Franzosen und ihre Le Pen, nicht die Briten und ihr Farage, nicht die Ungarn und ihr Orban, nicht die Polen und ihr Kaczynski und auch nicht wir, die AfD, die Europa an die Wand fahren.
Sie haben es getan und tun das immer wieder: Wenn es op portun ist, wenn man den rechten Rand bedienen muss, dann stellen Sie sich in eine Reihe mit Rechtsnationalisten aus ganz Europa.
(Abg. Dr. Jörg Meuthen AfD: Ich habe kein Selfie! Ich habe Frau Le Pen noch nie getroffen! Persönliche Erklärung!)
Ihre persönliche Erklärung können Sie gleich abgeben. Dann sagen Sie mal, dass Frau Petry keine gemacht hat.
(Abg. Dr. Jörg Meuthen AfD: Lügen Sie nicht rum! Ich habe nie ein Selfie – –! – Glocke der Präsidentin)
(Abg. Dr. Jörg Meuthen AfD: Ich habe nie ein Selfie mit Frau Le Pen gemacht! Ich habe Frau Le Pen noch nie getroffen! Sie lügen doch wie gedruckt! Was macht der Mann hier? Ich habe die Frau noch nie ge troffen! – Glocke der Präsidentin)
Herr Abg. Dr. Meuthen, wenn Sie sich persönlich angegriffen fühlen sollten, haben Sie die Möglichkeit, eine persönliche Erklärung abzugeben.
Herr Meuthen, ich habe Ihnen gesagt, wann das Zitat zu Ende war. Die AfD be gibt sich da in eine Gesellschaft – – Vielleicht ist Ihnen das ein bisschen peinlich; das zeigt mir Ihr Gefühlsausbruch ge rade. Aber manchmal ist es halt so, dass man der Wahrheit ins Auge schauen muss.
(Abg. Dr. Jörg Meuthen AfD: Sie nehmen das Wort „Wahrheit“ in den Mund, Sie Schwätzer? – Abg. Ste fan Räpple AfD: Er lügt doch wie gedruckt! – Wei tere Zurufe – Glocke der Präsidentin)