Meine Damen und Herren, für uns ist immer wichtig, dass wir wissen, was wir europapolitisch bewirken können. Wir sind nicht der Europäische Rat, wir sind nicht das Europäische Parlament. Es war schon immer mein Reden, auch früher als Europaminister: Konzentrieren wir uns zuallererst auf unsere eigentliche europäische Außenpolitik.
Die ist oben am Bodensee, die ist am Hochrhein, und die ist am Oberrhein. Da tut sich einiges. Auch aus dem Gespräch mit Philippe Richert darf ich berichten. Darf man Grüße sa gen?
Ich darf Sie von ihm grüßen. Er sagt, er gehe davon aus, dass Macron für die Regionen steht. Die Dezentralisierung ist aus drücklich in seinem Programm enthalten. Enthalten ist auch – das ist interessant –, dass Departements in den Metropolen aufgehen müssen. Das heißt, rings um Straßburg z. B. wird ein Departement aufgesogen. Ansonsten haben wir in dieser Außenpolitik einiges zu tun.
Eines: Die gegenseitige Verant wortung liegt doch auf der Hand. Uns kann nicht egal sein, wenn im Elsass junge Leute keinen Ausbildungsvertrag be kommen.
Umgekehrt bitte ich in dieser Gegenseitigkeit, dass man auch unsere Sorgen in Sachen Fessenheim ernst nimmt.
(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen – Vereinzelt Beifall bei der SPD – Bravo-Rufe von der CDU)
(Zuruf von der CDU: Schwere Aufgabe! – Abg. Jo sef Frey GRÜNE fährt das Rednerpult nach unten. – Zuruf: Er fährt jetzt erst mal runter! – Vereinzelt Hei terkeit)
Sehr geehrte Präsidentin, sehr ge ehrte Damen und Herren! Merci à la Grande Nation, merci aux citoyens français et les citoyennes françaises. Vielen Dank für diese gute Wahl am letzten Sonntag. Nach den Niederlan den, nach Österreich ist nun auch Frankreich vor dem Ab grund, den die Populisten und die Rechtsnationalen angebo ten haben, gerettet worden, und diese wurden auch in Schran ken gewiesen.
Die Entscheidung des französischen Volkes für Macron ist ei ne Entscheidung für ein weltoffenes, europäisches und libe rales Frankreich, aber auch für ein weltoffenes und liberales Europa.
Das Wahlergebnis muss uns aber auch nachdenklich machen. Wir dürfen nicht in den Fehler verfallen, uns darauf auszuru hen. In Frankreich sind nämlich zwölf Millionen Wahlberech tigte zu Hause geblieben, und mehr als vier Millionen haben ungültige Stimmzettel abgegeben
Der Präsident muss also eine gespaltene Nation zusammen führen. Das ist ein ambitioniertes Ziel und eine große Aufga be, die ihm die meisten Franzosen allerdings zutrauen. Aber allein wird er es nicht schaffen. Die nächste Hürde wurde schon in einer der vielen weisen Aussagen des Kollegen Stä chele beschrieben.
Die nächste Hürde werden der erste und der zweite Wahlgang zur Nationalversammlung am 11. und am 18. Juni sein. Dann werden sich die Mehrheiten herauskristallisieren. Die Sozia listen liegen mit vermutlich 8 % – jedenfalls einstellig – am Boden, und die Republikaner stehen auch nicht sehr stark da. Macron werden – zumindest nach der Prognose, die in dieser Woche im „Handelsblatt“ veröffentlicht wurde – doch immer hin 26 % der Stimmen gegeben.
Deswegen sollten wir Macron in diesem Reformprozess jetzt unterstützen und Frankreich stärken. Wir sollten auch den Kandidaten stärken.
Doch wie reagiert Berlin in diesen Tagen? Es versucht schon einen Tag nach der Präsidentenwahl, den französischen Freund mit Kritik an seinen EU-Plänen an die kurze deutsche Leine zu nehmen. Lassen Sie den Mann – so, wie es auch Kollege Stächele beschrieben hat – am Sonntag doch erst einmal Platz nehmen, wenn er die Amtsgeschäfte von seinem Vorgänger übernimmt. Ich bin überzeugt, er wird sie besser übernehmen als sein Vorgänger. Er wird dann auch versuchen, mit seinem Kabinett Mehrheiten zu bilden. Er ist ja auch ein Abgänger
Ein bisschen Demut vor der am Sonntag abgewendeten Ka tastrophe würde ich schon erwarten. Ich würde erwarten, dass wir hier Macron den Rücken stärken und ihn nicht durch vor eilige Vorschläge schwächen.
Er wird für seine Politik der Mitte gemäßigte Kräfte der So zialisten und der Konservativen brauchen, und er wird sie auch finden. Er braucht Koalitionspartner. Frankreich hat, im Gegensatz zu uns, keine Erfahrung darin, Koalitionen zu schmieden; das wurde schon erwähnt. Deswegen beginnt für Frankreich hier eine neue Ära der Politik, in der sich zeigen wird, wie sich dieser Konsens findet bzw. diese Koalitionen finden. Das wird nicht leicht, aber dieser Weg bietet die Chan ce, dass bei allen Parteien Verkrustungen aufgeweicht werden und die dringend anstehenden Reformen angegangen werden.
Dazu gehört die Bekämpfung der hohen Arbeitslosigkeit. Ei ne sozial verträgliche Arbeitsmarktreform steht an, das Aus bildungssystem muss verbessert werden. Der Ausstieg aus der Kernenergie muss begonnen werden, und diese muss im Wei teren durch neue Energien abgelöst werden. Die Modernisie rung der Infrastruktur sowie der Mobilität steht ebenso an.
Wir wissen aus eigener Erfahrung, dass das nicht leicht ist, aber wir können unserem Nachbarn gern die Hand reichen, ihm auch unsere Erfahrungen mitgeben. Wir Grünen jeden falls werden Frankreich die Hand reichen. Macrons Programm bietet durchaus einige positive Ansatzpunkte. Sie sind diskus sionswert, aber nicht einen Tag nach der Wahl, sondern dann, wenn die Assemblée nationale zusammentritt und die Mehr heiten feststehen. Dann ist es auch wichtig, mit Macron und mit der französischen Nation in einen konstruktiven Prozess zu gehen.
Er hat sich ja schon ausdrücklich für die deutsch-französische Zusammenarbeit ausgesprochen. Wir sollten ihm auch seine Äußerungen vor der Wahl zum deutschen Exportüberschuss abnehmen. Denn was macht er? Er zitiert lediglich aus dem Europäischen Semester, aus dem Länderbericht der Europäi schen Kommission von 2016. Aus dem Bericht nur ein, zwei Zitate. Dort steht zum deutschen Leistungsbilanzüberschuss:
Der Leistungsbilanzüberschuss hat nachteilige Auswir kungen für die Wirtschaftsleistung des Euroraums. Die Hebung seines Wachstumspotenzials wäre für Deutsch land von Vorteil.
Es scheint weiterer Raum für Lohnwachstum vorhanden, ohne die deutsche Wettbewerbsfähigkeit zu gefährden.
Was soll also die ganze Aufregung um Macrons Aussagen? Lassen Sie uns lieber damit anfangen, Gräben zuzuschütten, um für die Zukunft Abgründe in Europa zu beseitigen.
Macron beabsichtigt, ein 50 Millionen € schweres Investiti onsprogramm aufzulegen. Das wurde zum Teil auch schon er wähnt; das ist richtig so. Konsolidierung und Investition in Nachhaltigkeit ist auch unsere Maxime in Baden-Württem berg. Wo wir Frankreich unterstützen können, werden wir das auch tun.
Die schnellstmögliche Abschaltung von Fessenheim steht an; das wäre mit Le Pen unmöglich gewesen. Ich denke auch an die grenzüberschreitenden Programme in der dualen Ausbil dung und die Tramlinien, die zwischen Kehl und Straßburg und hoffentlich auch noch in weiteren Städten gebaut werden.
Deutschland muss diese Reformschritte Frankreichs aktiv un terstützen. Wir müssen auch mit der neuen französischen Re gierung die nächsten Reformschritte in der Europäischen Uni on gut vorbereiten.
Auf dem Hambacher Schloss trafen sich nicht nur im Jahr 1832 Demokraten, um für Europa zu kämpfen, sondern es tra fen sich auch Franzosen und Deutsche am 6. April dieses Jah res. In diesem Jahr wurde noch einmal die deutsch-französi sche Freundschaft beschlossen und besiegelt sowie als Labor und Keimzelle der europäischen Integration seit 1950 gefei ert.
In diesen Grenzregionen werden frühzeitig Hemmnisse der Kooperation in Europa durch die nationalen Grenzen identi fiziert, es werden aber auch Chancen der Kooperation ent deckt. Das Förderprogramm INTERREG mit seinen 110 Mil lionen € bietet uns ein gutes Werkzeug, um hier auch weiter voranzuschreiten, zusammen mit Frankreich Hand in Hand.
Es stehen jetzt auch weitere INTERREG-Projekte an, nicht nur z. B. die Tram von Kehl nach Straßburg, sondern auch Projektförderungen zur grenzüberschreitenden Raumplanung und Quartiersentwicklung, um in Zukunft No-go-Areas zu be seitigen, oder die Erweiterung der Gedenkstätte am Hart mannsweilerkopf, die, denke ich, ein wichtiger Punkt ist, an dem uns die Leiden des Ersten Weltkriegs auch noch einmal vor Augen geführt werden und die uns an das Friedensprojekt Europa erinnert.
Wir sollten hier also mit einem 360-Grad-Blick Europa wei terentwickeln. Dafür brauchen wir auch die Zivilgesellschaft; die Staatsrätin macht Bürgerdialoge am Oberrhein. Ich den ke, auch zusammen mit „Pulse of Europe“ hat sich eine brei te Bewegung auf den Weg gemacht, Europa voranzubringen. Das gestrige Urteil des EuGH, das nun auch die Bürgeriniti ative „Stop TTIP“ zulässt, ist auch ein weiteres Zeichen, dass wir ein Europa nur gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bür gern aufbauen können.
Das Land Baden-Württemberg wird deswegen umfassend an dem Weißbuch Junckers mitarbeiten und seine Ideen einbrin gen. Es gibt viele Angelegenheiten, die wir auf kommunaler Ebene besser regeln können als auf der europäischen. Aber im Bereich der Sicherheitspolitik, der Klimapolitik, der Wirt schafts- und Steuerpolitik, der Flüchtlingspolitik, aber auch bei der ökologischen Transformation der Wirtschaft werden