Protocol of the Session on May 10, 2017

Die Debatte über flexible Arbeitszeit muss auch die Forde rung nach mehr Mitbestimmung umfassen.

(Beifall bei der SPD – Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Was schlägt die Bundesarbeitsminis terin vor?)

Baden-Württemberg sollte Wirtschaftspolitik als eine Politik verstehen, die sich Innovationen öffnet, die aber auch die Stär ke und das Selbstverständnis hat, Leitplanken zu setzen, als eine Politik, die die Haltung hat, Chancen zu erkennen, die aber Probleme und Sorgen nicht ignoriert, sondern erkennt, dass Leistungsfähigkeit, Personalentwicklung, Gesunderhal tung und Fachkräftegewinnung zusammen gedacht werden müssen.

Der beste Weg dafür ist das gemeinsame Gespräch: sich zu hören, sich austauschen. Bei einer Politik, die diesen Weg be schreitet und zugunsten eines gerechten, familienfreundlichen und nachhaltigen Arbeitsmarkts diese Mühe auf sich nimmt, ist der Arbeitsmarkt in guten Händen.

Bei einer Politik, die Autogipfel veranstaltet, ohne die Be schäftigten einzuladen, ist dieses Anliegen, ist dieser Arbeits markt nicht in guten Händen. Wie Sie in den Regierungsfrak tionen das machen, sieht man am Beispiel der Einladungspo litik beim Autogipfel.

(Zuruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE)

So, wie Sie das machen, verdaddelt man das, was wir an so zialem Kitt, an sozialem Miteinander, an sozialer Marktwirt schaft und an Tarifpartnerschaft auf dem Arbeitsmarkt haben.

(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Zählen die Gewerkschaften nicht zu den Beschäftigten?)

Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Baden-Württem berg, die mit ihrem Fleiß und ihrer Arbeit dieses Land jeden Tag ein bisschen besser machen, haben eine Regierungspoli tik verdient, die ihre Rechte und ihre Gesundheit nicht ver daddelt.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Andreas Schwarz GRÜNE)

Für die Fraktion GRÜNE er teile ich Herrn Abg. Schoch das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsi dentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen

und Herren! Es ist sehr schön, Herr Born, dass Sie sich über unsere Gefühlslage Gedanken machen.

(Heiterkeit des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Ich glaube, wir haben klare und deutliche Positionen zum The ma Arbeitszeit und natürlich auch zum Arbeits- und Gesund heitsschutz.

Sie haben diese Aktuelle Debatte beantragt. Gemäß Ihren Aus führungen war interessanterweise der Cannstatter Wasen Hin tergrund und Auslöser – eine sehr interessante Positionierung.

(Lachen des Abg. Anton Baron AfD – Zuruf des Abg. Dr. Patrick Rapp CDU)

Ich denke, in der heutigen Aktuellen Debatte sollte es natür lich darum gehen, die Aktualität hervorzuheben. Eine solche Aktualität dieser Debatte sehe ich momentan nicht unbedingt.

(Abg. Andreas Stoch SPD: Was?)

Momentan ist es so, dass das Weißbuch vorliegt,

(Zuruf des Abg. Sascha Binder SPD)

das Weißbuch „Arbeiten 4.0“. In diesem Weißbuch werden die Auswirkungen der Arbeit dargelegt. Ich möchte nun ver suchen, das Thema so aufzunehmen, dass zum einen die ge sellschaftspolitische Bedeutung dieses Themas deutlich wird und zum anderen der betriebliche Aspekt aufgezeigt wird.

Die Arbeitszeit ist ein zentraler Bestandteil des Arbeitslebens mit direkten Auswirkungen auf das Privatleben der Beschäf tigten. Die Gestaltung der Arbeitszeit bestimmt zu großen Tei len, welche Zeit zur Erholung und für private Verpflichtungen zur Verfügung steht. Aufgrund der sich verändernden Anfor derungen in der Arbeitswelt steht auch die Regulation und Ge staltung der Arbeitszeit im Fokus politischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Diskussionen.

Sehr geehrte Damen und Herren, wir haben in Deutschland ein Arbeitszeitgesetz, das auf der Grundlage der EU-Arbeits zeitrichtlinie entstanden ist und ein hohes Maß an Flexibilität bietet. Es gibt inzwischen eine Vielzahl von Arbeitszeitmo dellen, die schon aktuell den Alltag in Betrieben in BadenWürttemberg und Deutschland prägen: Ganztags- und Teil zeitmodelle, auch Sabbatjahre, Kern-/Gleitzeitmodelle, Home office und Telearbeit. Die Arbeitswelt ist schon heute bunt und flexibel, und wir wollen, dass sie auch in der Zukunft bunt und flexibel ist; dafür werden wir uns einsetzen.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Reinhold Gall SPD: Was heißt das jetzt ganz konkret?)

Mit dem geltenden Arbeitszeitgesetz haben wir einen guten Rahmen – hören Sie zu! –, aber wie bei allen Gesetzen ist es auch hier sinnvoll, dies in gewissen Zeitabständen zu über prüfen. Passen die Rahmenbedingungen des Gesetzes noch in die Arbeitswelt? Das geltende Arbeitszeitgesetz ist zum einen sehr flexibel und bietet viele Möglichkeiten für Sonderrege lungen und Ausnahmen bzw. tarifliche Öffnungsklauseln. Auch die der SPD angehörende Bundesarbeitsministerin hat dies deutlich gemacht. Es legt eine Wochenarbeitszeit von bis zu 48 Stunden fest, es ermöglicht die Verlängerung der tägli

chen Arbeitszeit von acht auf zehn Stunden und – über tarif vertragliche Regelungen – über zehn Stunden hinaus. Ich den ke, das sind flexible Möglichkeiten, die hier geboten werden.

An diesen drei Punkten zeigt sich zum einen, dass dieses Ge setz flexibel ist, und zum anderen, dass überprüft werden muss, wo vielleicht entsprechende Veränderungen durchge führt werden müssen. Die Durchführung solcher Veränderun gen erfolgt natürlich vor dem Hintergrund dessen, was aktu ell in der Arbeitswelt passiert.

In dem Arbeitszeitreport „Deutschland 2016“ der Bundesan stalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin wird deutlich ge macht, dass die durchschnittliche Arbeitszeit der Beschäftig ten in Deutschland 43,5 Wochenstunden beträgt, obwohl durchschnittlich nur 38,6 Stunden vertraglich vereinbart sind. Darüber hinaus geht aus dem Bericht hervor, dass ein Drittel der Beschäftigten unentgeltlich Überstunden macht. Längere Arbeitszeiten und Überstunden – so heißt es in dem Bericht – gehen häufig auf Termin- oder Leistungsdruck zurück.

Mit zunehmender Länge der Arbeitszeit sinkt der Anteil der Beschäftigten mit einer ausgeglichenen Work-Life-Balance und steigt der Anteil der Beschäftigten mit gesundheitlichen Beschwerden. Hingegen haben jetzt schon etwa vier von zehn Beschäftigten nach eigener Aussage einen relativ hohen An teil an der Gestaltung ihrer eigenen Arbeitszeit. 22 % der Be schäftigten sagen, dass ihr Arbeitsumfeld sich problematisch darstellt und sie manchmal auch unter dem Druck stehen, dienstliche Belange mit ins Private zu nehmen.

Das zeigt: Hier besteht Novellierungsbedarf. Dies ist auch in dem Weißbuch „Arbeiten 4.0“ zum Ausdruck gekommen.

Diese Aussagen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern machen doch deutlich, dass es eine schwierige Gratwande rung ist, einen Ausgleich zwischen höherer Flexibilität und einem Höchstmaß an Schutz zu schaffen. Hier sind gute tarif liche Regelungen, betriebliche Regelungen und betriebliche Übungen gefragt, die auch hohe Anforderungen an Personal abteilungen und Betriebsräte stellen. Die Gestaltung der Ar beitszeit stellt immer ein Auspendeln zwischen betrieblichen Interessen und dem Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer dar.

Sehr geehrte Damen und Herren, es ist festzustellen – das mer ken wir, wenn wir in die Betriebe gehen –, dass sich die Ar beitswelt durch die Digitalisierung verändert. Wir haben im grün-schwarzen Koalitionsvertrag festgeschrieben – ich darf zitieren –:

Die Digitalisierung wird Baden-Württemberg entschei dend prägen. Wir verstehen die Digitalisierung als Ge staltungsaufgabe, die Wirtschaft, Politik und Gesellschaft gleichermaßen fordert.

(Zuruf des Abg. Sascha Binder SPD)

Dabei stellen wir die Chancen des digitalen Wandels in den Vordergrund, ohne die Risiken auszublenden.... Di gitalisierung soll zum Innovations- und Nachhaltigkeits motor werden.

Wenn das nicht eine klare Aussage bezüglich unseres Verant wortungsbewusstseins, auch gegenüber den Unternehmern, ist, was dann, meine Damen und Herren?

Weiter heißt es – –

(Abg. Reinhold Gall SPD: Aber zum Thema „Flexi bilisierung der Arbeitszeit“ und zu Ihrer Position ha ben Sie bislang nichts gesagt! – Gegenruf des Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Das hat er doch zehn Mi nuten ausgeführt!)

Das habe ich doch gerade deutlich gesagt. Sie müssen nur einmal vernünftig zuhören. Ich habe mich auf die Position der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin bezogen.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Außer wachsweichen For mulierungen habe ich gar nichts gehört! – Gegenruf: Kein Dialog! – Glocke der Präsidentin)

Es gibt hier keinen Dialog. Zwischenrufe sind möglich. Wenn Sie, Herr Abg. Gall, eine Zwischenfrage haben, können Sie sich gern melden. Ansons ten hat Herr Abg. Schoch das Wort.

Weiter heißt es im Koali tionsvertrag:

Wir stehen dafür, dass den Wünschen der Beschäftigten nach mehr Arbeitszeitsouveränität und den Flexibili tätsanforderungen der Arbeitgeber Rechnung getragen und vorhandene Hürden abgebaut werden. Wir befürwor ten passgenaue Arbeitszeitregelungen,... Dabei haben Lösungen auf betrieblicher und überbetrieblicher Ebene für uns Vorrang vor gesetzlichen Regelungen.

So steht es im Koalitionsvertrag.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Sie sehen, meine Damen und Herren von der SPD: Wir sind nahe an der Praxis.

(Lachen bei Abgeordneten der SPD – Zurufe der Abg. Reinhold Gall und Sascha Binder SPD)

Wir sind an den Menschen in den Betrieben und bei den So zialpartnern, die für uns in erster Linie diejenigen sind, die Lösungen finden müssen, und die für unsere Fraktion die kom petenten Ansprechpartner sind.

(Zuruf des Abg. Reinhold Gall SPD)

Wir sprechen mit den Sozialpartnern.