Protocol of the Session on May 10, 2017

SPD: Sascha Binder, Daniel Born, Wolfgang Drexler, Dr. Stefan FulstBlei, Reinhold Gall, Gernot Gruber, Rainer Hinderer, Peter Hofelich, An dreas Kenner, Gerhard Kleinböck, Georg Nelius, Gabi Rolland, Dr. Nils Schmid, Rainer Stickelberger, Andreas Stoch, Dr. Boris Weirauch, Sabi ne Wölfle.

Nun kommen wir zur Abstimmung über Abschnitt II der Be schlussempfehlung des Ausschusses für Soziales und Integ ration, Drucksache 16/1944. Der Ausschuss für Soziales und Integration schlägt Ihnen vor, den Antrag der Fraktion der FDP/DVP, Drucksache 16/897, für erledigt zu erklären. – Sie stimmen dem zu.

Damit ist Tagesordnungspunkt 3 erledigt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 6 auf:

Zweite Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zur Neutralität bei Gerichten und Staatsanwalt schaften des Landes – Drucksache 16/1954

Beschlussempfehlung und Bericht des Ständigen Aus schusses – Drucksache 16/1994

Berichterstatter: Abg. Reinhold Gall

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Allge meine Aussprache eine Redezeit von fünf Minuten je Frakti on festgelegt.

In der Allgemeinen Aussprache erteile ich dem Kollegen Fi lius für die Fraktion GRÜNE das Wort.

(Abg. Beate Böhlen GRÜNE: Go!)

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Vieles zum Gesetzentwurf wurde bereits in der ersten Lesung im Plenum am 3. Mai 2017 und auch im Ständigen Ausschuss gesagt. Lassen Sie mich trotzdem nochmals ein paar Worte zu den Ausführungen mei ner Kolleginnen und Kollegen der Opposition und zu dem Än derungsantrag sagen.

Es geht dabei um die Differenzierung zwischen hauptamtli chen und ehrenamtlichen Richterinnen und Richtern. Natür lich haben ehrenamtliche Richterinnen und Richter das glei che Stimmrecht bei zu treffenden Urteilen oder Entscheidun gen wie Berufsrichterinnen und Berufsrichter und müssen ebenso neutral sein. Wir schätzen die Arbeit der vielen Ehren

amtlichen ungemein und sind dankbar dafür, dass sie mit ih rer Arbeit einen wichtigen Beitrag zu einem funktionierenden Rechtsstaat in unserem Land leisten.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Das Verbot religiöser Symbole stellt aber einen nicht zu un terschätzenden Eingriff in die verfassungsmäßig garantierte Glaubens- und Bekenntnisfreiheit dar. Wir wollen daher eine minimalinvasive Maßnahme, das heißt eine Beschränkung auf den Bereich, in dem ein Verbot wirklich notwendig ist. Ich denke, das ist hier mit diesem Gesetzentwurf auch gelungen.

Auch wenn Hauptamtliche und Ehrenamtliche dasselbe Stimm recht haben und neutral sein müssen, gibt es nämlich durchaus Unterschiede, die in diesen Überlegungen eine Rolle spielen müssen. Durch Schöffinnen und Schöffen in einem Strafver fahren soll die Bevölkerung einbezogen werden. § 36 Absatz 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes sieht sogar ausdrücklich ei ne Beteiligung aller Gruppen der Bevölkerung vor – ja, im Namen des Volkes. Nach den gesetzgeberischen Erwägungen dient das dazu, die Transparenz der Gerichtsentscheidung ge genüber der Öffentlichkeit zu fördern. Ehrenamtliche Richte rinnen und Richter in der Fachgerichtsbarkeit werden vor al lem aufgrund ihrer besonderen Kenntnisse aus der Praxis und wegen ihres Sachverstands berufen.

Allen ehrenamtlichen Richterinnen und Richtern ist gemein, dass sie eine neue Perspektive in die Verfahren einbringen und unsere Demokratie sowie unseren Rechtsstaat bereichern. Sie repräsentieren die Gesellschaft bzw. ihren Fachbereich in al len Facetten. Einen vergleichbaren Eingriff sehen wir daher nicht als zweckdienlich an.

Eine solche Unterscheidung zwischen Hauptamtlichen und Ehrenamtlichen ist übrigens nicht so ungewöhnlich, wie das behauptet wird. Bei der Amtstracht wird bekanntlich auch in den meisten Fällen differenziert. In vielen Verfahrensarten ist die Richterrobe nicht für Ehrenamtliche vorgesehen. Es ist schon bisher eine optisch hervorgehobene Stellung für Berufs richter üblich.

Warum daher nun eine solche Differenzierung teilweise als völlig fernliegend dargestellt wird, kann ich hier nicht nach vollziehen. Das muss man jeweils nochmals anders bewerten.

Die Sitzungsleitung obliegt allein den Berufsrichterinnen und Berufsrichtern. Ehrenamtliche Richterinnen und Richter ken nen in vielen Fällen die schriftlichen Akten nicht, und bei ei ner richterlichen Vernehmung sind Zeugen auch nur von den Berufsrichtern zu vernehmen. Es hat also schon immer Un terschiede gegeben. Das wollten wir hier einfach noch einmal festhalten. Insofern ist diese Unterscheidung angezeigt und auch verfassungskonform.

Eines ist trotz der neuen Regelung klar: Die bisherigen rechts staatlichen Grundsätze gelten natürlich weiter auch für Lai enrichter und Laienrichterinnen. Darauf habe ich schon in der letzten Rede hingewiesen – Stichwort „Befangenheit und Mä ßigungsgebot“.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit dem vorliegenden Ge setzentwurf ist eine gute und durchdachte Lösung gefunden worden. Die Neutralität der Gerichte wird weiterhin gewahrt, ohne hier Rechte der Bekenntnis- und Religionsfreiheit un

verhältnismäßig einzuschränken. Meine Fraktion wird dem Gesetzentwurf heute zustimmen. Dem Änderungsantrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der FDP/DVP wird meine Fraktion daher nicht folgen können.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Für die Fraktion der CDU erteile ich dem Kollegen Dr. Lasotta das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsi dent, werte Kollegen, verehrte Kolleginnen! Mit der zweiten Lesung zum Neutralitätsgesetz vollenden wir ein wichtiges Gesetzesvorhaben, das die dritte Gewalt in unserem Staat be trifft und das auch zu einer großen öffentlichen Diskussion geführt hat. Es stärkt das Vertrauen in die Justiz, in die Unab hängigkeit, die Neutralität unserer Justiz, in die unparteiische Wahrheitsfindung. Deswegen wird ein Kernelement unseres Staates gestärkt, indem Richtern und Staatsanwälten verbo ten wird, politische, weltanschauliche oder religiöse Symbo le zu tragen.

Jeder Anschein einer mangelnden Neutralität vor Gericht muss vermieden werden. Unser Staat handelt neutral. Darauf kön nen auch die Bürger vertrauen.

(Abg. Stefan Räpple AfD: Das ist ein Märchen!)

Die Regelung zum Verbot politischer, religiöser und weltan schaulicher Symbole für Richter und Staatsanwälte ist sinn voll und geboten und stellt einen guten Kompromiss dar, den die Koalition der Mitte aus CDU und Grünen gefunden hat. Wie ja schon unser Ministerpräsident sagt: Der politische Kompromiss ist schon ein Wert an sich. Oder wie unser stell vertretender Ministerpräsident, der immer Müntefering zitiert, sagt: Wer den politischen Kompromiss nicht versteht, hat das Wesen der Demokratie nicht verstanden.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Aber nicht in jedem Fall!)

Deswegen steht die CDU zu diesem Kompromiss. Es ist eine Selbstverständlichkeit, diese Neutralität vor Gericht auch aus zudrücken.

Wie in der ersten Lesung möchte ich auch jetzt nicht verheh len, dass wir, die CDU-Landtagsfraktion, das Verbot auch gern für ehrenamtliche Richterinnen und Richter sowie Schöffen mitgetragen hätten. Wir glauben, dass es nicht ein bisschen Neutralität gibt. Es gibt einen einheitlichen Spruchkörper. Je der Richter hat eine Stimme. Die Schöffen können auch einen Richter überstimmen, wenn sie anderer Meinung sind. Des wegen glauben wir, dass es in der Abwägung durchaus legi tim ist, die Bedenken, die die Grünen geäußert haben, voran zustellen. Das ist ein Kompromiss, der vertretbar ist. Wir hät ten es, wenn wir es als CDU hätten alleine regeln können, je doch anders gesehen, weil wir eine andere Gewichtung hin eingebracht hätten.

Dennoch ist es vertretbar, weil auch Ehrenamtliche ihre Er fahrungen aus der Gesellschaft, aus dem Arbeitsleben abbil den und hierdurch mit besonderen Regelungen gebunden sind. Die Mäßigung im Amt gilt natürlich weiterhin.

Dass es da durchaus unterschiedliche Auffassungen gibt, hat im Übrigen auch die Podiumsdiskussion der Friedrich-EbertStiftung im November gezeigt, Herr Binder, in der Sie sich dahin gehend geäußert haben, dass man vielleicht ehrenamt liche Schöffen heraushalten müsste.

(Zuruf des Abg. Sascha Binder SPD)

Daher kann durchaus ein Wandlungsprozess in der Meinung stattfinden. Insofern ist die Frage, wie Ihre Anträge zu verste hen sind. Sind diese inhaltlich motiviert, oder sind sie eher politisch motiviert, um einen Keil in die Koalition der Mitte zu treiben?

(Lachen bei Abgeordneten der SPD – Abg. Hans-Ul rich Sckerl GRÜNE: Zwischen uns passt kein Keil!)

Da die Arbeit mit der grünen Landtagsfraktion dermaßen ver trauensvoll ist

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Das können wir bestätigen!)

und wir uns auch auf dem Weg zu einer gesellschaftlichen De batte befinden, wie insgesamt mit dem Kopftuch in unserer Gesellschaft umzugehen ist, haben wir da größtes Vertrauen in unseren Koalitionspartner, dass wir uns auch auf diesem Weg – oft ist der Weg das Ziel – auf einer guten Diskussions ebene befinden.

Auf jeden Fall ist das vorliegende Gesetz vertretbar

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Aber nicht politisch!)

und aus unserer Sicht auch verfassungskonform.

Ich glaube schon, dass die gesellschaftliche Debatte über das Tragen des islamischen Kopftuchs, die Frage, in welchen Be reichen hier Rechte in der Gesellschaft als Religionsfreiheit gelten können und in welchen Bereichen eine strikte Neutra lität zu wahren ist, eine wichtige Diskussion ist. Sie wird uns auch bezogen auf das Schulgesetz noch beschäftigen, weil die entsprechenden Verfassungsgerichtsurteile vorliegen und wir hier eine Änderung vornehmen müssen. Auch aus den Grup pierungen selbst werden die Diskussionen angestoßen. Viele Frauenrechtlerinnen und viele Muslima, die das Kopftuch als ein nicht nur religiöses, sondern auch politisches Symbol the matisieren und ablehnen, müssen wir ernst nehmen und uns dieser gesellschaftlichen Debatte stellen.

Nochmals: Ich bin froh, dass diese Koalition der Mitte

(Lachen bei Abgeordneten der SPD – Abg. Sascha Binder SPD: Da lacht er ja selbst! – Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

einen guten Kompromiss gefunden hat.

Schauen Sie doch mal, welch großen Anteil diese Koalition an Wählern hat und was sie repräsentiert! Das ist die Mitte der Gesellschaft: CDU und Grüne oder Grüne und CDU,

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

und das ist die Koalition der Mitte. Wir haben die Kraft, zu gestalten und zu wirken.