Protocol of the Session on May 3, 2017

(Abg. Emil Sänze AfD: Die kommen obendrauf!)

Die zweite Studie – die Studie, die vom Institut der deutschen Wirtschaft auf den Markt gekommen ist – sagt, dass 4,2 Mil lionen Personen in Deutschland den Spitzensteuersatz zahlen – 4,2 Millionen – und diese fast die Hälfte des Aufkommens aus der Einkommensteuer tragen. Wenn wir uns dazu noch die Zahlen des Statistischen Landesamts, bezogen auf das Jahr 2013, anschauen, dann sehen wir, dass unter diesen 4,2 Mil lionen offensichtlich sehr viele aus Baden-Württemberg sein müssen, weil nämlich das Durchschnittsbruttoeinkommen ei nes baden-württembergischen Haushalts 2013 bei 4 649 € lag. Das sind 55 788 € im Jahr. Das heißt, ein alleinstehender Durchschnittsverdiener ist damit schon vom Spitzensteuer satz betroffen.

Man muss allerdings auch dazusagen, dass 60 % der Haushal te in Baden-Württemberg unter diesem Durchschnittssatz lie gen. Das liegt an der Verteilung der Einkommen. Dennoch se hen Sie: 4,2 Millionen Menschen in Deutschland sind vom Spitzensteuersatz betroffen, und 2,7 Millionen Erwerbstätige zahlen keine Einkommensteuer.

Das sind die Fakten, die sich aus diesem Gutachten ergeben, und diese Fakten zeigen, dass die Grundidee unseres Steuer systems gewahrt ist: Starke Schultern tragen mehr. Und es macht eben einen Unterschied, ob jemand Alleinstehender ist oder ob er in einem Haushalt mit einer Familie lebt und zwei, drei, vier, fünf Köpfe zu versorgen sind. Entsprechend ist die se Steuer in Deutschland auch ausgestaltet.

Wenn jetzt die Zeit der Wahlprogramme im Bund kommt und die Wahlprogramme für die Bundestagswahl geschrieben wer den, dann kann ich in einigen Fällen nur sagen: Hände weg von der Kopiertaste! Denn wir machen eine Abschaffung des Ehegattensplittings nicht mit – wir wollen auch keine Spit zensteuersatzanhebung auf 49 %, wie das in einigen Wahlpro grammen zur vergangenen Wahl stand –, sondern wir wollen am Ehegattensplitting festhalten.

(Beifall des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner AfD)

Wir wollen, dass die steuerliche Anerkennung von Kinderbe treuungskosten weiterhin gilt, dass es Kindergeld gibt und dass auch das Elterngeld steuerlich begünstigt ist. Wir stehen für eine steuerrechtliche Bevorzugung der Familie.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der AfD)

Der Bund hat im Moment einen Überschuss von 20 Milliar den € angegeben. Deswegen unsere klare Aussage: Wir leh nen Steuererhöhungen ab. Wir wollen keine Vermögensteuer. Wir wollen keine Nahverkehrsabgabe oder Citymaut. Wir wollen auch keine Grunderwerbsteuererhöhung. Im Gegen teil: Bei 20 Milliarden € Überschuss im Bund können wir dem Bund ganz klar sagen – nachdem jetzt auch der Aufbau Ost weitgehend abgeschlossen ist und weil der Solidaritätszu schlag eine reine Bundessteuer ist; denn das Aufkommen aus dem Solidaritätszuschlag steht ausschließlich dem Bund zu; der Bundestag kann allein, ohne Bundesrat, den Solidaritäts zuschlag absenken und abschaffen –: Wir fordern eine Absen kung bzw. Abschaffung des Solidaritätszuschlags.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der AfD)

Daneben brauchen wir einen Abbau der sogenannten kalten Progression. Durch die Nominallohnerhöhungen in den ver gangenen Jahren ist natürlich auch der kleine Mann immer mehr in die Progression hineingerutscht.

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Wir hatten in der vergangenen Legislaturperiode nur minima le Änderungen bei den Einkommensteuertarifen, und deswe gen besteht natürlich auch ein Spielraum und besteht auch ei ne Notwendigkeit, hier voranzukommen und die sogenannte kalte Progression abzubauen.

Zusammengefasst: Angesichts dieser Zahlen, Daten und Fak ten, die ich genannt habe, kann es keinesfalls um Steuererhö hungen gehen. Nein, wir brauchen gezielt Steuersenkungen,

insbesondere beim Solidaritätszuschlag und bei der kalten Progression in der Einkommensteuer.

(Beifall bei der CDU – Abg. Dr. Rainer Podeswa AfD: Das erzählen Sie schon seit zwölf Jahren!)

Für die SPD-Fraktion er teile ich dem Kollegen Hofelich das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, wer te Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Nach den beiden letzten Vorträgen bin ich einmal auf die nächsten steuerpolitischen Initiativen der Landesregierung im Bundes rat gespannt.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der AfD und der FDP/DVP – Heiterkeit bei der AfD)

Aber abgesehen davon will ich mich schon mit dem ausein andersetzen, was jetzt in die Welt gesetzt worden ist.

Ich beginne einmal mit folgender Aussage: Bei dieser Studie der OECD – diese Unterscheidung ist heute bisher nicht ge troffen worden – haben wir es – egal, wo man jetzt die Ein kommensteuer oder die Abgaben in der Betrachtung mitnimmt – mit einer einzelwirtschaftlichen Betrachtung zu tun, wobei jeweils das steuerzahlende Individuum betrachtet wird. Bei einer gesamtwirtschaftlichen Betrachtung – das ist in der Li teratur leicht nachzulesen – steht Deutschland bei Steuern und Abgaben im Mittelfeld. Das ist eine andere Situation. Dazu ist man in den letzten Jahrzehnten auch gekommen.

Das heißt in der Schlussfolgerung – anders kann es gar nicht sein; ich hoffe, das wird auch so gesehen –: Wer bei uns die Arbeit macht, trägt viel in Deutschland, während Kapital und Vermögen wenig zur Finanzierung des Staates beitragen. Des wegen sind wir im Mittelfeld, weil die eine Seite viel, aber die andere Seite wenig beiträgt.

(Abg. Andreas Stoch SPD: So ist es!)

Dort müssen wir ansetzen. Das ist übrigens keine linke Rhe torik; das ist Statistik, das ist Wirklichkeit. Deswegen ist die Hauptaufgabe in der nächsten Zeit, dass wir Gerechtigkeit her stellen, dass auf der Kapitalseite mehr Beiträge erbracht wer den als bisher.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen muss sich etwas ändern. Es muss sich auch für Ba den-Württemberg etwas ändern. Denn es wurde zu Recht an gesprochen: Wir haben hier höhere Masseneinkommen, und diese Masseneinkommen der hart arbeitenden Menschen – ja wohl, das ist auch die richtige Formulierung – brauchen in Ba den-Württemberg auch eine Lobby. Deswegen sind wir dafür, dass sich in der Steuerpolitik für den Durchschnittsverdiener etwas ändert, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt aber dann doch zur AfD. Ich will den Ball gern anneh men, Herr Podeswa. Nach der Ablehnung des Euros, nach der Fremdenaversion kommt jetzt offenbar der Steuerpopulismus dran. Wer hier in diesem Haus vom „totalen Steuerstaat“ re det – das haben Sie getan –, hat offenbar ein hohes Interesse

daran, dass das Ego animiert wird, dass der Staat geschmäht und der Zusammenhalt zerstört wird.

(Beifall bei der SPD)

Das ist Ihr Plan. Die Umsetzung dieses offenkundigen Plans werden wir in keiner Weise zulassen. Steuerpolitik ist auch Gesellschaftspolitik. Deswegen nehmen wir das Gesamte in den Blick und richten den Blick nicht wie Sie allein nach un ten. Das ist nicht der richtige Weg. Er ist politisch verwerf lich, zumal Sie überhaupt keine Deckungsvorschläge machen. Da ist bei Ihnen überhaupt nichts aufgetaucht.

Ich will Ihnen einmal sagen, was Sie laut Ihrem Programm tun wollen. Sie wollen die ausgesetzte Vermögensteuer ab schaffen, Sie wollen die Erbschaftsteuer abschaffen, Sie wol len die Gewerbesteuer abschaffen – gute Nacht, kommunale Selbstverwaltung –, Sie sind jetzt dabei, den Mehrwertsteu ersatz senken zu wollen. Nebenbei gesagt: Den halbierten Mehrwertsteuersatz wollen Sie wegnehmen. Herzliche Grü ße an den DEHOGA! Aber Sie haben dann weniger Staat. Das ist das Einzige, was Sie am Ende haben.

Sie reden ständig nebulös vom Sparen. Der Ministerpräsident sitzt nicht mehr da. Ein großer Teil der Einnahmen des Lan des Baden-Württemberg hängt von den Steuern ab. Die meis ten Einnahmen beruhen auf Gemeinschaftsteuern, die Bund und Land gemeinsam zugutekommen. Deswegen ist völlig klar, dass bereits zum 1. Januar jedes Jahres gesetzlich fest gelegt ist, was wir an Einnahmen haben werden.

Deswegen: Sie, meine Damen und Herren, wirken mit dem, was Sie hier machen, was Sie fordern, staatszerstörend.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der Grünen und der CDU – Lachen bei Abgeordneten der AfD)

Wer hier lacht, lacht aus Verlegenheit. Das ist derzeit, glau be ich, auch Ihr Hauptproblem.

Weg von der AfD, hin zur Steuerpolitik. Dazu will ich einige Bemerkungen machen. Denn es lohnt sich ja, heute vielleicht auch darüber zu reden, auch weil die Bürger unseres Landes an dieser Stelle beteiligt sind – hier im Raum und vielleicht auch über den Livestream.

Das Erste: Wir brauchen in diesem Land eine effektive und eine effiziente Steuerverwaltung. Dafür ist in der Vergangen heit einiges geschehen, Stichwort 500 Beamte im Außen dienst, die die Verwaltung effektiver machen. Ich fordere die Landesregierung auf, hierbei fortzufahren.

(Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

Wir brauchen in den nächsten Jahren dreimal 500 neue Steu erbeamte, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD – Lachen bei Abgeordneten der AfD)

Das Gelächter ist völlig daneben. Die Deutsche Steuer-Ge werkschaft hat nachgewiesen, dass aufgrund einer Arbeits platzbewertung im Minimum 1 200 zusätzliche Bedienstete notwendig sind.

(Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

Dem widersetzen sich auch die Koalitionsfraktionen nicht.

Zweitens: Wir brauchen weiterhin klare Schritte gegen die in ternationale Steuervermeidung. Das Base Erosion and Profit Shifting, der Versuch, Steueroasen zu nutzen, muss ein Ende haben. Wenn Ihr offenbar neuer Geistesverwandter, Herr Trump, jetzt damit kommt, dass er in Amerika die Steuern ganz heruntersetzen will – vermutlich, ich sage es einmal flap sig, weil sie nicht genügend gute Autos bauen können, ziehen sie dann halt in Gottes Namen Investitionen in ihr Land –, dann sage ich: Das ist ein Steuerwettbewerb nach unten. Das Rennen nach unten, Race to the Bottom, werden wir nicht mit machen, denn es entspricht nicht dem, wie wir die Völkerge meinschaft organisieren wollen. Wir wollen nicht, dass der ei ne den anderen übers Ohr haut, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Übrigens: Bei dieser Gelegenheit gebe ich Ihnen nur einen kleinen Tipp. Sie haben bei diesem Thema bestimmt auch ge hört, dass es manchmal Rennfahrer und Tennisspieler gab, die in Monaco abgerechnet haben. Ausschlaggebend dafür, wo die Steuern zu zahlen sind, ist nicht, ob es der Erst- oder Zweitwohnsitz ist, sondern ist die dortige Aufenthaltsdauer. Das nur als kleiner Tipp.

Dritter Punkt: Respekt für das Geleistete. Wir haben in Deutschland, als Gerhard Schröder mit Rot-Grün regiert hat, etwas nach vorn gebracht. Ich erinnere noch einmal: Ein gangssteuersatz 15 %, Spitzensteuersatz 42 %, Körperschaft steuersatz auf 15 % runter, mit Gewerbesteuer heute 30 %. Dazu gab es auch noch einen besseren Grundfreibetrag. Das ist gesetzt worden, und das gilt auch heute noch, meine Da men und Herren. Wir haben keinen Anlass, uns hier zu ver stecken.

(Beifall bei der SPD – Abg. Anton Baron AfD: Sie haben Politik für die Gutverdiener gemacht!)

Wir haben in Deutschland eine Situation, in der die steuerpo litische Bleiweste der Kohl-Jahre abgelegt wurde. Das ist pas siert.

Viertens: Redlichkeit im Umgang mit unseren Möglichkeiten. Ein fair austariertes Steuersystem steht auf der Tagesordnung; das ist richtig. Aber wir werden keine riesigen Senkungen vor nehmen können; denn in Deutschland ist der Bedarf, etwa in Infrastruktur, in Bildung und in anderes zu investieren, groß. Das ist bekannt.