Der ehemalige italienische Ministerpräsident Renzi hat in die sem Zusammenhang gesagt: „Dann müssen wir eben die Ver träge an die geänderten Umstände anpassen.“
Die Stadt Fellbach beispielsweise bekommt für einen Kassen kredit 0,05 % der Kreditsumme bezahlt. Die Geldmehrungs politik der EZB hat sich von der realen Wirtschaft total abge löst. Im September 2016 meldete die FAZ, dass im europäi schen Bankensystem 1 Billion € sozusagen herumgeistern.
Keynes „Deficit Spending“ ist in allen Köpfen. Die Maastricht-Kriterien machen eine Obergrenze von 60 % im Verhält nis zwischen Schulden und Bruttoinlandsprodukt zur Pflicht.
„Deficit Spending“ kann in Zeiten von Krisen und Krieg zeit weise angebracht sein. Außerhalb solcher Notzeiten führt es nur zur Inflation. Vor allem aber wird ein Grundprinzip von Keynes immer wieder vergessen: Investieren in schlechten Zeiten, Sparen und Tilgen in guten Zeiten. Gespart, meine Da men und Herren, wird aber in der gelebten Praxis nie. Dabei ist gerade jetzt Zeit, und Tilgen wäre angebracht.
Vor diesem Hintergrund gilt der Ausspruch: Haushalte wer den in guten Jahren ruiniert. Das Jahr 2016 war finanziell ein außerordentlich gutes Jahr, und auch 2017 wird finanziell ein außerordentlich gutes Jahr werden. Das wissen wir.
Frau Ministerin Sitzmann eröffnete die Haushaltsberatungen im Finanzausschuss mit der Feststellung, dass wir mit einem rechnerischen Überschuss von 3,5 Milliarden € in diese Be ratungen gehen können.
Geld, sehr geehrte Damen und Herren, ist geprägtes oder ge drucktes Vertrauen in Staat und Gesellschaft. Geldentwertung und Überschuldung sind unmerkliche, leise Prozesse. Die Lö sung dieser Prozesse wird fast immer auf die nächste Wahl periode verschoben. So macht es auch die grün-schwarze Lan desregierung.
Woher kommen eigentlich die Überschüsse? Vor allem doch daher, dass die öffentlichen Haushalte in Milliardenhöhe von den hohen Ausgaben der Leute profitieren, weil sich Geldan legen nicht mehr lohnt. Die Überschüsse kommen doch nicht daher, dass man an der einen oder anderen Stelle den Gürtel enger schnallt, wie die Regierung immer behauptet.
Im Schatten der Steuereinnahmen macht man sich bei der strukturellen Einsparung im Haushalt einen schlanken Fuß. Da hätte sich die FDP/DVP von der Regierung aber wirklich mehr erhofft.
Bei den Überschüssen gibt es nach den Gewinnern natürlich auch Verlierer. Der Staat ist hier der Gewinner, der Normal bürger verliert. Die Niedrigzinsphase macht viele Lebenspla nungen von Menschen obsolet. Sie müssen jetzt länger arbei ten, um ihren Lebensstandard im Alter aufrechtzuerhalten. Sie müssen sich mit niedrigen Lebensversicherungszahlungen ab finden, die Altersrenten sinken. Es geht sogar so weit, dass viele Rentner weiterarbeiten müssen, weil ihnen sonst im Al ter das Geld zum Leben nicht reicht.
Diese Tatsachen haben sogar unser Parlament erreicht und zu den turbulenten Ereignissen von vor 14 Tagen geführt.
Die Mittelschichten werden ausgepresst, da bei Geringverdie nern mangels Vollstreckungsmasse nichts mehr zu holen ist, und die Wohlhabenden haben häufig andere Ausweichmög lichkeiten.
Fazit in der jetzigen Situation: Die öffentlichen Haushalte ju beln, der Mittelstand wird in die Zange genommen, die Selbst ständigkeit wird zum Auslaufmodell, man flüchtet in die Ar me der großen Konzerne.
Hier muss man dringend den Mittelschichten wieder etwas zurückgeben. Dafür trat und tritt die FDP ein.
Nun kommt die grün-schwarze Koalition ins Spiel. Sie rühmt sich bei diesen Ausgangsbedingungen, auch im Jahr 2017 ei nen Haushaltsentwurf ohne Aufnahme neuer Schulden einge bracht zu haben. Laut Haushaltsordnung wäre diese Regie rung verpflichtet, die Überschüsse von 411 Millionen € in die Tilgung von Kreditmarktschulden zu stecken. Gemacht wird das aber nicht.
Was wir jetzt erleben, ist eine Vernebelungstaktik. Wir erle ben eine fundamentale Umdeutung des Wortes „Schulden“. Die SPD hat in der letzten Legislaturperiode schon damit an gefangen. Man spricht jetzt von der Tilgung von „impliziten Schulden“.
Dazu passend war in der ZEIT vom 2. Februar 2017 ein au ßerordentlich interessanter Beitrag zum Thema: Wer im Be sitz der Worte ist, bestimmt das Denken. In dem Artikel heißt es u. a.: George Orwell lässt in seinem berühmten Roman „1984“ einen
... Dezernenten aus dem „Wahrheitsministerium“ dozie ren: „Kapierst du denn nicht den eigentlichen Sinn von Neusprech?“ Beschweigen und Beschneiden sollen die „Bandbreite der Gedanken einengen“.
Und ich füge hinzu: verändern. Wer im Besitz der Worte ist, wer neue prägt oder alte nicht mehr benutzt, verändert das Denken.
So macht es die Regierung mit der Weiterverwendung des Ausdrucks „implizite Schulden“. Wenn man das Wort „Schul den“ aus dem Sprachschatz tilgt bzw. durch Zusätze verän dert, macht man es in absehbarer Zeit unmöglich, auch nur an Schulden zu denken. Hier liegt das eigentlich Verwerfliche, das Beklagenswerte im Regierungsentwurf des Haushalts. Das Wort „Schulden“ wird relativiert.
Warum spricht diese Regierung in diesem Zusammenhang nicht von „impliziten Verpflichtungen“? Das klingt doch viel besser, hat sogar einen positiven Grundton, vermittelt Verant wortung und Zuneigung nach dem Motto: „Vater Staat wird für euch schon sorgen. Ihr könnt alle schlafen. Wir machen das schon.“
Ohne mit der Wimper zu zucken, werden Investitionsrück stände, Sanierungsmaßnahmen, notwendige Reparaturarbei ten zu „Schulden“ erklärt. Man kann dann stolz behaupten: „Seht her, die Regierung baut Schulden ab, weil sie inves tiert.“ So kann man sich schön vor der Umsetzung der Til gungsverpflichtung drücken.
Die Regierung verkennt doch völlig, dass Investitionen bei solidem Haushalten gerade vom Haushalt erwirtschaftet wer den müssen. Sie gibt damit im Grunde zu, dass der Haushalt nicht in der Lage ist, Schuldendienst und Investitionen zu er wirtschaften. Dabei wäre beides ohne Probleme möglich und notwendig – sogar mehr als das.
Die FDP/DVP-Fraktion fordert, in diesem Jahr nicht nur die eigentlich gesetzlich vorgeschriebenen 411 Millionen €, son dern darüber hinaus weitere 200 Millionen € zur Tilgung von Kreditmarktschulden in den Haushalt einzustellen.
Das tut sie nicht, weil sie die Schuldentilgung wie eine Mons tranz vor sich herträgt. Vielmehr fordert sie diese Extratilgung, weil das jetzt möglich ist, weil die Umstände in diesem Jahr entsprechend günstig sind.
Wenn meine Fraktion in einem Entschließungsantrag zusätz lich fordert, in Zukunft 25 % der Überschüsse langfristig in die Tilgung zu stecken, dann erkennt sie an, dass Schuldentil gung per se keinen Wert darstellt, und realisiert auch, dass das Niedrigzinsumfeld durchaus auch für Investitionen genutzt werden kann.
Die FDP/DVP-Fraktion ist allerdings überzeugt, dass die Re gierung positive oder negative Signale ins Land schicken kann. Wenn Sie bei Ihrem Haushaltsentwurf, sehr verehrte Frau Ministerin, die psychologische Komponente völlig au ßer Acht lassen, dann begehen Sie unseres Erachtens einen Fehler. Aber Sie lassen diese Komponente außen vor. Anders kann man sich Ihren Haushaltsentwurf nicht vorstellen.
Ich möchte nur an die Situation im Jahr 2008 erinnern. 2008 gab es die Bankenkrise. Finanzminister Steinbrück und Kanz lerin Merkel stellten sich in Berlin vor die gesamte deutsche Medienlandschaft und behaupteten überzeugend: „Die deut sche Regierung garantiert für Spareinlagen deutscher Sparer.“