Protocol of the Session on December 1, 2016

Inhaltlich: Wie Sie richtig schreiben, ergibt sich die Notwen digkeit für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht nur aus Artikel 5 Absatz 1 des Grundgesetzes, sondern insbesondere aus dem, was das Bundesverfassungsgericht dazu gesagt hat. Sie sagen, dieses Modell sei starr und würde deswegen auf die jetzige Situation nicht passen. Nach dem Niedersachsen-Ur teil des Bundesverfassungsgerichts von 1986

(Abg. Anton Baron AfD: Haben Sie das Gutachten von Herrn Schäuble gelesen?)

gewährt aber der Gesetzgeber den Öffentlich-Rechtlichen nicht nur eine Daseinsberechtigung, sondern auch eine Ent wicklungsberechtigung. Das heißt, es ist festgelegt: Ja, die Technik entwickelt sich weiter, aber das darf der öffentlichrechtliche Rundfunk auch tun, das soll er auch tun, das ist auch sein Auftrag, und das tut er auch.

(Abg. Anton Baron AfD: Tun das die Privaten nicht?)

Der Medienwandel findet statt. Das ist überhaupt keine Fra ge. Aber genau – da kommen wir zum medienpolitisch inter essanten Teil dieses Antrags – aus journalistischer und medi enpolitischer Sicht ist es wichtig, dass es den öffentlich-recht lichen Rundfunk gibt.

(Abg. Anton Baron AfD: Aus welchen Gründen denn?)

Gerade die technische Entwicklung weg von Print- und klas sischen Onlineangeboten hin zur individuellen Streamingnut zung oder das, was Sie den ganzen Tag über Twitter und Fa cebook aus diesem Haus herausgeben,

(Abg. Anton Baron AfD: Das macht RTL schon lan ge!)

macht es eben notwendig, dass wir einen öffentlich-rechtli chen Rundfunk haben, der dasitzt und das objektiv bewertet.

(Zuruf von der AfD: Was ist objektiv?)

Objektiv heißt in diesem Sinn: jenseits der Bedürfnisse und der Einmischung großer Sponsoren, jenseits der Beeinflus sung durch die aktionärsgetriebenen Senderleiter, jenseits des allzu verlockenden Griffs nach billig produzierten Inhalten, jenseits der Verpflichtung unterirdisch bezahlter Praktikantin nen und Praktikanten und jenseits dessen, was Sie wahrschein lich als Mainstream bezeichnen würden.

(Abg. Dr. Christina Baum AfD: Ja!)

Darum geht es: Wer, wenn nicht ARD, ZDF, SWR, BR oder NDR, soll sich hinsetzen und unsere Debatten anhören und z. B. über die Änderung des Jagdgesetzes, die Anpassung un serer Landwirtschaft schreiben? Das sind jetzt nicht die The men, die ich mir in meiner eigenen Informationsblase bilde, sondern in diese Blase muss ich hineinstechen. Das kann eben

nur ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk, der gut organisiert ist.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen – Abg. Dr. Jörg Meuthen AfD: Warum haben wir kei ne öffentlich-rechtliche Zeitung?)

Die Medienwelt ist im Umbruch. Ich verdiene seit über 20 Jahren mein Geld in der Medienbranche, und das, was dort passiert ist, ist ein Tsunami. Stolze Medienhäuser legen Re daktionen zusammen, entlassen Redakteure, streichen Korre spondentenstellen, schränken durch den Rückzug aus der Flä che und aus Teilen der Welt auch die Quellenvielfalt ein, spa ren an Personal und Ausstattung, unterhalten sich auf Kon gressen über Themen wie Monetarisierung,

(Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

über Onlinestrategien, über ressourcenschonendes Content management. Sie unterhalten sich nicht über die Demokratie, sie unterhalten sich nicht über die vierte Macht im Staat.

Also: Sicher braucht diese Welt neue Antworten. Auch diese Medienwelt braucht neue Antworten. Aber erstens, liebe Kol leginnen und Kollegen, sucht der öffentlich-rechtliche Rund funk Antworten auf diese Fragen. Eine Antwort z. B. ist das neue Projekt „funk“,

(Abg. Anton Baron AfD: Ach du meine Güte!)

in dem es nicht nur darum geht, den Jugendlichen neue Inhal te zu bieten, sondern auch darum, auszutesten, was der öffent lich-rechtliche Rundfunk mit den Übertragungsmöglichkei ten, die es heute gibt, tun kann. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk entwickelt sich also auch weiter.

(Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

Zweitens werden wir natürlich vor diesem Hintergrund an die ser Stelle irgendwann auch einmal wieder über den Rundfunk staatsvertrag reden müssen, und wir werden auch über Refor men reden müssen.

Aber drittens, Herr Meuthen, weil Sie gerade genickt haben – –

(Glocke des Präsidenten)

Herr Kollege, bevor Sie mit dem vierten Punkt ansetzen: Ihre Redezeit ist zu Ende.

(Heiterkeit – Vereinzelt Beifall)

Drittens – Sie werden es kaum glauben, der dritte ist der letzte Punkt –: Mit Leuten, die mit ten in diesen für die Demokratie in diesem Land existenziel len Fragestellungen nichts Besseres bieten können, als mit der Schrotflinte auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu schie ßen, werden wir diese Themen erst dann diskutieren, wenn es so weit ist.

(Abg. Anton Baron AfD: Da ist noch Zeit! Ende 2018!)

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und den Grünen – Zuruf des Abg. Dr. Jörg Meuthen AfD)

Für die SPD-Fraktion er teile ich das Wort dem Kollegen Binder.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich fehlen einem die Worte, wenn man die Begründung des vorliegenden Antrags liest und sich die Rede von Ihnen, Herr Dr. Meuthen, hier an diesem Pult an hört. Denn das ist jenseits dessen, was eine wirklich ordentli che Argumentation in der Sache angeht. Deshalb möchte ich versuchen, mich mit einzelnen Sätzen Ihrer Begründung aus einanderzusetzen.

Sie sagen:

Deutschland hat einen sehr großen und sehr teuren öf fentlich-rechtlichen Rundfunk,

ganz nebenbei: darauf, was „groß“ eigentlich heißt, wird gar nicht näher Bezug genommen –

nach Ansicht mancher Experten den teuersten Rundfunk der Welt.

(Zurufe von der AfD: Ja!)

Ich brauche kein Experte zu sein, um einzelne Gebührenhö hen miteinander zu vergleichen. Bei uns beträgt der Rund funkbeitrag monatlich 17,50 €, in der Schweiz sind es jähr lich 407,95 €, und in Dänemark sind es jährlich 332,93 €. Wenn Sie die 17,50 € mit zwölf multiplizieren, stellen Sie fest, dass der Rundfunkbeitrag bei uns niedriger ist als die Rund funkgebühren in den beiden genannten anderen Ländern. Ih re Aussage ist also falsch.

(Zurufe von der AfD)

Zahlen können Sie leider nicht anschreien; die stimmen halt.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem 4. Rundfunkur teil klargestellt, dass es für die Sicherung der Grundversor gung erforderlich ist, die technischen, finanziellen, organisa torischen und personellen Vorbedingungen so auszugestalten, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk dieser Aufgabe ge recht werden kann.

Glauben Sie mir: Gerade der SWR hat nicht nur durch die sehr schmerzhafte Fusion der Landesanstalten von Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg, sondern auch durch erhebliche Ein sparungen in der Landesrundfunkanstalt und im SWR insge samt in den vergangenen Jahren gezeigt, dass der öffentlichrechtliche Rundfunk lernt und mit dem Geld der Beitragszah ler ordentlich umgeht.

(Lachen des Abg. Anton Baron AfD)

Sie sagen ja gar nicht, welche Finanzierung Sie wollen. Ei nerseits sagen Sie, Sie wollten den öffentlich-rechtlichen Rundfunk abschaffen. Andererseits sagen Sie im Grundsatz programm der AfD, dass Sie den öffentlich-rechtlichen Rund funk in ein Bezahlfernsehen umwandeln möchten,

(Abg. Anton Baron AfD: Ja! Privatisierung!)

frei nach dem Motto: Pay-TV, um die Grundversorgung si cherzustellen, „Bauer sucht Frau im Dschungelcamp“ frei zu gänglich, „Tagesschau“ und „SWR Landesschau“ nur noch

verschlüsselt – das ist Ihre Medienpolitik, sehr geehrte Da men und Herren von der AfD.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der Grünen und der CDU)

Sie behaupten:

Nach Auffassung vieler Bürger befinde sich der öffent lich-rechtliche Rundfunk in einer tiefgreifenden Vertrau enskrise.