Protocol of the Session on November 10, 2016

Zwei Beispiele nur in Schlagworten: In Ulm und RavensburgWeingarten wird an der Digitalisierung des Produktionspro zesses mit Schwerpunkt auf Ressourceneffizienz und Scho

nung von Ressourcen gearbeitet. Die Hochschule Furtwangen arbeitet im Bereich des demografischen Wandels an Möglich keiten, Menschen mit Beeinträchtigungen im Alltag möglichst lange selbstbestimmt zu Hause leben zu lassen und AssistedLiving-Systeme zu etablieren. Wir werden noch in diesem Monat drei weitere Zentren für angewandte Forschung an den Start bringen, um auch dieses Förderkonzept im Land weiter zu verstärken.

Meine Vorrednerin und meine Vorredner haben es schon an klingen lassen: Es geht nicht nur um Förderprogramme. Es geht auch nicht nur um Geld. Es geht in der Tat um die Stär kung einer Kultur der Kooperation, um eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe zwischen Wissenschaft und Wirtschaft, um ein vertieftes Verständnis und um strategische, langfristig aus gerichtete Strukturen der Zusammenarbeit. Das kann man mit Geld unterstreichen, aber man muss es vor allem mit Haltung und mit neuen Formaten der Kooperation unterstützen.

Ich würde Ihnen jetzt gern noch viel, viel mehr erzählen, aber ich wollte ja eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Bullinger zu lassen. Erlauben Sie mir nur, die Frage des Abg. Rivoir kurz aufzugreifen, was eine Förderung von Gründungskultur mit der Internationalisierung zu tun habe oder ob das gegenläufig sei.

Ich bin überzeugt davon, dass wir auch in Zukunft viele inter nationale Studierende für ein Studium in Baden-Württemberg gewinnen werden. Wir müssen sie auch gewinnen, und wir wollen sie auch gewinnen. Ich bin überzeugt davon, dass die Menschen, die sich entscheiden, in einem anderen Land zu studieren, sehr genau hinschauen, was sie wo bekommen. Ich bin überzeugt davon, die Studierenden in aller Welt lassen sich überzeugen von dem Angebot der Qualität und einer guten Betreuung. Auch darum geht es uns bei dem Thema „Studi engebühren für internationale Studierende“: die Betreuungs intensität und -qualität noch weiter zu verbessern. Ich bin mir sicher, wir gewinnen die jungen Menschen aus aller Welt, wenn sie merken: Hier stimmt die Qualität, und nicht: Hier ist es billig.

In diesem Sinn möchte ich mit Ihnen dieses Thema gern bei einer anderen Gelegenheit vertieft ansprechen und freue mich, falls es erlaubt ist, Herrn Abg. Bullinger zu hören.

Herr Abg. Dr. Bullinger, Ihre Frage.

Frau Ministerin, Sie haben das jetzt sehr schön dargestellt. Wir wissen, dass Baden-Württemberg schon immer sehr gut war und auch in den letzten fünf Jahren in diesem Bereich sicherlich viel ge schehen ist. Wir haben beispielsweise auch das Juwel ifex mit internationalen Auszeichnungen; ifex war mit Existenzgrün dern, bei Betriebsübernahmen, aber auch im Hochschulbe reich sehr erfolgreich. Wir haben in Karlsruhe auch einen der ersten Lehrstühle für Existenzgründer gehabt, und zwar mit Reinhold Würth.

Ich will noch auf das eingehen, was Frau Kurtz gesagt hat: aus einem Guss. Ganz konkret sehe ich Schwachpunkte beim Startkapital. Was passiert hier? Was passiert im Bereich Bürg schaften gerade für junge Innovatoren? Die Innovationsgut scheine vom Wirtschaftsministerium sind im Bereich Hand

werk sehr erfolgreich. Wie könnte man das hier in diesem Be reich einsetzen? Das sind ein paar Fragen, bei denen es mir darum geht, dass die beiden Häuser, die beiden Ministerinnen hier wirklich aus einem Guss, wie es hier gesagt wurde, die se Dinge auch im Bereich der Finanzausstattung besser ma chen. Also kurz die Frage: Wie ist das in dem Konzept vorge sehen?

Ich kann dazu nur sagen – vielleicht haben Sie uns eben auch schon tuscheln sehen –: Selbstverständlich ha ben wir bei diesem Punkt zwischen dem Wirtschaftsministe rium und dem Wissenschaftsministerium viele Berührungs punkte. Unsere gemeinsame Einschätzung ist, dass es in Ba den-Württemberg viel nebeneinander gibt. Es gibt viel Gutes. Es gibt manchmal vielleicht auch Parallelstrukturen, und es gibt bei der Überarbeitung und der Herstellung des Überblicks über das, was wir alles machen, sicher Gelegenheiten, die Din ge zu sortieren und durch Prioritätensetzung strategisch noch besser vorzugehen.

Im Wirtschaftsministerium – die Kollegin sagte es mir auch gerade – wird eine entsprechende Aufarbeitung gemacht. Wir setzen uns dann zusammen und werden schauen, wie wir die Ansätze aus beiden Häusern abgleichen, um miteinander das Beste für den Gründerstandort, für die jungen Leute in unse rem Land, die Gründer der Zukunft, und die Wirtschaft, die schon hier ist, auf den Weg zu bringen. Sie können ganz be ruhigt sein: Wir kooperieren in diesem Punkt hervorragend

(Abg. Sabine Kurtz CDU: Das hat sie eben erst ge sagt!)

und haben uns vorgenommen, da einen landesweiten Über blick mit einer Gesamtkonzeption vorzulegen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und des Abg. Konrad Epple CDU)

Frau Ministerin, lassen Sie ei ne weitere Frage des Herrn Abg. Dr. Bullinger zu?

Ja.

Frau Ministerin, vor allem noch ein Punkt: Es gibt ja wirklich die Bereitschaft, hierfür verstärkt privates Kapital einzusetzen. Was wollen Sie dafür tun, dass privates Kapital – also jetzt nicht nur staat liches Kapital, L-Bank-Bürgschaft – noch stärker den Hoch schulen gerade für diese Gruppen, für die innovationsberei ten jungen Menschen und Gründer, zufließt?

In der Tat – Sie sagen es ja völlig zu Recht –: An Kapital, das kluge und gute Anlagemöglichkeiten sucht, fehlt es zurzeit nicht, ganz im Gegenteil. Wir werden wirklich in erfreulicher Weise geradezu bedrängt, zu sagen: Wo kön nen wir sinnvoll investieren? Deswegen ist es auch eine gute Situation, darüber zu reden, was wir sehr hochschulnah ma chen können. Auch da sind wir in der Bestandserhebung und der Erarbeitung neuer Strategien.

Ich möchte Ihnen eine Geschichte erzählen, die verdeutlicht, welche Formate für mich in einer besonderen Weise spannend

sind, weil sie besonders hochschulnah sind. Ich habe vor Kur zem in Heidelberg ein sehr spannendes Format kennengelernt. Ich würde es einmal als „Wissenschaftsunternehmen“ bezeich nen. Es ist angesiedelt in einem Campus, der in einer beson deren Weise schon jetzt erfolgreich ist, weil im Komplex der Lebenswissenschaften die Naturwissenschaften wie Medizin und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen zusammen auf engem Raum arbeiten.

In dem beschriebenen Umfeld siedelt sich ein Unternehmen an, das der Wirtschaft folgendes Angebot macht: Wenn ihr Forschungsfragen habt – nicht im Bereich der schlichten An wendung und Umsetzung, sondern grundlegenderer Art, gro ße, komplizierte Fragen, in der Nähe der Grundlagenfor schung –, von denen ihr nicht wisst, ob daraus eine große, dis ruptive Idee entstehen könnte, bieten wir euch an, diese Fra gen an uns zu adressieren. Wir suchen euch in der akademi schen Welt die weltweit besten Köpfe und laden sie ein.

Das Unternehmen finanziert hier über Stipendien Nachwuchs kräfte, Nachwuchsgruppen, Nachwuchsleitungen. Es werden weltweit die Leute mit den besten Ideen zur Bearbeitung die ser spannenden Frage eingeladen und vor Ort geholt, damit sie zusammen arbeiten. Die Industrie zahlt. Die Forschung ist frei. Das Ergebnis der Forschung kann vom Unternehmen ver wendet werden, wenn es das will. Der spannende Vorteil für das Unternehmen ist, dass es diese grundlegenden Fragen nicht im Unternehmen selbst bearbeiten muss. Das Spannen de für die Nachwuchswissenschaftler ist, dass sie an diesem Punkt noch die Offenheit haben, ob sie sich für die akademi sche Welt entscheiden werden oder in die Industrie wechseln werden. Das Beste beider Welten können sie erleben.

Das Wissenschaftsunternehmen, das diesen Service bietet, ex pandiert enorm. Es ist ein Modell, um privates Kapital einzu sammeln, strategisch einzusetzen und hoch attraktive For schungsbedingungen und Innovationsumfelder zu schaffen. Diese Modelle sammeln wir und werden wir verstärken.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU sowie des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

In der zweiten Runde erteile ich das Wort für die Fraktion GRÜNE Herrn Abg. Salomon.

Vielen Dank. – Lassen Sie mich auch noch einige Worte zur Debatte beitragen.

Ich darf erst einmal feststellen, dass die Debatte aus meiner Sicht und, so glaube ich, aus der Sicht des Parlaments eine Zustimmung zur Wissenschaftspolitik, wie sie stattfindet, und zu dem, was wir in diesem Bereich tun, ergeben hat. Nach un serer Meinung müssen Gründung und Innovation von den Hochschulen her gedacht werden. Dort entsteht das Neue. Dort entsteht das, was wir für die Zukunft brauchen.

(Abg. Sabine Kurtz CDU: Nicht nur!)

Daher interpretiere ich das als klare Zustimmung zu unserer Wissenschaftspolitik.

Lassen Sie mich darüber hinaus noch eine Zuspitzung der Ausführungen der Frau Ministerin vornehmen. Der Impuls für Gründungen muss aus unserer Sicht aus einer starken Idee ent

stehen und nur bedingt aus der Not heraus. Da helfen auch die Zahlen und die Statistiken, die Sie angeführt haben, nur be dingt, weil natürlich – das hat die Frau Ministerin auch aus geführt – viele Unternehmen in Baden-Württemberg sehr er folgreich sind, Nachwuchs benötigen und quasi schon vor der Hochschultür stehen, um die Studierenden für ihr Unterneh men zu gewinnen. Daher muss man das immer etwas bedingt sehen und darf nicht alles schwarz-weiß sehen.

Jetzt darf ich noch eine Ausführung zu Herrn Rivoir machen. Ich finde es schon ein starkes Stück, dass man unseren Hoch schulen in Baden-Württemberg vorwirft – so habe ich Sie ver standen –, dass ihr vermeintlich einziger Vorteil die Kosten freiheit sei.

(Abg. Martin Rivoir SPD: Ach komm!)

Ich glaube, das wird unseren Hochschulen nicht gerecht, das wird unserem System nicht gerecht. Wir möchten über Qua lität mit den anderen konkurrieren und nicht über die Kosten freiheit in diesem Bereich. Letzteres ist auch ein Aspekt, kei ne Frage. Aber Qualität muss an erster Stelle stehen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der CDU – Abg. Martin Rivoir SPD: Die Grünen sind für Stu diengebühren! Das muss man einfach sagen! – Ge genruf der Abg. Gabi Rolland SPD: Genau! Die Grü nen wollen Studiengebühren einführen! – Abg. Dr. Heinrich Fiechtner AfD: Haben Sie eigentlich ge gründet, Herr Salomon? – Weitere Zurufe)

Getroffene Hunde bellen, liebe SPD. Lassen wir das lieber mal. Das können wir noch ausführen. Wir haben ja in der Zu kunft noch genug Zeit dafür.

(Abg. Martin Rivoir SPD: Was sagt die Grüne Jugend dazu, dass Sie Studiengebühren einführen wollen? – Weitere Zurufe von der SPD)

Meinen vorherigen Redebeitrag habe ich mit einem Zitat von Herrn Kretschmann beendet. Jetzt darf ich noch aus einem In terview mit Herrn Kretschmann im „Handelsblatt“ sinngemäß zitieren. Da hat Herr Kretschmann ausgeführt, dass wir bei den großen Fragen, die vor uns stehen, nicht verzagen sollen, sondern den richtigen Spirit brauchen. Lassen Sie uns diesen Spirit aufgreifen und an die Sache gehen. Dann haben wir, glaube ich, dem Land Baden-Württemberg einen guten Dienst erwiesen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Ak tuelle Debatte beendet und Punkt 1 der Tagesordnung erle digt.

Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:

Aktuelle Debatte – Die Verschärfung der politischen Er eignisse in der Türkei und ihre Auswirkung auf das Land Baden-Württemberg – beantragt von der Fraktion der AfD

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Aktuel le Debatte eine Gesamtredezeit von 50 Minuten festgelegt. Darauf wird die Redezeit der Regierung nicht angerechnet. Für die Aussprache steht eine Redezeit von zehn Minuten je Fraktion zur Verfügung. Auch hier darf ich die Mitglieder der Landesregierung bitten, sich an den vorgegebenen Rede zeitrahmen zu halten.

Schließlich darf ich auf § 60 Absatz 4 der Geschäftsordnung verweisen, wonach im Rahmen der Aktuellen Debatte die Aussprache in freier Rede zu führen ist.

In der Aussprache erteile ich nun Herrn Abg. Sänze für die AfD-Fraktion das Wort.

Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Frau Präsidentin! In der Türkei werden Richter, Poli zisten, Journalisten und Politiker inhaftiert. Bis heute sind über 100 000 Beamte, Richter, Staatsanwälte, Polizisten und Soldaten suspendiert worden, ca. 35 000 wurden bereits ver haftet und interniert.

Luxemburgs Außenminister Asselborn hat Sanktionen gegen die türkische Regierung gefordert. Er verglich die aktuelle Entwicklung in der Türkei mit der Nazizeit. Ich kann diese Gedanken historisch leicht nachvollziehen. Man erinnere sich an die Säuberungen des Röhm-Putsches. Die nationalsozia listische Propaganda stellte sich damals so dar, dass die Mor de eine präventive Maßnahme gewesen seien. Oder man er innere sich an das Münchner Abkommen, bei dem Daladier und Chamberlain mehr oder weniger von Nazideutschland vorgeführt wurden, was zu Auseinandersetzungen, die wir al le kennen, geführt hat.

Kein Wunder, dass sich Edzard Reuter als profunder Kenner der Türkeiszene im Gespräch mit der ZEIT ähnlich äußerte. Zitat:

Was derzeit in der Türkei geschieht, erinnert mich an die Anfänge der NS-Zeit in Deutschland.