Der nun aktuelle Gesetzentwurf verlangt, dass sich junge Menschen schon heute darauf festlegen, wo und wie sie die nächsten 20 Jahre leben wollen. Denn es dauert mindestens zehn Jahre bis zum Ende der Ausbildung, und danach greift die Verpflichtung für weitere zehn Jahre. Dieser Ansatz ist völ lig unrealistisch, da er mit zu vielen Unwägbarkeiten einher geht.
Wir hingegen streben Maßnahmen an, die Ärzten den Zugang zur eigenen Praxis erleichtern. Denn, so heißt es im Leitan trag der AfD Baden-Württemberg – ich zitiere –:
Die beruflich geführte Inhaberpraxis im Rahmen der ärzt lichen Selbstverwaltung soll weiterhin das Rückgrat der ambulanten Versorgung bilden.
Es fehlt weder an qualifizierten noch an motivierten Ärzten. Wer sich aber heute dafür entscheidet, sich selbstständig zu machen, geht nicht nur ein erhebliches finanzielles Risiko ein, sondern muss sich auch noch mit einer unglaublichen Menge an unnötiger Bürokratie auseinandersetzen, und genau das schreckt die Absolventen ab.
Wir sind der Meinung, dass Leistung, Empathie und Leiden schaft zählen sollten. Deshalb: Gehen wir statt dieser Ver pflichtung lieber den Numerus clausus an und erlauben einen Wettbewerb der Talente, nicht nur der Noten,
und schaffen wir endlich die notwendige Infrastruktur, die Ärzte motiviert, sich auf dem Land niederzulassen, und die Sie, meine Damen und Herren, in den letzten Jahrzehnten sys tematisch zerstört haben.
Sehr geehrte Frau Prä sidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Nicht immer ist gut, was gut gemeint ist. Dies trifft auch auf die Landarztquote zu, die die Landesregierung hier vorschlägt.
Lassen Sie mich einige Punkte herausgreifen. Wenn man jetzt die Landarztquote einführt, dann werden sich die Landtage von 2031 bis 2036 bzw. 2036 bis 2041 mit der Evaluation be schäftigen. Die Kollegin Neumann-Martin ist im Gegensatz zu vielen anderen dann noch dabei.
Aber das ist keine Lösung für die aktuellen Probleme. Denn ein Drittel der Hausärztinnen und Hausärzte sind über 60 Jah re alt, zwei Drittel sind über 50 Jahre alt. Wir brauchen schnel lere Lösungen als ein Konzept, das erst in 15 Jahren greift. Die Landarztquote hilft nicht für die Probleme der jetzigen Zeit in Baden-Württemberg.
Die Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutsch land hatte im letzten Jahr auch Stellung genommen und die Landarztquote kritisiert. Da stellt sich die berechtigte Frage: Wäre es nicht sinnvoller, jetzt auf Studierende im fortgeschrit tenen Studium zuzugehen und sie auf eine Landarzttätigkeit anzusprechen, als jetzt eine verpflichtende Quote einzufüh ren? Die Quote konterkariert den Versuch, ein positives Be rufsbild vom Landarzt zu vermitteln, und erweckt den Ein druck, man brauche die Quote, um einen unattraktiven Stand ort sozusagen zwangsmäßig zu besetzen.
Der Gesetzentwurf zeigt sozialpolitisch keine gute Form. Denn für Familien besteht die Möglichkeit, sich freizukaufen, wenn man über ein entsprechendes Budget verfügt. Deshalb sagen auch die Medizinstudierenden: Das ist sozialpolitischer Unfug, der da gemacht wird.
Familienpolitisch ist dieser Gesetzentwurf ein Armutszeug nis. Sie haben in den Entwurf eine Verpflichtung zur zehnjäh rigen Vollzeittätigkeit hineingeschrieben. 70 % der Medizin studierenden sind weiblich. Wir wissen, dass die Entwicklung im Zuge der Vereinbarkeit von Familie und Beruf eben nicht nur die Vollzeittätigkeit vorsieht.
und über das Familienbild dieser Landesregierung. Eine zehn jährige Verpflichtung zur Vollzeittätigkeit zeichnet, glaube ich, ein Familienbild, das wir nicht vermitteln sollten.
Deswegen appelliere ich an die Landesregierung: Fassen Sie sich hier ein Herz und ändern diesen Teil. Denn es kann nicht das Ziel sein, dass wir einerseits die Vereinbarkeit von Fami lie und Beruf fördern, und dann legen Sie andererseits ein Ge setz vor, das zu einer zehnjährigen Vollzeittätigkeit verpflich tet. Da hätte ich gedacht, dass die Landesregierung im 21. Jahrhundert weiter ist.
Meine Damen und Her ren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Aussprache zu Tagesordnungspunkt 11 beendet.
Ich schlage Ihnen vor, den Gesetzentwurf der Landesregie rung, Drucksache 16/9492, zur weiteren Beratung an den Aus schuss für Soziales und Integration zu überweisen. – Dage gen erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.
Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zur Ausführung des Sozialdienstleister-Einsatzgeset zes (SodEG-Ausführungsgesetz – SodEG-AG) – Drucksa che 16/9493
Werte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit diesem Gesetzesvorhaben schaffen wir die landesrechtlichen Bestimmungen zur Umsetzung des Sozialdienstleister-Ein satzgesetzes, kurz SodEG genannt.
Bestimmt werden hier insbesondere die landesrechtlich zu ständigen Leistungsträger für die Umsetzung des SodEG. Da bei ist Folgendes wichtig: Es wird keine neue Vertragsbezie hung geschaffen, sondern an die bereits bestehenden Rechts verhältnisse angeknüpft. Wer also bisher für die Leistungsge währung zuständig war, ist auch jetzt zuständig für die Siche rung seiner Partner, seiner sozialen Dienstleister.
Das Ziel des Sozialdienstleister-Einsatzgesetzes, SodEG, ist, soziale Dienstleister vor einer Existenzbedrohung durch co ronabedingte Leistungsbeeinträchtigungen zu sichern und da mit einer Insolvenz vorzubeugen. Soziale Dienstleister in Ba den-Württemberg können einen Zuschuss von bis zu 75 % der im Monatsdurchschnitt des zurückliegenden Jahres gezahlten Vergütungen bekommen.
Es geht dabei nicht – das darf man nicht verwechseln – um den Ausgleich von coronabedingten Mehraufwendungen. Denn diese fallen regelmäßig bei denjenigen sozialen Dienst leistern an, deren Leistungsangebot durch Corona nicht bzw. wenig eingeschränkt wurde. Diese Dienstleister konnten ih ren Betrieb fortführen und haben oft sogar mehr Menschen betreut bzw. versorgt.
Ein weiterer Schwerpunkt ist: Die sozialen Dienstleister kön nen zur Bewältigung der Pandemie beitragen. Sie können Ka pazitäten, die coronabedingt nicht in gewohnter Form genutzt werden können, ihren Vertragspartnern zur Verfügung stellen. Diese Kapazitäten können somit weiterhin der Gemeinschaft zugutekommen. Dadurch verfolgt man gemeinsam das Ziel, dass die sozialen Dienstleister nach der Pandemie Betreuung, Pflege und Versorgung der leistungsberechtigten Personen wieder in gewohnter Form übernehmen.
Das SodEG ermöglicht eine Existenzsicherung der wichtigen Leistungen der sozialen Dienstleister. Dafür wird nun im SodEG-Ausführungsgesetz die gesetzliche Zuständigkeit be stimmt. Ich bitte um Ihre Zustimmung.
Meine Damen und Her ren, für die Aussprache hat das Präsidium eine Redezeit von drei Minuten je Fraktion festgelegt.
Herzlichen Dank. – Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit der Bera tung des SodEG debattieren wir die Umsetzung eines Bun desgesetzes, dessen Zielsetzung sehr zu begrüßen ist. Zur Ab wendung einer Insolvenz – nur darum geht es übrigens – wer den den sozialen Dienstleistern maximal 75 % des Referenz umsatzes gewährt.
Dabei wird davon ausgegangen, dass es bei den Antragstel lenden in der Regel Kostenminderungen um 25 % u. a. durch Kurzarbeit, Homeoffice und geringere Sachkosten gibt, wenn der Betrieb einer sozialen Einrichtung teilweise oder vollstän dig eingestellt werden muss oder musste.
Das Gesetz ist relativ aufwendig. Das zeigen auch die Erfah rungen mit dem Gesetz in anderen Bundesländern. Der Mi
nister hat schon gesagt: Nicht abgedeckt vom SodEG sind auch coronabedingte Mehrausgaben bei den sozialen Dienst leistern, obwohl dies häufig ein Auslöser für Probleme ist. Da rüber sind wir in der Koalition auch – jetzt abseits des heuti gen Tagesordnungspunkts; das kann ich an dieser Stelle aber sagen – in einem guten und konstruktiven Gespräch. Und wie Sie mich kennen, mache ich selten Ankündigungen, die kei ne Substanz haben.
Wir, das Land, haben die sozialen Einrichtungen auch bisher in vielfältiger Weise unterstützt, sodass ich davon ausgehe, dass das SodEG bei uns vor allem eine komplementäre Funk tion haben wird. So haben wir z. B. ein Programm für gemein nützige Vereine umgesetzt.
Wichtiger noch: Die kommunalen Kostenträger haben in der Regel – manche im Nachgang – die Entgelte vollständig wei terbezahlt, um die Strukturen aufrechtzuerhalten und weil in vielen Fällen die Leistungen coronabedingt immerhin in ge ringerem Umfang oder anders erbracht wurden, z. B. digital.
Ein wesentlicher Grund, warum das SodEG bei uns weniger zentral ist, ist der vorbildliche Pakt des Landes mit den Kom munen. Denn dadurch wurden diese ertüchtigt, ihrer Verant wortung für die Daseinsfürsorge und die Daseinsvorsorge bei den Pflichtleistungen und auch bei den freiwilligen Leistun gen in vollem Umfang gerecht zu werden.