Protocol of the Session on December 2, 2020

Frau Präsident, sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren, Sonstige A bis Z! Die Grünen kommen mal wieder als die offenkundigste Ma nifestation orwellscher Wortverdrehungen und Wortklitterei en daher, mit ihren Spiegelfechtereien und ihrem Lug und Be trug, wenn sie von „Starke Kinder – chancenreich. BadenWürttemberg macht sich für Kinder und Jugendliche stark“ schwadronieren – die Partei, deren Brutstätte in „Black Lives Matter“ liegt, in „Cancel Culture“, in Fridays for Future, die sich zum Programm gemacht hat, Ehe und Familie zu zer schlagen, die sich zur Programmatik gemacht hat, sogenann te Kinderrechte einzufordern. Das klingt schön, bringt aber letztlich nur mit sich, dass der Staat, dem Sie ja huldigen, und das Kollektiv, dem Sie huldigen, und der Zwang, dem Sie hul digen, möglichst auch auf familiäre Strukturen durchgreifen können – die Partei, die letztlich geprägt ist von Menschen feindlichkeit, von einem bösartigen Sadismus, wie sich auch jetzt an der ganzen Politik um Corona herum zeigt.

Wenn Sie es wirklich ernst meinten mit einer Stärkung der Kinder, dann würden Sie sich von den Familien zurückziehen. Wenn Sie es wirklich ernst meinten, dann würden Sie jetzt, in der aktuellen Situation, endlich dafür sorgen, diese irrsinni gen, paranoiden Coronamaßnahmen, insbesondere diesen Zwang, die Unterwerfungsgeste einer nichtsnutzigen Maske, die letzt lich quälend für die Kinder ist, zurückzunehmen. Stattdessen finden Sie es total toll, wenn Lehrer und Rektoren die Kinder zwingen, so etwas aufzusetzen, obwohl es ihnen schadet; und dann rühmen Sie noch Rektoren, die Kollabiertische an den

Fenstern aufstellen, wenn Kinder, die es nicht aushalten kön nen, letztlich kollabieren.

(Zuruf)

Oder Sie finden es gut, wenn vollgekotzte Stofflappen vom Lehrer ausgewaschen werden und die Kinder diese dann wie der aufsetzen müssen. Was Sie machen, ist schiere Quälerei, gegründet und fundiert durch diese tiefe Menschenfeindlich keit und den Sadismus, der Ihrer Politik letztlich die Wurzel verleiht.

Herr Abg. Dr. Fiechtner, Ihre Redezeit ist beendet.

Wenn Sie es wirklich ernst meinen, dann hören Sie mit dieser Quälerei auf! Am besten werden Sie aus den Parlamenten vertrieben, damit unser Volk wieder aufatmen kann.

Vielen Dank.

(Vereinzelt Beifall – Unruhe)

Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Lucha das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kolle gen! Herzlichen Dank an die Fraktion GRÜNE, dass sie die ses Thema für die heutige Sitzung angemeldet hat. Ja: „Star ke Kinder – chancenreich. Baden-Württemberg macht sich für Kinder und Jugendliche stark“.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es war eine der großen Leis tungen in der vergangenen Legislaturperiode, dass wir ge meinsam den Ersten Armuts- und Reichtumsbericht für Ba den-Württemberg erstellt haben. Da haben wir sehr genau hin gesehen und sehr fundiert analysiert, was ursächlich dafür ist, dass Menschen in eine prekäre Lage geraten, und was wir da für tun müssen, dass diese prekären Lagen überwunden wer den. Eine Erkenntnis ist, dass in Baden-Württemberg nach wie vor jedes fünfte Kind temporär in eine armutsgefährdende Si tuation gerät oder geraten kann. Die Situation muss nicht dau erhaft so sein, aber man kann in eine solche Situation geraten. In der Gesamtbevölkerung ist der Anteil der Gefährdeten üb rigens mit 15,6 % geringer. Daran sehen Sie auch, dass die Abhängigkeit von Kindern von der Lage der Eltern ein Nach teil sein kann, wenn Eigenständigkeit in der Bewertung ihrer Bedarfe nicht berücksichtigt ist.

Meine Damen und Herren, das darf nicht sein. Ich glaube, wir sind uns einig: Kinder sind keine kleinen Erwachsenen. Es darf nicht sein, dass Kinder dadurch Chancennachteile haben, dass sie in einer bestimmten sozialen Lage sind, für die sie selbst erst mal nichts können. Sie haben richtigerweise fest gestellt: Kinder sind unsere Zukunft, sie sind das Wertvolls te, was wir haben. Jeder hat ein Recht auf Kindheit, auf un versehrtes Aufwachsen, und jeder soll die Chance haben, ei ne starke, resiliente Persönlichkeit zu werden.

(Beifall)

Leider sind wir in diesem Jahr stark durch Corona beeinträch tigt. Denn Baden-Württemberg hat in diesem Jahr zwei wich tige Vorsitze von Bundesministerkonferenzen inne, nämlich

bei der Jugend- und Familienministerkonferenz und bei der Arbeits- und Sozialministerkonferenz. Wir wollten mit der Austragung in Mannheim bzw. Pforzheim dokumentieren, wie aktiv unsere Regionen und Städte bei der Gestaltung des so zialen Zusammenlebens sind. Das war uns in dieser Weise nicht ganz gegönnt. Aber es war uns schon gegönnt, bei der Ausübung der beiden Vorsitze Eckpfeiler zu setzen.

Ja, liebe Kollegin Wölfle, es ist ein großer politischer Erfolg – Sie selbst sind ja dankenswerterweise schon länger in Ihren entsprechenden Gremien beteiligt und aktiv –, dass wir in die ser Arbeits- und Sozialministerkonferenz in einem 15:1-Be schluss für eine eigenständige Kindergrundsicherung, die den Namen auch verdient, gestimmt haben. Die Triebfedern, die Träger des entsprechenden Antrags und der beiden zugrunde liegenden Gutachten waren das grün-schwarz regierte BadenWürttemberg, das rot-schwarz regierte Niedersachsen und das von CDU und FDP regierte Nordrhein-Westfalen. Diese drei Länder haben stellvertretend für alle demokratischen Kräfte, die eine sozialpolitische Verantwortungskultur in ihrer Partei philosophie tragen, die Verantwortung übernommen. Ich glau be, es ist ein großer Erfolg, dass alle Punkte, die Kinder in ih rem selbstständigen Aufwachsen bestätigen und bestärken, umgesetzt werden.

(Beifall)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Armut ist mehr als finanzi eller Mangel. Sie kennen die unselige Entwicklung nach dem Prinzip der kommunizierenden Röhren: Habe ich einen ma teriellen Nachteil, dann habe ich geringere Chancen auf ge sellschaftliche Teilhabe in allen Bereichen. Habe ich geringe re Chancen auf gesellschaftliche Teilhabe in allen Bereichen, dann habe ich einen reduzierten Zugang zu den Möglichkei ten, mich selbst wieder stärker zu emanzipieren, selbst Hilfe zur Selbsthilfe zu praktizieren. Das müssen wir erkennen. Ich denke, das haben wir gerade in diesem Schwerpunktjahr auch getan.

Ich bin wirklich schon auch traurig über die Einschränkun gen. Sie wissen – einige von Ihnen haben uns ja begleitet –: Die beiden letzten wirklich öffentlichen Veranstaltungen, die wir noch machen konnten, waren zum einen die Eröffnungs veranstaltung zum Schwerpunktjahr, wo wir die Präventions netzwerke und andere Maßnahmen mit den Trägern der Wohl fahrtspflege – auch ihre Verbände sind ja sehr engagiert dabei – präsentierten, sowie die Veranstaltung, auf der wir den sehr bemerkenswerten – Kollege Wolf – Bericht der Kinderschutz kommission vorgestellt haben, der viele Empfehlungen enthält, die im Übrigen auch aufseiten der Juristen schon mit umge setzt werden. Ich komme noch darauf.

Eines ist klar: Sie wissen, dass Armut und soziale Schieflagen auch vererbt werden, dass eine Alimentierungskultur vererbt wird. Genau da fängt doch unsere Verantwortung als Staaten gemeinschaft, als Gesellschaft, als politische Gemeinschaft an. Da, wo aus sich heraus auch Familien, Familienverbünde jedweder Art sich selbst nicht mehr diese Hilfe zur Selbsthil fe leisten können, müssen wir die Infrastruktur schaffen, müs sen wir begleiten.

Das haben wir getan mit Präventionsnetzwerken, Plattformen, materieller Unterstützung, und das tun wir natürlich – Kolle gin Eisenmann – auch, indem wir ganz bewusst jetzt die Schu

len und die Kindertagesstätten offen gelassen haben. Wir sor gen also auch mit unserem Verordnungsweg dafür, dass die ser wichtige Bereich – Kollege Poreski und andere haben da rauf hingewiesen – für die gesellschaftliche Chance, aus sei nem Leben selbst etwas zu machen – – Das ist doch genau un sere Aufgabe.

Natürlich, Herr Kollege Burger: Niemand will den uniformen Menschen. Aber wir wollen, dass jeder dieselben Chancen hat, aus sich das zu machen, was in ihm steckt. Es darf nicht sein, dass sich Talente, weil sich jemand beispielsweise in einer un günstigen Konstellation sozialisiert, nicht entfalten können.

(Beifall)

Das ist, glaube ich, der wichtigste Punkt an unserem Ansatz – der eben nicht lautet: „Der starke Staat weiß, was für das ar me Sünderlein Bürger gut ist.“ Wir schauen vielmehr hin: Wo sind die Notlagen der Kinder und Jugendlichen, und was müs sen wir dafür tun, damit sie sich aus diesen Notlagen befrei en und dauerhaft selbstständig leben können? Ob mit oder oh ne Unterstützung, ist dabei nicht wesentlich – aber selbststän dig und selbstbestimmt. Das gilt für Menschen mit Behinde rungen genauso wie für Menschen mit Migrationsgeschichte.

Ich glaube, mit den Projekten, die wir jetzt gemacht haben – die ganz aktuellen haben wir heute veröffentlichen dürfen: in den Stadtkreisen Heilbronn, Pforzheim, in den Landkreisen Ravensburg, Rems-Murr, Konstanz, Tübingen, Esslingen, in Karlsruhe –, haben wir einen weiteren Aufschlag gemacht.

Die Kolleginnen aus dem Sozialausschuss kennen die Maß gabe, dass wir zur Grundversorgung in dieser Gesellschaft Präventionsnetzwerke in allen Stadt- und Landkreisen als po litisches Ziel definieren. Ich weiß da die Grünen auf unserer Seite. Wir haben ja demnächst auch Wahlen. Ich glaube, das wird dann für diejenigen, die Koalitionen verhandeln, ein wichtiger Bestandteil sein.

(Beifall)

Wir haben in diesem Monat die Förderung begonnen. Sie wird zwei Jahre dauern. Es geht tatsächlich um die Themen Ge sundheit – Sie kennen unser Programm; Zugang zu gesund heitlichen Leistungen –, Ottawa-Konvention, Familienbil dung, Sprachstärkung, „Zugang zu Bildung“, aber natürlich auch Wohnen. Außerdem unterstützen die Netzwerke regel mäßige moderierte Vernetzungstreffen, um zu lernen: Wie ge hen wir mit einzelnen Schieflagen um?

Ja, und wir haben es tatsächlich geschafft – ganz nach dem Motto des afrikanischen Sprichworts „Es bedarf eines ganzen Dorfes, um ein Kind zu erziehen“ –, dass wir Netzwerke von Akteurinnen und Akteuren aus der Jugendhilfe, aus den Schu len, aus den Verbänden, aus den Betroffeneninitiativen ge gründet haben und eine Onlineplattform geschaffen haben. 1 000 unterschiedliche Personen nutzen diese Plattform, und – Herr Burger, es ist schön, dass Sie es sich angeschaut haben – Kinder nutzen sie direkt, und wir können ganz unmittelbar die Sicht der Betroffenen selbst wahrnehmen, ihre Bedarfe, ihre Sorgen, aber auch ihre Vorschläge als Experten in eige ner Sache. Ich glaube, das ist ja unser Grundverständnis.

Auch die Familienforschung im Statistischen Landesamt – – Kollegin Sitzmann hat in unserem Auftrag zwei digitale Work

shops mit Jugendlichen aus Lörrach und Stuttgart durchge führt, die sich bei UNICEF engagieren.

Wir haben die Bevölkerung in Baden-Württemberg über die se Plattform informiert und befragt, wie man die Teilhabe chancen von Kindern und Jugendlichen aus ihrer Sicht stär ken könnte. Wir werden das alles im nächsten Jahr im Bericht veröffentlichen.

Wir haben mit dieser Strategie bis zum Ende des Jahres 50 Projekte gegen Kinderarmut initiiert und insgesamt doch die Summe von 2 Millionen € – Stand heute; die neuen Zahlen folgen – zur Verfügung gestellt. Das ist eine sehr große Leis tung. Vorher gab es für diese Maßnahmen nichts.

Frau Wölfle hat so nonchalant gesagt, man habe bei der Schul sozialarbeit gekürzt. Ich glaube, Sie müssen in Mathe noch einmal in die Nachhilfe gehen. Im Jahr 2012 waren für Schul sozialarbeit 15 Millionen € etatisiert, im Jahr 2020 waren es 30 Millionen €. Wie man da auf eine Kürzung kommen kann, frage ich mich.

(Beifall – Unruhe)

Lassen Sie mich noch wenige Sätze zu den Auswirkungen der Coronapandemie auf die Kinder und Jugendlichen in BadenWürttemberg sagen. Ich glaube, wir bedanken uns zuallererst bei allen Kindern und Jugendlichen dafür, dass sie sich ver antwortungsvoll verhalten. Herr Kollege Poreski als alter Ju gendsozialarbeiter weiß, dass Kindheit und Adoleszenz in un serer Soziologie der Jugend natürlich bedeutend sind und dass diese Einschränkungen sehr große Opfer der Betroffenen er fordern.

Aber eines ist klar: Die Bedürfnisse und Rechte von Kindern und Jugendlichen reduzieren wir nicht nur darauf, dass der Besuch einer Kindertagesstätte oder Schule angeboten wird. Das geht deutlich weiter, nicht nur hinsichtlich der Frage von Kinderrechten im Grundgesetz, sondern es geht tatsächlich auch um den Zugang zur Jugendarbeit, zur offenen Jugend- und Bildungsarbeit.

Wir haben in diesem Sommer, der ja schwierig war, gemein sam die Verbände unterstützt, trotzdem Jugendfreizeitaktivi täten unter klar definierten Vorgaben durchzuführen. Ich glau be, gerade im „Zukunftsplan Jugend“ haben wir noch einmal sehr viele Punkte nominiert, mit denen wir Kinder und Ju gendliche stärken. Wir haben alle Verordnungen gemeinsam mit den Betroffenen immer wieder daraufhin durchforstet, dass sie kinder- und jugendgerecht sind.

Die außerschulische Jugendbildung als gleichberechtigter Teil im Bildungssystem wird von uns auch jetzt, in der Pande mielage, im Zugang offen gehalten. Reine Freizeitaktivitäten unterliegen derzeit der Logik der Nichtteilnahme, aber alles, was Bildungscharakter hat – auch die Schulung der Jugend leiterinnen und Jugendleiter –, wird aufrechterhalten. Auch das ist ein klares Zeichen.

(Beifall)

Wir haben, Stand heute, zur Soforthilfe für Kinder und Ju gendliche den Kommunen, Vereinen und Initiativen noch ein mal 150 000 € zur Verfügung gestellt, getreu unserem Maß stab, dass wir jetzt kein Kind verlieren wollen und dass wir

genau jene im Fokus haben, die zu Hause vielleicht tatsäch lich nicht die erforderliche Unterstützung und Fürsorge erhal ten – aus welchen Gründen auch immer; da haben wir nicht zu werten.

Mit der Schule, den Bildungseinrichtungen, unseren Jugend hilfeeinrichtungen, mit der staatlichen wie der gesellschaft lich-wohlfahrtsorientierten Jugendhilfe haben wir viel Unter stützung. Unsere Partner in der Jugendarbeit fordern wir auf, Kontakte zu halten. Da gibt es auch sehr viele Initiativen. Ich hatte gestern einen „Hackathon“ mit der PARITÄT. Es gibt viele, auch digitale Formate, mit denen wir an Kinder und Ju gendliche herankommen und sie auch noch einmal im kriti schen Umgang mit digitalen Medien schulen.

Ganz zum Schluss: Eine der größten Herausforderungen – si cher auf den traurigsten Anlass zurückgehend, den wir in die sem Ressort hatten – war die Einsetzung der Kinderschutz kommission. Sie erinnern sich noch, Kollegin Wölfle, dass wir gerade dabei waren, den Fall Alessio zu verarbeiten und mit dem KVJS und der kommunalen Familie Kinderschutz richtlinien zu etablieren und zu verfestigen. Dann hatten wir den Fall Staufen.

Ich glaube, so, wie wir gemeinsam – – Da darf ich mich bei Ihnen allen, liebe Kolleginnen und Kollegen, bedanken. Sie haben diese Kinderschutzkommission parlamentarisch wirk lich gut und klar begleitet, mit klaren Fragestellungen, mit Hinweisen, mit Aufarbeitung. Der Bericht zeigt – Kollege Wolf –, dass Sie schon vielfach tätig geworden sind: beim Se xualstrafregister, dabei, dass wir bei der Fortbildung von Rich terinnen und Richtern nach vorn kommen, dass wir jetzt eine Umsetzungskommission für die Kinder- und Jugendsozialar beit eingerichtet haben, dass wir in allen Ressorts, in denen die Rechte und Belange von Kindern und Jugendlichen The ma sind – Innenministerium, Justizministerium, Bildungsmi nisterium, Sozialministerium –, diese ganz eng im Blick ha ben. Es sind, glaube ich, sehr viele über ihren Schatten ge sprungen. Denn es kann nicht sein, dass Gewalt, sexualisier te Gewalt das Leben von jungen Menschen zerstört.

Da haben wir mit dem Ergebnis, auch mit der Verantwortung, auch der selbstkritischen Verantwortung etwas aus dem Dun kelfeld ins Hellfeld gezogen.

Meine Damen und Herren, das müssen wir jeden Tag machen. Kinder und Jugendliche haben unseren besonderen Schutz verdient. Sie sind der Augapfel der Demokratie.

Herzlichen Dank.

(Beifall)