Protocol of the Session on November 11, 2020

Denn wie sieht die Realität in Baden-Württemberg aus, im Land des Ehrenamts? Ich denke an die vielen Vereine, die ih re Haupteinnahmen aus Veranstaltungen bestreiten und die auch für die nächsten Monate durch viele Raster der Hilfspro gramme fallen werden. Die Vereine fragen sich, wie sie ihre Angebote künftig finanzieren sollen. Ich denke an die vielen Vereine, die ihr Sport-, Musik- und Kulturangebot unter Hy gienebedingungen seit dem Sommer ermöglicht haben und nun durch den wiederholten Lockdown alles einstellen muss ten. Ihre Aussichten sind für sie ungewiss.

Ich denke aber auch an komplizierte Rechtsmaterien, die Da tenschutz-Grundverordnung oder Neuregelungen bei der Steu ererklärung, mit denen sich die Schriftführerin der Narren zunft, der Kassierer des Kulturvereins oder die vielen Vereins vorstände herumschlagen müssen; auch deshalb finden sie oft keine Nachfolger.

Die Realität in unserem Land ist, dass nicht nur die Pandemie, sondern auch unnötige Bürokratie genau diejenigen Menschen belastet, die etwas auf die Beine stellen wollen.

(Beifall)

Ehrenamtliche versammeln sich hinter einem gemeinsamen Anliegen und bringen ihre Schaffenskraft für etwas ein. Sie sorgen dafür, dass das gesellschaftliche Leben in unseren Städten und Dörfern pulsiert. Für uns Freie Demokraten ist es deshalb an der Zeit, dass den Hoheliedern auf das Ehrenamt endlich auch politische Taten folgen, um das Ehrenamt auch über die Zeit der Pandemie hinaus zu stärken.

Konkret fordern wir Freien Demokraten von der Landesregie rung:

Erstens: Beim Sport muss die zugesagte Verlängerung der Hil fen in verbindliche Form gegossen werden.

Zweitens: In der Coronazeit ist kaum jemand in einen Verein eingetreten, aber Austritte gab es sicherlich zu verzeichnen. Darum brauchen wir jetzt eine große Kampagne für die viel fältigen Vereine in unserem Land, um für Vereinseintritte zu werben.

Drittens: Der veranlasste Shutdown muss im Bereich des Eh renamts auch auf seine Verhältnismäßigkeit hin überprüft wer den. Denn hier sind viele Bereiche ganz offensichtlich keine Infektionsschwerpunkte. Ein Beispiel: Dass körperliche Be wegung gerade in der jetzigen Zeit wichtig ist, dürfte kaum jemand bezweifeln. Wir treten deshalb für ein differenziertes Konzept ein, das Freizeit- und Amateursport vor allem auch für Kinder und Jugendliche unter klaren Hygienevorgaben wieder ermöglicht.

Warum, Frau Ministerin Eisenmann, erlauben Sie Sport im Freien nicht auch in festen Gruppen, wie dies beispielsweise in Berlin für Kinder bis zu zwölf Jahren möglich ist?

(Beifall)

Oder: In Tennishallen mit mehreren Plätzen dürfen sich nur zwei Personen aufhalten. Ein ähnliches Problem gibt es im Reitsport. Prüfen Sie bitte Nachbesserungen.

(Vereinzelt Beifall)

Viertens: Vielen kulturschaffenden Vereinen halfen die Mittel aus den Hilfsprogrammen wenig, da die Antragstellungen häu fig zu viel Zeit und Energie banden und abschlägige Förder entscheidungen sowie die fehlende Transparenz des Verfah rens naturgemäß für Unmut sorgten.

Wir fordern: Auch für die Kulturschaffenden müssen die Hil fen verlängert werden. Denn der Topf aus dem Programm „Kunst trotz Abstand“ ist nun leer, und mehr als zwei Drittel der Antragsteller sind leer ausgegangen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wir brauchen deutlich mehr politisches Enga gement von dieser Landesregierung, damit Bürokratie abge baut wird und steuerliche Freigrenzen erhöht werden.

Der Normenkontrollrat hat dieser grün-schwarzen Landesre gierung im Dezember 2019 sage und schreibe 49 konkrete Vorschläge unterbreitet, um das Ehrenamt durch Bürokratie abbau zu stärken. Wir Freien Demokraten möchten heute von der Landesregierung wissen, was aus diesen Vorschlägen ge worden ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der gesellschaftliche Zu sammenhalt hängt wesentlich am Engagement Ehrenamtli

cher. Wir dürfen diese Menschen aber nicht länger mit Sonn tagsreden und Lobeshymnen abspeisen, sondern wir müssen gerade jetzt, in Pandemiezeiten, konkrete politische Taten fol gen lassen, damit diese Menschen ihren eigentlichen Anlie gen nachkommen können und somit auch dringend gesuchtes Führungspersonal finden können. Genau zu solchen konkre ten politischen Taten fordern wir Freien Demokraten die grünschwarze Landesregierung auf.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall)

Nun erteile ich Herrn Abg. Dr. Fiechtner das Wort.

Frau Präsident, sehr verehrte Damen, sehr geehrte Herren, Sonstige A bis Z! Die einzige Hilfe, die man Vereinen und Organisationen im Zusammenhang mit der Coronapandemie entbieten kann, ist, alle coronabedingten Maßnahmen sofort einzustellen –

(Vereinzelt Beifall)

alle Maßnahmen, die unter der Flagge einer erdachten Pande mie, einer hysterisierten, über die Medien eingepeitschten Angstkampagne dazu dienen, Menschen einander zu entfrem den, Menschen gegeneinander in Feindschaft zu versetzen – und die Menschen endlich zu einem normalen Leben zurück zubringen.

(Vereinzelt Beifall)

Gerade höre ich, der „Paulaner“ in Stuttgart ist pleite – eines von vielen Lokalen hier in der Stadt. Diese Pleitewelle wird das ganze Land erfassen, und sie wird auch die Vereine erfas sen. Da sind die Maßnahmen, die Sie jetzt hier angedacht ha ben, nur ein Tropfen, eine Tarnhandlung, um von der eigent lichen Handlung abzulenken, nämlich dem Verbrechen, die Menschen gegenseitig in Feindschaft zu versetzen, die Men schen in echte existenzielle Not zu bringen, die letztlich auch Leid und ein tausendfaches Sterben in dieser Republik verur sachen wird.

(Vereinzelt Beifall)

Für die Coronamaßnahmen gibt es keine Gründe. Wenn Sie sich informierten, könnten Sie wissen, dass die Sterblichkeit mit 0,2 % im Rahmen einer normalen Grippe liegt. Sie könn ten wissen, dass die Intensivstationen nicht überlastet sind, auch wenn dies über die Medien stetig verbreitet wird. Die Zahl der Intensivbetten wird sogar abgebaut. Die Anzahl der belegten Betten ist seit Monaten konstant. Die Zahl derer, die als Covid-19-Patienten ins Krankenhaus eingeliefert werden, steigt leicht, beträgt aber allenfalls 15 % aller Patienten.

Das alles sind Mitteilungen, die Angst bei den Menschen schüren, die Angst in den Köpfen und Herzen der Menschen verankern und letztlich zu einem Auflösen unseres gesell schaftlichen Miteinanders führen.

(Beifall)

Helfen Sie, dass endlich Frieden einkehrt. Helfen Sie, dass wir endlich zu normalen Bedingungen zurückkehren. Strei

chen Sie die irrsinnigen Regularien, die Pflicht zum Tragen eines Mundschutzes, der ohnehin nichts bringt, der mehr scha det als nützt. Social Distancing führt zur Vereinsamung von Menschen, zum einsamen Krepieren von Menschen in Alters heimen. Hören Sie damit auf. Hören Sie doch endlich auf Ihr Herz. Lassen Sie es nicht zu, dass die Menschen in so unsäg lichem Leid zu Tode kommen, dass die Menschen in Verzweif lung geraten, weil sie ihre Existenz nicht mehr sichern kön nen.

(Beifall – Zuruf: Menschenverachtend! – Gegenruf des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Sie sind menschenverachtend! – Gegenruf der Abg. Dr. Christina Baum AfD: Genau! Aber wirklich! Men schenverachtend! – Gegenruf des Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Das sagt die Richtige! – Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Menschenleben in teressiert Sie keinen Meter! Sie riskieren es hemds ärmelig! – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Sie missbrauchen doch nur Opfer! – Gegenruf des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Sie schaffen Opfer, Herr Sckerl! Auf Ihr Konto werden Tausende Menschenleben gehen! – Gegenruf der Abg. Dr. Chris tina Baum AfD: Genau! Sie riskieren Menschenle ben! – Unruhe)

Ich darf Sie insgesamt um Ru he bitten. Herr Abg. Dr. Fiechtner, Sie haben Ihre Rede gehal ten. Jetzt rufe ich den nächsten Redner auf, und zwar für die Landesregierung Herrn Minister Lucha.

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Das kennt man aus der Sowjetunion! – Unruhe)

Herr Abg. Dr. Fiechtner, ich habe Sie gerade eben freund lich darauf hingewiesen: Wenn Sie am Redepult stehen, wol len Sie doch auch, dass man Ihnen zuhört.

(Zuruf des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktions los])

Es ist egal, ob Sie das tun oder nicht. Jeder und jede, der oder die hier vorn steht, hat das Recht, dass ihm oder ihr zu gehört wird.

Jetzt hat für die Landesregierung Herr Minister Lucha das Wort.

Die Überschrift von Tagesordnungspunkt 1 lautete „Leiser ist gesünder“. Ich glaube, das täte uns allen gut. Vielen Dank.

(Vereinzelt Beifall)

Herr Minister, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kolle gen! Herzlichen Dank an die CDU-Fraktion, dass sie ihren Antrag heute in das Parlament gebracht hat. Selbstverständ lich leisten – das haben Sie erwähnt – gemeinnützige Vereine und zivilgesellschaftliche Organisationen einen unermessli chen – und auch unbezahlbaren – Beitrag zum Zusammenhalt dieser Gesellschaft. Sie agieren sinnstiftend. Sie leisten kon krete Hilfe. Sie wirken nachhaltig. Sie helfen kurzfristig. Beim

Ausbruch der Pandemie haben wir das gemerkt; es gab bür gerschaftlich engagierte Nachbarschaftshilfen, die sich ehren amtlich organisiert haben. Es gibt bürgerschaftliches Engage ment, den Bereich des traditionellen Vereinswesens, wertvol le Jugendarbeit und die vorhin von mir erwähnte Nachbar schaftshilfe.

Ehrenamtliche Vereine und Organisationen unterstützen dort, wo Hilfe gebraucht wird. Sie wissen: Im Deutschen Freiwil ligensurvey nimmt Baden-Württemberg traditionell einen Spitzenplatz ein. Ich darf erwähnen, dass der damalige Refe rent im Sozialministerium, Dr. K. H., 1988 die sogenannte BE-Strategie erfunden hat; er ist heute noch in Mannheim tä tig. Sie sehen, dass das eine gute Tradition hat.

Natürlich wissen wir, dass für die Vereine – Herr Dr. Schütte, Sie haben es erwähnt – zum einen Zusatzkosten entstanden sind und zum anderen gerade die kleinen, die vielfältigen, die ganz auf dem Ehrenamt basierenden Vereine keine Einnah men erzielen konnten. Ihre Tombolas, ihre Vereinsfeste, ihre Schuhkartonaktionen, alles, was mit Fantasie möglich ist, war in großen Teilen nicht möglich. Auch Charity-Veranstaltun gen, Benefizveranstaltungen konnten natürlich tatsächlich nicht stattfinden.

Ich würde schon einmal sagen, meine Damen und Herren, dass die Landesregierung diese Organisationen nicht alleinlässt. Dafür darf ich noch einmal ein großes Dankeschön an die Haushaltskommission, an die Finanzpolitikerinnen und Fi nanzpolitiker sowie deren Vertreter sagen, dass sie in der Haushaltskommission 50 Millionen € für das umfassende Ver einsförderprogramm in den Bereichen des Ministeriums für Soziales und Integration, des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport, des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Woh nungsbau, des Ministeriums für Inneres, Digitalisierung und Migration, des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst sowie des Ministeriums für Ländlichen Raum und Ver braucherschutz bereitgestellt haben, sodass wir die Breite ab bilden können. Das war schon ein großes Wort.

Selbstverständlich, meine Damen und Herren: Wir haben auf diesen Grundlagen einen Schutzschirm aufgebaut, um mög lichst keine gemeinnützigen Vereine und keine gemeinnützi gen zivilgesellschaftlichen Organisationen im Regen stehen zu lassen.

Der Ministerrat hat im Juli beschlossen, im Fachbereich des Ministeriums für Soziales und Integration insgesamt 15 Mil lionen € bereitzustellen, um Vereine und Organisationen aus diesem Zuständigkeitsbereich mit jeweils bis zu 12 000 € zu unterstützen. Dies ist eine finanzielle Hilfe, die nicht zurück gezahlt werden muss – eben ein nicht zurückzahlbarer Zu schuss nach der Landeshaushaltsordnung für Baden-Württem berg.

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Wo kommt das Geld eigentlich her, Herr Lucha?)

Das kommt von den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern oder von aufgenommenen Schulden, die wir dann wieder ge meinsam zurückzahlen.