Protocol of the Session on October 12, 2016

FDP/DVP und CDU haben 2009 in der Landesheimbauver ordnung die Festlegung getroffen, im Neubau nur noch Ein zelzimmer vorzusehen, und es gab die Betrachtung der Über gänge. Es geht nicht darum, wie wir mit neuen Pflegeheimen umgehen – das steht nicht zur Diskussion –, sondern darum, wie man mit diesen Bestandsobjekten umgeht. Das ist nicht zu unterschätzen. Denn es ist wichtig, dass wir, der Landtag von Baden-Württemberg, all denjenigen – ich habe erzählt, wie viele Pflegeheime realisiert wurden – Verlässlichkeit bie ten, die viele Millionen investiert haben, damit es zu dieser Zahl stationärer Pflegeplätze kommen konnte. Die FDP/DVP steht für Verlässlichkeit.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Anton Baron AfD: Verlässlichkeit in der Regierungsbildung?)

Ich darf an die Hinweise der damaligen Sozialministerin, Frau Dr. Stolz, erinnern. Sie hatte in Ergänzung der Landesheim bauverordnung geschrieben:

Für alle bestehenden Einrichtungen gilt eine Übergangs frist von zehn Jahren, wobei diese Frist auf bis zu 25 Jah re

nach der ersten Inbetriebnahme und nach Generalsanierung nochmals, eventuell sogar mehrfach um diesen Zeitraum –

verlängert werden kann.

Unter diesem Aspekt müssen wir, denke ich, diese Einzelzim merverordnung auch betrachten.

Die ermessenslenkenden Richtlinien von SPD und Grünen ge hen in den Feinheiten deutlich über dieses Ziel hinaus. Des wegen ist die Verlässlichkeit, die CDU und FDP/DVP seiner zeit geregelt haben, durch die ermessenslenkenden Richtlini en gefährdet, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Die FDP/DVP-Landtagsfraktion hat in der Enquetekommis sion „Pflege“ auf diese Problematik hingewiesen. Wir haben dort ein Votum abgegeben, wir haben Handlungsempfehlun gen gegeben, damit einfach auch klar ist, auf was es bei die ser Einzelzimmerverordnung ankommt.

Ich bin Ihnen, Herr Dr. Rapp, ausdrücklich dankbar, dass Sie hier noch einmal darauf hingewiesen haben, dass man unter diesem Duktus von 2009 jetzt auch bei der Umsetzung des Koalitionsvertrags darauf achtgeben möchte.

Ich habe hier zwischen dem Kollegen Poreski und dem Kol legen Dr. Rapp durchaus Unterschiede feststellen können. Der eine hat gesagt, da ändere sich nichts, der andere hat gesagt, hier gebe es nochmals Überprüfungen. Ich kann die CDU nur bitten und auffordern, den Koalitionsvertrag von Grün-Schwarz in dem Sinn, wie es CDU und FDP/DVP damals geplant hat ten, umzusetzen.

In aller Kürze ein Wort zur Landesheimpersonalverordnung: Auch da halten wir es für sinnvoll, nochmals eine Überprü fung vorzunehmen. Ich möchte nur ein Stichwort nennen: Vie len Trägern ist unklar, warum beispielweise Heilerziehungs pfleger im Bereich von Behinderteneinrichtungen durchaus

Pflegetätigkeiten wahrnehmen dürfen, aber im Bereich der Al tenhilfe – wir haben zunehmend die Situation, dass auch vie le Menschen mit Behinderungen in die Pflege kommen – der Fachkraftstatus nicht gilt. Das ist nur ein Beispiel, anhand des sen wir aufzeigen: Auch hier macht es Sinn, nochmals in die Überprüfung zu gehen.

Zum Abschluss verweise ich darauf, dass man nur einen Blick in das letzte Monatsheft des Statistischen Landesamts werfen muss, um zu erfahren, dass die Zahl der Pflegebedürftigen in Baden-Württemberg von aktuell knapp 300 000 auf über 400 000 im Jahr 2030 und vermutlich auf 575 000 im Jahr 2050 steigen wird.

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Der Bedarf an Pflege plätzen und Pflegekräften wird massiv zunehmen. Genau das hat die FDP/DVP in den Handlungsempfehlungen zur En quetekommission angesprochen. Deswegen ist es wichtig, auch die ermessenslenkenden Richtlinien dahin gehend zu überprüfen, dass wir keine Pflegeheime im Bestand gefähr den.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Für die Landesregierung er teile ich das Wort Herrn Minister Lucha.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kolle gen! Lieber Rainer Hinderer, „Standards und Schutznormen in Heimen nicht zur Disposition stellen“, diese Aussage ist richtig, und das tut auch niemand.

Ich bedanke mich ganz herzlich für die Sorge der SPD um mein Seelenheil und möchte darstellen, um was es geht.

(Zurufe von der SPD)

Sie wissen, lieber Kollege: In den fünf Jahren, in denen wir diese Debatten geführt haben, ging die Kerndiskussion ein bisschen in die Richtung: Der sozialdemokratische Blick be inhaltet, der starke Staat wisse, was für das arme Sünderlein gut wäre, und der grüne, bürgerschaftliche Blick beinhaltet, auch Experten in eigener Sache zu sein.

(Heiterkeit – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Jetzt geht es wirklich ums Seelenheil! – Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Jetzt muss er selbst lachen!)

Ja, meine Damen und Herren, ein bisschen Freude gönne ich Ihnen.

(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Danke!)

In diesem Spannungsfeld haben wir in den letzten fünf Jah ren ein sehr gutes Wohn-, Teilhabe- und Pflegegesetz entwi ckelt und weiterentwickelt. In diesem auch sehr herausfor dernden und sehr wichtigen Spannungsfeld haben wir den Ko alitionsvertrag gemacht. In diesem Spannungsfeld haben wir auch gemeinsam wunderbare Ergebnisse der Enquetekommis sion „Pflege“ vorgelegt, zu denen in den nächsten Ausschuss

sitzungen – Sie wissen ja, das war Antrag dieses Hauses – jetzt die ersten konkretisierten Empfehlungen und Handlungsschrit te vorgelegt werden. Wir werden Ihnen ein durchaus zwei Zentimeter starkes kluges Papier als Exzerpt vorlegen. Das Wohn-, Teilhabe- und Pflegegesetz ist der Garant, um die Selbstbestimmung und Selbstständigkeit der Bewohnerinnen und Bewohner in stationären Einrichtungen zu wahren.

(Der Redner hustet. – Abg. Karl Zimmermann CDU: Pflegen Sie Ihre Stimme! – Abg. Winfried Mack CDU: Das kann jedem mal passieren!)

Danke, Herr Kollege.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Ein Obst ler wäre jetzt besser!)

Nicht um diese Uhrzeit. Als Gesundheitsminister, der auch für Suchtprävention zuständig ist, sage ich euch: Damit muss man ganz vorsichtig umgehen.

(Beifall des Abg. Daniel Rottmann AfD)

Mit der Landesheimbauverordnung und der Landespersonal verordnung wurden zeitgemäße und zukunftsorientierte Re gelungen geschaffen,

(Abg. Jochen Haußmann FDP/DVP: Teure!)

die eine humanitäre, den heutigen Anforderungen entspre chende stationäre Versorgung ermöglichen. Die Landesheim bauverordnung setzt dabei die Rahmenbedingungen zu der baulichen Gestaltung der Heime, ihrer Größe und ihren Stand orten fest.

Die Landespersonalverordnung ist am 1. Februar 2016 in Kraft getreten. Sehr viele Änderungsvorschläge aus dem An hörungsverfahren wurden dabei aufgegriffen. Insbesondere die Möglichkeit eines flexiblen Personalmixes in Abweichung vom Fachkraftquotenmodell wurde in der Praxis sehr gut auf genommen.

Das Bewohnerwohl steht im Mittelpunkt unserer Betrachtung, und an den erreichten Standards wird festgehalten. Insbeson dere die Privatheit und Würde des Einzelnen muss in statio nären Einrichtungen gewahrt bleiben. Das Heimrecht legt da zu die Mindeststandards fest. In stationären Einrichtungen als Lebensmittelpunkt wird dies vor allem mit der Einzelzimmer vorgabe der Landesheimbauverordnung umgesetzt. Auch die Regelungen zur Flexibilisierung der Fachkraftquote und zum Nachtdienst in der Landespersonalverordnung tragen dazu bei, die Würde des Einzelnen zu wahren. Änderungen, die auf ein Absinken der erreichten Standards hinauslaufen, sind nicht vorgesehen.

(Abg. Dr. Bernhard Lasotta CDU: Also hat die SPD unrecht!)

Sie hat halt auch etwas sagen müssen. Ich verstehe es ja.

(Heiterkeit – Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der CDU)

Wenn ich Sozialdemokrat wäre, würde ich bei dem grünschwarzen Koalitionsvertrag in Sachen Sozial-, Gesundheits-

und Integrationspolitik auch blass werden, weil wir zeigen, dass es gut geht und wir es gut können. Damit haben die na türlich ein Problem.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der CDU – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Bravo! – Abg. Reinhold Gall SPD: Das greift um sich, schneller als man dachte!)

Die Pflegeinfrastruktur im Land muss sich den geänderten An sprüchen der Menschen anpassen. Neben den heute mögli chen vielfältigen ambulanten

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

und teilstationären Wohn- und Versorgungsformen darf die stationäre Unterbringung nicht vernachlässigt werden. Gera de die Menschen in stationären Einrichtungen müssen auf grund ihres besonders hohen Hilfe- und Versorgungsbedarfs vor Substandards geschützt werden. Schließlich greift die sta tionäre Einrichtung als Wohnform am stärksten in die Selbst bestimmung der Bewohnerinnen und Bewohner ein.

Die langfristige Umgestaltung der Pflegeheimlandschaft ist nur durch eine gemeinsame Anstrengung aller Beteiligten möglich. Die langen Übergangsfristen von bis zu 25 Jahren zur Umsetzung der Landesheimbauverordnung sind dabei ne ben der Möglichkeit, Befreiungen zu erteilen, ein Instrument, um Härten für die Träger bei der Umsetzung zu vermeiden.

Auch wurde mit den ermessenslenkenden Richtlinien ein In strument geschaffen, das Maßstäbe und Entscheidungsmuster zur Umsetzung liefert und damit zur Problemlösung beiträgt. Die in der Landespersonalverordnung geschaffene Alternati ve zum Fachkraftquotenmodell ermöglicht es den Einrichtun gen, ihr Personal flexibel und passgenau einzusetzen.

Beide Verordnungen tragen dazu bei, die stationären Einrich tungen im Land weiterzuentwickeln und an die gestiegenen Ansprüche der Menschen im Hinblick auf Selbstbestimmung, Individualität und Privatheit anzupassen.

Ich denke, der Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen zeigt noch einmal auf, dass wir in diese Richtung gehen. Sie alle können sich noch an eine Aussage im Kricheldorff-Gutachten erinnern, wonach für die Menschen das Wiedererkennen von Häuslichkeit ein großer Anspruch ist, egal, in welcher Form und Intensität der Pflege und der Betreuung. Dies gilt es her zustellen in diesem Spannungsfeld von zum einen Verbrau cherschutz durch klare ordnungsrechtliche Rahmenbedingun gen und zum anderen auch Verbraucherschutz durch Transpa renz, durch Integration der Bürgerinnen und Bürger, durch un terschiedliche Formen, auch durch Offenheit, wie alte Men schen oder Menschen, die schwer pflegebedürftig sind, be treut werden.