Protocol of the Session on October 14, 2020

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich wünsche mir, dass wir in Baden-Württemberg so weit sind, dass mein Eingangszitat gelebte Realität wird: „Es ist normal, verschieden zu sein.“

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der Grünen, der CDU und der SPD)

Nun erteile ich Herrn Abg. Dr. Gedeon das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Systemparteien tun so, als würde jeder, der ihre Position in dieser Frage nicht teilt, die Schwulen diskriminieren. Dem ist nicht so. Es gibt noch eine

mittlere Position. Ich fühle mich in besonderer Weise legiti miert, dies darzustellen, weil ich mich in den Sechziger- und Siebzigerjahren im Rahmen meiner damaligen politischen Tä tigkeit intensiv für die Abschaffung des § 175 eingesetzt ha be.

Aber mit der gleichen Intensität wehre ich mich heute gegen das, was hier getrieben wird. Es geht nicht mehr um Diskri minierung der Schwulen; das ist ein Schwulenkult, der sich vor allem in diesem unappetitlichen Christopher Street Day manifestiert.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD – Abg. Dr. Chris tina Baum AfD: Genau so ist es!)

Es geht darum, meine Damen und Herren: Was ist die Aus nahme, was ist die Regel? Die Regel ist eben die normale Fa milie. Aber das heißt nicht, dass wir die Ausnahme automa tisch diskriminieren. Wir diskriminieren die Ausnahme nicht, wir tolerieren sie. Aber wir lassen nicht zu, dass man die Aus nahme zur Regel macht.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD – Abg. Dr. Chris tina Baum AfD: So ist es!)

Das ist der entscheidende Unterschied zwischen unseren Po sitionen. Das ist keine Diskriminierung.

Meine Damen und Herren, in diesem Sinn hat sich hier ein Emanzipationsexzess abgespielt. Wir sind von einem Extrem ins andere gekommen. Wir müssen schauen, dass wir wieder eine mittlere Position bekommen, und das bedeutet, wie es Frau Baum von der AfD auch sehr gut dargestellt hat, dass wir hier tolerant sind, aber nicht von vornherein eine Norm pro pagieren, die es über Jahrhunderte nicht gegeben hat und die auch nicht den Tatsachen entspricht.

(Beifall der Abg. Dr. Christina Baum AfD – Abg. Dr. Christina Baum AfD: Und die auch nicht der Natur entspricht!)

In diesem Sinn ist es notwendig, mit der gleichen Intensität, mit der man sich damals gegen den § 175 eingesetzt hat, heu te gegen diesen Meinungsterror, der gegen Normalsexuelle stattfindet, vorzugehen.

Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Für die Landesregierung er teile ich das Wort Herrn Minister Lucha.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich danke der Fraktion GRÜNE, dass sie heute den Aktionsplan „Für Akzeptanz & gleiche Rechte Baden-Württemberg“ zur Aktu ellen Debatte bestimmt hat.

Gerade jetzt, in dieser sehr herausragenden Zeit, in einer für uns alle schwierigen Zeit ist es wichtiger denn je, uns eines bewusst zu machen: Es sind unsere Demokratie und dieser starke gesellschaftliche Zusammenhalt, die uns durch die Kri se, die uns durch jede Krise führen. Zu dieser Demokratie ge hört – das haben Sie auf dieser Seite des Hauses auch deut

lich dargelegt – als Grundlage, als Fundament ganz klar die gesellschaftliche Vielfalt. Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen, der CDU und der SPD)

Diese Vielfalt, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist unsere Stärke, und sie ist unsere Chance, die wir immer wieder aufs Neue nutzen müssen. Vielfalt stärken, das war und ist das Ziel des Aktionsplans „Für Akzeptanz & gleiche Rechte Baden-Württemberg“. Ich glaube, für uns, die wir von Anfang an dabei waren und sind, sagen zu können: Es ist eine Erfolgsgeschichte.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, angefangen hat alles im Jahr 2011. Die grün-rote Koalition hat damals gleiche Rechte und gleiche Pflichten auch für nicht heterosexuelle Menschen auf die Agenda gesetzt. Wir hörten in den klugen Beiträgen: Es begann ein breiter Beteiligungsprozess, ein Prozess, an dem nicht nur alle Ministerien, sondern auch die Akteure in den Kommunen, in den Kirchen, in Nichtregierungsorganisatio nen und selbstverständlich in der Community selbst beteiligt waren. Sie waren damals dabei, und – das ist das Schöne; mei ne Damen und Herren, Sie haben es erwähnt – sie sind auch heute dabei, und wir sind noch mehr geworden.

Denn nur gemeinsam war es möglich, die drängendsten Pro bleme zu erkennen, konkrete, bedarfsgerechte Maßnahmen zu entwickeln und den Dialog zwischen Politik, Verwaltung und Community zu fördern, um Ausgrenzung und Diskriminie rung zu beseitigen und zu überwinden.

Das Ergebnis dieses Dialogs war ein Aktionsplan „Für Akzep tanz & gleiche Rechte Baden-Württemberg“, der 2015 in Kraft trat. Ja, es ist ein Aktionsplan für Sichtbarkeit und Vielfalt, für Offenheit, für gleiche Rechte, für Demokratie, für gleiche Chancen, für die Teilhabe aller und letztendlich für unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt – ein Plan, dessen Erfolgs ergebnis auch auf einem Dialog auf Augenhöhe beruht hat, wodurch der Erfolg erst generiert werden konnte.

Aus diesem Dialog ist schließlich auch – Sie haben es erwähnt – der Landesbeirat „Für Akzeptanz & gleiche Rechte“ entstan den, der zweimal im Jahr tagt und entscheidende Themen, die zu bearbeiten und die noch nicht gelöst sind, anspricht.

Wir haben uns dann im Koalitionsvertrag 2016 dazu bekannt, die Öffentlichkeit in Sachen Akzeptanz und gleiche Rechte noch mehr zu sensibilisieren, um Ausgrenzung und Benach teiligung strikt entgegenzuwirken.

Wir haben in den vergangenen Jahren zahlreiche Maßnahmen und Impulse umgesetzt. Ja, Sie haben die Debatten um den reformierten und neu gestalteten Aktionsplan 2014/2015 er wähnt. Von Frau Abg. Baum haben Sie vernommen, wie das wieder wissentlich um- und missinterpretiert wird – in schril len Tönen – und wie es mit Begriffen wie „Zwangssexualisie rung“ versehen wird.

(Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

Ganz im Gegenteil, wir müssen normal darüber reden: Was ist Sexualität?

(Abg. Anton Baron AfD: Wer soll im Kindergarten schon darüber diskutieren?)

Was bedeutet sie für den Menschen? Welche Ausprägung se xueller Identität gilt als normal? Das müssen wir fragen, oh ne die eine gegen die andere Form in irgendeiner Weise her abzuwürdigen.

(Beifall bei den Grünen sowie Abgeordneten der CDU, der SPD und der FDP/DVP)

Lieber Kollege Born, ich weiß noch, wie es auf dem Fußball platz war, als ich jung war. Wenn jemand falsch gespielt hat, dann hieß es: „Du schwule Sau“

(Lachen des Abg. Anton Baron AfD)

oder: „Du Spasti, du Behindi“.

(Abg. Karl Klein CDU: Was habt ihr für Ausdrücke gehabt!)

Wir müssen einfach ganz klar sagen: Allein diese Verbalinju rien zu hinterfragen, ihnen tatsächlich als Ausgangspunkt von Diskriminierung, Ausgrenzung und Herabwürdigung entge genzutreten, ist die erste Pflicht.

Ich kann Ihnen aus langjähriger beruflicher Tätigkeit in der Sozialpsychiatrie berichten, wie viele junge Menschen bei mir waren, die unterdrückt wurden, die ihre Entwicklung, ihre Identität nicht zeigen durften, die Angst vor der Familie hat ten; Herr Born und Frau Lösch haben es angesprochen. Ge nau um diese Menschen und deren unversehrte Entwicklung geht es.

Ich bedanke mich ganz herzlich bei der FDP/DVP für diesen Zielpunkt. Wir brauchen die Freiheit der Entwicklung. Wir wollen niemandem vorgeben, wie er zu sein hat. André Hel ler hat gesagt:

Denn ich will, dass es das alles gibt, was es gibt.

Ich meine, das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

Darum war und ist es so wichtig, dass wir in der Regierung Kretschmann I gemeinsam den Aktionsplan entwickelt haben, den wir später weiterentwickelt und fortgeführt haben.

Lieber Kollege Born, bei Ihrer – richtigen – Aufzählung ha ben Sie vergessen, dass es einer grünen Finanzministerin be durfte, damit diese Mittel verstetigt wurden. Sie können jetzt endlich in der mittelfristigen Finanzplanung als strukturelle Mittel eingesetzt werden. Aber es ist ja ein gutes Zusammen wirken. Das haben wir gut hinbekommen.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Daniel Born SPD: Ich wusste doch, dass Sie sie erwähnen!)

Das ist eine gute Arbeitsteilung.

(Abg. Daniel Born SPD: Ja!)

Wir brauchen da wirklich keine parteipolitische Debatte. Es geht um die Zusammenarbeit der Freiheitskräfte. Die müssen wir heute stärken.

Ja, wir haben viel erreicht. Schwule und Lesben können gleichwertig heiraten. Sie müssen nicht mehr in die Kfz-Zu lassungsstelle, sie dürfen jetzt tatsächlich in den Ratssaal.

Für mich war es auch ein erhebendes Gefühl – weil wir ihn persönlich als Partner in der Coronakrise auch gut kennenge lernt haben –, dass der Spitzensportler Thomas Hitzlsperger als Persönlichkeit des öffentlichen Lebens für sein Engage ment, für geschlechtliche Vielfalt in dieser Gesellschaft ein zustehen, in der vorletzten Woche vom Bundespräsidenten das Bundesverdienstkreuz erhalten hat. Das ist ein gutes Zeichen und eine gute Botschaft für das Land Baden-Württemberg. Ich habe auch festgestellt: Seitdem spielt der VfB besser Fußball. Da gibt es wohl einen Zusammenhang.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Heiterkeit bei der SPD)