Protocol of the Session on September 30, 2020

(Beifall bei den Grünen und der CDU)

Klar ist für uns auch: Der Staat ist nicht der bessere Unterneh mer. Eine Beteiligung des Staates – in diesem Fall des Lan des Baden-Württemberg – muss gut überlegt sein und muss nach klaren ordnungspolitischen Kriterien laufen. Die sind in dem Gesetzentwurf auch angelegt: eine klare, eigenständige Fortführungsperspektive, ein Unternehmen, das keine ander weitige Finanzierungsmöglichkeit hat und das die Gewähr bie tet, solide und umsichtig weiter zu wirtschaften. Diese Krite rien „Wie kann man in diesen Fonds aufgenommen werden, um eine Beteiligung des Landes zu bekommen?“ sind ord nungspolitisch aufgestellt und in dem Gesetzentwurf sehr gut formuliert.

Dann gibt es aber noch eine zweite Dimension: Welches sind die Konditionen, die die Unternehmen in ihrer Geschäftstä tigkeit einhalten müssen, während das Land an ihnen betei ligt ist? Dazu wird es eine Rechtsverordnung geben, die die se Anforderungen, die wir seitens der öffentlichen Hand an diese Unternehmen haben sollten, definiert. Wir haben dazu im Gesetzentwurf schon einiges vorgesehen, aber wir haben hierzu auch den Rahmen aus dem Bund.

Ich möchte deshalb aus dem Bundesgesetz zitieren. Da geht es auch darum, dass den Unternehmen insbesondere die Auf lage gemacht werden soll, dass sie zur dauerhaften Sicherung von Arbeitsplätzen beitragen. Hier gibt es wichtige Punkte: das Ziel der dauerhaften Sicherung von Arbeitsplätzen, das Ziel, dass ein Unternehmen, an dem das Land beteiligt ist, gu te Arbeitsplätze hat und nicht durch Kostendruck zu schlech ten Arbeitsbedingungen beiträgt. Unternehmen, die tatsäch lich einen Transformationsprozess eingehen und zeigen, dass sie mit Dekarbonisierung, Digitalisierung, mit den Rahmen bedingungen des Wirtschaftens der Zukunft eine dauerhafte Geschäftsperspektive haben, sollen als Ultima Ratio in diesen Fonds hineinkommen können. Dies werden wir in den weite ren Beratungen gestalten.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Das Wort hat der Kollege Claus Paal für die CDU.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach der Einbringung des Nachtragshaushalts kommt jetzt ein weiterer wichtiger Punkt. Es geht um immer hin 1 Milliarde €, und es geht – auch sehr wichtig – um den Mittelstand in unserem Land. Ich glaube, wir alle wissen, dass das der Maschinenraum unseres Landes ist, nach dem wir jetzt in dieser Krise besonders schauen müssen.

Wir diskutieren heute in erster Lesung den Beteiligungsfonds des Landes Baden-Württemberg, einen noch fehlenden Bau stein bei unseren umfassenden Maßnahmen, die helfen sollen, unsere Wirtschaft durch diese Pandemie und die dadurch aus gelöste oder doch verschärfte Krise zu bringen.

Diese Koalition hat sich zum Ziel gesetzt, wir, die CDU-Land tagsfraktion, haben uns zum Ziel gesetzt, Menschen und Un

ternehmen in Notlagen zu helfen und möglichst viele Arbeits plätze und Unternehmen durch diese Krise zu bringen. Gleich zeitig setzen wir – das haben wir heute auch besprochen – die richtigen Akzente, um in die Zukunft zu investieren. Der Nachtragshaushalt beweist dies.

Mit den Soforthilfen, den Überbrückungshilfen, der Ergän zung notwendiger Bundesprogramme, mit Krediten, Bürg schaften, Tilgungszuschüssen, Fonds helfen wir, wo immer es möglich ist.

Mit angepassten Regelungen verhindern wir eine Insolvenz welle, helfen durch Steuererleichterungen und auch durch Stundungen. Mit Programmen wie z. B. der Digitalisierungs prämie, die Sie jetzt alle kennen, und dem Programm „bw-in vest“ – davon war hier heute auch schon mehrfach die Rede –, das jetzt mit dem Nachtragshaushalt kommt, investieren wir ganz gezielt in die Zukunft dieses Landes, um noch stär ker aus dieser Krise hervorgehen zu können.

Mit dem jetzt diskutierten Beteiligungsfonds schließen wir ei ne Lücke, die das Bundesprogramm, der Wirtschaftsstabili sierungsfonds des Bundes, offengelassen hat. Genau hier ist ja unser Mittelstand tätig.

Die Rahmenbedingungen hat die Ministerin gerade genannt. Sie zeigen genau auf den Mittelstand. Die Antragsteller müs sen natürlich aus der Realwirtschaft sein, müssen für BadenWürttemberg von einer gewissen Relevanz sein. Sie müssen grundsätzlich mindestens 50 und dürfen höchstens 250 Mit arbeiterinnen und Mitarbeiter haben, und der Umsatz dort darf bei maximal 50 Millionen € liegen. Hiervon sind in Einzel fällen aber auch Ausnahmen möglich. Die Mindestbeteili gungshöhe je Gesellschaft beträgt 800 000 €.

Der Fonds richtet sich an Unternehmen, denen anderweitige Hilfen nicht zur Verfügung stehen, die aber grundsätzlich ei ne gute Zukunftsperspektive haben. Über den Fonds können verschiedene Maßnahmen getroffen werden, um sich an den Unternehmen zu beteiligen, um dort einzusteigen, um ihnen zu helfen und sie zu stabilisieren. Eine angemessene Vergü tung ist auch vorzusehen.

Insgesamt haben wir 1 Milliarde € bereitgestellt, wobei den auflaufenden Verbindlichkeiten natürlich, selbstredend, gleich wertige Vermögenspositionen – das ist für den Landeshaus halt wichtig – gegenüberstehen.

Dieser Beteiligungsfonds soll bis zum 30. Juni 2021 zur Ver fügung stehen, offen bleiben. Lassen Sie uns alles dafür tun, dass die Mittel für die Stabilisierungsmaßnahmen, nachdem sie ihren Zweck erfüllt haben, auch wieder zurückfließen. Denn das ist der Sinn dieses Fonds: Das Ziel ist Kostenneut ralität für den Landeshaushalt.

Zum Beteiligungsrat: Die Entscheidungen über die im Einzel fall notwendigen Möglichkeiten und Maßnahmen werden dort getroffen.

Weil es in der Presse schon Thema war, möchte ich auch klar sagen: Das Parlament wird selbstverständlich in der mögli chen und notwendigen Form informiert. Mein Vorschlag wä re z. B., dass man den Wirtschaftsausschuss in seinen Sitzun gen über die anstehenden Fälle informiert.

Wir werden – das gehört zur Wahrheit dazu – nicht alle Un ternehmen und auch nicht alle Arbeitsplätze retten können; dafür ist diese Krise zu tiefgreifend und zu groß, und auch die strukturellen Herausforderungen sind zu groß.

(Abg. Winfried Mack CDU: Sehr ehrlich!)

Dieser Beteiligungsfonds kann – glauben Sie es mir; als Markt wirtschaftler muss man das auch mal sagen – auch nur die Ul tima Ratio sein. Es kann nur die allerletzte Möglichkeit sein, dass ein Staat in ein Unternehmen einsteigt.

(Beifall der Abg. Nicole Razavi CDU)

Deshalb ist das Instrument gut und richtig, es muss aber wohl überlegt und dosiert angewendet werden.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Andrea Lindlohr GRÜNE)

Der Beteiligungsfonds ist richtig und wichtig. Liebe Schaffer, liebe Tüftler da draußen, lieber Mittelstand, wir sind bei euch, wir helfen euch. Wie unser Fraktionsvorsitzender immer gern sagt: Für uns ist der Mittelstand der Joker im Standortpoker.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Herr Abg. Dr. Weirauch, nun haben Sie das Wort für die SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Ich sage es mal so: Besser spät als nie. Wir konnten es kaum glauben, als in der vergangenen Wo che endlich der Gesetzentwurf der Landesregierung zur Er richtung eines Beteiligungsfonds das Licht der Welt erblickt hat. Wir können es nur erahnen, aber es muss eine schwere Geburt gewesen sein, wenn man sich vor Augen hält, dass der Ministerpräsident und die Wirtschaftsministerin in ansonsten ungewohnt trauter Einigkeit bereits vor einem halben Jahr, am 19. März, die Errichtung des Fonds angekündigt hatten.

Am Landtag hat es nicht gelegen. Wir haben bereits in der Sondersitzung im März die entsprechenden Haushaltsmittel einvernehmlich bereitgestellt. Aber aufseiten der Landesre gierung ging es nach dieser Ankündigung dann erst mal ge mächlich weiter. Auf unsere Nachfrage erklärte die Wirt schaftsministerin im April, man arbeite mit Nachdruck an dem Gesetzentwurf. Am 22. Mai wurde dann nochmals in einer Pressekonferenz gesagt, man wolle einen Beteiligungsfonds errichten. Es klang ein bisschen wie eine kaputte Schallplat te.

Jetzt, Ende September, ist es endlich so weit. Herzlichen Glückwunsch! Fast sieben Monate nach der Ankündigung ha ben wir den Gesetzentwurf auf dem Tisch liegen. Es hat aber immer noch kein einziger Euro aus dem Fonds die Unterneh men im Land erreicht. Ich sage es mal so: Vorausschauendes Krisenmanagement sieht definitiv anders aus, Frau Ministe rin.

(Abg. Daniel Born SPD: Ja!)

Zur Einordnung: Auch der Bund – das wurde bereits gesagt – hat einen Stabilisierungsfonds auf den Weg gebracht. Feder

führend war – das will ich an dieser Stelle erwähnen – das Bundesfinanzministerium. Das Gesetz wurde im Bundestag bereits am 25. März, also quasi zu Beginn des Lockdowns, mit den Stimmen der Großen Koalition beschlossen. Die Bun desregierung hat sehr schnell erkannt, dass zur Abmilderung der wirtschaftlichen Folgen der Coronapandemie eine Brand schutzmauer um die Realwirtschaft gezogen werden musste. Aber hier in Baden-Württemberg kommt die wirtschaftspoli tische Feuerwehr einfach mehr als ein halbes Jahr zu spät, zu mal es mindestens noch bis November dauern wird, bis der Fonds quasi scharfgestellt wird.

Problematisch ist – das wurde auch gerade erwähnt –, dass die staatliche Beteiligung aufgrund regulatorischer Vorschriften nur bis zum 30. Juni 2021 greift und insoweit nur einge schränkt Wirkung entfalten kann.

(Zuruf des Abg. Claus Paal CDU)

Im Ergebnis zeigt die Trödelei der Landesregierung – man muss es so sagen –, dass es eben doch einen Unterschied macht, welche politische Kraft das Land regiert. Die Landes regierung hat sich offenbar die Zeit genommen, die Unterneh men und Beschäftigte in einer solch schweren Krise nicht ha ben. Diesen Vorwurf müssen Sie sich schon gefallen lassen.

Wenn wir schon beim Verfahren sind, möchte ich auch nicht unerwähnt lassen, dass die Wirtschaftsministerin im Rahmen der obligatorischen Anhörungsverfahren zwar Wirtschafts- und Industrieverbände beteiligt hat, sie es aber offenbar nicht notwendig befunden hat, auch die Gewerkschaften daran zu beteiligen. Ist das Ihr Verständnis von Wirtschaftspolitik, die Gewerkschaften bei einem solch zentralen Gesetzentwurf in der formalen Anhörung nicht zu beteiligen? Diese Frage müs sen Sie sich gefallen lassen. Jedenfalls spricht es Bände über Ihr nicht vorhandenes Selbstverständnis als Arbeitsministerin dieses Landes.

(Beifall bei der SPD)

Um es klar zu sagen: Die SPD unterstützt jede erforderliche Anstrengung, um Wirtschaft und Industrie in dieser schweren Zeit zu unterstützen. Wir stimmen mit Ihnen auch darin über ein, dass die Eigenkapitalbasis des durch die Pandemie ge beutelten Mittelstands mittels staatlicher Beteiligung gestärkt werden muss, und zwar auch deswegen, weil dort dann spe zielle finanzielle Spielräume ermöglicht werden, die wieder um die Folgen der Pandemie in Unternehmen abmildern kön nen.

Wir werden aber in den folgenden Ausschussberatungen dar auf pochen, dass die Belange der Beschäftigten berücksich tigt werden. Hier glänzt der Entwurf durch eine einzige gro ße Leerstelle. Aus unserer Sicht muss der Landtag im Rah men der Verordnungsermächtigung deutlich zum Ausdruck bringen, dass als Voraussetzung für eine Beteiligung des Lan des die Themen Tarifgebundenheit, Mitbestimmung und Be schäftigungssicherung eine wesentlich stärkere Rolle spielen müssen.

Frau Lindlohr, Sie haben gerade erwähnt, dass dies auch den Grünen besonders wichtig ist. Dann ist aber auch klar: Es muss ins Gesetz, es muss in die Verordnungsermächtigung – § 10 Absatz 2. Sie müssen das in diesem Gesetz verankern;

darauf werden wir, die sozialdemokratische Landtagsfrakti on, pochen.

(Beifall bei der SPD)

Auch sollte sich der Landtag aus unserer Sicht klar positio nieren, ob Gewinnentnahmen, Ausschüttungen ausgeschlos sen werden sollen. Ich mache keinen Hehl daraus, dass die SPD-Fraktion ein Ausschüttungsverbot befürwortet, solange eigenkapitalstabilisierende Maßnahmen von staatlicher Seite erfolgen. Etwaige Gewinne müssen aus unserer Sicht 1 : 1 im Unternehmen reinvestiert werden, denn das stabilisiert zusätz lich den Mittelstand in Baden-Württemberg.

Abschließend möchte ich bereits ankündigen, dass wir auch darauf drängen werden – ich glaube, da sind wir uns einig –, dass die Berichtspflichten der Regierung über den Landtag stärker im Gesetz verankert oder klarer gefasst werden. Was bei den Bürgschaften, bei den Entnahmen aus der Haushalts rücklage möglich ist, sollte auch beim Beteiligungsfonds mög lich sein. Wir reden hier über einen Betrag von 1 Milliarde €. Umfassende Kontrollmöglichkeiten sind aus der Sicht der SPD daher ordnungspolitisch unabdingbar.

Kurzum: Die SPD-Fraktion wird den Beteiligungsfonds grund sätzlich mittragen. Wir betonen jedoch, dass er bezüglich der Belange von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern deutlich nachgeschärft werden muss. In diesem Sinn sind wir bereit für die Beratungen im Wirtschaftsausschuss.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)