Protocol of the Session on September 30, 2020

Jetzt ist doch die Frage: Worauf kommt es bei der Bodycam jetzt an? Geht es um den präventiven Charakter – das ist das, was vor allem Herr Kusterer in den Mittelpunkt gestellt hat –, also um den Schutz der Polizeibeamtinnen und Polizeibeam ten? Richtig; das sehen wir auch so. Der präventive Bereich ist Zuständigkeit des Landes.

Jetzt geht es aber vor allem um die Beweissicherung; und da kommen wir in Konflikt mit Artikel 13 des Grundgesetzes. Was bringt denn diese Regelung, die Sie jetzt ins Gesetz schreiben wollen, wenn sie verfassungswidrig ist und die Auf nahmen womöglich gar nicht verwendbar sind? Dann haben Sie doch mit Zitronen gehandelt und haben der Polizei ein In strument in die Hand gegeben, das am Ende nichts bringt. Auch dafür sind wir, die SPD, nicht zu haben, liebe Kollegin nen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt kommen wir zur Personenfeststellung. Herr Kollege Sckerl, Sie können diese Märchen zur Eingrenzung der Per sonenfeststellung vielleicht in Ihrer Fraktion erzählen, aber sicherlich nicht hier im Parlament. Wenn Sie wirklich an der Auffassung festhalten, dass durch diese Regelung irgendet was eingeschränkt wird, sage ich Ihnen: Das Gegenteil ist der

Fall. Sie beschließen heute als grüne Fraktion ein Gesetz, das die Ausweitung der Personenfeststellung festschreibt – woge gen Sie andernorts demonstrieren.

(Beifall bei der SPD – Vereinzelt Beifall bei der FDP/ DVP)

Denn es braucht nur eine vergleichbare Veranstaltung, bei der es ein Gefährdungsrisiko gab.

(Zuruf)

Da machen wir nicht mit. Wir haben schon jetzt das Instru ment der Personenfeststellung.

Dabei wird immer und immer wieder auch das Argument der High-Risk-Spiele angeführt – als ob das dort bisher nicht mög lich wäre! Es ist doch schon jetzt möglich. Wir erinnern uns an die Bilder aus dem Neckarstadion, als die Fans des Karls ruher Sportclubs beim letzten Heimspiel – damals durften noch Zuschauer kommen – kontrolliert worden sind, als in sehr großem Umfang Personenfeststellungen durchgeführt worden sind. Wer heute erzählt, das gehe nicht, der sieht doch die Polizeipraxis gar nicht.

Wir haben also bereits Regelungen, die funktionieren, und wir brauchen keine Ausweitung – die die Gefahr birgt, dass wir die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten Handlungen vor nehmen lassen, die auf einer verfassungswidrigen Rechts grundlage basieren.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Deshalb werden wir diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen. Denn es ist einfach, irgendetwas in ein Gesetz zu schreiben, mit dem am Ende die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten jedoch in die Schwierigkeit gebracht werden, dass dies – ein Instrument, das das Parlament ihnen an die Hand gibt! – ver fassungswidrig ist.

Es wird Klagen geben; es wird vermehrt Klagen gegen Poli zeimaßnahmen geben. Das aber wollen wir den Polizeibeam tinnen und Polizeibeamten nicht zumuten.

Grüne, CDU, SPD und wahrscheinlich in Teilen auch die FDP sind sich möglicherweise einig, dass wir die Bodycam auch in Wohnungen und Geschäftsräumen brauchen. Dann sollte doch der Deutsche Bundestag in großer Einigkeit Artikel 13 des Grundgesetzes ändern. Damit hätten wir eine ordentliche Rechtsgrundlage und bräuchten uns nicht per Landesgesetz gebung hindurchzuschlängeln.

Lassen Sie uns die Debatte darüber führen, was in einer Woh nung möglich ist und was nicht, und tun Sie nicht so, als gä be es Artikel 13 des Grundgesetzes nicht.

Insofern sehen wir mit diesem Polizeigesetz keinen Fort schritt, sondern eher eine Verunsicherung der Polizeiarbeit. Denn mit den Grundlagen, die dieses Gesetz gibt, kann die Polizei nicht viel anfangen. Stellen Sie lieber sicher, dass die Polizei von den Möglichkeiten, die wir, der Gesetzgeber, der Polizei bei der letzten Reform gegeben haben, tatsächlich Ge brauch machen kann.

Setzen Sie also erst einmal das um, bevor Sie eine weitere Re gelung treffen, die verfassungswidrig wäre und im Bereich der Personenfeststellung überhaupt nicht notwendig ist.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Für die AfD-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Rottmann das Wort.

Sehr geehrte Landtagspräsiden tin, sehr geehrte Kollegen, meine Damen und Herren! Den Verlauf der Diskussion der vergangenen Monate über das Po lizeigesetz kann man wohl ohne Übertreibung als denkwür dig bezeichnen.

Die Vorlage trägt die Handschrift der Unvereinbarkeit von Weltbild und Politik der Regierungsfraktionen GRÜNE und CDU. Wenn man sich die Entstehung anschaut, stellt man fest, dass etwas zusammenwachsen sollte, was nicht zusammen gehört.

(Zuruf)

Nicht zum ersten Mal drohte der Koalition der Zusammen bruch oder eher der Auseinanderbruch. Und was den Zeitplan angeht, so war dieser zunächst einmal so gestrickt, als sollte das Parlament davon abgehalten werden, sich mit dem Geset zeswerk näher zu befassen.

(Zuruf von den Grünen: Quatsch!)

Jede Diskussion weniger hätte der schwarz-grünen Zwangs gemeinschaft geholfen.

Da ist zum einen die Möchtegern-Bürgerrechtspartei der so genannten Grünen oder Bunten, da ist zum anderen die Möch tegern-Sicherheitspartei der „Christlich Demokratischen Uni on“; ich setze gern alle drei Worte in Anführungszeichen. Die Kluft zwischen diesen beiden Regierungsparteien hat mittler weile die Ausmaße des Grand Canyons oder – etwas näher – des Oberrheingrabens angenommen.

(Zuruf von den Grünen)

Die DNA der Grünen sind angeblich Bürgerrechte und Um weltschutz. Damit klappern sie seit eh und je durch die Wäh lerschaft. Dennoch stimmen sie zwei rechtlich nicht optima len Regelungen zu, nämlich der Bodycam in Wohnungen und der anlasslosen Kontrolle bei Versammlungen.

(Zuruf)

Diese Vorhaben würden der Polizei tatsächlich mehr Sicher heit bringen. Die Anhörung hat erbracht, dass ein Viertel der Übergriffe auf die Polizei und 30 % der Verletzungen in Woh nungen geschehen.

Allerdings enthalten die Regelungen zu viele auslegungsbe dürftige Fachbegriffe. Wo beginnt und endet z. B. ein „Zu sammenhang mit Veranstaltungen“? Was ist ein „besonderes“ Gefährdungsrisiko, also kein „einfaches“? Bezieht sich „er fahrungsgemäß“ auf die Erfahrung eines Polizisten mit drei oder mit 30 Dienstjahren?

In Stresssituationen sind diese Begriffe für den betroffenen Polizisten kaum rechtssicher anwendbar. Dieser muss näm lich schnell reagieren und kann sich nicht erst lange überle gen und juristische Gedankenspiele absolvieren, ob er bei spielsweise beim Einsatz der Bodycam gerade in den – Zitat – „Kernbereich privater Lebensgestaltung“ eindringt, in dem ein Einsatz der Kamera absolut verboten ist. Er hat auch kei ne Zeit, darüber nachzudenken, ob er mit einem Bein im Dis ziplinarverfahren steht, weil da jemand im Nachthemd durch die Bodycamaufnahme läuft. Oder ist er gar im Begriff, re pressiv tätig zu werden, obwohl er gerade von einem Mittel der Prävention Gebrauch macht? Fragen über Fragen.

Bei der Expertenanhörung wurde die ehemalige Bürgerrechts partei, die sogenannten Grünen, sogar noch von den linken Professoren rechts überholt. Diese Professoren vertraten uni sono die Meinung, dass anlasslose Kontrollen bei Ansamm lungen und Versammlungen heute auf der Grundlage der Straf prozessordnung möglich sind, nämlich dann, wenn ein Ver dacht besteht. Wir ergänzen: Die Polizei traut sich oft nicht, diese Möglichkeiten in Anspruch zu nehmen, aus Angst, im Ernstfall im Regen zu stehen, oder weil sie einen anderen Auf trag hat, der möglicherweise wichtiger ist, Herr Innenminis ter.

Darüber hinaus sind die Experten der Meinung, dass die Bo dycamregelungen – es wurde schon darauf hingewiesen – nicht mit Artikel 13 des Grundgesetzes vereinbar sind. Inter essant ist, dass die Regierung einen solchen Gesetzentwurf vorlegt, und zwar gleichgültig, in welcher Formulierung. Pro fessor Zöller aus Trier beispielsweise ist der Meinung, der Bundesgesetzgeber müsse zunächst Artikel 13 des Grundge setzes ändern – was natürlich illusorisch ist.

(Zuruf)

Und ein anderer Professor der Hochschule sagte – ich zitie re –:

Der Polizeibeamte, der diese Vorschriften anwenden muss, verdient unser Mitgefühl.

Wir, die AfD, haben dieses Mitgefühl.

(Beifall bei der AfD)

Die CDU, von den Wahlerfolgen der AfD einerseits und der Stuttgarter Gewaltnacht andererseits in die Zange genommen, möchte hingegen verhindern, dass die Wähler in Scharen die AfD wählen. Gleichzeitig will die CDU natürlich am Futter trog der Macht festhalten.

(Zuruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE)

Das angebliche neue Cleverle der Fraktion, Innenminister Strobl, sollte es richten. Vermutlich hat Merkels Kronprinz den Auftrag, die Funktionsfähigkeit von Schwarz-Grün um jeden Preis zu beweisen. Herrn Sckerl kommt dieselbe Auf gabe in der Partei der Grünen zu, um endlich im Bund mitre gieren zu können.

(Beifall bei der AfD)

Also fordert und verteidigt Herr Sckerl in seiner Arbeitswo che Eingriffe, gegen die am Wochenende potenzielle Wähler

seiner Partei demonstrieren. Interessant ist, dass Herr Sckerl vorhin vom „grünen Kollektiv“ gesprochen hat.

Ein Trauerspiel bei der ganzen Sache ist: Bei diesem Gesetz entwurf bzw. im ganzen Kontext „Innere Sicherheit“ gibt der Innenminister Positionen auf, die Kriminalität viel wirksamer bekämpfen würden als die Bodycam oder die Personenfest stellung, z. B. die Schleierfahndung an der Grenze oder der Gefährdergewahrsam.

(Beifall bei der AfD)

Ganz offensichtlich setzt der Innenminister auf die Vergess lichkeit der Wähler. Wir werden dafür sorgen, Herr Strobl, dass der Wähler das nicht vergisst.

(Beifall bei der AfD – Abg. Dr. Christina Baum AfD: Sehr gut!)